Witz
I. Witz, m., –es; –e; - (f.; –en, s. 1 und wissen, Anm. 1):
1) (veraltend) Weisheit; Klugheit; Verstand; Sinn; Besinnung; erfinderisches Talent, z. B.: 276; So überwog sein W. noch seine Tapferkeit. 44; 50b; Daß Gotts Weisheit Nichtss] so [zu]wider ist als menschlich W. und Spitz. 3. 380³⁸); Nun sind wir schon wieder an der Grenze unsres W–es, da, wo euch Menschen der Sinn überschnappt. 11, 196; Lässt er Sinn und W. so fern, so blöd umwallen [irre gehn]? Fr. 371; 3, 140, 16; Ein Kranker hat nicht W., der seine Krankheit liebt. 5, 216) 210; 353; Hat den W. verloren. 4, 341; Der Narr käm sonst doch nicht zu W., | eh daß er sich am Schaden schmitz [wird nur durch Schaden klug]. Fr. 432; Der W. [das Talent des Versemachens] ist eingerostet in den leidigen Geschäften. 637a; Den bei allen Processen anwendbaren W. [Kunstgriff etc.] einer gefüllten Börse. 3, 16; Je klüger Einer war, | je eher schnappte der W. ihm über. 10, 195; 12, 296 etc. —
a) Bei Älteren überwiegt (nach Ahd. und Mhd.) das weibl. Witz(e), s. 4, 206; 5, 353 ferner z. B. (vgl. 1, 215) 8, 5; 12; 44, 19; 1, 314b; 5, 87a; 269a; 6, 3h; Sollt ich die Kirche regieren aus meiner eignen W., Weisheit und Vernunft führen. 8, 306b; 9b; 2, 31²⁴; 4 u. o.; auch Mz.: Ohne . . W–en. 1, 316 etc., vgl.: Mögest du darauf [auf dem Thron] .| sitzen mit besseren W–en. Morg. 1, 238 etc. —
b) in Zsstzg. auch zuw.: eine Pers. nach der Beschaffenheit ihres W–es (s. Faul-, Halb-, Klug-, Vor-W., vgl. Gern-W.). —
2) (vgl. 1; Esprit; Geist 2f; Pointe etc. und s. nam. Ästh. 1, 415 ff.) heute gw.: die Fähigkeit des Geistes, in schlagfertiger Kombination den Dingen eine überraschende Seite abzugewinnen und diese in schlagender Kürze anschaulich darzustellen (ohne Mz.) — und (mit Mz., vgl. 3): eine einzelne Kundgebung dieser Fähigkeit als Einfall, Wort etc.: W.; viel W.; einen scharfen, beißenden etc., gutmüthigen, harmlosen etc. W. haben; Einen W. oder W–e machen, reißen (s. d. 4) etc.; Beständig W–e machen wollen; Ein guter, feiner etc.; schlechter, dummer, lederner, gesuchter, weither geholter etc. W.; Schlagender, treffender W. etc.; Gemächlich erging bes. der W. über abwesende Freunde. 4, 239: [Es] in scharfen W. zuzuspitzen. D. 5, 6; W. ist die Mittheilung der tiefen, d. h. der in der Region der Jdeen liegenden Wahrheit in ihrer unmittelbaren Anschaulichkeit. 7, 75; Spiele . ., in denen Zufall, Geist und W. durch einander wirken. 14, 165; Bloßen W., eine feine Beziehung zw. zweien Begriffen. 11, 352; W. hascht nach Einfällen, Urtheil strebt nach Einsichten. Anthr. 153; Stichblatt des W–es. 223; Weil oft nur ein bloßes Wetterleuchten des W–es ist, was ein schmetternder Strahl des Scharfsinnes sein sollte. 10, 154; 4, 178 (= esprit); Der ganze W. ist’s Wörtlein „W.“, | die ganze Spitz’ ist’s Wörtlein „spitz“; | drum hat trotz seinem „W.“ und „spitz“ | das Ding so wenig W. wie Spitz. (s. 4, 176); 4, 2, 48; Fat. 2, 297 ff; Treffen mit des W–es Strahle. 4, 56; 4, 245; Stets übst du deinen W. [Spott] an diesem König. 453a; 208a; Harmlos spielt hier jeder W., | selbst der Nürenberger (s. d., vgl. Kalenberger; Kalauer). 3, 209; Schnell vergleichender, leicht fügender W. Ant. 1, 165; Der W. besteht in einer gewissen Hitze und Lebhaftigkeit des Gehirnes, welche der Klugheit zuwider ist, indem dieselbe langsam und bedachtsam zu Werke geht. R. 11; Das ist die Zauberkraft des W–es, daß | dem Irrthum er den Schein der Wahrheit leiht. Dian. 1, 13; 5, 236; Scherze, welche sehr oft den echten W. beleidigten. 241; Dem W–e, dessen wichtigster Gebrauch ist .., Alles, was ungereimt ist, als belachenswürdig darzustellen. 7, 181; Mit aller Schärfe des attischen (s. d.) W–es. 6, 228 etc. —
3) (s. 2) bes. bursch.: etwas Belustigendes; Etwas, wobei es lustig hergeht; ein Spaß, Ulk (s. d.) etc., z. B.: W. = Duell; Kommers, Schwof; loser, lustiger Streich; Dummheit, Schwank; Narrethei. 513; Haupthahn: ein Anführer bei W–en und Suiten. 214; An Haupt-W–en [-Kommersen]. 432 (s. u.) etc.; Am Mittwoch Abend hatten wir einen großen W. [Kommers etc.]. 1, 274; Die jungen hochmüthigen Edelleute lachen über den „W.“, einen Maler in ihren Kreis zu führen. Watt. 1, 66; Jst Das der ganze W.? [die ganze Geschichte; Alles; Jst weiter Nichts los? etc.]. 322; So war der ganze W. [Studentenverbindung] an den Tag gekommen. Pr. 145 etc.; Dies tolle Höllenjagen ist ihm ein Götter- W. 379; Das giebt einen Haupt-W., s. o.; Sie nennen diesen Kleider-W. vielleicht noch gar Rebellerei. SW. 6, 190 [die lustige Plündrung des Zeughauses] etc. — Zsstzg. (s. 2570) unerschöpflich, s. 3; ferner zu 2, was unbez. bleibt, und aus ältrer Zeit zu 1 (s. 3, 794b; 4, 207), als eig. echte Zsstzgn z. B.: Āber- [1]: Unsinn, Unsinnigkeit etc.: Daß die römische Kirche noch nie in dgl. A. sei gerathen. B. 189a; Der A. des Dänenkriegs. SW. 6, 256; A. (vesania) ist die Krankheit einer gestörten Vernunft. Anthr. 145 (vgl. Wahn-W.); [So] stehe ich seiner Kunstrichterei und dem A–e seiner Freunde .. gern .. zu Diensten. 5, 358: Er muß | den A. der Mächtigen ertragen. 239b; Dem tollen Roß | des A–es an den Schweif gebunden. 471b; Könnte doch Verrücktheit, A. [personif.] so rasen nicht. Cymb. 4, 2; 3, 37 etc. (vgl. aber-, abwitzig). Veralt. fem.: In der A. gehen Schimpf 10), reden 2, 2, 51b etc.). — Áfter-: falscher, vermeinter Witz. 2, 102. — Ángriffs-: Jener A., den Ihr Satire nennt. 13, 274. — Armkönigs-: bejammernswerther Witz eines armen Königs. Sh. 2, 515. — Bīēr-:
1) wie man ihn in Bierkneipen hört (Kneipen-, Ggstz.: Salon-W.), auch: Unter Tabacksdampf und Klein-B. Sp. 44 (s. Kleinbier). — 2) [3] Bierkommers. — Bílder-: der sich in Bildern ausspricht, z. B. in Vergleichen 42, 29; Ästh. 1, 434) oder in Zeichnungen: Die B–e eines Gavarny, Töpfer, im Kladderadatsch etc.; Die Rebusse und ähnliche B–e etc. — Bȫrsen-: (vgl. Bier-W. 1) Saalf. 2, 73 etc. — Būcher- [1]: Bücherweisheit (s. Schul-W.): Am wenigsten neuarkadischer B., sondern, was er sein soll, kernhafter Natur-W. Ländl. 1, 107. — Búrschen-: Studenten-W. — Dünkel- [1]: Weisheitsdünkel. Patm. 443; 670 etc., auch: Eigen-W. Seel. 2, 7. — Fāūl- [1]: schlechte, übel oder an unrechter Stelle angewandte Klugheit: Foris sapere, domi desipere [für Andre klug, für sich unklug sein]. Ich will’s dieweil F. nennen. 6, 146a; 147a etc. (vgl.: Da viel tausend Gulden dafür sind verfaulwitzt. ebd., durch F. zu Grunde richten etc.); auch [1b] (vgl. Vor- W.). — Frêvel- [1]: auf Frevel gewendete Klugheit. Ps. C 3a. — Fǖr-: s. Vor-W. — Gä́nse-: schlechter. — Gedánken-: s. Jdeen-W. — Gemǖths-: G., Humor [s. d. 2]. 13, 134. — Gérn-: (s. gern 1d) Jemand, der gern witzig sein möchte — und: das Streben eines Solchen: Munter zu sein ohne G. Mös. 91; Der läppische G. eines naseweisen Gecken. Luc. 1, 246 etc. — Götter- [3]. — Hálb- [1b]: (veralt.) Einer, der nur halb (nicht recht) bei Verstand ist. 336; R. 49 etc. (vergl. Halbnarr). — Hāūpt- [3]. — Idēē(e)n-: Gedanken-W. (im Ggstz. z. B. zum Wort-W. etc.). 13, 273. — Kláng-: Der K. oder das akustische Wortspiel .. Sprach- oder Kling-W. Ästh. 1, 429. — Klēīder- [3]. — Klōster-: In den letztverfloßnen Jahrhunderten nannte man diese Art von [den sophistischen] Witz K.; denn auch in dieser Geschicklichkeit waren die Mönche an den Platz der Philosophen gekommen. Luc. 1, 120. — Klūg- [1b]: Nun, du K., nun strenge einmal deinen Kopf an. Schr. 5, 536, vgl.: Klügel-, Klüglings-W. [1]. — Knēīpen-: (s. Bier-W.) Gemeinste K–e. GschTh. 179, ähnl.: Wachstuben-W. etc., vgl.: Dieser Laden- W. 4, 48 etc. — Lánd-: bäurischer, roher: Wenn in gezwungenen Scherzen | dein L. sich ergießt. 2, 254. — Ménschen- [1]: menschliche Klugheit: Mit M. und Menschenlist. 1,149; 6,282; 21aetc. — Mönchs-: 206* s. Kloster-W. — Mútter- [1]: natürlicher Verstand, als angebornes Erbtheil im Ggstz. zur Gelehrsamkeit etc. (vgl.: Was ihr euch, Gelehrte, für Geld nicht erwerbt, | Das hab ich von meiner Frau Mutter geerbt. 67a etc.), z. B. gegenübergestellt: Ein Quentchen M. ist besser als ein Centner Sch ul-W. Sprchw.; Den M. bringt Jeder auf die Welt, | der Schul-W. wird durch Bücher uns gegeben. 2, 68; Anthr. 23 etc.; ferner allein: Menschen, deren M. noch nicht ganz eingetrocknet ist. 14, 136; Ich bot allen meinen M. auf. 9, 252; 7, 66. — Nāch-: s. Vor-W. 2. — Natūr- [1]: Mutter-W. (s. d. und Ggstz. Bücher-W.): Mit derbem N. H. 2, 114 etc. — Pȫbel-: pöbelhafter, — wie ihn der Pöbel liebt, macht etc. Bl. 1, 231; 4, 193³⁴ etc., versch.: Volks-W. — Reflexiōns-: Ästh. 1, 432. — Sách-: s. Ggstz. Wort-W. — Salón-: Abgeneigt jedem boshaften S. 6, 287 etc., s. als Ggstz.: Kneipen-, Bier-, Straßen-W. etc. — Schūl-:
1) [1] s. Bücher- und als Ggstz. Mutter-W. —
2) ein Witz aus dem Gebiet des Schullebens etc., vgl. Schüler-, s. Studenten-W. — Sprāch-: s. Klang- und Wort-W. — Strāßen-: (s. Ggstz. Salon-W.) Die derben Scherze und St–e. B. 2, 229. — Studénten-: Burschen-W.:
1) [2]. —
2) [3]. — Über-: überflüssiger, ungehöriger: Wieviel U. müßte von jenen Sinngedichten weggethan werden! — Un- [1]: Kein Fürst soll in seiner Unmacht oder Schwachheit und U–e verzagen ..; denn, gleichwie ein Reich nicht stehet durch Menschen Kraft und Witze, also fällt es auch nicht durch Menschen Unkraft und U–e. 5, 2a etc. — Vólks-: wie ihn das Volk macht und liebt (versch. Pöbel-W.). 12, 617; Ästh. 1, 421; 434 etc. — Vōr- [1]: (s. nam. 1, 555; 4, 207)
1) Neugier (s. d.):
a) (selten) untadelhaft, z. B.: Den angeborenen V. und die Begierde nach Wissenschaft [Wißbegierde] zufrieden zu stellen. 4, 10³⁸); 11¹¹ etc.; Die sollen uns die rechte Wahrheit sagen und den Für-W. büßen (s. d. 3), wie es gehe nach diesem Leben. 3, 211a [versch. 2]; „Ich höre | auf einer Laute Jemand spielen . ., stürze | ins Kabinett, der süßen Künstlerin | .. ins schöne Aug’ zu sehen.“ | Ein liebenswürd’ger V., den Sie döch | sehr bald gestillt (vgl. b). 260b; Wie aber gemeinlich in allen Dingen „der menschlichen fürwitz [1a] fremde, seltsame und ausländische Ding am werthesten und anmuthigsten sind. IIl etc. —
b) gw.: ungehörig und schädlich sich vordrängende Neugier (vgl. 2): Der V. plagts, neugierig möcht’ es auch wissen, | wie etc. 369; Dein unglücksel’ger V. übereilt | die fürchterlichste der Entdeckungen. 244b; ’Die von der [durch die] Furie des V–es von der Seite ihres noch unbekannten Gemahls weggerissene Psyche. 23, 308; Sticht mich unbesonnenen und naseweisen Esel der V., zu wissen, wer etc. Luc. 4, 279 etc. —
2) (vgl. 1b und Faul-W.) eine sich unbefugt — über die inne zu haltenden Schranken — vordrängende Naseweisheit (s. d.): Was deines Amts nicht ist, da lasse deinen „furwitz“. 3, 24; Aus „furwitz“. 10, 5; 3, 19 etc.; Treiben „Furwitz“ [unnütze Dinge. 2. 3, 11; Lüsterner V. und reuiger Nach-W. (vgl. Nachbedacht etc.); Der Unverstand, | der sich mit V. unterwand | die höchste Weisheit anzufechten. 5, 143; Das ist ein strafbarer V. 4, 102; Luc. 4, 194; Seinen oder für seinen V. büßen (s. d. 2) müssen (versch. 1a) etc., auch (vgl.
3) personif.: Fürwitz, der Krämer, hat viel Waar. Sprchw. Pr. 51 etc.). — 3) vgl. 1b; 2a und [1b]: ein Vorwitziger: Die beiden Fürwitze. Sch. 1, 54 etc., vgl. veralt. als Ew.: Daß man sich „fursehe“ und nicht leichtfertig und furwitz sei. SW. 35, 30 u. o. bei etc., s. ferner: Vorwitzerchen = Schneeglöckchen (s. d.), das sich, gleichsam wie ein kleiner V. unter den Blumen, aus dem Schnee vordrängt. — Wáchstuben-: s. Kneipen-W. etc. — Wāhn- [1]: (vgl. Aber-W.; Wahnsinn und Wahn, Anm.) Die Anfeindung des Guten und Höhern, das sie als Anmaßung, als Unsinn und W. verriefen. Lit. 5, 556; W. (insania) ist eine gestörte Urtheilskraft. Anthr. 144; Unsrer Thorheit, ja — was sag’ ich? — unsers blutdürstigen W–es. Ph. 1, 61; Bin ich im W. ? . . Ein Fieberwahn | bringt mir als wahr und wirklich vor den Sinn, | was die Gedanken gräßlich mir erfüllt. 431a etc. — Wórt-: mit Worten spielender. Ästh. 1, 430; 432 etc. — Zōten-: sich in Zoten (s. d.) ergehnd. — Zückerbäcker-: wie er sich gw. auf den Sprüchen der Zuckerbäckerwaaren findet (vgl. 7, 182): Der tändelhafte Z. M. 2, 94 u. ä. m.
Work in progress
Die Arbeiten am Wörterbuch sind noch nicht abgeschlossen. Beachten Sie daher folgende Hinweise:
- Artikel können falsch segmentiert sein.
- Lemmata können falsch aufgelöst sein.
- Die Struktur, v. a. von Lesarten, kann falsch ausgezeichnet sein.
- Falsch erkannte Zeichen sind nicht auszuschließen.
- Faksimiles können fehlen oder falsch beschnitten sein.
- Das generierte TEI/XML kann invalide sein.