Faksimile 0711 | Seite 1533
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Weile
II. Wēīle, f.; (–n); Weilchen:
die sich hinziehnde, über Etwas hingehnde Zeit nach ihrer Dauer, z. B.:
1) als ein ungefähres (auf Schätzung beruhndes) Zeitmaß: Es währt eine W.; eine ganze, geraume, lange etc.; eine kleine, kurze W., ehe (oder bis) etc.; Bleib eine W. bei ihm, bis sich der Grimm deines Bruders wende. 1. Mos. 27, 44; Dan. 11, 6; Ich bin noch eine kleine W. bei euch. Joh. o 13, 33; 5, 35; Und über eine kleine W. traten hinzu, die da standen. Matth. 26, 73; Hebr. 10, 37 etc.; Grimm M. 126; Nachdem die zwei Krieger lange W. vergeblich sich bemüht. Jris 8, 903 (Heinse); Lewald W. 1, 321; Nach kurzer W. Simrock N. 1540; Es däuchte sie .. nur spannen-lange W. Gudr. 384; Die W. währte lang, | eh etc. 862; Besann sich kurze Weil. Uhland 471; 387; Nach einiger W., wann das Unkraut aufgeschossen. V. Georg. 11; Nachdem er ihn eine geraume W. betrachtet. W. 2, 188; Nach einer W. 9, 283; Die eine W. her lebloser Marmor schien. 20, 186 etc.
a) Hier auch verkl., z. B.: Wart ein Weilchen (s. warten 1c); Ein Weilchen hier zu rasten. Freiligrath 2, 246; Nur ein kurzes Weilchen. G. 1, 143; Keller LvS. 368; Ein ziemliches Weilchen verging, bis etc. W. 23, 51 etc.
b) nach ältrer Weise: Wir säumten uns allda auch „ein Weil“. Berlichingen 24; Siehet .. „ein weil“ zu. Luther 5, 315a etc., vgl. (in ugw. Bed.): Das wird doch über’nweil gar der Kerl nicht sein? FMüller F. 123 = am Ende (s. d. 2e).
c) als Maß in Betreff der Silbenquantität (selten): Wie diese Worte sich wieder in der Rede nach W. und Ton [Quantität und Accent] zu einander verhalten. WHumboldt 3, 20.
2) (vgl.
1) die Zeit, insofern sie Einem schnell oder langsam zu verfließen scheint, s. (auch für die Belege) lang 2b und die Zsstzgn Lang(e)-, Kurz-W., ferner:
a) Einem ist (Rückert Rost. 1a etc.); wird (G. 17, 125; W. 15, 241; 16, 140), währt (Simrock N. 787 etc.) die W. lang; Einem die W. lang (W. 12, 317, gw.: ihm Lange-W.) machen etc.; Die W. will alle Tage länger werden. G. Sch. 6, 62; So vertrieben sie die W., die däuchte sie nicht lang. Simrock N. 754 etc.; Stillingen wurde Zeit und W. lang, bis sie wieder kamen. Stilling 2, 176; Laß dir die Zeit und Weil bei mir nicht lang sein. Schaidenreißer 44b etc. und (veralt.) Denn mir danach mein Weil fast lang ist. 63a, ich sehne mich sehr danach.
b) (s. a) W. = Lange-W., z.B.: Doch dünkt mir daneben, euch plage viel W. B. 66a; Will er nicht müßige W. haben, so etc. L. 1, 208; Den Unmuth abzuthun, die W zu verzehren. Logau 2, 70; „Übungen der Feder, | des Kerkers traur’ge W. zu verkürzen.“ | In müß’ger W. (s. 4) schafft der böse Geist. Sch. 405a; Daß man gut die W. | mit Wurst und Bier sich kürzt. Uhland 137; Durch Gesang der Arbeit W. sich lindernd. V. Ländl. 3, 27; W. 3, 144 etc.; selten (vgl. a, Schluß) = bange sehnende Erwartung etc.: Bis dahin blieb sie eine Beute der grausamsten W. Kürnberger N. 2, 243 etc. 3) (selten) = Aufschub: Die Lust des Glücklichen kennt keine W. Cham. 4, 58, s. 4d, e. 4) Außer 1—3 wie Zeit (auch verbunden damit) nur noch in einigen stehnden Verbindungen:
a) veraltend als Obj. wofür bei persönl. Subj. oberd. auch der Theil-Genit. steht, s. Schm. 4, 55 —, z. B. (alphabet. nach den Zeitw.): Gut Ding will W. haben. (Sprchw.) G. 18, 32 etc.; Jemand hat (der) W. [Muße]: Jetzt aber hab ich nicht der Weil. HSachs G. 2, 122; So wir hierin davon zu disputieren, Weil und Platz hätten. Stumpf 549a etc.; Es hat mit Etwas W. (Mendelssohn 4, 2, 220 etc.), gute W. (Mommsen 3, 328; Platen 7, 201), keine Eile, gute Wege (s. d. 6b) etc. Sich der Weil lassen. Schm.; Sonsten ließen sie unserm Herrn .. nicht so Viel der Weil, daß etc. Zinkgräf 1, 279 etc. Nimm dir die W. dazu. Luther 8, 346b; Sich der Weil nehmen. Schm. etc.; Das Alles zu zählen, nähm viel „Wile“. Brant N. 99¹¹⁸, nähme viel Zeit in Anspruch etc. Mit solchem Streit verliert man Zeit und W. G. 12, 137 etc. Ferner:
b) adverbiell (und als Bindew.), s. II weil und Zsstzgn; außerdem nur noch:
c) Bei nächtlicher Weil(e), bei Nachtzeit. Luther 1, 160b; Schaidenreißer 38b; W. 5, 240 etc., auch im bloßen Genit.: Tagüber „Soldätles“ und nächtlicher W. Puppen spielen. Scherr Bl. 1, 62.
d) Mit der W., mit der Zeit, nach und nach, nicht sofort (vgl. 3). Weish. 12, 8; 10 etc.; In Geduld abzuwarten, wozu sich mein eigensinniges Herz mit Zeit und W. entschließen wird. W. 2, 61; Daß es uns mit Witz, Geduld und W. [geduldigem Abwarten] | bei strengen Tugenden [Frauen] am sichersten gelingt. 12, 187 etc.
e) Bergb.: In der W. arbeiten, in den Freistunden. Adelung, dazu: Weilarbeit. Ders. (dagegen nach Scheuchenstuel 262: die periodische Bearbeitung einer Grube, zur Aufrechterhaltung der Bergbauberechtigung, alle 14 Tage mit einer Schicht, vgl. 3 und unterweilen 2 etc.)
Anm. Goth. hveila, ahd. hwila, mhd. wîle, Zeitpunkt; Zeitraum; Stunde; Geburtsstunde als schicksalbestimmend etc., s. Benecke 3, 668 ff.; Schm. 4, 56. Dazu ahd. (Dat.) hwīlom, wilôn(t), mhd. wllen(t), weiland (s. d.). Außer 4b kommt nhd. die Mz. schwerlich vor.
Zsstzg. (s. Schm.): Fēīer-: Feierstunde.
Kälblein-: Schlenkel-W.
Kúrz-: was die Weile [2b] kürzt und die dadurch bewirkte Zeitkürzung (s. d. und Zeitvertreib), z. B.:
1) Die Damen machen sich 100mal aus bloßer platter Langeweile K. IP. 7, 141; So oft sie .. der K. pflagen. Simrock N. 130; Zu einer K. 891; Das Spiel .. macht ihr so wenig K. mehr. W. 23, 365 etc.
2) oft ohne das End-E, z. B.:
a) fem.: Eitel Fabelei zur Kurzweil ausgedacht. Musäus M. 2, 84; Eine Kurzweil anstellen. Schuppius (Wackern. 3, 743²³); Zeus, der die Kurzweil liebt. W. 3, 177; Nachdem man lang auf neue Kurzweil sann. 185; 9, 199; 12, 329; Wiewohl der Alte Raspeln oder Schanzen | für eine beßre Kurzweil hält. 20, 331; Leichte bloß zur Kurzweil vorgenommene Beschäftigungen. Att. 3, 1, 115; Zinkgräf 1, 216 etc.
b) ohne erkennbares Geschlecht: Der Ernst kehrte sich dann in Kurzweil. Heinse A. 1, 167; Musäus Ph. 1, 102; Denjenigen, so Kurzweil aus deutschen Büchern .. suchen. Schaidenreißer IX; Schiebt meine Vernunft nicht in Kurzweil her- um! Sch. 151b [haltet mich nicht verierend mit Räthseln hin]. Simrock N. 633; 757; W. 3, 187; 6, 88; 23, 32 etc.
c) masc.: Die den Kurzweil der Jugend leitete. Gervinus Lit. 5, 346; Von der langen Weile und dem Kurzweil. Kant Anthr. 172; So wenig | sind sie Kurzweils gewohnt aus eurem Munde. Sch. 537a etc., vgl.: Da Jedermann sein Kurzweil und Gelächter mit hat. Garzoni 134a (neutr. oder sein = seine?). Hierzu auch Mz.: Hauptspäße und Kurzweile der Pickelheringe. Schütze Hamb. 42; Daß eine Komödie, die kein Ende nimmt, die langweiligste unter allen K–n sei. W. 13, 45; 16, 142; Deren Laune zu solchen K–n gestimmt war. 17, 134 etc. Láng(e)- [2]:
1) viersilbig, sei es in 2 Wörtern od. als eins geschrieben:
a) Hier wird dann in der Regel (s. Hoherpriester) das Ew. flektiert, s. lang 2d, wozu wir noch einige Belege fügen: a) In einen Kübel L. kömmt ein Tröpfchen Zeitvertreib. Börne 4, 343; In der Langenweile ihrer Übersättigung. Forster Voln. 220; Jt. 2, 87; Dem Volke . ., | das mir lange Weile giebt [gw. macht]. G. 8, 81; Die Zeit fängt mir an unerträglich lang zu werden. .. L., du bist ärger als ein kaltes Fieber. 9, 59; 11, 8; 14, 75; 15, 21; 17, 64; Nun hatten wir .. manchmal L. .. und, ehe wir’s uns versahen, ward unsere Weile noch länger. 341; 29, 246; FHJacobi 5, 44; So macht’s mir diesmal wirklich L., daß etc. Platen 3, 173; Hypochondrisch vor langer Weile. Sch. 97b; Vischer Ästh. 1, 432; Ich müßte schier vor Ärgernis | und Langerweil’ krepieren. V. 3, 94; W. 2, 45; Die lange Weile schleicht den guten Göttern nach. 3, 177; Durch alle Stufen der langen Weile. 184; 4, 56; 10, 121; 13, 70; 23, 178; Die gähnende L., die ihm das Stück verursacht. 34, 104 etc. 8) Aus Langerweile. G. 9, 169 etc.; Der folgt mir nicht vor Langerweile [ohne Zweck, Absicht, zum bloßen Zeitvertreib etc.]. Sieh, | wie schielt er nach den Händen. L. Nath. 1, 5 etc. und veraltend (s. Für): Mag nicht für Lange rweile schwitzen. G. 3, 134; W. 11, 190 etc., vgl.: Eine Frage.., die nicht so ganz für die L. [müßig, zum Spaß etc.] sein dürfte. L. 8, 364; 12, 390; Mendelssohn Morg. 188; Daß die Feen nicht für die lange Weile zu drohen pflegen. W. 2, 111 [daß ihre Drohungen ernst gemeint etc.]; Weil ich denn | nun einmal hier bin, will ich’s wahrlich auch | nicht für die lange Weile sein, will lärmen etc. 34, 257; Daß ich meinen Knittel nicht für die L. führe. Luc. 1, 423; 6, 70 etc.; auch: Die Schnur Korallen ist schön und das Jagdkleid meines Mannes ist auch nicht für die L. [nicht schlecht etc.]. Tieck DQ. 2, 390 etc. γ) scherzh. Bez. für Koventbier (s. d., vgl. Langfahne).
b) vereinzelt unflektiert (vgl. 2): Spannung, die nur selten .. mit Langeweile und Abspannung wechselte. Burmeister gB. 2, 93; Aus Überdruß und L. Cham. 4, 298; Vor L. Eichendorff 3, 230; Die leibhafte Göttin der L. Heine Lut. 2, 269; Lenau A. 99; L. 13, 12 (Mendelssohn); Tieck N. 7, 105 etc.; Ich bin an Herzens-L. krank. Cham. 5, 134 etc.
2) als vollständige Zsstzg. (nicht bloße Zusammenschiebung) in der Form: Langweil(e), z. B.: In der Langweile trieben sie allerlei. Hebel 3, 105; Zu Vertreibung der Langweil. Schaidenreißer IV; 73a; Die Art von Langweile .., welche aus allzugroßem Überfluß an Kurzweil entspringen soll. W. 23, 32; 3, 176; 12, 52 etc. (mundartl. auch = Trübsal etc. Schm., vgl.: Langweil mit Freud vertreiben. GForster Fr. Liedl. 3, 25 und schwzr.: Das sei das läntwyligst Dabeisein, da erleide Einem das Leben selbst. Gotthelf Sch. 249). Schlénkel-: (bair.) die Zwischenzeit, die ein aus einem Dienst in einen andern ziehnder Dienstbote für sich zur freien Benutzung hat. Schm., auch „Kälbleinsweil.“ Schūster-: (bair.) die Ruhezeit in der Dämmrung bei Schustern und andern Handwerkern, die auf der Stör (s. d. 2) arbeiten. Sítz-: (bair.) auf dem Lande: die Abendzeit im Winter, wo man sich von den Draußen-Arbeiten zu Arbeiten oder Unterhaltungen beim Stubenlicht zurückzieht. Schm. 3, 299; 4, 56. Wárte-: die Zeit, die man mit Warten hinbringt: Die unruhigen Gedanken, in denen der Alte seinen Gast zurückließ, verkürzt diesem die W. eben nicht. König Saalf. 1, 239 etc., s. auch warten.