Über die digitale Briefedition
Allgemeines
Der Briefwechsel von Daniel Sanders ist in der germanistischen Forschung bisher nahezu unberührt geblieben. In den vergangenen Jahrzehnten gab es immer wieder einzelne Autographen, die in Publikationen abgedruckt oder auszugsweise zitiert wurden. Die größte und gleichsam bedeutendste Publikation ist wohl von Ulrike Haß Daniel Sanders: Aufgeklärte Germanistik im 19. Jahrhundert1 von 1996.
Auch wurden Sanders’ Arbeiten, und damit einhergehend sein brieflicher Austausch, schon im späten 19. und anfänglichen 20. Jahrhundert immer wieder abgedruckt und kommentiert, aber nie zuvor wurden seine Arbeiten einer solch fachlich-philologischen Untersuchung wie bei Haß unterzogen. Das gilt nicht nur für Sanders’ allgemeine Arbeiten, sondern eben auch für einen Teil seiner brieflichen Korrespondenz.
Der Briefwechsel eröffnet eine weitere Perspektive, die teils auch recht persönlichen Einschätzungen und Motivationen von Sanders in einer gesamtkontextuellen Betrachtung darzustellen.
Erschließung der Autographen
Das Mittel der ersten Wahl ist der Verbundkatalog Kalliope. Dort lassen sich 124 Autographen in insgesamt 18 Archiven nachweisen2, die wenigsten sind jedoch an Sanders adressiert und diese sind allesamt Abschriften. Neben den Institutionen innerhalb Deutschlands, die sich nicht am Kalliope-Verbund beteiligen – und es sind nicht wenige – kommen ebenso Archive im Ausland in Betracht3. Neben der Tatsache, dass also in Deutschland etliche Einrichtungen ihre Bestände nicht, aus welchen Gründen auch immer, in Kalliope verzeichnet haben, wird die Suche nach Autographen durch die unterschiedlichsten archivarischen Systeme und Datenbanken erschwert. Aber auch diese sind nicht immer aktuell, auch größere Institutionen hadern immer noch mit der Problematik, ihre Datenbestände aus anderen, älteren Findbüchern und Bestandsübersichten zu migrieren.
Für Deutschland ist neben Kalliope der HANS-Katalog ein typisches Beispiel, im englischsprachigen Raum hingegen etwa Primo der Ex Libris Group. Unabhängig vom Land in dem sich das Archiv bzw. die Institution befindet, bedürfen die etlichen diversen Datenbanksysteme, aufgrund ihrer unterschiedlichen Zugriffsstrukturen, ganz eigene Suchstrategien.
Das „Worst-Case-Szenario“, welches auch häufiger als erwartet eintrifft, ist, dass es noch gar keine elektronische Ressource zu einem archivalischen Bestand gibt oder aber ein (noch) nicht volltextdurchsuchbares PDF-Dokument.
Für diesen Themenkomplex – der Erschließbarkeit von Archivalien in Deutschland – bedarf es eine gesondert geführte Debatte. Abschließend sei hier ein Auszug von Mario Glauerts Vortrag auf dem 71. Westfälischen Archivtag zitiert, der die aktuelle Situation wohl treffend zusammenfasst:
Bei der Diskussion um die Frage, wie man im Zeitalter der Digitalen Transformation erschließen soll, bleibt es das Wichtigste, dass Archive ihre Bestände überhaupt erschließen. Statt mit großem Aufwand umfassende Enthält-Vermerke zu formulieren, sollten wir die knappen Personal-Ressourcen besser in die Erschließung der Rückstände investieren. Und selbst eine einfache, flache oder archivfachlich unausgereifte Verzeichnung ist besser als gar keine.4
Ferner ist der private Handel mit Autographen ein breites Interessengebiet, monatliche Auktionen bieten Autographen von Alexander von Humboldt, Sigmund Freud oder Albert Einstein an – und ganz selten auch von oder an Daniel Sanders. Bisher sind fünf solcher private Bestände bekannt, in denen sich Autographen von Sanders befinden. Auch diese sind vollständig im Briefverzeichnis aufgenommen und teilweise, sofern vom Eigentümer gewünscht, digitalisiert und zur Verfügung gestellt.
Transkription gemäß DTA-Basisformat
Die Autographen in der Briefedition Daniel Sanders sind nach XML/TEI P5 gemäß dem DTA-Basisformat transkribiert und auf den Seiten des Deutschen Textarchivs verfügbar.
Das DTA-Basisformat bzw. dessen Regeln für die Transkription von Manuskripten beinhalten, dass keinerlei Normalisierungen, Auslassungen oder unkommentierte Änderungen von „fremder Hand“ – sofern nicht ausdrücklich vermerkt – vorgesehen sind5. Das bedeutet konkret, dass die Transkription in erster Linie zeichen- und zeilengetreu ist, eine stillschweigende Veränderung der Originalvorlage findet demnach nicht statt. Eine Auflösung von bspw. „Mscr.“ zu „Manuscript“ geschieht nur durch die Auszeichnung innerhalb des XMLs und durch die von der TEI empfohlenen Richtlinien.
<choice>
<abbr>Mscr.</abbr>
<expan>Manuscript</expan>
</choice>
Dies gilt für jegliche Form von externen Eingriffen, wie etwa der Korrektur von orthografischen oder grammatischen Fehlern. Diese „Eingriffe“ sind auch für Nutzerinnen und Nutzer auf der Weboberfläche optisch gekennzeichnet.
Zeichen- und zeilengetreu bedeutet also auch, dass bspw. alle Streichungen oder Hinzufügungen vom Autor in die Transkription und damit Kodierung übernommen werden – auch diese sind für Nutzerinnen und Nutzer auf der Weboberfläche erkennbar.
Es besteht weiterhin prinzipiell immer die Möglichkeit einer editorischen Anmerkung. Editorische Anmerkungen geschehen in der Regel nur bei fremdsprachlichem Material (v. a. altgriechischen Zitaten) und Literaturhinweisen. Diese Form der Kommentare sind im Fließtext durch das Symbol gekennzeichnet und anklickbar. Wenn die genannte Literatur digitalisiert zugänglich ist, so ist in der entsprechenden editorischen Anmerkung ein Link zum Digitalisat eingefügt. Dies ist besonders dann hilfreich, wenn sich der Inhalt des Briefes auf ein erwähntes Werk oder einen Zeitungsartikel bezieht. Selbiges wird auch für nur passiv erwähnte Publikationen gemacht, wenn diese sich eben aufgrund der Hinweise und zeitlichen Einordnungen anhand des Briefinhaltes (nahezu) zweifelsfrei identifizieren lassen.
Perspektivisch wird das DTABf stets entsprechend für notwendige und sinnvolle Kodierungselemente erweitert. Auch im digitalen Sanders’schen Briefwechsel begegnet man Eigenheiten, die noch nicht wohlgeformt kodiert sind – daran wird kontinuierlich gearbeitet. Neben der bereits genannten Dokumentation des DTABfs sei hier noch das Manual Encoding Correspondence6 erwähnt.
Zum Verbleib der Sanders’schen Briefe
Sanders’ persönliche sowie berufliche Korrespondenz muss ein enormer Bestand gewesen sein. Er selber scheint jedenfalls den größten Teil davon aufbewahrt zu haben. So schreibt noch 1901 sein Stiefsohn Alexander Koner-Sanders an den Gutzkow-Forscher Heinrich Hubert Houben, der um die kurzzeitige Überlassung einiger Briefe von Gutzkow an Sanders bittet, „[...] daß die sehr umfangreiche, während eines Menschenalters angewachsene Correspondenz meines Vater sich in Bündeln befindet, die zum größten Theil nach Jahrgängen, aber nicht alphabethisch nach den Autoren geordnet sind, so daß ein Ueberblick u. Auffinden einzelner Briefe zur Zeit unmöglich ist. Einige von besonders namhaften Personen, u. solche von größerer Wichtigkeit, sind von den hinterlassenen Papieren abgezweigt, u. unter diesen befinden sich die beifolg. beiden Gutzkow'schen Briefe [...]“.7
Sanders Stiefsohn Alexander Koner-Sanders, der Sohn seines früh verstorbenen Cousins Benedict Koner und seiner Ehefrau Ida Friedländer, lebt noch bis 1917. Doch einen rechtlichen Anspruch auf Sanders’ Hinterlassenschaften scheint er nicht zu haben. Sein Stiefvater hat kein Testament hinterlassen und somit ist seine Nichte, die Tochter seines Bruders, Senator Alexander Sanders, die Alleinerbin. Fräulein Johanna Sanders setzt jedoch ein Testament auf, in welchem auch die Besitztümer ihres Onkels Daniel Sanders zur Sprache kommen – vor allem das Wohnhaus in der Fürstenbergerstr. in Strelitz, das gesamte Mobiliar oder Wertgegenstände. Auch erbt sie ein beträchtliches Vermögen, das ihres Vaters und das ihres Onkels Daniel Sanders, und verfügt damit großzügig über monatliche oder jährliche Renten an Familienmitglieder oder ehemalige Hausangestellte der Familie. Über die Manuskripte, Zettelkästen, die womöglich beachtliche Bibliothek oder gar den Briefwechsel ihres Onkels – also seinem gesamten wissenschaftlichen Nachlass – verliert sie jedoch kein Wort.
Immerhin erhält ihr Cousin Alexander Koner-Sanders ein Wohnrecht auf Lebenszeit im „Sanders-Haus” in Altstrelitz. Sie gründet gleichzeitig die Daniel-Sanders-Hausstiftung. Die unteren Etagen, der parkähnliche Garten und alles was zum Grundstück gehört, werden für erholungsbedürftige Kinder, unabhängig der Konfession, kostenlos zur Verfügung gestellt. Der Anwalt der Familie, Dr. John Bonheim aus Schwerin, kümmert sich größtenteils um Angelegenheiten der Instandsetzung, hauptverantwortlich für das Stiftungsvermögen und die Verwaltung ist jedoch der Magistrat der Stadt Strelitz. Nach einem verheerenden Brand kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges ist das Anwesen nahezu völlig zerstört und der eigentliche Stiftungszweck kann nicht mehr erfüllt werden. Die Stiftung wird schließlich 1953 vom damaligen Bezirk Neubrandenburg enteignet – Stiftungskapital und Grundstück werden eingezogen.
Was in all dieser Zeit, nach Sanders’ Tod, mit seinem Nachlass passiert ist, vor allem aber, wer nach dem Tod seiner Nichte und schließlich seines Stiefsohns darüber verfügt hat, ist bis heute ungeklärt.
Doch immer wieder traten in der Vergangenheit Originalbriefe an Sanders gerichtet, ja sogar Bücher aus seiner Privatbibliothek, auf dem Auktionsmarkt8 auf – etwa von Adolf Glaßbrenner oder Eduard Prutz.
Eine größere Sammlung davon erwarb Lion Feuchtwanger in den 1950er Jahren und überließ diese bzw. seine Erben der University of Southern California. Sie beinhaltet augenscheinlich alle Antwortschreiben von Berthold Auerbach an Daniel Sanders9. Damit ist dieser Briefwechsel einer der ersten, der nach vielen Jahren wieder „zusammengeführt“ werden konnte. Die Frage nach dem „woher?“ und der damit verbundenen Provenienzforschung bleibt zum aktuellen Stand weiterhin unklar.