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Bürger
Bürger, m., –s; uv.: I. bürgende Perſon: Zeu-
gen ernſtes Grimms und B. treuer Schwüre. Gryphius 1, 52.
Gewöhnl. vermieden, wegen der Berührung mit II.,
und weil man für dieſen Begriff „Bürge“ (ſ. d.) hat.
II. von Burg (ſ. d.), namentl. inſofern Dies die
befeſtigte mit Mauern umgebne Stadt im Gegenſatz des
offnen, platten Landes bez., bald in engrem, bald in
weitrem Sinn: Der wird als B. ſich bewähren, | der ſeine
Burg zu ſchirmen weiß. Uhland 128. 1) Stadtbewoh-
ner, im Ggſtz. des Landbewohners (ſ. Bauer); zuw.
auch Ciner, der nicht in der Stadt ſelbſt, aber doch in
dem dazu gehörigen Gerichtsbezirk ꝛc. wohnt (ſ. Pfahl-
B.): B. der Stadt. 1. Moſ. 34, 20; 5, 13, 13; Pr. 21,
6; Simrock Nib. 1238 ꝛc.; B. und Bauer ſcheidet Nichts
als die Mauer. Sprchw.; „Was giebt’s, B.?“ Ich bin nur
ein Bauer. „Wir ſind Alle B.“ [ſ. 4]. G. 10, 124; Der Thore
weite Flügel | ſetzet .. Cybele ... Und die neuen B. ziehen
.. | in das gaſtlich offne Thor. Sch. 56b ꝛc. 2) ein des
ſtädtiſchen Bürgerrechts theilhafter Stadtbewohner,
gewöhnl. im Ggſtz. der bloßen „Beiſaſſen, Schutzver-
wandten“ ꝛc., mit vielen Abſtufungen; namentl. frü-
her doch auch wohljetzt galt zumalin den Reichs-
ſtädten der Unterſchied zwiſchen rathsfähigen B–n (adligen
B., Patricier, Edel-B., Groß-B., die in den Rath ge-
wählt werden können und alſo Theil an der Regierung
mithaben) und den ſogen. unrathsfähigen, denen die Be-
zeichnung: Ehrbare B. galt; zumal in der Schweiz hie-
ßen auch wohl nur Jene B., dieſe Einwohner u. ä. m.,
vgl. Schmeller 1, 199. 3) inſofern das Bürgerrecht
namentl. den freien Betrieb der ſogen. bürgerlichen
Nahrungszweige ſichert (z. B.: Wer Meiſter in einer
Handwerks-Zunft werden will, muß vorher B. ſein oder wer-
den), bezeichnet B. eine Perſon aus dem Bürger- oder
ſogen. dritten Stand im Ggſtz. der bevorzugten adligen
und geiſtlichen Stände, des Wehrſtands, theilweiſe auch
im Ggſtz. zu einem vierten Stand, dem noch nicht die
Rechte der Stadtbürger zugeſtanden ſind: Wäre ich ein
Edelmann . .., da ich aber nur ein B. bin. G. 17, 11,
vgl.: Der geſittete Bürgerton aus Rom und Athen, der,
als vor Gleichen, freimüthig mit Achtung und Glimpf redet
und ſoweit von der ſchleichenden Höflichkeit wie von dem zu-
plumpenden Bauernſtolz ſich entfernt. V. Myth. 1, 5 [ſ. Ur-
banität]. 4) erweitert und übertr. von dem Begriff
der Stadt auf den des Staats heißt B. auch der Ge-
noſſe, das Mitglied einer ſtaatlichen Gemeinſchaft bald
allgemein, bald beſchränkter, inſofern er der beſtimmten
ſtaatsbürgerlichen Rechte theilhaft iſt: In einigen deut-
ſchen Staaten ſind die Juden noch nicht B. ꝛc.; G. 10, 124 (ſ.
1); Die Ameisrepublik .. . Ein Ameis-B. Burmann Fab.
68. 5) in noch weitrem Sinne der Genoſſe irgend
einer Gemeinſchaft, Bewohner eines großen Ganzen ꝛc.:
Akademiſcher B. (Student); Ich lobe ſeine Welt, darin ich
B. bin. Lichtwer 236; Hört, B. der Natur! 256; Was ich
als B. dieſer Welt gedacht. Sch. 277b; 278a; In aller
Pracht, | worin des Himmels B. ihn [Zeus] beſtaunen. 14a;
Man iſt eben ſo gut Zeit-B. als man Staats-B. iſt
1151b [gehört ſeiner Zeit, wie ſeinem Staate an];
Burger des Meeres, Lufts und der Erden. Weckherlin 227
und ſo in vielen Zſſtzg. 6) (Schiff.) Schiffseigen-
thümer, Rheder, inſofern in den Hanſeſtädten nur B.
Dies ſein konnten. Krünitz 7, 401. 7) Zoolog.:
eine Abtheilung ſehr gewöhnlicher Tagſchmetterlinge,
Papiliones plebeji urbicolae.
Anm. Oft namentl. oberd. und ſchwzr. ohne Uml.
z. B. Hebel 3, 318; 329; Kohl A. 1, 227; Reithard 85;
Schaidenraißer 11a; Zinkgräf 1, 9; 242 ꝛc. Auch veralt.:
Die Frauen der Burgerſen in den Städten. Limb. Chron.
18 (ſ. Mannſen, Weibſen ꝛc.). Weiblich Bürgerin,
z. B.: In das gaſtliche Thor zieht ſie [Cybele] als B. ein
[ſ. 1]. Sch. 76a; Ich bin nicht dieſes Reiches B. [4], bin
eine freie Königin dēs Auslandes. 412a; Wollt ihr als eure
B. mich [das Fräulein von Bruneck] ſchützen? 552b.
Verſch. davon die oft verwechſelten: Bürgerfrau (ſ. 3),
eine Frau aus dem Bürgerſtande und Bürgersfrau, Frau
eines Bürgers: Der Graf heirathete eine Bürgerfrau, das
adlige Fräulein einen Bürgerlichen und wurde ſo eine Bür-
gersfrau ꝛc.
Zſſtzg. von I. z. B.: Ácker-: ſich vom Ackerbau
nährend. Ált-: aus einem alten Bürgergeſchlecht,
im Ggſtz. der neu eingewanderten Bürger ſ. Neu-
B. Den ſteifen A. .., dem jüngern Geſchlecht den Rücken
bietend. Scherr Prieſter 74. Aūs-: ein auswärti-
ger, ein nicht in der Stadt wohnender oder heimiſcher
Bürger, z. B.: 1) In dieſen ſchweizeriſchen Urkantonen
giebt es Familien, deren Väter vor 300 Jahren einwanderten
und die dennoch für A. [Auswärtige, Fremde] gelten. Kohl
A. 1, 321. Auch Außner. Stalder. 2) Da entſtand, als
der Umfang der Mauern die wachſende Menge nicht mehr be-
griff, eine große Anzahl A. [vgl. Pfahl-B.]. JoMüler
Schwzr. 1, 346; Sie erließen an alle Bürger u. A. ein Auf-
gebot. SW. 24, 157. 3) ein Einwohner, der in einer
andern Stadt das Bürgerrecht hat, Ggtz. In-B.
4) Einer, der Bürger bleibt, obgleich er auswärts lebt.
Edel- [2]. Ērden- [5]: Menſch. Börne 3,
190. Frēī-: 1) freier nicht leibeigner B.
2) B. einer freien Reichsſtadt. 3) Schutzbürger.
Krünitz 7, 398. Frōhn-: Bürger, der zur Frohne
arbeiten muß, daher bei den Schloſſern Einer, der
ſchlechte Arbeit liefert, u. verächtliche Bezeichnung ver-
wandter Handwerker. Fūd-: veralt., der durch
Heirath das Bürgerrecht erlangt; über die Abſtammung
ſ. Hunds-fott. Glêfen-: Spieß-B. ſ. d.
vgl. Friſch 1, 355a; Schmeller 2, 91; Benecke 1, 547 ꝛc.
Góttſeligkeits- [5]: Man iſt hier im Athos-
kloſter freier G. Fallmerayer Or. 2, 38. Grōß-
[2]: im Ggſtz. von Klein-B. Hálb-: im Ggſtz.
des Vollbürgers. Hímmels- [5]. In-: ſ.
Aus-B. 3. Klēīn-: Ggſtz. von Groß-B., oft in
verächtlichem Sinn wie Spieß-B. Börne 1, 262; 3, 71;
Droyſen A. 3, 215; Seydelmann 108. Klíppen- [5]:
Klippenbewohner. Brockes 7, 405. Mít-: ein Bür-
ger, inſofern ihm dieſe Eigenſchaft mit Andern gemein-
ſam iſt, z. B. = Landsmann ꝛc., aber auch ſ. [6]
Mitrheder, einer von mehrern gemeinſchaftlichen
Beſitzern eines Schiffs. Míttel-: im Ggſtz. der
vornehmen. L. 6, 293. Mōnd- [5]. Nêben-:
veraltend: Mit-B. Luther 6, 12a; Mendelsſohn 4, 2, 108;
IESchlegel 1, 251; 254 ꝛc. Nēū-: ſ. Alt-B. Fall-
merayer Mor. 1, 21. Pákt-: Schutz-B. Pfāhl-:
urſprüngl. ein außerhalb der Mauern, aber innerhalb
der Bann- und Gerichtspfähle der Stadt wohnender
Bürger, Bewohner der Vorſtadt ꝛc. ſ. Aus-B. 2, zu-
weilen auch = 3; ſ. Möſer Ph. 4, 255; Niebuhr Röm.
Gſch. 2, 87, jetzt häufig in verächtlichem Sinn zur
Bezeichnung des Bourgeois, Philiſters ꝛc., z. B. Auer-
bach Ab. 272; Tag. 26; Lewald Ferd. 1, 97 u. o., ſ.
Schild-, Spieß-B. ꝛc. Pflūg-: Pfahl-B., Acker-
B. Rēīchs-: B. einer freien Reichsſtadt, zuweilen
auch eines Reichs. Ring-: am Ring, d. i. Markt-
platz, wohnend. Schíld-: urſprüngl. ein ſchild-
tragender Bürger, dann in verächtlichem Sinn wie
Spieß-B. ſ. d. und dann auf die Bewohner von
Schilda umgedeutet, das dadurch in den Ruf des deut-
ſchen Abdera gekommen, ſ. Burg Anm. Forſter Br. 2,
239 ꝛc. Schútz-: Schutzverwandter. Krünitz 7,
398; Heine Reiſ. 3, 239. Spīēß-: urſprüngl. wie
Glefen-B., ein ſpießbewaffneter Bürger als Fußſoldat;
dann zunächſt im Munde der Ritter, u. jetzt allgemein
verächtliche Bezeichnung wie Philiſter ſ. d. Sp.
der Tugend. Heine Verm. 1, 64; Sal. 1, 132; Ruge Rev.
110 u. o. Stāāts- [4]: Derjenige, welcher das
Stimmrecht in dieſer Geſetzgebung hat, heißt Bürger, citoyen,
St., nicht Stadt bürger, bourgeois. Kant 5, 389.
Vóll-: im Beſitz des vollen Bürgerrechts. Löher
(Hausbl. 1, 287) ꝛc. Wáſſer- [5]. Brockes 7, 97.
Wélt- [5]: Kosmopolit: Sie meinen, in der Welt ſei
nichts Edlers als ein Spießbürger . . ., aber ich will W.
ſein. Zſchokke 8, 250; Bürger der Geiſterwelt oder geiſtiger
W. w. 19, 172; Allerwelts-B., verächtlich, im Ggſtz.
des Patrioten u. ä. m.