Faksimile 0885 | Seite 1707
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Zaum Gezäum zäumen
II. Zāūm, m., –(e)s; Zäume; Zäumchen, lein; -:
(s. zähmen, Anm.):
1) Z. heißt im Allgem. Alles, wodurch man sich des Kopfs von Reit- und Zugthieren bemeistert, insbesondre .. das Lederzeug, wodurch man ein Gebiß im Maule des Thieres befestigt. Falke Th. 2, 451b, eig. und bildl., sehr gw. (vgl. Zügel; z.-los etc.), z. B.: Z. und Gebiß. Ps. 32, 9 etc., auch zusammengefasst (vgl. Gut II 5; Kreuz 4c; Nacht 2a etc.): Nachdem sie das symbolische Z. und Gebiß über die Ohren gestreift. Musäus Ph. 1, 107 etc.; Ein Pferd, Jemand, eine Stadt, die Bürgerschaft, seine Zunge, Gedanken, eine Leidenschaft, Jemandes Muthwillen, die ausschweifende Einbildungskraft etc. in Z. halten [zähmen, bändigen]. Jak. 3, 2 ff.; 1, 26; Sir. 23, 2; Benedir 10, 133; Franck Last. A. 5b; G. 31, 17; Br. 303b; Platen 4, 209; Rabner 1, 14; Sch. 869a; 1082a; Thümmel 2, 186; Tieck NK. 4, 162 etc.; Einem einen Z. ins Maul legen. Hes. 38, 4; Sir. 20, 31; Luther 1, 314b etc., vgl.: Lernt den Z. in eure Lippen legen. Gryphius Fr. 17, eure Rede zähmen, zügeln etc.: Wissen, wo die Zäume hängen (s. d. 1a), sprchw. = Bescheid wissen. G. Zelt. 2, 20; HKleist Kr. 93 etc.; ferner z. B.: Er zerreißt den Z. der Ehre. H. Cid 13; Einst konntest du [Religion] die Großen zähmen, die deinen Z. jetzt gar nicht leiden. R. 9, 308; Der falschen Eifersucht Z. und Zügel angelegt. Ph. 10, 267; Der Leidenschaften Art vergleicht sich muntern Pferden: | im Z–e sind sie gut; wild, wenn sie ledig werden. Lichtwer 193; 225; Die Sünde im Z. reiten und ihr Widerstand thun. Mathesius Pr. 94; Daß der Z. zerrissen ist, der Z. der Ordnung und Menschlichkeit. JvMüller6, 174; Die nicht Rom, der Zwang der Erden | und der Z. der ganzen Welt, | jemals sehen dienstbar werden. Mühlpforth Hochz. 114 [die Bezwingerin etc.]; Den Lüsten den Z. schießen lassen. Olearius B. 99b; Seinen auflodernden Affekten Z. und Zügel anlegen. Prutz Ob. 2, 159; Hielt er seinen Zorn am Z. der Vernunft. Schaidenreißer 72b [17, 238]; Sphären lehrt es, Sklaven eines Z–es, | um das Herz des großen Weltenraumes | Labyrinthenbahnen ziehn. Sch. 7b; Meine Geduld reißt den Z. ab. 168a; 333b; Allen Muthwilligen .. war der Zaum gelassen [s. d. 19 = frei, schießen gelassen]. Stumpf 343a; Der sich auf sein großes Pferd (s. d. 1c) setzen kann, wenn ein Andrer ihm den Z. hält. Thümmel 3, 69; V. Georg. 3, 115; 184 (und Anm.); Wackern. 2, 3273⁰; Die Gerechtigkeit sei ein Z., den bloß die Nothwendigkeit den Menschen über den Hals geworfen. W. 24, 43; 27, 388; Die Liebe zum Vaterlande bedarf zuw. einen Z., sowie in andern Zeiten einen Sporn. Zimmermann Nat. 328 etc.
2) (s. 1) übertr., z. B.:
a) Z, best.: Kinder-, Lauf-3. = Gängelband (s. d.).
b) Anat.: veralt. Übersetzung von frenulum (s. Band 5d), z. B. bei Adelung: F. linguae (Zungenband); E. praeputii (Bändchen der Vorhaut) etc.
c) Tuchscher.: Z. oder Zügel der Schere, diese zu handhaben u. ä. m. Zsstzg. (ohne Bem. zu 1), z. B.: David nahm den Dienst-Z. von der Philister Hand. 2. Sam. 8, 1, nach Gesenius (s. v. R) „den Z. der Hauptstadt, d. h. brachte sie unter seine Herrschaft“; Kapp-Z., ein kappenförmig über der Nase befestigter Z. für zu dressierende Pferde (s. frz. cavecon. Diez 95). Thümmel 4, 118 etc., auch bildl.: Die .. der geistlichen Gewalt den Kapp-Z. angelegt. Bodmer Gd. 10; Eichendorff GschDr. 172; Braucht . . | den Kappzaum der Vernunft, den Zügel der Gewalt. Lohenstein IbrS. 16 etc.; Welcher .. noch am Kinder-Z–e [2a] lief. Rabner 4, 229 etc.; An rothen Korduanzäumen. Freiligrath SW. 1, 189; Hauptleute kann ich nicht am Lauf-Z. [2a] leiten. Müllner 3, 122; Zimmermann FrGr. 236 etc.; Die Braune [Stute] am Leit-Z. nachziehend. Immermann M. 1, 265, ähnlich: Lenk-Z.; Purpur-Z. Alxinger D. 25; Mohnike Fr. 110; Reit-Z.; Stangen-, Ggstz.: Trensen-Z. (s. Trense 2; Stange 4c); Wunder-Z. W. 11, 100 etc.
Gezǟūm, n., –(e)s; –e:
Kompler der zum Zaum gehörigen Theile (Bänder und Riemen), Zaumwerk: Hielt .. die Ross’ an .. und hängt’ in den Ring das G–e. B. 224b [= die Zügel. 162³]; Ergriff das blinkende G. und trieb | .. sein Gespann etc. 162a [= die Zügel. 224³²⁸]; Nahm | das Lenk~G. und schwung die Peitsch’. b = Nahm zur Hand das G–e, | peitschte etc. 225a; Görres H. 1, 16; Lenkte sein Tigergespann jetzo mit goldnem G. V. Ländl. 1, 247; Il. 5, 322 etc.
Zǟūmen, tr.:
1) den Zaum eines Thiers anlegen, befestigen etc.: Das Pferd z. (Ein geza umt Pferd. Weidner 130); An den Sattelbogen fest-zu-z. | sein [des Rosses] stolzes Haupt. Freiligrath Ven. 8 etc.; sprchw.: Etwas verkehrt angreifen: Das Roß im Hintern (Luther 6, 136a); unter dem (5, 140b) oder: beim (W. 15, 298) Schwanze z., auch z. B.: Ihr Publikum beim Schwanze z. Zimmermann Nat. 325 etc.
2) (s. 1) bildl. und ver- allgemeint = zähmen (s. d. und nam. zahm, Anm.); bändigen. 3) Kochk.: Geflügel z., auf-z., dressieren (s. d.), ihm die gehörige Form in der es auf den Tisch kommt geben (vgl. darüber Scheibler Kochb. 2 und Speiler). 4) niedrd.: Einen Hut auf-, nieder- z. oder -krämpen, -klappen, s. Brem. W. 5, 81, vgl.: Einen rundum abgezügelten Mannshut. Stilling 2, 99. Zsstzg. ohne Bem. zu 1, z. B.: Áb-: den Zaum abnehmen (vgl. abschirren): Die Kamele (1. Mos. 24, 32), die Pferde a. etc.; auch ohne Obj.: Die Pferde stehn gesattelt. . . Ich zäume wieder ab. Sch. 132a und bildl.: Der Soldat zäumt ab, der Bauer spannt ein. 329a, (s. einspannen 1, Schluß). Ugw.: Sie haben meine Säle [s. Seil, Anm.] ausgespannen und mich zu nichte gemacht und das Meine „abgezeumet“. Hiob 30, 1 (mit Randgl.: Id est, Deposuerunt, privarunt, curru et aurigatu, i. e. domino meo). An-: Ein Pferd a., den Zaum wo anbinden; auch = es auf-z., vgl. bair.: Einen a., ihn in unsre Absicht eingehn machen. Schm.; auch: Ihm meine Kuttenhalfter . . a. Fischart Garg. 251b. Āūf-:
1) Ein Pferd, einen Esel etc. a. G. 9, 9; Ramler F. 1, 160; Scherr Bl. 1, 246; Tieck DQ. 1, 99 etc., auch ohne Obj.: Befahl er seinem Buben, auf-zu-z. Pfeffel Pr. 8, 174; Tieck DQ. 1, 73 etc., ferner: Seinen Gaul beim Schwanz a. W. 15, 298 etc.; bildl.: Das ist ein kugeliges Weibsbild, immer aufgezäumt [bereit etc.] und sie ist mein Hofnarr. Auerbach Ed. 77; Ich war damals munter und aufgeräumt, wohlgesattelt und aufgezäumt. Rückert Mak. 2, 182 etc.; Lautlos neben der herrschenden | 6rossig aufgezäumten Hofsahrt | schleicht der Beherrschten unsäglich Elend. Platen 2, 164 etc.; Ein nerviger Britte, wenn ihn sein Schneider französisch aufgezäumt hat. Sturz 1, 57, aufgeputt, vgl.: Aufputzerin, Aufzäumerin, Haarkrauserin etc. 214* Fischart Garg. 281a etc.
2) [2] nam. bei Spee = mit oder wie mit dem Zaum oder Zügel aufhalten z. B.: Wer zäumet auf mit Eis und Kält’ | die stolzen Wasserwogen? 109 (vgl.: Quum tristis hiems .. glacie cursus frenaret aquarum. Virgil Georg. 4, 136 = Wann .. der traurige Winter .. mit Eise den Lauf anhielt der Gewässer. V.); Zäumet auf den vollen Trab! 122; Die Zünglein zäumen’s [sie] auf. 80 etc.
3) [3] Zu rupfen, zu brühen und auf-zu-z. Musäus M. 2, 143.
4) [4] Da euer Hut zum aufgezäumten Regenschirm anschwillt. Lichtenberg 4, 462. Āūs-: (vralt.) zaumlos machen: Ausgezäumte Brunst und ungeordnet Lieben. Logau 1, 3, 77, s. zahm, Anm. und ent-z. Be-: Sich bemaulkorben und b., beladen, führen und peitschen .. lassen. W. 30, 20 etc.; s. ferner: zahm, Anm. Ēīn-: (vralt.) [Darum] muß ich euch die erste Brunst anziehen und e. [in Zaum halten]. Fischart Garg. 25b. Ent-: ab-z. (s. d., vgl. entzügeln und aus-z.). Über-: Ein Pferd ü., zu hoch zäumen. Adelung. Um-: s. umzäunen etc.