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verderben
Ver~dérben, intr. (ſein) und tr.: verdarb, ver-
dürbe (verdärbe); verdorben; verdirbſt, verdirbt; ver-
dirb (verderbe), als tr. auch ſchwachformig (regel-
mäßig): 1) intr. ſeine Tauglichkeit und Brauchbarkeit
ganz oder theilweiſe verlieren und einbüßen; Schaden
leiden, beſchädigt, ſchlecht werden, zu Grunde gehn:
Stählerne Werkzeuge roſten und ver-d. leicht, wenn ſie nicht
vor Feuchtigkeit geſchützt werden; Aufzubewahrende Speiſen
und Getränke müſſen vor Einwirkung der Luft geſchützt wer-
den, wenn ſie nicht ver-d. ſollen. Wir ver-d. und kommen
um. 4. Moſ. 17, 12; Im Hunger (Luk. 15, 17), vor Hun-
ger ver-d. 1. Moſ. 41, 36; Beſſer, ein Menſch ſterbe für
das Volk, als daß das ganze Volk verderbe. Joh. 11, 50;
Beſſer, daß eins deiner Glieder verderbe. Matth. 5, 29; Wer
ſich gerne in Gefahr gieb(e)t, der verderb(e)t darinnen. Sir.
3, 27; Du haſt dich meiner Seele . .. angenommen, daß ſie
nicht verdürbe. Jeſ. 38, 17 u. o.; Sie ſtarben, verdarben,
verglichen ſich. G. 22, 96; Sie hatten weder Glück noch
Stern, | ſie ſind verdorben, geſtorben. Kretzſchmer V. 1, 148
(Heine Sal. 1, 151); Priam’s großer Heldenſtamm verdirbt.
Sch. 1a; Der in Phalaris durchglühtem Stier verdärbe, |
eh’ er ꝛc. W. 3, 8; Weil ich ſchon neunmal verdorben, förcht
[fürchtet] ihr, wann ich das zehende mal verdürbe. Zinkgräf
2, 65. Ein verdorbner [bankbrüchiger] Kaufmann; Ein
verdorbner Gelehrter, Schneider ꝛc.; ein verdorbnes Genie ꝛc.,
von Solchen, die, was ſie zu werden beſtimmt waren,
nicht gehörig geworden (ſ. Anm. 1); An dir iſt ein
Schauſpieler verdorben (verloren), du hätteſt bei gehöriger
Ausbildung ein tüchtiger werden können, haſt die An-
lage dazu; Du biſt zum (als) Schauſpieler verdorben, biſt
als ſolcher unbrauchbar, taugſt nicht, haſt keine An-
lagen dazu; Erlaſſen Sie | mir eine Rolle, die ich durch-
zuführen | ſo ganz und gar verdorben [außer Stande] bin.
Sch. 261a. 2) tr. als Faktitivvon 1: machen, bewir-
ken, daß Etwas verdirbt, unbrauchbar machen; be-
ſchädigen; ruinieren, zu Grunde richten, zu Schanden
machen ꝛc.: Böſe Beiſpiele ver-d. gute Sitten. Sprchw.
(ſ. Weish. 4, 12); Wer einen Hümpler dinget, Dem wird
es verderbet. Sprüche 26, 10; Mehlthau, der die Frucht ver-
derbet. 28, 3; Die wilden Thiere haben ihn [den Weinſtock]
verderbet. Pſ. 80, 14; Wenn Jemand ſeinem Knecht in ein Auge
ſchlägt und verderbet es. 2. Moſ. 21, 26; Die Erde war
verderbet vor Gottes Augen und voll Frevels. 1, 6, 11 ff.;
Der Leib und Seele ver-d. mag in der Hölle. Matth. 10, 28
U. 0. Einem einen Anſchlag ver-d. Berlichingen 91; 103
u. v.; Ein Genie verdirbt ſich nicht ſelber, aber es kann von
Andern leicht verdorben werden. B. 456b; Dieſe Beſorgnis
verderbt mir alle Luſt an den . .. Träumen der Zukunft.
497a; Verdürbe ich junge Leute. Claudius 5, 92; Das
Waſſer verderbt ſie [die Seele] nicht. 6, 98; Der allzugroße
Abſcheu hätte uns unſer ganzes Vergnügen an dem Charakter
verderbt. Engel 1, 156; Grundverderbt. 366; 356; Welches
die Sammlung von Pflanzen ... in den Grund verdarb.
Forſter R. 108; Ihr gutes unverderbtes Herz. 243; Anſ. 1,
102; Die Gelegenheit verdirbt ſie wieder. Gervinus Sh. 2,
269; Bleib und verderb uns Alle. G. 9, 299; Verdirb uns,
wenn du darfſt. 13, 79; So iſt’s ihr Wille denn, der uns
verderbt. 30; Der Eigennutz, der viel verderbt. 6, 406;
415; Mein Herz iſt ſo verderbt nicht. 14, 45; Kein ſchöner
Tag . . ., den mir nicht Jemand verdorben oder verleidet
hätte. 79; Meine überſpannten Ideen verdürben Alles. 81;
Dieſe Bilder verdarben mir dermaßen die Einbildungskraft.
20, 45; Verderbte einige ſchätzbare Bücher. 30; Die ver-
derbten Sitten. 39, 53; Durch . . . Weitſchweifigkeit ver-
dirbt er ſich das Spiel gegen den billigſten Leſer. 333 u. v.;
Du verderbſt uns den Glanz der Blumen. L. 11, 93 (ſ. 385
die Regel und doch z.B.: Wo du mir dieſe Luſt verdirbſt.
1, 571) ꝛc.; Der Zorn verderbt die Beſten. Sch. 53b; Das
Geſetz hat zum Schneckengang verdorben, was Adlerflug ge-
worden wäre. 107a; Wenn du nicht Leib und Seele ver-
derbſt. 118b; Du verderbſt ihm ja das Koncept. 122a;
Was er durch einen unzeitigen Trotz verdarb. 948a; Man
verderbte den Überreſt. 993a ꝛc.; Du . .. verderbſt mir das
ſeidene Halstuch. V. 2, 52; Zank verderbt das Blut. 3,
198; Jch . .. verderbte das Haus mir, | das ſo bewohnt
einſt war, ſo Vieles und Köſtliches einſchloß. Od. 4, 96;
7, 49; Wer lebt, der nicht | verderbt wird und verderbt?
Sh. 3, 494 ꝛc. Man beachte noch: Sich den Magen
ver-d. [durch Überladung]; Einem, ſich das Spiel, den
Spaß, die Luſt, die Freude ver-d. [ſtören, zerſtören]; Die
Zeit ver-d. [tödten, mit unnützen Dingen hinbringen];
Es [ſ. d.] durch Etwas mit Einem ver-d. = das Verhält-
nis, in welchem man zu ihm ſteht, ſchlecht machen;
ihn ſich unfreundlich, ungünſtig ſtimmen, z. B. G.
10, 170; 15, 185; 31, 27; Lichtwer 127 u. o., vgl.:
Seine Sache mit dem engliſchen Miniſterium zu ver-d. Forſter
Br. 1, 189 ꝛc.
Anm. 1. Die leicht zu mehrenden Bſp. zeigen für das
Intr. überall die ſtarke Abwandlung, mundartl. veralt.: ſie
verdurben. Stumpf325b; verdärbe (Impf. Konj.). Gutzkow
Bl. 1, 355, ſ. Sanders Orth. 27, für das Tranſ. dagegen
Schwanken, indem nur einzelne Schrifſt. (z. B. Luther u. von
den Neuern V.) konſequent die ſchwache Form durchführen
(vgl. ſchmelzen u. ä. m.). S. die letzte Stelle aus V. und
vgl.: Wer nicht verderbet wird aus Liebe, Der verdirbet.
Opitz ꝛc. Beſ. nahe berühren ſich die Part. verderbt
(ſchlecht gemacht) und verdorben (ſchlecht geworden) inſo-
fern nämlich alles Verderbte auch verdorben iſt, aber nicht
umgekehrt. Durch den bibl. Gebrauch Luther’s iſt die ſchwache
Form hier für geiſtige Beziehungen gewöhnlicher: Das Herz
iſt verderbter, als der verdorbenſte Magen. Kürnber-
ger Am. 225 ꝛc. Vgl. auch: Solchen verderbten Tauge-
nichts. Tieck Nov. 1, 33 [Taug. von großer Herzensſchlechtig-
keit]; Verdorbnes Genie [Einer, der als Genie verdorben,
d. h. nicht gerathen iſt, ſ. 1] ꝛc. So auch: Die Blöße ſeines
grundverderbten Herzens. L. 13, 168; In dem grund-
verdorbenen England. Sealsfield Leg. 3, 45 ꝛc. Als ſei die
menſchliche Natur unverderbet. Luther 6, 381; Nichts
Reines unverdorben, nichts Heiliges unbetaſtet laſſen.
Hölderlin H. 2, 117 ꝛc. So auch Verderbtheit, f.;
–en: Ein Volk kann durchaus verdorben ſein, d. i. ſelbſtſüch-
tig; denn die Selbſtſucht iſt die Wurzel aller andern Verderbt-
heit. Fichte 7, 271; Die V. der Franzoſen. Forſter Br. 2,
428; Ant. 1, 14; Ihren Sitten und V–en gegenüber. Ger-
vinus Lit. 3, 316; Muſäus M. 1, 2, 688 u. o. Ver-
dörbenheit, f.; –en: Theile, auf welche die V–en der
Säfte als Reize wirken. König Kl. 1, 307; Wenn das Alte
in ſeiner ganzen V. zurückkehren ſollte. 3, 240; W. Hor. Br.
2, 260 ꝛc. Verdérbung, f.; –en: Nur durch V.,
durch Erhaltung nicht | ein hochbeſungner Held geworden.
Gleim 6, 151. Die V. der Sitten. L. 3, 199; Luther 5,
181 (ſelten), ſ. d. folg. Wörter.
Anm. 2. Von „derb“ (ſ. d.), inſofern Dies zunächſt
dürr bez., wie ſich bair. (Schmeller 1, 391) noch das ein-
fache derben, ab-d. findet, zunächſt von Pflanzen = dürr
werden, abſtehn. Nach Andern unmittelbar von dem wohl
ſtammvw. darben (ſ. d. u. vgl. dürfen); vgl.: Alſo ver-
darbten die Engelländer das Elſaß gar übel. Stumpf 725a,
ſ. z. B. Beneke 1, 365; Spate 321, der auch das veralt.
be-derben in ähnl. Sinn (= abnutzen, aufreiben) anführt,
ſ. Mattheſius Sar. 24a.