Faksimile 0875 | Seite 1697
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zahm
Zāhm: a.:
–st (zähmst): Ggstz. zu wild (s. d.), z.B.:
1) von lebenden Wesen:
a) von Thieren: Die Affen, so Hundsköpf haben, sind .. wild .., als „zamm“ die sind, so etc. Eppendorf 87; Die „zammen“ Mutterpferd. 92; Ein Graben, in welchem Hirsche unterhalten. . . Solche z–e Wildbahn. G. 20, 8 (s. Baum II 2); Herzliche Milde im Blick zaubert die Bestien z. (s. b). Hungari 1, 678; Die wilden Tiger .. waren zähmer geworden. Olearius Ros. XII; Der auch die wilden Thiere Sanftmuth lehrt, | daß sie sich z. in ihre Gruben bergen. Sch. 480b; Schlegel Sh. 6, 160; Das Wild, das um ihn weilet, | dem stillen Gaste z. Uhland 360; Ein Drache, der so z. und heimlich (s. d., Anm.) ist. W. Luc. 3, 184 etc.
b) von Pers., z. B. (s. a): Sie unterwerfen sich ihnen, wie z–e Schafsköpfe und Esel, die sie sind. Forster Br. 2, 41; So hat sie .. einen Bären .. unter die z–e Kompagnie gebracht | und mit den Andern z. gemacht. . . Ich bin der Bär. G. 2, 71 etc.; ferner z. B.: Jene wilden Jäger. . . Die z–en Schäfer (s. d. 3). 21, 45; Das Unglück macht ihn z. und mild. 11, 88; Gutzkow R. 3, 191; Indem die christliche Religion die Starken zähmte und die Z–en stärkte. Heine 5, 43; Wie ich [das Fieber] dich geduldig, „zame“ und gottesfürchtig machte. Hutten (Wackern. 3, 229²⁰); Die barbarischen Stämme botmäßig oder doch z. zu machen. Mommsen 3, 35; Rostem hörte gern die Rede sanft und z. | und merkte, ihnen sei die Hand zum Bösen lahm. Rückert Rost. 5a; Simrock Gudr. 98; Zu getreuen Diensten war er ihm so z., | daß er gerne leistete, was er nur gebot. 217; W. 12, 38 u.o. c) zuw. von (mehr oder minder) belebt Gedachtem, z. B.: Z–e Xenien (s. d. und G. 3, 92) etc., s. 3. d) Zsstzg. z. B.: Finger-z. (s. Benecke 3, 890b), mit dem Finger zu lenken; Es wird in ihren Armen | der Löwe lämmchen-z. Kosegarten Po. 1, 195 etc.
2) von Pflanzen: Ein Land, das gänzlich leer von wilden sowohl als z–en Sanders, deutsches Wörterb. II. Bäumen. Heeren 1, 895; Hol mir einen wilden Rosenstock, damit ich z–e Rosen darauf pflanze. Keller 520; Die z. und fruchtbar Bäum | sich freudig werden zieren | mit weichem Obst. Spee (Wackern. 2, 238³8).
3) (oberd.): Machte das Erdreich z. für den Garten- und Feldbau. Hebel 3, 420; Nicht auf den höchsten Alpen, sondern in den Vorländern und anhängenden „zamen“ Gebirgen. Stumpf 608b; In den höchsten Wälden. . . In den mittelsten und „zameren“ Wälden. 612b; In anderen ebnen und „allerzämisten“ Landen. 613b; In den niedern und z–ern Alpen. Tschudi Th. 624 etc. (s. Stalder, auch: Zähme, f.: niedrig gelegne Alptrift; Ort, wo jede Art Laubholz wächst; angebautes Land); auch: Die Aar. . . Dies Wasser wird von wegen seiner Wilde nimmer lauter. .. Fängt an die Aar ein wenig „zämer“ zu werden. Stumpf 547a.
Anm. Ahd., mhd. zam (niederd. tam, tamm), zu (ge)ziemen, goth. gatiman, ahd. (gi)zëman, mhd. (ge)zëmen, Impf. zam, z. B. noch: Die Woll thut dir nicht „zehmen“ [Reim: nehmen]. Garzoni 842a = geziemen; Es „zem“ Herren etc. Murner Ul. 19 = es geziemte ihnen, wäre für sie geziemend etc.; Als einem Arzte zame“ [geziemte]. HSachs G. 2, 104; Dem „gezeme“ [geziemte] das Narrenbad. 62etc., s. auch ahd. gizâmi, mhd. gezame [geziemend], Ggstz. ungezeeme und z. B. noch: Ob sie wilde,,vngezäme“ oder leutselige Menschen sind. Schaidenreißer 24a [6, 120] etc. Zu z. gehört zunächst zähmen, goth. (ga)tamjan, ahd. zamjan, zemjan, zamȫn, mhd. zemen, zamen, vgl. gr. déμμε, ,μg, lat. domare, hebr. 7, d (s. auch Damm, dämmen) etc., dagegen zunächst zu ziemen (mhd. zëmen) das in Thüringen, Niederd. (z. B. in Mecklbg.) sehr gw.: Sich Etwas zähmen, bezähmen, sich dasselbe gönnen, zu Gut thun, auf sich wenden etc.; ferner vgl. Vernunft zu vernehmen etc. Zunft, ahd. (ga)zumft, mhd. zumft, zunft = Schicklichkeit; Regel Dessen, was sich geziemt, nam. für eine sich danach richtende Genossenschaft und dann: diese selbst. An z., zähmen schließt sich wohl auch Zaum, ahd., mhd. zoum (was Graff u. A. zu ziehen vgl. Zügel—, Benecke zu zauen rechnet) und zäumen, mhd. zoumen, vgl. in der bildl., verallgemeinten Bed. = bändigen, zähmen, z. B.: Ich will meinen Mund „zeumen“. Ps. 39, 2 (= Ich will bezähmen meinen Mund. Mendels- sohn); Die Lust .. zäumen. Canitz 232; Der Degen zäume Den, der sich nicht zäumen kann. Gryphius Fr. 376188; Daß man der Trotzigen hartnäckisch Höhnen zäume. Lohenstein Soph. 3; IbrS. 1116⁵; Luther 1, 20b; Den wilden Feind zu zäumen. Matthisson A. 9, 89; Zäume die Begierde zu reisen. Olearius Ros. 53a; Welcher, um seiner Frechheit und Muthwillen zu zäumen, in ein Kloster ist gethan worden. Olearius Reis. 116b; Wölf und Leuen, die waren durch Zauberei der Göttin Circes also gezeumet, daß sie Niemand anfielen. Schaidenreißer 42b; [Nun] zäumt sich Rinaldo flugs, der Andre [zu]vor anregte. Werder Tass. 3, 53 etc.; Ungezäumet. Wackern. 2, 291²⁷ (vgl. ²⁰) etc.; Der Sommer bezäumet | beim Sirius itzt | den Löwen. FMüller 2, 379; Sein Fleisch und Blut (JRiemer Polit. Stockf. 113), seine Augen (120) bezäumen; Ein unbezäumter Muth. Gruppe 1, 285 (Greflinger); Erbaute er zu Bezäumung sowohl der Friesen als der Brukterer eine Festung. Bünau Reichshist. 1, 147 etc., vgl. umgekehrt (st. zäumen): Aufzämen. Seuter 405; Auszemen. HSachs 1, 526d etc.; Ihre zahmlose [zaumlose] Begierden. SClara EfA. 1, 495; 137 etc. S. in Betreff des Vorstehnden Graff 5, 661 ff. (und 624); Benecke 3, 886b ff. (und 943b); Schm. 4, 257 ff.; Brem. W. 5, 16 etc.