Weichen
II. Wēīchen, wich (veralt.:
weich); gewichen, intr. (gw. mit sein, s. 1a): (s. weich, Anm.) einem Druck, Eindruck, einer Einwirkung nachgebend, von seiner Stelle rücken, sich entfernen; nicht bleiben etc., auch verallgemeint, nam. in Zsstzgn (s. d.): 1) ohne abhäng. Vhe: Fürchte dich nicht! . . weiche nicht. 41, 10; 52, 11; Es sollen wohl Berge w. 54, 10; 4, 15; Bis .. der Schatten weiche. 2, 17 etc.; Der feste Boden weichet, | wie ihn sein Fuß bestampft. D. 159; Es soll dein Degen | mich nicht zum W., | zum Wanken (s. d.) bringen. 8, 35; [Die Sonne] rückt und weicht. 11, 45; Ich wich und wich und kam nur immer näher. 13, 167; 190; 8, 139b; Das geheimnisvolle Grauen ist gewichen. 12, 280; 580b; 2, 854²; 3, 216²; Hoch schlägt ihr volles Herz | durchs w–de Gewand. 20, 18 etc. —
a) vereinzelt: Daß der Mähren Oberster .. mit seinem..Volk gewichen und ausgesetzt hätte. 1, 37, auch (s. 5): Hat mein Gang gewichen aus dem Wege. 31, 7, vgl.: Wenn mein Schritt gewichen vom (rechten) Wege .. wäre. ebd.; Unser Herz ist nicht abgefallen, noch unser Gang gewichen von deinem Wege. 44, 19 etc. — 2) mit Beifügung des, um wie viel das Subj. von der Stelle rückt: Ich werde keinen Schritt (von meinem Recht etc., s. 5) w.; Ich wich nicht ein Haar breit. 17, 121 etc. — 3) In einer Beziehung, in einem Punkte w.; Der Herzog wird in keinem Stücke w. 332b etc., s. 7. — 4) mit Beifügung des Wohin, z. B.: Dorthin; in die Ferne; fernhin; rückwärts; zur Seite w.; Darnach wich Abraham ferner. 1. 12, 9; Die Landstraße wollen wir ziehen, weder zur Rechten, noch zur Linken w. 4, 20, 17 (aus-w.); Wenn auch ein Geprüfter .. hintenaus weicht. 11, 83 etc. — 5) mit Beifügung des Woher, von Wo: Nicht von der Stelle w.; Vom (rechten) Wege; vom Tugendpfade; von Gott; vom Pfade der Gottlosen, vom Bösen; aus dem Wege, der Bahn; von Jemand w. etc. (vgl. 1a); Ist der Geist des Herrn von mir gewichen? 1. 22, 24 etc.; Das Ausein- ander-W. der [Farben-] Töne. 23, 286; Die morsche Thür wich aus den Angeln. M. 3, 268; Mein Schatten war sie, der nie von mir wich. 5, 100; Ich tadelte dein Bild, wo es von Lenen wich. 1, 251, gw.: abwich, sich von diesem Urbild entfernte etc. — 6) mit Beifügung des zum W. Bestimmenden im Dat. (s. 7) od. zuw. mit vor, z. B.: (Vor) dem Feinde w.; Die Nebel w. (vor) der Sonne etc.; Die Armen müssen ihnen w. 24, 4; 2, 5; Daß Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht. 11, 32; 23; Der Gewaltthätigkeit w. E. 1, 9; Der .. guten Räthen bald weichet, Statt giebt und folget. SW. 61, 331; 4, 290; 78b; 492b; Die Maulbeer . ., | die jedem Drucke weicht. 6, 279; 1, 161 etc. — 7) (s. 6 und 3) Einem an Etwas w. (müssen), ihm darin nachstehn etc. — Zsstzgn (vgl. die von I), z. B.: Ab-:
1) intr.:
a) von dem inne zu Haltenden, als Richtschnur Geltenden sich entfernen, z.B.: a) mit persönl. Subj. (vgl. b): Von dem Wege des Rechts, der Tugend, der Wahrheit etc. a.; Er weicht in seiner Aussage von der Wahrheit; in seiner spätern Aussage von der frühern ab (vgl. ó); Von den bürgerlichen Gesetzen ab-zu-w. 19, 291; Wenn man auch, das Gelungene wiederholend, aus- und abwich, so strebte man doch immer, .. zu dem Hauptgedanken zurückzukehren. 31, 336; Weiche keinen Fingerbreit | von Gottes Wegen ab. 31; Die Wahrheit mied er mit schlau a–der Rede (s. 8). Od. 13. 254; Dieses .. werd’ ich . ., nicht | anderswohin a–d, verkündigen. 4, 348; 34, 109 etc. — ) Etwas weicht von der Norm, von der Regel ab etc.; Seine spätre Aussage weicht von der Wahrheit, von der frühern ab (s. a); Von einander a–de Zeugenaussagen; Eine von dem zu Grund gelegten Text a–de Lesart; Ungleichförmig (s. d.) oder a–d gelagerte Schichtungsebnen; Die Magnetnadel weicht hier um so und soviel Grad vom Meridian ab etc. (s. Deklination). —
b) (veraltend) Jemand weicht von Einem oder von einem Orte ab, verlässt ihn, entfernt sich davon, nam. (vgl. a): wenn ihm eine Pflicht etc. zu bleiben gebietet, z. B.: Fast alle Truppen . wichen nach und nach von ihm ab. B. 3, 288; Da der Alte weinend .. von dem Sohn a. musst. RH. 291; Weich ab von der Grube! 46b [11, 95]; 174b; In weiten Kreisen standen a–d [zurückw–d, -tretend] die Begleiter. J. 1, 211; 548b; 756a; 1, 141 etc. —
c) Partic. Prät., von der Zeit = vergangen: Im abgewichenen Jahr. 32, 49; Den Repräsentanten der abgewichenen Zeit. 12, 250; 314; Den abgewichenen März. Saalf. 2, 41; 13, 139; Im letzt abgewichenen Winter. 34, 239; In diesem nun bald abgewichenen Monat. Merck 1, 304 etc., heute üblicher verwichen, s. auch ent-w. —
d) zu a und b: Abweichung, vgl. Deklination und z. B.: Seltsame Harmonien . ., gewaltsame Abweichungen und Übergänge. 29, 337; Nebenumstände, welche das Grundgesetz .. bedingen und .. Ab- und Aus weichungen verursachen. 37, 324; 39, 238; Daß auch das . . Dampfboot eine kleine Abweichung im Kurs erleiden könnte. Kön. 1, 74; 6, 415 etc.; Gewichtsabweichungen. 10, 231. —
2) (veralt.) tr., faktit. zu 1: abwenden etc.: Dein Antlitz nicht von mir abweich! Ps. 143, 5; Den Ungunst „abzuweiken“. 2, 3 etc. — Āūs-: aus dem inne Gehaltnen oder zu Haltenden, aus dem Wege, der Richtung etc. weichen:
1) zuw. mit sachl. Subj.: Nach einer Seite hin war die Giebelwand bedeutend ausgewichen. M. 1, 100 etc.; Wo der Fuß in dem unter ihm a–den Sande immer glitschen will. Luc. 4, 355; Dies Tonstück weicht von C-Dur nach G-Dur aus [geht über]; A–de Modulation. Kat. 83 (s. 2a) etc.; Dieses [Werk] müsse ganz a–de Theile enthalten haben. 3, 2, 27, die sich von dem eig. Inhalt entfernt etc. —
2) mit persönl. Subj. (vgl. ausbiegen, auslenken):
a) Weder zur Rechten noch zur Linken a. [3]; Auf die Seite, in einen Seitenpfad a.; Mein Fuß wich oft | von seinem Pfad zur Seite aus. etc.; Den Autor, der durch sanftes A. versucht, eine löbliche Freiheit zu erlangen. 33, 251; 31, 336 (s. ab-w. 1aa); Der Klavierspieler .. wußte nicht mehr, in welchen Ton er a. sollte. 15, 177; Ich wäre aber hier nicht unerwartet in diese fremde Tonart von Rührung ausgewichen. 3, 28 etc. Bes. aber: einer Pers. oder Sache aus dem Wege gehn, um sie zu vermeiden, ihr zu entgehn, so:
b) in der Regel mit Dat.: Der ansteckenden Seuche aus-zu-w. 28, 85; 32, 87; 39, 297; Die bescheidne Größe flüchtet | sich hinter das Abscheuliche, um der | Bewundrung aus-zu-w. Nath. 2, 5; 1, 69; 2, 22 etc.; 2, 39; 545b; Od. 14, 125; Um einer so unanständigen Heirath aus-zu-w. 1, 236; Man sucht, ihm aus-zu-w. 3, 170; 163; Wenn den Gesetzen nur mit einer guten Art ausgewichen werden muß. 4, 130; 57; 236; 10, 102; 210; 11, 114; 117; 12, 324; 13, 128; Er hat Schwierigkeiten zu überwinden oder ihnen aus-zu-w. 18, 181; 19, 260; 22, 149; 24, 20; 27, 203; HB. 1, 254; Luc. 6, 97; Um der Vorlesung meines Gedichts aus-zu-w. 150 etc. —
c) nam. schwzr. auch tr., z. B.: Nachdem er, um die menschliche Gestalt aus-zu-w., alle möglichen Gestalten . erschöpft. 130; 148; 3, 362; Alle verhaßte Dienste aus-zu-w. HB. 1, 10; 61; 78; 244; Den Frager weiche aus. 262 etc.; 15, 163; Wird ein Befehl übertrieben oder ausgewichen. 7, IX; Er weicht mich aus, mein Vater weicht mich aus. 4, 11; Als wich er es aus, mich allein zu sehen. 20; 1, 103 etc.; Die, welche seine Wuth .. ausgewichen. 1, 219; Der .. die Schlacht ausweiche. 311; 488; 502; 6, 161; 24, 295; 410; Nachts. 169; Wer den [,dem“. Nat. 31] Umgang mit Leuten nicht ausweicht. Stolz 31 etc.; vereinzelt auch: Man kann nicht alle a. Stein 3, 70, ferner im Partic. (s. folgen, Anm.): Mit Ehrfurcht ausgewichen, | schreitet stolz das junge Ehpaar. Lied. 64 etc.; Durch dazwischen kommende, nicht aus-zu-w–de Störungen. 1, 117) etc., s. ausweich-bar, -lich. —
d) zuw. ohne abhäng. Vhe, z. B.: Bald weicht er aus, verspätet und umgeht. 13, 77 etc., bes. im Partic. Präs.: A–d meiner Rede zu entschlüpfen. 616b; Ihm eine a–de Entgegnung statt barer Münze zu geben. N. 1, 295 etc., auch (vgl. 1): Mit dieser a–den Hoffnung. 9, 238, wodurch ich dem Schrecklichen zu entgehen hoffte etc. —
3) Dazu:
a) (s. 1) Die Einlagerungen und Ausweichungen dieses wichtigen Gesteins. 40, 300; Die ganze Ausweichung des Thurms aus dem Loth beträgt etc. Engl. 3, 105; Ausweichung [in eine andre Tonart]. Kat. 84 etc. —
b) (s. 2a) Eine kleine Ausweichung, die in der Folge gar weit vom Ziele abgeführt etc. Morg. 283; 37, 324 (s. ab-w. 1d); Seltsame Ausweichungen aus der gemeinen Bahn der Vernunft und Moralität. 30, 181 etc. —
c) (s. 2c) Zur Entkräftung oder Ausweichung des Gesetzes. 32, 108 etc. — Die dahingewichne Zeit etc. — nach innen weichen (vgl. aus-w. 1), bes.: Einweichung, s. Weiche 5. — sich entfernen, entfliehn etc.: Jocham floh und „entweich“. 9, 21 etc.; Die Kammerfraun e. [ziehn sich zurück]. D. 311; Entwichene Zeiten. 136b (s. ab-w. 3c); Vernunft und Sinn entweicht vor seinem [des Reimgesetzes] Zwang. 2, 582²⁴); An fern entwichnen lichten Finsternissen. 2, 8; Also entwich der bescheidene Sohn der heftigen Rede [des Vaters]. 5, 25; 6, 55; 1, 137; Aus der Stadt e–d. 4, 291; Auf raschen Zauberschwingen | entwich mein letztes Glück. 1, 134; Da kaum die Nacht entwichen. F. 2, 438; Die Liebe, die ihm hoch | himmelein entweichet. 1, 362 etc. —
Dahín-: Eīn-: Ent-: a) veralt. zur Bez. des unmittelbar Neben- oder Nacheinander: Ein Faß liegt hart neben dem andern, daß eins dem andern nicht e. mag. 3, 57²³); So schnell . ., daß ein Wort dem andern kaum e. möcht. 3, 418b etc. —
b) veralt. Doppelzsstzg.: Darauf entwich die Garde abe. 1, 202. —
c) Die vorhabende Entweichung besser zu verbergen. 1, 79 etc. — (hin)weg-w. — Hêr- etc.: Gewichen bin ich her ans Licht. 12, 169; Wie sanft er herabweichet, dieser Hügel! It. 1, 201 etc.; Daß die Begebenheiten aus ihrem Gleise in eine ganz falsche Bahn hinübergewichen. V. 74; Nie von der Grenzlinie des Guten und Schönen hinüber- oder her- über-zu-w. 3, 136 etc.; Da wichen von den .. Pforten .. die Feinde schnell hinweg. 35, 258; 331; 1, 253 etc. — (s. ab-w. 3c) Die verwichne Zeit etc.; In der letztverwichenen Michaelismesse. 3, 250; In jüngstverwichner Nacht. 458b; Am nächstverwichnen Sonntag. 3, 720³⁰ etc.; auch adverb.: Verwichen = jüngst, neulich etc. 2, 150; RH. 314; Gr. 1, 266 etc. — hinweg-w.: Zur Seite weg-zu-w. 12, 34; 1, 52 etc. — rückwärts weichen, sich zurückziehn. 4, 173; B. 3, 80; Wie ihr Sonnenfeuer zu den Sternen andrer Völker zurückweicht. A. 1, 315; Oft den Sieg ihm abzuzielen, | nimmer weichen ihm zurück. L. 36 3, 317; Der ganze Adel wich zaghaft .. vor diesem Antrag zurück. 804b; Rep. 3, 176 etc.; auch von Theilen eines Gemäldes: zurücktreten gegen das Vordere. 4, 759b.
Fórt-: Ver-: Wég-: Zurück-: Work in progress
Die Arbeiten am Wörterbuch sind noch nicht abgeschlossen. Beachten Sie daher folgende Hinweise:
- Artikel können falsch segmentiert sein.
- Lemmata können falsch aufgelöst sein.
- Die Struktur, v. a. von Lesarten, kann falsch ausgezeichnet sein.
- Falsch erkannte Zeichen sind nicht auszuschließen.
- Faksimiles können fehlen oder falsch beschnitten sein.
- Das generierte TEI/XML kann invalide sein.