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wesen Ja Straß Dem
I. Wêsen, intr. (sein):
sein (s. d. 1†):
1) Partic. Präter.: Gewesen, allgm. üblich, da vom Stamm sein ein solches fehlt, keines Belegs bedürftig. Wir geben nur einige für die prägn. Hervorhebung des Vergangnen im Ggstz. des noch Seinden (Eristierenden): So verbindet er zwei Vorzüge, daß er Staatsmann war und daß er es gewesen. Börne 5, 152; So seid ihr die längste Zeit Abt hier gewesen. B. 66b; Ihr eitle Seifenblasen, seid gewesen! Cham. 4, 7; G. 1, 188; König Kl. 1, 309; Wenn die Alten .. nicht gern geradezu sagten: er ist gestorben, sondern ..: er ist gewesen. L. 8, 250 etc. und im adjekt. Partic.: Der gewesene (oder Ex-) Minister etc.; substantivisch: Fürs Gewesene giebt der Jude Nichts. Sprchw.; Das Gewesne wollen hassen | solche rüst’ge neue Besen; | diese dann nicht gelten lassen, | was sonst Besen war gewesen. G. 4, 51; Das Jetzt ist kaum nur im Moment zu fassen; | ergreift man’s, schnell es ins Gewesne fliehet. WHumboldt 3, 423; Dem Gewesenen hold, das lange vermorscht. Platen 4, 249 etc. (s. ver-w. 1).
2) (s. 1) Die Form gewest, z. B.: Du bist über Wenigem getreu gewest. Matth. 25, 21 (vgl.: gewesen. 23) u. ö., s. Teller 1, 204; ferner z. B.: Eine Maus wäre gern über ein Wasser gewest. Luther 5, 270b; 6, 328a; SW. 60, 254; 257 etc.; PGerhard (Wackern. 2, 484²⁰); Auch wir sind gut geweßt. Haller 148 und in spätern Ausgaben geändert —: Was hilft’s den Fürst . ., | daß er .. lebend noch ein Gott geweßt? 18; Was unser Geist geweßt [später: sonst war], eh ihn ein Leib bekleidet. 68; Wo ein Held geweßt [später: sonst stund], wird jetzt ein Sklave sein. 73 etc.; auch noch im Ton der Volksspr. (vgl. Schm. 4, 173; niederd. west): Wo gewest, Schwesterle? B. 288b; Als nun einmal am Kirchweihfest | die Bauern wieder recht lustig gewest. Echtermeyer 69 (FFörster); Das Mannsvolk in Paris gewest. G. 6, 69; Da wär’s gut gewest. 34, 265; Immermann M. 2, 41; Nachdem ich weggewest zwölf ganzer Jahre lang. Müllner 5, 141 etc.
3) das Impf. in der ältern Spr. was, Mz. waren (vgl. frieren, Anm.), woraus die heute gw. Ez. war entstanden. Bsp. der ältern Form: Da die Messe aus was. Luther 6, 501b etc.; Rollenhagen Fr. 48; Sein Nein was Nein gerechtig, | sein Ja was
Ja vollmächtig; | er was sein’s Worts gedächtig etc. Weidner 25; Vom Pferd er sie abheben was. HSachs G. 1, 170; 172 etc. (auch Mz.:
Wie auf ein Zeit gar sehr viel Hasen | in einer schönen Gegend wasen. 2, 112, vgl.: Als ihr eine Fratsche wast. Grimm M. 5 = ein Frosch wart). Noch im Ton der ältern Spr.: Sah Etwas blinken auf der
Straß, | das ein zerbrochen Hufeisen was. G. 2, 225; Da er längst gestorben was. Reithard 359; Frag meinen Vater, den Schäfer, | ob er ein König was. Ahland 270 etc., s. 6. 4) Partic. Präs. wesend, wie sei(e)nd, ugw. als Hilfszeitw., z. B.:
Welches sein Sohn (mehr mit ausländischen Kriegen .. „beladend wesend“) nicht Zeit hatte zu vollführen. Gryphius Fr. 434 etc., häufiger prägnant = daseind, existierend (vgl. 6), z. B.: Jch bin w–d, ver- 199 gehe oder wanke nicht, ich bin und bleibe ewiglich . ., ich habe das W. [s. 5] allein. Luther SW. 35, 75; Wie ihn auch die griech. Sprache ον, den w–den und ύeoταμενον oder selbständigen Gott anruft. Mathestus Lthr. 205; Spate 2, 235; Je w–der Gott, Alpha und O. Uhland V. 816 etc., auch: Die all-w–de Kraft der Gottheit. IBöhm 10, 15; 42; Gryphius 1, 72 etc.; Ist er Swaiambhu, der Selb- w–de genannt. Rückert W. 1, 220; Wir . . finden, daß sie nicht von ihnen selbst, noch selb-w–d, noch in ihnen selbst sind, sondern von einem Andern sind. Zwingli 2, 208 etc.; s. Zsstzg. und wesig. Fortbild. (s. u.) W–tlich und (s. bedeutend, Anm.) Wesenheit. 5) substant. Infin., s. II. 6) Auch außer 1—5 z. B. in der niederd. Volksspr. und in dem Ton derselben, z. B.: Das w. man [sind nur] stumme Hunde. Claudius 1, 81 etc.; aber auch in der gehobnen Spr. prägnant = existieren in der dem innern Sein gemäßen Weise etc., vgl. leben und weben (s. 4; II; ferner bes. im Präs., Infin. und schwachform. Impf.), z. B.: Alles ist hier [in Goethe’s Briefen an Zelter] charakteristisch, die ganze Euphemistik seines Stils, die Lieblingsausdrücke seiner Rede .., daß er „weset“ und nicht „ist“ oder ,,lebt“ etc. Gervinus Lit. 5, 722, s.: Ottilie west nun in Berlin. G. Zelt. 3, 395; Es kam das deutsche Theater-W., wie es eben west, ziemlich klar zur Sprache. 5, 306 etc., auch: Der bleibt und west für sich allein. G. 2, 344; 12, 150; Gabriele webet und weset in der vornehmern ausgebildeten Welt. 32, 284; Man machte ihnen begreiflich, sie weseten nicht in der uranfänglichen Natur, sondern in einem Lande, das etc. 22, 370 etc.; In deinem W. (s. II) weset auch das meine. Danzel Aufs. 179; Da sieh sie w.! H. (Dünzer H. 3, 305); Ehe Staaten waren, wurden schon Völker und mußten w., wenn jene sein sollten. Jahn M. 58; Der im Sein weset und den Schein verachtet. 323; Daß Alles, wie sie jetzt leben und w., bestätigt werde. Luther 8, 211a; Alles wesete und wirkte [in Griechenland] in freiester Entfaltung in und durch einander. EHFMeyer Gsch. Bot. 1, 79; „Ich bin!“ Dies kleine Wort umfasst die Ewigkeit, denn was ist, Das ist und Alles, was da weset, ist ewig, weil Gott. Zschokke 1, 76.
Anm. Goth. visan, ahd. wësan, mhd. wësen, s. Graff 1, 1053 ff.; Benecke 3, 765b; Schm. 4, 173; Wackern. Gl. 589 und: Daß der Name Wischnu selbst unstreitig mit jener Wurzel zusammenhängt, die in mehrern Sprachen Sein bed., von der sich selbst das lat. est, wie das deutsche ist herschreibt; im Hebr. v (Stamm. 7). Schelling 2, 2, 453, vgl. auch I. bis und wahr, Anm.
Zsstzg. s. sein —, z. B.: Áb-: gw. nur:
1) ““ a–d, nicht hier; In der Gesellschaft über Einen, der a–d ist, über einen A–den sprechen; Wie der süße Dämmerschein .. | meine Seel’ umgiebt mit Wonneruh, | a–d auch mir immer gegenwärtig. G. 7, 236; Daß der Bruder .. von Wittenberg a–d sei. L. 12, 142 etc.; übertr.: mit dem Geiste nicht gegenwärtig, nicht bei sich seind: Klaudine, wie durch die ganze Scene, nachdenklich und a–d. G. 8, 48; Wie a–d, wo nicht wahnsinnig. 10, 245; Wo sind Sie, Graf? Sie scheinen a–d! So hören Sie doch! 34; A–d schein’ ich nur, ich bin entzückt. 13, 114; Wo der Menschengeist, der lang-a–de, hervorglänzt aus den Irren und Leiden. Hölderlin H. 2, 35; Das war es, was dich den ganzen langen Tag unter deinen Freunden .. so a–d machte? L. 10, 274 etc.; best.: Er ist manchmal wie geistes-a–d. Dazu:
a) A–heit, s. u.
b) (selten) Verabwesenden, a–d machen etc.; Das unnatürliche ,,Sie“, das .. wie das ,,Er“ durch Entfernung und, daß ich so sage, durch Verabwesendung Ehrfurcht und Unterthänigkeit ausdrücken sollte. Gedike Du 14.
2) [5] Das A., veraltend, mundartl.:
a) = A–heit, z. B.: Im A. 2. Kor. 10, 1; 11; 13, 2 etc.; In meinem etc., in Jemandes A. Phil. 2, 12; Luther 4, 235b; Opitz Poet. 34; Schaidenreißer 2a; 44b; Stumpf 525b; Zinkgräf 1, 53; 3, 120 etc.; Bei Jemandes A. SFHahn 4, 120; 186 etc. oder im bloßen Genit.: Mein(e)s, ihres etc. A–s. Luther 1, 120a; 318a etc.; Und würde also a–s verlobt. 5, 253a etc.; A–s ihres Hauswirths. Kirchhof Wend. 117a etc.; Die Ursache seines langen A–s. Gryphius Fr. 459; Mein leiblich A. Luther 5, 14a etc., auch: Was soll der fleischliche Mensch thun im A. des Geists oder der Gnaden wider die Sünde, so er im Bei-W. des Geists streitet wider Gott für die Sünde? 1, 411a.
b) Abnahme, Verschlimmerung, üble Lage: Ins A. kom- men. Auerbach Leb. 2, 317; In augenscheinliches A. gerathen. Schm. 4, 174, herunterkommen.
Án-:
1) [4] A–d (s. zugegen; an-, gegenwärtig 1 und Ggstz.: abw–d): Solang der König in den Niederlanden selbst a–d war. Sch. etc.; Ein lautes Gelächter .. aus allen a–den Hälsen. W. 13, 39; Die A–den etc.
2) [5] Das A.:
a) = A–heit (s. d. und 1): In (Olearius B. 78b; Zinkgräf 2, 17 etc.), bei (SFHahn 1, 142 etc.) Jemandes A. etc.
b) (s. a und Wesen II 7) Aufenthalt, Wohnsitz: Anno 1288 hat König Rudolf sein A. zu Mainz gehabt. ChrLehmann (Wackern. 3, 568³³); Franck Chr. 188a; Wenn der Vater unter hiesiger Botmäßigkeit sein Domicilium und stetiges A. gehabt. Rötger Mecklbg. Schw. Rep. 563 etc.
c) (s. b) südd.: ein Besitzthum, Grundstück (vgl. Haus-, Heim-W.): In dem herrenlosen A. Auerbach Leb. 2, 247; 249; D. 4, 19 etc.; Ihm das kleine A. gegen ein Billiges überlassen. LBüchner Leb. 340; Hausbl. (62) 3, 323; 356; Hatte das A. schon von Vorvätern ererbt. PHeyse Mer. 310; HKöster L. 1, 31; Kürnberger N. 1, 149; Steub DTr. 2, 44 etc.; Ein Bräu-, Bäcken-, Seldner- u. dergl. A. Schm. 4, 174, vgl.: Das Gewesen des alten Jens Bork ist ein Opfer der letzten Sturmfluth geworden. HSmidt Meeresst. 26.
Bēī-:
1) [4] an-w–d (veralt.): Unter den b–den Herren. Zinkgräf 1. 116 etc., auch im absol. Genit.: Ayrer 141a etc.
2) [5]
a) Anwesenheit (vralt.), s. An-w. 2a, Beisein, z. B.: In Jemandes B. Luther 3, 405b; 6, 524a etc., s. auch Ab-W. 2a, das letzte Bsp.
b) (s. Wesen I) etwas einer Sache als Nebensache Beigegebnes, z. B.: Die lebendigen kleinen B. [in den Blumenstücken]. G. 20, 185; Der Zug mit seiner Pracht und allem B. 222; 27, 271; 29, 51; Von allem poetischen und mythologischen B. haben ihn [Laokoon] die Künstler entkleidet. 30, 309; 328; 31, 132; 224; 398; H. 11, 72 etc. (veralt.) Nach f–der [4] Gelegenheit. Harsdörffer Frauenz. 1, 49, sich ergebend, zeigend etc. Ver- (s. Schm. 4, 175):
Für-:
1) intr.: aufhören zu sein; in den Zustand des Nichtseins übergehn (vgl. verwerden), in engrem Sinn von Organischem: nach Aufhören der Lebensthätigkeit durch Fäulnis vergehn (vgl.: Kein Zahn „verwärt“, das Feuer verzehrt ihn auch nicht. Eppendorf 14), z. B.: Ihr Fleisch wird ver-w. also, daß sie noch auf ihren Füßen stehen etc. Zach. 14, 12; Ap. 13, 34; 2. Kor. 4, 16; Der Gottlosen Name wird ver-w. Spr. 10, 7; Da lägen wir, im Haupthaar Erd’ und Gräser, | das Antlitz fleckig, halbverwest die rechten Reichsverweser (s. 2b). Freiligrath SW. 6, 258;. Haller 10; Der Körper, ein lebendiger Leichnam, stirbt lange vorher, ehe er stirbt, er verweset eines langsamen, elenden, unnatürlichen Todes. H. Ph. 4, 185; Kl. M. 4, 934; Jetzt bin ich verwest und verwaist und verwüstet. Rückert Mak. 1, 200; Meine Wünsche | ver-w. hier [finden ihr Ende in meiner Brust]. Sch. 278a; Aus v–dem Blut. V. Ländl. 4, 703; 826 ff.; Todt und verwest. W. Luc. 6, 14 etc.
a) mund- artl. Partic.: Über den verwes’nen Pflanzen. Geßner 3, 3; Ach, daß mein Leib ver-w. wäre! Haller 185; JvMüller 24, 181 etc.; verneint: Daß der Körper un-v. noch heutiges Tages daselbst kann gesehen werden. Olearius Reis. 63b = unverwest.
b) Dazu: Verwesung. Ap. 2, 27 (vgl. Ps. 16, 10); 31; 13, 36 ff.; Hiob 17, 14 (personif.); Christ ist erstanden | aus der Verwesung Schoß. G. 11, 35; 9, 59; Der Dampf der Verwesungen. Kl. M. 6, 288; Od. 1, 92; Moder und Verwesung. L. 8, 250; Salis 103; „Wem hab ich gesammelt?“ Großinquisitor: Der Verwesung lieber als | der Freiheit. Sch. 308a; 740a; Zu der Pforte | der Verwesungen. Tiedge 2, 76; Fäulnis und Verwesung. W. Merck 2, 78 etc.; Dies Verwesliche | muß anziehn Unverwesung. H. 16, 275 (s. 1. Kor. 15, 53).
2) tr.: Etwas verwalten; ihm verwaltend vorstehn, z. B.: Es sei keine geringe Kunst, das Narrenamt recht zu ver-w. Schwab V. 1, 315 etc., bes. stellvertretend (s. nam. Schm.), z. B.: Unverzüglich ward der biedre Greis erlesen, | das Reich .. zu ver-w. Alxinger D. 97; Sch. 460a; Du sollt das Amt des Haupts und er der Hand ver-w. Werder Tass. 14, 13 etc. Dazu:
a) Die Verwesung des Amts, Reichs etc.; Die Reichsverwesung etc.
b)
Dem „Verweßer“ des Bürgermeisteramts. Eppendorf 118 (s. Verwalter und c):
Daß ich meine Pfarre von einem Verweser besorgen lasse. Gutzkow R. 5, 69; As fürstliche Verweser. Luther 1, 153b; Er, den der Herr zum Verweser erkor [der Papst]. Platen 3, 7; Mit seinen [des Himmels] erbärmlichen Verwesern [Pfaffen] will ich kein Wort mehr verlieren. Sch. 123a; Zinkgräf 1, 291 etc. Zsstzgn: Amtsverweser. Langbein L. 390; Der Zufall .. (uns Reimern oft Apollo’s Amtsverweser). W. 11, 265 etc.; Heut ist Feiertag | und ich bin Fest verweser. V. 3, 221; Als Kanzleiverweser. G. 27, 436; Machen aus Lands- verwesern anders nichts als Landsverwüster. Zinkgräf 1, 322; Platzverweser [Stellvertreter]. Klencke Gsp. 1, 156; Ihr drei | allein’ge Rechtsverweser dieser Welt [Triumvirn]. Tieck Anton. 2, 6; Die Regierungsverweser in Paris. Ense B. 3, 539; Der Reichsverweser herrscht vom Thron. G. 34, 332; Sch. 461a; V. Sh. 2, 250 etc.; Jeder Staats verweser. G. 22, 241; Stellverweser des ganzen menschlichen Geschlechts. W. 30, 193 (vgl.: Stellvertreterin. 194) etc. c) (s. b) ähnlich: Ein Vorweser oder Vormund. Luther 1, 307b (SW. 21, 335) etc., heute gw. aber = Vorfahr, Vorgänger (bes. im Amt): Von seinem Nachfolger ärger .. gepeinigt als von seinem Vorweser. B. 307b; JAEbert Gd. 1, 2; JvMüller 6, 412; 8, 32; JGMüller Lind. 4, 440; Musäus Ph. 4, 168; Olearius Reis. 167b; V. Ant. 2, 112; 224 etc. d) (s. b) Fortbild.: Der Erzherzog Johann hat die Reichsverweserschaft angenommen. Ense T. 5, 105; 6, 125 etc.