Faksimile 0706 | Seite 1528
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weiden
II. Wēīden, intr. (haben), tr. und refl.:
auf die Weide (s. d. II 1—3und Anm. 2a) gehen und führen, eig. und übertr.:
1) mit Thieren od. thierischen Wesen als Subj. auf die Weide gehn:
a) intr.: Daß Herden daselbst w. Jes. 17, 2; Daß Kälber daselbst w. und ruhen. 27, 10; Wolf und Lamm sollen w. zugleich. 65, 25; 2. Mos. 34, 3 etc.; Dann folg’ ich der w–den Herde. G. 1, 68; Knebel 1, 20; Platen 3, 9; [Es] weideten darin zwei Pfauen. Talvj 2, 81; Mein liegendes Gut und was weidet [und „die Herden“. Wiedasch]. V. Od. 2, 75 etc. Dazu: Daß sie [die Heerkühe] gute Weiderinnen seien, d.h. den übrigen immer fleißig vor-w. Tschudi Th. 594.
b) zuw. mit Obj., z. B.: Die Herde weidete Laub und Blatt. Rückert (Wackern. 2, 1554²²); Schafe w. die [vgl.: auf der] Trift. Stolberg Gd. 9 etc.; Die Schafe wollen gar Nichts w. [fressen]. Opitz (Wackern. 2, 312³⁶), vgl. (s. a): enthalten sich von ihrem W. ⁴³ etc., s. 3a.
c) refl. = a (vgl. 2c; 3c) Da werden dann die Lämmer sich w. Jes. 5, 17; 30, 23; [Nebukadnezar] soll sich w. mit den Thieren von den Kräutern der Erde. Dan. 4, 12; 20 (vgl. 3d); Wenn der Hirsch aus der Brunst tritt, so weidet er sich wiederum begierlich. Eppendorf 66; Wer niemals denkt, wer sich wie Thiere weidet. L. 13, 56 (Mendelssohn); Überall weideten sich Hunde, Schweine, Geier über ihren Leichnamen. JvMüller 14, 96; Das Pferd . . | weidet sich .. in schöner Au. Rollenhagen Fr. 507; V. Od. 6, 90 etc.; auch mit Angabe des Erfolgs: Daß die Laus im Grinde sich dicke weide. Luther 6, 149a; Sich satt w. etc., s. 3c.
2) tr.: als Hirt auf die Weide führen und dort hüten:
a) eig.: Einen Knecht, der .. das Vieh weidet. Luk. 17, 7; 1. Mos. 30, 31; 36; 37, 12 u. o.; Da waidne deine Geiß und Kitzen. Keisersberg SchiffdPön. 50c (Post. 52 etc.); Ein Mädchen weidete mein Pfauchen dort. DMus. 1, 1, 141; Die wohlgeweidete Herde. V. Od. 9, 237; Die mich Kuh-W–den [Kuhhirt] küsset. Th. 27, 2 etc.; auch ohne Obj.: Der Hirt .. weidete auf dem hohen Gebirge. Geßner 3, 73; Kein w–der Hirt. V. Od. 9, 122 etc. und danach verallgemeint: Ich hindr’ euch nicht, wo’s euch beliebt, zu w. G. 2, 247 etc.
b) bildl., vgl. Hirt 3; Herde 2b; Schaf 2b etc.: Er [Gott] weidet mich auf einer grünen Aue. Ps. 28, 9 etc.; Du sollst [als Völkerhirt] mein Volk Jsrael w. 1. Chr. 12, 2; 18, 6 etc.; Weidet die Herde Christi, so euch befohlen ist. 1. Petr. 5, 2; Ap. 20, 28; Joh. 21, 15 ff. etc.; Der Gerechten Lippen w. Viel. Spr. 10, 21 [leiten Viele. Zunz]; Eine andre Herde muß ich [die Jungfrau von Orleans] w. | dort auf dem blut’gen Felde der Gefahr. Sch. 452a; Dem völker-w–den Atreus. V. Il. 2, 105 [= dem Völkerweider Atreus. B. 150b; 145b; 164b]; Ob es [das Volk] mit einem krummen oder graden Stab geweidet wird. W. 32, 79 (s. Krummstab) etc.
c) bibl.: Sich selbst w., statt für das Wohl der zu schirmenden, zu hütenden Herde nur für den eignen Vortheil sorgen etc.: Wehe den Hirten Israel’s, die sich selbst w.! Sollen nicht die Hirten die Herde w.? Aber ihr fresset das Fette etc. Hes. 34, 2; 8; 10; Judä 12; Ihr habt euch selbst geweidnet als, | das Feist fraßt ihr etc. HSachs 1, 63a etc.
d) meton.: Diese Alp weidet [nähret] so und so viel Vieh, man kann es dort w. oder: es weidet dort; Vor der rosse-w–den Elis. V. Od. 21, 347 etc. (s. 3a).
3) bildl., nach Weide II3, z. B.:
a) bibl.: Ephraīm weidet sich (s. c und 1c) vom Winde und läuft dem Ostwinde nach. Hos. 12, 2 = Ephraim weidet Wind (s. 1b). Zunz; Der Wind weidet (s. 2d) alle deine Hirten. Jer. 22, 22 etc., s. Wind als Bez. des Leeren, Nichtigen etc.; außerdem:
b) tr.: Jemand weidet seine Augen (Forster R. 1, 190; Hebel 3, 444; Sch. 583b; V. Od. 11, 452; W. 20, 273; Luc. 6, 329 etc.), die Blicke (Cham. 4, 194; Sch. 547a etc.), sein Herz (Cham. 4, 249; Sch. 492a etc.), seine Seele (Heinse A. 1, 56; WhMüller 1, 64 etc.), sich (s. c) an Etwas oder Einem; auch: Im Blauen blieb ein Augen-W. | an fern- entwichnen lichten Finsternissen. G. 2, 8; Augen und Phantasie .. zu w. Heinse A. 2, 81; Wir hatten mit allerhand Lust unsere Augen geweidet. Olearius Reis. 243b; Wie frohlockend dann | will ich herüber vom Citharon w. | mein Auge. Sch. 16a; 238a etc.; auch: Den Glauben zu w. und stärken. Luther 1, 333b etc. (s. c) und dichterisch auch: In dem glatten See | w. ihr Antlitz | alle Gestirne. G. 2, 46, erblicken es als ihre Augenweide darin, spiegeln sich mit Wonne etc., vgl.: Labt sich die liebe Sonne nicht, | der Mond sich nicht im Meer? | kehrt wellenathmend ihr Gesicht | nicht doppelt schöner her? 1, 149 etc.
c) ref. (s. b): Jemand weidet sich an Etwas. Cham. 4, 136; G. Sanders, deutsches Wörterb. II. 7, 254; 11, 196; 14, 65; Daß Heinrich gierig sich mit seinen liebesirren Blicken an der feinen Haut weidete. Gutzkow R. 5, 145; Heinse A. 1, 20; Weide dich .. mit Wolfsgrimm hier an deinem Opfer. 215; Verbannte w. leer sich noch an Hoffnungen. WHumboldt 3, 92; Pfeffel Pr. 9, 21; Sch. 213b; 274b; W. 4, 132; Luc. 6, 202 etc., auch: Er ist gerochen, er mag sich w. [an der Rache]. Sch. 115b etc.; Wie ich mich .. in den schwarzen Augen weidete. G. 14, 25; Darin sich w. und erlusten. Luther 8, 256b; 257a etc.; und (s. 1c, Schluß): An Hoffnung sich satt w. G. 11, 114 etc.; auch: Das Auge (Hagedorn 1, 197), der Blick (Heinse A. 1, 248; Pfeffel Po. 3, 44; Thümmel 5, 219), das Gefühl (Heinse A. 1, 44), das Herz (W. 20, 238) weidet sich an Etwas; Dann weidet mein Ohr sich. V. Ar. 1, 356; Ihre Nasen weideten sich an Düften. W. 13, 160 etc.; ferner: Was kümmert Sie’s, wenn sich Ihr Stolz nur weidet? Sch. 295b etc. und veralt. (vgl. b): Der Glaube weidet sich .. allein von dem Wort Gottes. Luther 1, 333b etc.
d) zuw. intr.: = c, vgl. schwelgen, z. B.: Warum verlangen wir, in stetem Glück zu w.? Canitz; Indeß die Augen in der Ferne w. Möricke N. 604; Wenn er seine gierigen Blicke in ihren in Liebe schwimmenden Augen w. ließ. W. 7, 119 etc.
4) s. außer III auch weifen und Weide II, Anm. 3.
Zsstzg. z. B.: Áb-, tr.: Das Vieh [1] und faktit. (s. 2): Der Hirt [2a] weidet die Saat, Trift, Alp etc. ab (vgl. abätzen 1), z. B.:
1) Die Schafe weiden dir | den Klee ab. G. 8, 24 etc.; Die Edelhirsche weideten die grünen Kornhalme ab. Kinkel E. 23; [Feld,] abgeweidet von Heuschrecken. Rückert Morg. 2, 237 etc.; bildl.: Als würd’ ein ganzes Gefilde von Flammen abgeweidet. B. 204b etc.; minder gw. (vgl. Weide II2a): Der Adler .., der dir die Leber a. soll. W. Luc. 2, 15 etc. und bildl.: [Die saugende Fliege] sucht, soviel sie kann, von den Menschen zu genießen und von der Blume der Schönheit sozusagen ab-zu-w. 4, 470 etc.; Noch un abgeweidet (s. 2) in frischer Blüthe. Heinse A. 1, 128 etc.
2) faktit. (im Partic. Präter. zusammenfallend mit 1): Kohl A. 2, 129; Sch. 517a; 1010a; V. Ländl. 3, 11 (v. 113); 81 etc.; s. auch: abweihen. Be-:
1) Thiere [1] oder Hirten [2a] b. eine Gegend etc., weiden dort, z. B.:
a) Zahlreiche Antilopen .. b. den afrikanischen Boden. Burmeister Gsch. 426; Des Viehs, das die Alpen beweidet. Kohl A. 2, 41; Herrig 30, 457 etc.
b) Kein Andrer darf b. diese Stellen. Rückert Morg. 1, 167; Die Alp .., | die wir beweidet seit der Väter Zeit. Sch. 529b etc.
2) [3c] veralt.: Sich mit Thränen b. [daran weiden]. Opitz 1, 298. Durch-, tr. [1; 2a]: weidend durchziehn: Welchem 300 | .. Farren .. die fruchtbaren Büsche d. V. Georg. 1, 15; Il. 5, 162 etc. Er-: veralt. [3c]: Daß Aller Augen sich in reichem Schmuck e. Rompler 18. Hín- [1; 2a]: Das Reh, auf fröhlichen Auen sanft | h–d. H. 11, 11 etc. Mít- [1; 2a]: z. B. V. Th. 8, 80 etc. (s. auch Mitweide); ferner [3b]: Am Anschaun der Schlacht mein Auge mit-zu-w. Solger Soph. 1, 133. Nāch-: im Ggstz. zu vor-w. (s. d.). Um-, tr. [1; 2a]: weidend umziehn, umgeben: 400 Rehe und Hirsche um-w. es [das Schloß]. Kohl Irl. 2, 317; V. Georg. 4, 539; Am roßumweideten Elis. Wiedasch Od. 21, 347. Vōr- [1; 2a]: intr.: weidend vorangehn, s. [1] Schluß, auch: [2a] mit der Weidegerechtigkeit (die Vortrift haben).