Faksimile 0898 | Seite 1720
Faksimile 0898 | Seite 1720
Faksimile 0898 | Seite 1720
Faksimile 0898 | Seite 1720
zeihbar zeihen zeihlich
Zēīh~bar, a.:
s. zeihlich, bes. in Zsstzg.: Sehr ver-z. war also der Irrthum. Fichte 8, 448; G. 25, 27 etc.; Un-ver-z–e Fehler etc.
~en, tr., zieh; geziehen vereinzelt auch schwachformig etc. —:
(s. Zeichen, Anm.) 1) beschuldigen, Schuld geben etc.:
a) mit persönl. Obj. und sachl. Genit.: a) außerm Impf. und pass. Partic., z. B.: Welcher unter euch kann mich einer Sünde z.? Joh. 8, 45; Die z. mich, deß [= Desjenigen, deß] ich nicht schuldig bin. Ps. 35, 11 = Sie z. mich, deß mir nicht kund. Mendelssohn; Mich einer Unwahrheit zu z. Benedir 1, 171; Ense D. 5, 59; Solcher Fehler . . | zeihet der Pöbel mich. G. 1, 263; Daß .. das alte Testament .. sich eines Wahns .. öffentlich zeihe. H. R. 9, 235; Jemand einer Lüge, eines Unrechts z. JKohl Par. 1, 18; JGMüller Lind. 3, 24; Nicolai 6, 251; Platen 2, 71; 198; Sch. 270b; 281b; 338a; 443a; Nicht Kleinmuths zeiht Don Cesarn, wer ihn kennt. 493b; 494b; 590a; 632a; Das Schicksal .. einer Ungerechtigkeit zu z. 715a; Schlegel Gd. 1, 157; Kein Erröthen zeiht dich des Verraths. Sh. 8, 280; Shakspeare 6, 287; Weß zeiht ihr mich? Simrock N. 2029 etc. 8) starkformiges Impf.: Er zieh sich selbst der Eitelkeit. Gutzkow R. 8, 176; Das Blatt, dessen Inhalt ihn der Ungerechtigkeit zieh. HKleist E. 1, 81; Lewald Gschl. 3, 132; Simrock N. 803; Er zieh des Frevels sie gerad’ ins Angesicht. W. 15, 71 etc. γ) schwachform. Jmpf.: Wer .. zeihte ihn der Muthlosigkeit? Alexis H. 2, 2, 53; Das Verbrechen, dessen ich Sie zeihte. Sch. 893b; Simrock N. 208; Tieck DQ. 2, 209; Wenn auch die ganze Welt Shakespeare .. eines .. Fehlers zeihete. HVoß JP. 62 etc. d) starkform. Partic.: Wenn ich hier eines Unrechts ge- ziehen würde. Gutzkow D. 109; Gut ist das Meer: weß hast du’s geziehen? Simrock Fr. 124 etc. e) schwachform. Partic.: Weß mich so laut gezeihet das .. Weib. N. 788 etc.
b) (s. a; Das 4; Es 9; Was 1b etc.) mit Acc.- Form statt Genit., z. B.: Kein Mensch konnte ihn Etwas z. Sir. 46, 23; Er ist ein frommer Mann, ich hab ihn weder Dies noch Das geziehen. Luther 1, 155a; Es hat Keiner .. je von mir gehört, daß ich ihn Das geziehen habe. 161b; Nicht einmal im Scherze möcht’ ich dieser | unreifen Einbildung Sie z. (s. a). .. Was ich höchstens | Sie z. könnte etc. Sch. 281b; 285a etc., vgl. veralt. wo wegen des fehlenden Artikels der Genit. wie Acc. erscheint —: Wenn man nun Einen höflich [der] Verrätherei z. will. Agricola 199 etc. und mit entschiednem Acc.: Ich bin ein armer großer Sünder und zoch mich deß[halb] mein Sünd, daß etc. Murner Ul. 49.
c) (s. a) mit abhäng. Satz statt Genit., z. B.: Du zeihst des Abfalls uns, des Verraths mit Recht (s. a); | wir z. dich, daß über die Alpen stets | dein Aug gekehrt war etc. Platen 2, 198; Wir zeihn dich, daß du hast gestrebt, zu stürzen | Recht und Verfassung. Shakspeare 6, 286; Sie wurden „gezigen“, wie sie die Brunnen hin und wider vergiftet. Stumpf 448a etc.
d) (s. a) zuw. mit bloßem persönl. Obj. (ohne Genit.), z. B.: Wir müssen blutig zwar und grausam scheinen, | wie unsre Händ’ und die geschehne That | uns z. Schlegel Cäs. 3, 1; Don Diego, welcher den ganzen Ort Zamora zeihte. Tieck DQ. 2, 290; Ich zeihe dich als einen Weltverführer. Othell. 1, 2, beschuldigen, anklagen etc.
e) zuw. auch (s. Schm.): Einem Etwas z., Schuld geben, vorwerfen etc., z. B.: Ihm zieh er schon im Stillen des treuen Packans Blut. Colin (Kais. Albr.’s Hund); Unser Tartüffe tritt auf und zeiht die That dem Sohne eines Barbiers. Rabner 4, 136 etc. und ohne Dat. mit sachl. Obj.: Wie zeihst du billig solches unfreiwillige Thun? Solger Soph. 1, 129 etc. 2) veralt. (s. Ggstz. ver-z. und L. 5, 354; Schm. 4, 241; Zarncke Br. 340b):
a) refl.: Weß oder was zeihest du dich? = was willst du? etc., s. außer den zahlreichen Stellen dort noch: Was mag sich der Bettler endlich z.? Rachel 7, 65 etc.
b) tr.: Weß oder was zeihest du mich? (vgl. 1), was willst du von mir? etc., s. außer Zarncke noch: Was willst du die unschuldigen Kinder z.? Simplicissimus K. 647 etc. 3) (mundartl.) So ruft er und winkt den Hirten herbei, | daß jeder ihm staunend das Wunder zeih. Collin (Kais. Max auf Martinswand), ansage, erkläre (wobei die Urbed. des lat. dicere, goth. teihan etc. noch deutlich hervorblickt). Zsstzg. z. B. (vgl. Benecke 3, 878): Be- [1]: Wo aber Jemand einer Missethat von Einem oder Mehrern „bezygen“ würde, Den oder Die mag der Beschuldigte um solch „Bezeuchnüß“ mit Recht wohl vornehmen [belangen]. Bair. Landr. 1518 tit. 18 (s. Haltaus 167; 1035); Niemand ist, der diesen Balboa | auch nur des schwächern Fehls bezeihete. Colin; Also wird auch St. Jakob „bezigen“, er hab die Meß geordnet. Franck Chr. 257b; Eh müss’ er seine Brüder | .. des falschen Spiels b. L. Nath. 3, 7; Simplicissimus 1, 602; Ihr, weiß ich wohl, bezeiht mich nicht der Lügen. Streckfuß Rol. 7, 2; Aus Furcht, vielleicht irgend einer Vernachlässigung bezeihet zu werden. SVerena Herr 2, 172 etc.; Bezeihung. Chmel Max. 389, vgl. Bezicht; Bezick. Ent- [2a]: Sich eines Ggstds e., darauf verzichten (s. ver-z. 1a), ver- alt.: Ich entzeih auch mich gänzlich aller Rechte(n). Hug Rhetor. 83; Diese obgeschriebene Entzeihung. 81 etc., s.: Ich will mich gern aller Nüsse in Ewigkeit „entzihen“. Wickram (Wackern. 3, 457²³), mhd. entzîhen (s. entziehen 2c).
Ver-:
1) [2] verzichten auf Etwas; demselben entsagen; es aufgeben (s. Haltaus 1917):
a) refl. mit Genit., z. B.: Nimmt der Mann Rache, so ist er nur seinem Feinde gleich; verzeiht er sich ihrer, so ist er über ihm. Bock (Hamb. Th. 1, 4, 58); Daß wir uns sothaner Vorjagd von nun an für alle Zeiten ver-z. Erbvgl. 304; Betrübte, da du dich jedweder Lust verzeihst. Karschin 363; [Der] mag bei den Buhlereien | dieses Namens sich ver-z. Logau 1, 7, 43 u. o. (s. L. 5, 350; 226); Wenn sie sich hie guter Tage ver-z. müssen. Luther 5, 348b; 6, 189a; 232a; 8, 251b etc.; Mathesius Pr. 72 etc.; Verzeiht sie .. sich ruhig aller Ehre. Michaelis 188; Zwar würde Mancher sich der Warnung gern ver-z. 167; 132; Wenn sie sich darauf der weitern elterlichen Erbschaft verziehen haben, diese ihre Verzichte nachwärts anföchten. Möser Ph. 4, 243; Die junge Frau hatte sich halb und halb des Glücks verziehen, Mutter zu werden. Musäus Ph. 4, 10; 98; Dieweil sie sich deines Lebens verziehen [die Hoffnung, daß du noch lebst, aufgegeben] hat. 5, 23 etc.; Schaiden- reißer 11a; 14b; Hab ich mich aller Freud gänzlich verziegen. 77b; Schweinichen 3, 12; So wollte er sich Jtaliä . verzeich en. Stumpf 184a; Übergab er ihnen Bellentz und verzeich“ sich daran alles Rechten. 603b; Weise Js. 89; Ein Edelmann hat .. sich verbrieft, auch aller Schirm und Freiheit verzigen, wo er etc. Wickram (Wackern. 3, 444²⁰); Die Fakultät hat deiner Heilung sich verziehen. W. 10, 295; 20, 234; Zinkgräf 1, 90 etc.
b) intr. (haben): Auf Etwas v., z. B.: Unser avum [Zeitalter] hat auf seinen Genius verziehen. G. 31, 12; Er lasse Nichts hinter sich in diesem Leben, darauf er nicht von Herzen gern wolle ver-z. Zinkgräf 1, 207 (vgl. Wackern. 1, 723 ff.), auch (vgl. 2b8): Wie gern verzög ich auf sein Geld! Pfeffel Fab. 2, 16; Weit lieber wollen wir auf dein Geschenk verziehen. 219 etc.
c) tr.: Einem Etwas ver-z., darauf verzichtend, es ihm erlassen, als zweideutig (s. 2) gemieden, doch z. B.: So hätten wir auch dem Vf. den „Versuch“ etc. .. an diesem Orte verziehen. H. 13, 323, s. ferner (ebenfalls selten) adjekt. Partic. pass. = aufgegeben: Daß bei so böser Fahrt | auch das verziehne Schiff noch ganz behalten wird. Fleming 80 (Qlearius Reis. 43b).
d) Dazu (vgl. c): Solche Verzeihung und Aufgab seiner Vogtei. Hug Rhet. 82 (vgl.: virzichennisse. Wackern. 1, 724¹7; 726³; verzeihnüsse etc. Haltaus 1918 und heute gw.: Verzicht). 2) (s. 1a, den ersten Beleg) auf die Rache oder Genugthuung für Etwas verzichten; es nicht ahnden wollen; vergeben (s. d. 6, auch in Betreff der Fügung), auch als Höflichkeitsausdruck in abgeschliffnerm Sinn = entschuldigen etc.: Einem Etwas ver-z., auch ohne Dat. oder Obj. und zuw. (in einer Art Belebung) mit sachl. Dat., z. B.:
a) Verzeih mir mein Unrecht; mir; mein Unrecht; meinem Unrecht etc.; Verzeihe mir die verborgenen Fehler. Ps. 19, 13; Verzeih mir Gott die Schuld, | so wie ich dir verzeihe! B. 55a; Ver-z. Sie denen Thränen, die etc. Cronegk 1, 83; Verzeiht die Freiheit, die ich genommen! G. 11, 124; Ich habe hier Nichts zu ver-z., denn ich habe hier Nichts übel zu nehmen. L. Gal. 4, 6; Jch hab ihn (Gott verzeih mir’s!) recht übern Tölpel geworfen. Moscherosch Gs. 1, 354; Sich unter einander den Schaden zu ver-z. Möser Ph. 3, 204; Schenken, geben, Schuld ver-z. HSachs H. 83 (selten, wie hier, von einer Geldschuld); Deinen Jahren verzeiht man zehn Ausschweifungen vor [eher als] einer einzigen Grille. Sch. 186b; Es ist dem Menschenherzen zu ver-z., | in solchem großen Spiel sich zu betrügen. 663b = daß oder wenn es sich darin betrügt; So verzeihungswerth, wenn je verziehen die Manen. V. Ländl. 4, 721; Sprachschnitzer, die nur dem unerzogensten Theile des Volkes zu ver-z. sind. W. 33, 364; 12, 32.
b) Ugw. Formen: ω) (veralt.) Verzei ch mir mein Unterreden [daß ich ins Wort falle]. Schaidenreißer 67b; Verzeich mir jetzund auch, daß ich etc. 96b; Verzych mir Gott all meine Sünd, als ich dir dies . . Wort verziegen hab. Zwingli 2, 7. 8) schwzr. vermischt mit verziehen (s. 1b), z. B.: Es wolle ihm verzogen [verziehen] haben. Gotthelf G. 210; Wenn der liebe Gott mir verzö ge. 248; Alfred, der so oft den Aufrührern und den eidbrüchigen Räubern verzogen hatte. Haller Alfr. 58 etc. γ) schwachformig (selten): Weil ich dem Gesetzgeber .. seinen Haß .. nicht verzeihte. Heine Verm. 1, 79. Dazu:
c) (s. 1d) Einem Verzeihung gewähren, zu Theil werden lassen; Um Verzeihung bitten (auch als Höflichkeitsausdruck); Verzeihung der laufenden Feder! G. 23, 222; Ich muß sowohl um Nachsicht [mit dem Gegebnen] als um Verzeihung [daß ich überh. Etwas gegeben] bitten. Mendelssohn 4, 1, 145 etc.
d) Gott, Verzeiher der Sünde. Kl. M. 11, 830; vgl.: Mir ist so recht verzeiherlich zu Muth. V. Sh. 2, 268, zum Ver-z.
Zēīhlich, a.:
(selten) zu zeihend; so, daß man des im Genit. Genannten zu zeihen (anzuklagen) ist: Der Verachtung des .. Court [Gerichts] z. Sealsfield Leg. 3, 89 etc., gw. Zsstzg.: Ver-: was verziehen werden kann, verzeihbar: Die es nicht dabei bewenden ließen, was noch ver-z. geblieben wäre. Börne Frzfr. 113; Gartenl. 13, 278a; Jeder Jrrthum .. ist ver-z. G. 39, 298; Lewald Gschl. 3, 7; Eine so v–e Schwachheit. W. 16, 62 etc.; Ein un-v–es Verbrechen. 17, 136; Un-v. find’ ich den Leicht- Sanders, deutsches Wörterb. II. sinn. G. 5, 6; V–e und un-v–e Mißgriffe. 16, 256; Der große Einfluß, den diese Völkerschaften .. gehabt, würde es un-v. machen, fie mit Stillschweigen zu übergehen. Heeren 1, 879; 881 etc.