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fehlen
I. Fêhlen: 1) tr. (doch kann auch das Obj. fort-
bleiben oder im Genit. ſtehn): was man treffen wollte
oder ſollte, nicht treffen; das Ziel ver-f.: a) zunächſt
von Schützen ꝛc.: Sie konnten mit der Schleuder ein Haar
treffen, daß ſie nicht fehlten. Richter 20, 16; 2. Sam. 1, 22;
Als ich .. nach dem Jägerburſchen ſchoß .. und alle Men-
ſchen den glücklichen Zufall prieſen, der mich hatte f. laſſen.
G. 10, 212; Zog die Piſtole und ſchoß .. Leider jedoch
war gefehlt. 19, 398; Ein Schuß, der .. ihn aber fehlte.
Kohl Alp. 2, 5; Sticht nach den Bären, fehlet aber ſein.
Luther SW. 26, 259; Mit dieſem zweiten Pfeil durchſchoß
ich euch .. und euer wahrlich hätt’ ich nicht gefehlt. Sch.
538b; Der Vater trifft den Vogel ja im Flug, | er wird
nicht f. [ſchießend] auf das Herz des Kindes. 537a ꝛc.
b) ſo auch in Bezug auf andres zu Treffendes, vgl.
fehl ſchießen; Den Weg f. oder des Weges f. (Weish. 5,
6; Gellert 1, 276; Zſchokke 8, 24) = fehl gehn ꝛc. (ſ.
Fehl I., Anm. 2): Das Recht, das ihn ſtrafen ſoll, wird
ſein nicht f. Weish. 1, 8; Der fehlte nicht die Stund. Cha-
miſſo 3, 112; Er fehlte keines Wortes. König Kl. 2, 399;
Daß Sie das rechte Zimmer nur nicht f. Sch. 258a; Der
Stier, wenn er, gefehlt vom Beile, .. entſpringt. 31a;
Herr Lak, der ſchönen Beute nicht | zu f., hatte früh ſich
aufgemacht. W. 11, 136; Die Linie des Schönen nie zu f.
156 ꝛc. c) ſo nam. auch in Bezug auf das Rechte,
was man treffen ſoll = falſch, unrecht handeln, irren,
ſündigen, je nachdem es ſich um Geiſtiges oder um
Sittliches handelt: Die Prieſter können nicht irren . . .
die Weiſen nicht f. . . . und die Propheten nicht unrecht leh-
ren. Jer. 18, 18; Sie f. des Glaubens [ſind vom Glau-
ben abgewichen]. 1. Tim. 6, 21; 2, 2, 18; Wer kann
merken, wie oft er fehlet. Pſ. 19, 13; Laß mich nicht f. dei-
ner Gebote. 119, 10; 21; 118 ꝛc.; Wenn dieſes Herz ..
dir fehlt und ſich [gegen dich und ſich fehlt, ſich verſündigt,
deines und ſeines eignen Werths vergeſſend]. G. 13, 151;
Unſittlich habe ich nie gelebt, wenn auch Jugend mich f.
machte. HHerz 27; Es wäre mir übel gefehlt, wenn ich ſo-
viel brauchte. Hebel 3, 486; Ihr habt die Pflicht geſchmält |
und nach Verdienſt fehlt [6] euch, weß ihr gefehlt. V. Sh.
3, 158; Ich habe darin gefehlt, daß ich’s nicht gleich ge-
ſagt; Dieſer Fremde ſpricht gut Deutſch, nur daß er noch in
der Wortfügung zuweilen fehlt. 2) gw. unperſ.: Etwas
fehlt, ſchlägt fehl, geräth nicht, wird nicht ſo, wie man
es beabſichtigte oder wie es ſein ſollte: Daß er dein
Thun gelingen und nicht f. laſſe. Sir. 37, 19; 34, 7; Hiob 40,
28; 5. Moſ. 33, 29; Die Arbeit am Ölbaum fehlet. Hab. 4, 17;
Habak. 4, 17; Es gerathet nit Alles und es fehlt nit Alles. Gott-
helf Sch. 38; U. 2, 61; Wenn’s f. will, geb’ ich dem Schimmel
die Sporen. Hebel 3, 142; Wenn Alles fehlt [im ſchlimmſten
Fall]. 239; Es wär ein Spuck, wenn mir’s mit dieſem
Türken fehlte. Rückert Roſt. 88b; Es wird ihnen, hoff’ ich,
ihr Anſchlag f. Schaidenraißer 63a; Die Probe wird euch ge-
wiß f. Stilling 1, 32; Was dem Rieſen fehlt, kann ſeinem
Zwerg gerathen. W. 12, 187 ꝛc. Ungw. mit perſ.
Accuſ. ſt. Dat.: Beſorgt’ ich, es möchte mich irgend f.
Berlichingen 166. 3) ſo auch zuw. perſ.: Jemand fehlt
= ſein Anſchlag, oder er wird zu Schanden, er erreicht
ſeinen Zweck nicht, es mißglückt ihm, er hat Unglück:
Die mit böſen Ränken umgehn, werden f. Spr. 14, 22; 21,
6; Weish. 2, 21; Wie ich ſo ehrlich war, | hab’ ich gefehlt|
und habe Jahre lang | mich durchgequält. G. 4, 43 ꝛc.
4) Etwas fehlt (ſ. 2), der Erfolg bleibt aus, entſpricht
nicht, es trügt; oft: Es fehlt nicht, wird wirklich, trifft
ein; Es kann nicht f., iſt unausbleiblich, nothwendig ſo
(W. 15, 27): Das Wort des Herrn wird nicht f. Tob. 14,
6; Daß kein Geſicht f. und keine Weisſagung lügen wird.
Heſek. 12, 24; Vernehmt mein Wort, es fehlet nie. G. 10,
246; auch mit abhäng. Satz: Ein Truppenkorps, das
nicht fehlte, .. Schrecken zu verbreiten. Sealsfield Leg. 2, 109;
Es konnte nicht f., daß er ſich ausbildete (ſ. 5); Der junge
Prinz konnte nicht f., ſich in dieſer Schule gar bald auszubil-
den. W. ꝛc. 5) den Abſtand zu bez., um welchen Et-
was von dem zu erreichenden Ziel (ſ. 1) od. Erfolg
(4) entfernt iſt: Es fehlte Viel, Wenig, Nichts, nicht ein
Haar daran, daß ꝛc. wobei nach ,,daß“ bei vor-
aufgehnder Verneinung ein pleonaſtiſches „nicht“
(ſ. d.) ſtehn kann: Es fehlet nicht Viel [beinah], du über-
redeſt mich. Ap. 26, 28; Es fehlet nicht weit, ſie werden
mich ſteinigen. 2. Moſ. 17, 4; Wenn er meint, er hab’s voll-
endet, ſo fehlet es noch weit. Sir. 18, 6; So wird es ſchwer-
lich f. [ausbleiben 4], daß man nicht meiſtens den ehrwür-
digen Alten .. ſchände. B. 138b; Wenn ſie .. weiſe ſpricht,
ſo fehlt noch Viel, daß ſie gemeſſen handle. G. 13, 264;
Es fehlt nicht Viel, ſo ſieht man in dieſen einfachen Formen
die Menſchen. 15, 40; Es konnte niemals f. [4], daß der
Lord nicht ſeine Gründe wiederholte. 254; Es wird nicht
weit gefehlt ſein [1c: Man wird nicht ſehr irren, wenn
man Dies annimmt], ſo war Attila der Schlimmſte. Hebel
3, 354; Daß es wenig fehlte oder man hätte gegen ſie wie
gegen die Tempelherren verfahren müſſen. Möſer Ph. 4, 193;
Wenig fehlte nur, ſo wäre .. er .. allein ins Thor gerannt.
Rückert Roſt. 36b; Es fehlte Viel, daß .. das Reich reprä-
ſentiert worden wäre. Sch. 993b; Wie wenig fehlt, daß dich
nicht Herzensangſt der Sinne gar beraube. 215a; 373a; 28a ꝛc.
Auch: Weit gefehlt [entfernt], daß er mich loben ſollte,
ſchilt er mich ꝛc.; Es fehlte nur, daß ꝛc. (Echtermeyer 369 v. 16;
Immermann M. 4, 53 ꝛc.) [ſ. 6] um Etwas vollſtändig
zu machen, vgl.: Bei dem gräulichen Zuſtande .. hat noch
das Abenteuer gefehlt .. und das hätten wir doch nun erlebt.
G. 32, 98; Das fehlte noch! Sch. 202b; Lewald W. 1,
27; Mülner 5, 102; W. 11, 230 u. o. 6) zu 5:
Etwas fehlt, iſt nicht vorhanden, wird vermiſſt; Es fehlt
an Etwas (Dat. ſ. Anm.), es iſt nicht genug davon
vorhanden, der Mangel erſcheint als Hindernis in Be-
zug auf einen beſt. Zweck: Mir f. zwei Bände dieſes Werks
[ich habe ſie nicht]; Es fehlt mir an Büchern für ſolche
Arbeit [ich habe deren zu meinem Zweck nicht genug];
Es fehlt ihm die oder an Ausdauer [Jenes: er hat
keine, Dies: er hat nicht genug]: Eins fehlt Dir.
Mark. 10, 21; Es fehleten an den Knechten 19 Mann.
2. Sam. 2, 30; Sie ließen Nichts f. 1. Kön. 4, 27; Sie
ließen es an Nichts f.; Wenn ich euch auch nicht fehle, | wer-
det ihr mich immer vermiſſen. G. 3, 74; Es fehlt mir nur
an mir, um recht beglückt zu ſein. 6, 58; Deß fehlt mir die
Macht. V. Hor. 1, 269; Es fehlt mir nicht an aufwarten-
den Perſonen, aber mein alter Diener fehlt mir doch überall
[ich vermiſſe ihn] ꝛc. Vgl. auch: Die Worte f., ſie
f. nicht ſowohl [es iſt kein Mangel daran, es ſind ihrer
genug], als ſie f. [1c], d. h. ſie ſind nicht die rechten. Prutz
DMuſ. 1, 2. 7) Mir fehlt Etwas (ſ. 6), es iſt in Be-
zug auf mich nicht Alles ſo, wie es ſein ſollte; wie ich
es haben möchte, zumal auch von körperlichem Unwohl-
ſein u. von etwas geiſtig Unbehagen Erregendem, vgl.:
„Was iſt dir, daß du alſo ein Geſchrei macheſt?“ .. Ihr
habt mir meine Götter genommen und ihr fraget noch, was
mir fehle? Richt. 18, 23; „Was fehlt dir bei mir, daß du
willſt in dein Land ziehen?“ Nichts. 1. Kön. 11, 22; Wenn
du lange dich gequälet, | weiß er gleich, wo es dir fehlet
[wo es gebricht, wo das Übel, der Mißſtand ſitzt]. G.
4, 46; „Was iſt dem Mädchen? .. Was fehlt dir, Kind?“
Ein gräulich Kopfweh. W. 11, 171. Genauer in ſolchen
Antworten, wo ein beſt. Übel bez. wird: Ich habe ein
gräulich Kopfweh, wie denn die Franzoſen ſchon mit
Rückſicht auf die Antwort die Frage ſtellen: Qu’avez-
vous? Was haſt du?.
Anm. Auffallend (ſ. 6): Dem fehlt’s an Dies, Dem
fehlt’s an Das. G. 4, 45 mit Accuſ. ſt. Dat.; vermuthlich
iſt ſtatt „an“ beidemal „am“ zu leſen. Das ahd. noch nicht
vorhandne Wort iſt mhd. in den verſch. Formen failicren,
fâlieren, valen ꝛc. aus frz. faillir entlehnt, das zu lat. fallo
(vgl. falſch und nach Adelung auch fallen) gehört. Demgemäß
ſchreibt Luther noch feilen, z. B.: Daß aus ihrem Heiland ein
Feiland [ſ. Faland] iſt worden, denn ſie haben ja redlich ge-
feilet [ſich arg betrogen] ... Unſern Heiland .. und nicht ein
Feiland .. als der je noch nie keinmal gefeilet noch gelogen
hat. 5, 532a u. o.; ſ. auch Waldis Pſ. 18, 11, wo gefehlt
ſteht, als Reim auf: gefeilt ꝛc.
Zſſtzg. (vgl. II) z. B.: Áb-: Alſo auch fehlen Die
weit ab [vom Ziel]. Zinkgräf 1, 222 ꝛc. Ver-: ver-
ſtärktes fehlen: 1) mit Obj.: Mancher fiel durch Freundes-
tücke, | den die blut’ge Schlacht verfehlt. Sch. 53b; Ich
habe | das rechte Kabinet verfehlt. 260b; Den Zweck ver-f.
V. Od. 21, 155 ꝛc. 2) mit Genit. (fälſchlich als
,,ungw.“ von Weigand ſyn. Wörterb. 1, 421 bez.): Ver-
fehlet Eos wohlgewohnten Pfades dort? G. 10, 305; Ver-
fehlten ihres Zweckes. Guhrauer L. Anh. 2, 104; Der ſei-
nes Ziels verfehlt hatte. König Kl. 2, 343; Der der Wahr-
heit doch ſehr weit verfehlet. L. 6, 298; Es würde ſie ſchmer-
zen, deines Anblicks ſo zu ver-f. Gal. 2, 4; Mendelsſohn 4,
1, 75; 172; Laß mich .. meines Ziels .. nicht ver-f. Pfeffel
Po. 3, 54; Wie konntet ihr des ſchönen Winks ver-f.? Sch.
23b; Nur verfehlte der warme Vatereifer des Weges.
202b; 537b; FSchlegel Flor. 1, 4; Des rechten Zieles nicht
ver-f. Tieck 2, 97; Seines Wunſches v–d. V. Ländl. 1, 86;
Die Auslegen .. ver-f. des wahren Sinnes. W. HorBr. 1,
89 ꝛc. 3) ſelten ohne Obj.: Wer hält des Todes Arm,
daß oft ſein Pfeil verfehlt? Lichtwer 218, und als refl.:
Der wird ſich ſelten anders ver-f., als daß er .. Langeweile
macht. Gotthelf G. 228. 4) mit abhäng. Infin.:
Sein Auftreten verfehlte nicht (konnte nicht ver-f.), Aufſehn
zu erregen u. o.; ſeltner mit „daß“: Die Verſe .. ver-
fehlten nicht, daß ſie meine Neugier reizten. Rückert Mak.
1, 57 ꝛc.