Faksimile 0703 | Seite 1525
Faksimile 0703 | Seite 1525
Faksimile 0703 | Seite 1525
Faksimile 0703 | Seite 1525
Weichen
II. Wēīchen, wich (veralt.:
weich); gewichen, intr. (gw. mit sein, s. 1a): (s. weich, Anm.) einem Druck, Eindruck, einer Einwirkung nachgebend, von seiner Stelle rücken, sich entfernen; nicht bleiben etc., auch verallgemeint, nam. in Zsstzgn (s. d.): 1) ohne abhäng. Vhe: Fürchte dich nicht! . . weiche nicht. Jes. 41, 10; 52, 11; Es sollen wohl Berge w. 54, 10; Klag. 4, 15; Bis .. der Schatten weiche. Hohel. 2, 17 etc.; Der feste Boden weichet, | wie ihn sein Fuß bestampft. Alxinger D. 159; Es soll dein Degen | mich nicht zum W., | zum Wanken (s. d.) bringen. G. 8, 35; [Die Sonne] rückt und weicht. 11, 45; Ich wich und wich und kam nur immer näher. 13, 167; 190; Luther 8, 139b; Das geheimnisvolle Grauen ist gewichen. Oppenheim 12, 280; Sch. 580b; Wackern. 2, 854²; 3, 216²; Hoch schlägt ihr volles Herz | durchs w–de Gewand. W. 20, 18 etc.
a) vereinzelt: Daß der Mähren Oberster .. mit seinem..Volk gewichen und ausgesetzt hätte. Zinkgräf 1, 37, auch (s. 5): Hat mein Gang gewichen aus dem Wege. Hiob 31, 7, vgl.: Wenn mein Schritt gewichen vom (rechten) Wege .. wäre. Zunz ebd.; Unser Herz ist nicht abgefallen, noch unser Gang gewichen von deinem Wege. Ps. 44, 19 etc. 2) mit Beifügung des, um wie viel das Subj. von der Stelle rückt: Ich werde keinen Schritt (von meinem Recht etc., s. 5) w.; Ich wich nicht ein Haar breit. G. 17, 121 etc. 3) In einer Beziehung, in einem Punkte w.; Der Herzog wird in keinem Stücke w. Sch. 332b etc., s. 7. 4) mit Beifügung des Wohin, z. B.: Dorthin; in die Ferne; fernhin; rückwärts; zur Seite w.; Darnach wich Abraham ferner. 1. Mos. 12, 9; Die Landstraße wollen wir ziehen, weder zur Rechten, noch zur Linken w. 4, 20, 17 (aus-w.); Wenn auch ein Geprüfter .. hintenaus weicht. L. 11, 83 etc. 5) mit Beifügung des Woher, von Wo: Nicht von der Stelle w.; Vom (rechten) Wege; vom Tugendpfade; von Gott; vom Pfade der Gottlosen, vom Bösen; aus dem Wege, der Bahn; von Jemand w. etc. (vgl. 1a); Ist der Geist des Herrn von mir gewichen? 1. Kön. 22, 24 etc.; Das Ausein- ander-W. der [Farben-] Töne. G. 23, 286; Die morsche Thür wich aus den Angeln. Immermann M. 3, 268; Mein Schatten war sie, der nie von mir wich. Nicolai 5, 100; Ich tadelte dein Bild, wo es von Lenen wich. 1, 251, gw.: abwich, sich von diesem Urbild entfernte etc. 6) mit Beifügung des zum W. Bestimmenden im Dat. (s. 7) od. zuw. mit vor, z. B.: (Vor) dem Feinde w.; Die Nebel w. (vor) der Sonne etc.; Die Armen müssen ihnen w. Hiob 24, 4; Gal. 2, 5; Daß Manneswürde nicht der Götterhöhe weicht. G. 11, 32; 23; Der Gewaltthätigkeit w. HKleist E. 1, 9; Der .. guten Räthen bald weichet, Statt giebt und folget. Luther SW. 61, 331; Platen 4, 290; Sch. 78b; 492b; Die Maulbeer . ., | die jedem Drucke weicht. Shakspeare 6, 279; Zinkgräf 1, 161 etc. 7) (s. 6 und 3) Einem an Etwas w. (müssen), ihm darin nachstehn etc. Zsstzgn (vgl. die von I), z. B.: Ab-:
1) intr.:
a) von dem inne zu Haltenden, als Richtschnur Geltenden sich entfernen, z.B.: a) mit persönl. Subj. (vgl. b): Von dem Wege des Rechts, der Tugend, der Wahrheit etc. a.; Er weicht in seiner Aussage von der Wahrheit; in seiner spätern Aussage von der frühern ab (vgl. ó); Von den bürgerlichen Gesetzen ab-zu-w. G. 19, 291; Wenn man auch, das Gelungene wiederholend, aus- und abwich, so strebte man doch immer, .. zu dem Hauptgedanken zurückzukehren. 31, 336; Weiche keinen Fingerbreit | von Gottes Wegen ab. Hölty 31; Die Wahrheit mied er mit schlau a–der Rede (s. 8). V. Od. 13. 254; Dieses .. werd’ ich . ., nicht | anderswohin a–d, verkündigen. 4, 348; W. 34, 109 etc. ) Etwas weicht von der Norm, von der Regel ab etc.; Seine spätre Aussage weicht von der Wahrheit, von der frühern ab (s. a); Von einander a–de Zeugenaussagen; Eine von dem zu Grund gelegten Text a–de Lesart; Ungleichförmig (s. d.) oder a–d gelagerte Schichtungsebnen; Die Magnetnadel weicht hier um so und soviel Grad vom Meridian ab etc. (s. Deklination).
b) (veraltend) Jemand weicht von Einem oder von einem Orte ab, verlässt ihn, entfernt sich davon, nam. (vgl. a): wenn ihm eine Pflicht etc. zu bleiben gebietet, z. B.: Fast alle Truppen . wichen nach und nach von ihm ab. Ense B. 3, 288; Da der Alte weinend .. von dem Sohn a. musst. Hammer RH. 291; Weich ab von der Grube! Schaidenreißer 46b [11, 95]; Sch. 174b; In weiten Kreisen standen a–d [zurückw–d, -tretend] die Begleiter. Spindler J. 1, 211; Stumpf 548b; 756a; Zinkgräf 1, 141 etc.
c) Partic. Prät., von der Zeit = vergangen: Im abgewichenen Jahr. G. 32, 49; Den Repräsentanten der abgewichenen Zeit. Immermann 12, 250; 314; Den abgewichenen März. König Saalf. 2, 41; W. 13, 139; Im letzt abgewichenen Winter. 34, 239; In diesem nun bald abgewichenen Monat. Merck 1, 304 etc., heute üblicher verwichen, s. auch ent-w. B.
d) zu a und b: Abweichung, vgl. Deklination und z. B.: Seltsame Harmonien . ., gewaltsame Abweichungen und Übergänge. G. 29, 337; Nebenumstände, welche das Grundgesetz .. bedingen und .. Ab- und Aus weichungen verursachen. 37, 324; 39, 238; Daß auch das . . Dampfboot eine kleine Abweichung im Kurs erleiden könnte. Laube Kön. 1, 74; L. 6, 415 etc.; Gewichtsabweichungen. Prechtl 10, 231.
2) (veralt.) tr., faktit. zu 1: abwenden etc.: Dein Antlitz nicht von mir abweich! Waldis Ps. 143, 5; Den Ungunst „abzuweiken“. Zwingli 2, 3 etc. Āūs-: aus dem inne Gehaltnen oder zu Haltenden, aus dem Wege, der Richtung etc. weichen:
1) zuw. mit sachl. Subj.: Nach einer Seite hin war die Giebelwand bedeutend ausgewichen. Immermann M. 1, 100 etc.; Wo der Fuß in dem unter ihm a–den Sande immer glitschen will. W. Luc. 4, 355; Dies Tonstück weicht von C-Dur nach G-Dur aus [geht über]; A–de Modulation. Lobe Kat. 83 (s. 2a) etc.; Dieses [Werk] müsse ganz a–de Theile enthalten haben. Schleiermacher 3, 2, 27, die sich von dem eig. Inhalt entfernt etc.
2) mit persönl. Subj. (vgl. ausbiegen, auslenken):
a) Weder zur Rechten noch zur Linken a. [3]; Auf die Seite, in einen Seitenpfad a.; Mein Fuß wich oft | von seinem Pfad zur Seite aus. Gieseke etc.; Den Autor, der durch sanftes A. versucht, eine löbliche Freiheit zu erlangen. G. 33, 251; 31, 336 (s. ab-w. 1aa); Der Klavierspieler .. wußte nicht mehr, in welchen Ton er a. sollte. 15, 177; Ich wäre aber hier nicht unerwartet in diese fremde Tonart von Rührung ausgewichen. IP. 3, 28 etc. Bes. aber: einer Pers. oder Sache aus dem Wege gehn, um sie zu vermeiden, ihr zu entgehn, so:
b) in der Regel mit Dat.: Der ansteckenden Seuche aus-zu-w. G. 28, 85; 32, 87; 39, 297; Die bescheidne Größe flüchtet | sich hinter das Abscheuliche, um der | Bewundrung aus-zu-w. I. Nath. 2, 5; IP. 1, 69; 2, 22 etc.; Platen 2, 39; Sch. 545b; V. Od. 14, 125; Um einer so unanständigen Heirath aus-zu-w. W. 1, 236; Man sucht, ihm aus-zu-w. 3, 170; 163; Wenn den Gesetzen nur mit einer guten Art ausgewichen werden muß. 4, 130; 57; 236; 10, 102; 210; 11, 114; 117; 12, 324; 13, 128; Er hat Schwierigkeiten zu überwinden oder ihnen aus-zu-w. 18, 181; 19, 260; 22, 149; 24, 20; 27, 203; HB. 1, 254; Luc. 6, 97; Um der Vorlesung meines Gedichts aus-zu-w. 150 etc.
c) nam. schwzr. auch tr., z. B.: Nachdem er, um die menschliche Gestalt aus-zu-w., alle möglichen Gestalten . erschöpft. ebd.; 130; 148; 3, 362; Alle verhaßte Dienste aus-zu-w. HB. 1, 10; 61; 78; 244; Den Frager weiche aus. 262 etc.; W. 15, 163; Wird ein Befehl übertrieben oder ausgewichen. 7, IX; Er weicht mich aus, mein Vater weicht mich aus. Geßner 4, 11; Als wich er es aus, mich allein zu sehen. 20; 1, 103 etc.; Die, welche seine Wuth .. ausgewichen. JvMüller 1, 219; Der .. die Schlacht ausweiche. 311; 488; 502; 6, 161; 24, 295; 410; Schubart Nachts. 169; Wer den [,dem“. Nat. 31] Umgang mit Leuten nicht ausweicht. Zimmermann Stolz 31 etc.; vereinzelt auch: Man kann nicht alle a. G. Stein 3, 70, ferner im Partic. (s. folgen, Anm.): Mit Ehrfurcht ausgewichen, | schreitet stolz das junge Ehpaar. Heine Lied. 64 etc.; Durch dazwischen kommende, nicht aus-zu-w–de Störungen. Kant (Dorow 1, 117) etc., s. ausweich-bar, -lich.
d) zuw. ohne abhäng. Vhe, z. B.: Bald weicht er aus, verspätet und umgeht. G. 13, 77 etc., bes. im Partic. Präs.: A–d meiner Rede zu entschlüpfen. Sch. 616b; Ihm eine a–de Entgegnung statt barer Münze zu geben. Waldau N. 1, 295 etc., auch (vgl. 1): Mit dieser a–den Hoffnung. G. 9, 238, wodurch ich dem Schrecklichen zu entgehen hoffte etc.
3) Dazu:
a) (s. 1) Die Einlagerungen und Ausweichungen dieses wichtigen Gesteins. G. 40, 300; Die ganze Ausweichung des Thurms aus dem Loth beträgt etc. Kohl Engl. 3, 105; Ausweichung [in eine andre Tonart]. Lobe Kat. 84 etc.
b) (s. 2a) Eine kleine Ausweichung, die in der Folge gar weit vom Ziele abgeführt etc. Mendelssohn Morg. 283; G. 37, 324 (s. ab-w. 1d); Seltsame Ausweichungen aus der gemeinen Bahn der Vernunft und Moralität. W. 30, 181 etc.
c) (s. 2c) Zur Entkräftung oder Ausweichung des Gesetzes. 32, 108 etc. Die dahingewichne Zeit etc. nach innen weichen (vgl. aus-w. 1), bes.: Einweichung, s. Weiche 5. sich entfernen, entfliehn etc.: Jocham floh und „entweich“. Richt. 9, 21 etc.; Die Kammerfraun e. [ziehn sich zurück]. Alxinger D. 311; Entwichene Zeiten. B. 136b (s. ab-w. 3c); Vernunft und Sinn entweicht vor seinem [des Reimgesetzes] Zwang. Drollinger (Wackern. 2, 582²⁴); An fern entwichnen lichten Finsternissen. G. 2, 8; Also entwich der bescheidene Sohn der heftigen Rede [des Vaters]. 5, 25; 6, 55; Nicolai 1, 137; Aus der Stadt e–d. Platen 4, 291; Auf raschen Zauberschwingen | entwich mein letztes Glück. 1, 134; Da kaum die Nacht entwichen. Ramler F. 2, 438; Die Liebe, die ihm hoch | himmelein entweichet. Rückert 1, 362 etc.
Dahín-: Eīn-: Ent-:
a) veralt. zur Bez. des unmittelbar Neben- oder Nacheinander: Ein Faß liegt hart neben dem andern, daß eins dem andern nicht e. mag. Keisersberg (Wackern. 3, 57²³); So schnell . ., daß ein Wort dem andern kaum e. möcht. Luther 3, 418b etc.
b) veralt. Doppelzsstzg.: Darauf entwich die Garde abe. Schweinichen 1, 202.
c) Die vorhabende Entweichung besser zu verbergen. W. 1, 79 etc. (hin)weg-w. Hêr- etc.: Gewichen bin ich her ans Licht. G. 12, 169; Wie sanft er herabweichet, dieser Hügel! Forster It. 1, 201 etc.; Daß die Begebenheiten aus ihrem Gleise in eine ganz falsche Bahn hinübergewichen. Görres V. 74; Nie von der Grenzlinie des Guten und Schönen hinüber- oder her- über-zu-w. IGJacobi 3, 136 etc.; Da wichen von den .. Pforten .. die Feinde schnell hinweg. G. 35, 258; 331; Zinkgräf 1, 253 etc. (s. ab-w. 3c) Die verwichne Zeit etc.; In der letztverwichenen Michaelismesse. L. 3, 250; In jüngstverwichner Nacht. Sch. 458b; Am nächstverwichnen Sonntag. Wackern. 3, 720³⁰ etc.; auch adverb.: Verwichen = jüngst, neulich etc. Göckingk 2, 150; Hammer RH. 314; Scherr Gr. 1, 266 etc. hinweg-w.: Zur Seite weg-zu-w. G. 12, 34; Nicolai 1, 52 etc. rückwärts weichen, sich zurückziehn. Cham. 4, 173; Ense B. 3, 80; Wie ihr Sonnenfeuer zu den Sternen andrer Völker zurückweicht. Heinse A. 1, 315; Oft den Sieg ihm abzuzielen, | nimmer weichen ihm zurück. Langbein L. 36 (H.); Mommsen 3, 317; Der ganze Adel wich zaghaft .. vor diesem Antrag zurück. Sch. 804b; Stahr Rep. 3, 176 etc.; auch von Theilen eines Gemäldes: zurücktreten gegen das Vordere. Sulzer 4, 759b.
Fórt-: Ver-: Wég-: Zurück-: