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weich
I. Wēīch, a.:
Eindrücken leicht nachgebend oder weichend, im Ggstz. zu hart (s. d.): 1) eig. (s. hart 1), z. B.:
a) Ob das Spröde mit dem W–en | sich vereint. Sch. 78a; W–eres rang mit Hartem und Lastendes gegen das Leichte. V. Ov. 1, 2 etc.
b) W. wie Sammt, Seide etc.; wie Flaumen, Daunen etc.; wie Wachs, Brei, Butter, Dreck etc.
c) W. gekochte oder w–e Eier; Jm papinianischen Topf werden selbst Knochen w.; W–es Fleisch (vgl. d), w–e Speisen sind leicht verdaulich etc.
d) Schöne Männer . ., w–es, weißes Fleisch (vgl. c), ohne schwammig .. auszusehen. G. 23, 95; Von ihren w–en Armen sanft umruht. Cham. 4, 156; Die zarte, w–e Haut etc.
e) Eine Stufenfolge vom w–sten bis härtesten [Mineralkörper]. Karmarsch 2, 224; W–es Holz zu spalten. G. 11, 8 etc.
f) W–es Lager (V. Od. 22, 195), Bett etc.; Warm (s. d. 1g) und w. sitzen etc.; W–es Gewand; Die da w–e Kleider tragen. Matth. 11, 8 etc.
g) Mit Regen machst du es [das Land] w. Ps. 65, 11; Die durchs Thauwetter w–en und tiefen Wege; W–es [kothiges] Wetter; Mit der Nase ins W–e [euphemist. = Dreck] gefallen. L. 1, 288 etc. S. ferner im Folg. (ineinandergreifende) Übertragungen und Anwendungen von 1—: 2) in Bezug aufs Gemüth, aufs Herz und dessen Empfindungen: für milde, sanfte Gefühle, nam. der Rührung, des Mitleids etc. empfänglich, ihren Eindrücken und Einwirkungen leicht zugänglich etc. und: solchem Wesen gemäß (vgl. auch 3): Ein w–es Herz, Gemüth; In w–er Stimmung; w. gestimmt sein; Daß dein Herz w. geworden ist und hast dich gedemüthigt vor Gott. 2. Chr. 34, 27; Das Elend eurer w.-geschaffnen Seelen (vgl. 3). MBeer Arr. 80; Drin mir deine w–ern Lieder [vgl. 4] | aus des Nordens dunkelm Winter | Sommer schufen. Freiligrath Garb. 145; Das strenge Herz, es fühlt sich mild und w. G. 11, 4; Seine [Hamlet’s] schwankende Melancholie, seine w–e Trauer (vgl. 3b). G. 17, 32; Ich habe keinen w–ern (s. 3), zartern und, wenn es darauf ankommt, bestimmbarern jungen Mann gesehen. 22, 350; Der w–e, mondscheinsanfte Michelet. Heine Lut. 2, 188; „Sie haben ihn so w. gebildet“. Sanft [s. d. 5], nicht w. Iffland 5, 1, 121; Es schmilzt mein Herz in wonnig w–es Sehnen. Kinkel 213; Bald schmilzt in w–e Liebe mein Gesang. Platen 1, 183; Denen zu dem w–en Busenwallen | Heldenstärke die Natur verliehn. Sch. 5a; Nicht Strenge legte Gott ins w–e Herz | des Weibes. 418a; Der Herrscher | muß hart sein können und mein Herz ist w. 896b; Weint zu den Instrumenten | ein w–es Lied. Shakspeare 6, 152; Der bettelnde Soldat, dessen offenes Gesicht mich .. so w. machte. Thümmel 6, 157 etc. 3) der nöthigen Kraft des Widerstands, der erforderlichen Festigkeit ermangelnd, auch in Bezug aufs Gemüth (vgl. 2): Euer Herz möchte sonst w. werden und verzagen. Jer. 51, 46; Hiob 4, 5; 1. Thes. 3, 3 etc.; Schon w–er wehrt sie sich, sie wankt. Nicolai 1, 301; Ein w–er Krieg. 280; Im w–en [weichlichen] Morgenlande | gleicht weder Roß noch Reiter unsrer harten Zucht. 7, 26; Ich wußte wohl, daß du w. [nach-] geben würdest. Scherr Nem. 1, 97; Durch und durch w. gemacht von Schicksalen dieser Art, erkennen sie’s noch zuletzt für Erbarmung, wenn etc. Sch. 196a; Nur des Berittnen w–er [des Ritters verweichlichter] Enkel | ist von Geburt edel. V. 3, 173 etc. 4) W., in Bezug auf den Eindruck, den Etwas auf das Schönheitsgefühl macht: Was schreit diese Stimme, die sonst so w. und harmonisch klang? Klinger Zw. 47; Wenn von eines Mädchens w–em Munde | dir der Liebe sanft Gelispel quillt. Sch. 5a; Er lallt’ in den w–en Gesang ein. V. 3, 71; Die w–e Manier dieses Künstlers (Malers etc.) fällt zuw. ins Weichliche; Undulisten . ., die das W–ere und Gefällige ohne Charakter und Bedeutung lieben. . . Diese Schlängelei und Weichheit. G. 30, 384. 5) W–es Wasser, Ggstz. hartes (s. d. 8). 6) W–es Getreide, Hafer (s. d.). 7) Anat. (vgl. Ggstz. hart 1, Schluß): Pia mater .., w–e Hirnhaut. Bock An. 541; W–e Rückenmarkhaut. 546; W–er Gaumen, Gaumensegel [s. d.]. 759 etc. 8) Hüttenw.: W–e Ggstz: harte, frische Schlacke (s. d.), sehr eisenreiche Garschlacke, Stockschlacke (s. d., auch „das Weich, Hammerweich“); W–e oder süße Böden, Ggstz: harte, frische, saure (s. d. 5). 9) Mus.: W–e [oder Moll-] Tonleiter, Tonart (G. 33, 293); W–er Dreiklang, s. Ggstz hart 7 und Moll. 10) Sprachl.: W–e Konsonanten, s. Ggstz hart 7. 11) Web.: W–er Tritt (s. d. 5a).
Anm. Ahd. weih, mhd. weich, von dem starkformigen weichen (s. d. II), ahd. wîchan, mhd. wichen, während von weich wieder das schwachformige weichen (s. d. I) intr., ahd. weichên, weichôn, und tr. weichjan, mhd. weichen stammt, ferner Weiche, f., ahd. weihî, mhd. weiche etc. Zsstzgn (s. nam. 1b) z. B.: Brēī-: Wenn ich ihm nicht Leib und Seele b. zusammendresche. Sch. 192a etc., auch [2]: So ein b–es Herz. Tieck N. 3, 28; Gutzkow R. 9, 343 etc. Bútter-: Mit einem b–en Herzen [2]. Oppenheim 11, 203. Dótter-: D–e Eier, so gekocht, daß der Dotter weich bleibt (flaumen-, wachs-w.). Dréck-: [Die Birnen] werden .. | d., alsdann mögt ihr’s wohl essen. HSachs 3, 3, 60d, auch matsch-w. Dúrch-: s. I durchweichen. Ehren-: Waffen-w. und ehrenfeste (s. d.) | war im Kriege vor [-dem] das Beste; | e. und waffenfeste [s. fest 5c] | ist im Krieg jetzund das Beste. Logau (Wackern. 2, 389³⁷). Fêder-: Die kleine nackte Lerche ruhte warm unter der f–en Brust der Mutter. IP. 7, 243. Fést-: fest, doch weich: F–e Körperchen. Bock An. 362. Flāūmen-: Werft diesen f–en Schlaf von euch. Sch. 565a = Schüttelt ab den flaum-w–en Schlaf. B. 296a etc., auch (s. Flaum, Anm.) Pflaumen-w–e Eier. Scheibler Kochb. 384 (s. dotter-w.) etc., vgl.: Es wäre nicht Affektation, sondern Pflaumenweichheit. Rahel 1, 157. Foréllen- [5]: Ein f–es Bergwasser. Hedrich Hochg. 27, weich, wie es zum Aufenthalt von Forellen nöthig. Kíssen-: Neigt sich .. das Köpfchen | .. nach einem kissenweichen Sitzchen. G. 6, 80. Lêder-: Einen l. schlagen. G. 7, 87; 10, 116; Hebel 3, 345 etc., vgl. windel-w. Māīen-: weich und lind wie der Mai (Maienwetter): Als ob ein süßer Traum den Teich | umarmet m. Hungari 1, 186. Mátsch-: s. dreck-w. und Matsch. Pflāūm(en)-: s. flaumen-w. Sámmet-: Eine Katze .. mit ihren s–en Pfoten. Gutzkow R. 5, 386; Die s–en Augen. Höfer V. 141; Der s–e, frischgemähte Plan. Lewald W. 2, 378; Scheffel Tr. 117 etc. Sáttel-: s. satteltief. Schwānen- (s. flaumen-w. und Schwan 2b): Von sch–en Händen. W. 23, 289. Sēīden-: Auf s–em Lager. Natur 13, 189b. Sōhlen-: Im Februar, wo der Bär s. wird. Tschudi Th. 441, wo seine Fußsohlen weich werden. Úber-: allzuweich. Heine 13, 261 etc. Wáchs-: W–e Glieder und federkräftige Herzen. Spindler V. 3, 234; Eier .., w. Ryf Sp. 67b (vgl. dotter-w.). Wēhmuth- [2]: In stiller w–er Abendstunde. Heine Lind. 99. Wíndel-: Er schlägt euch damit den Rücken wund und die Köpfe w. Heine 17, 268; Werner Osts. 1, 49 (vgl.: Einen durchgeprügelt und Das lederwindelweich. Kurz Sonn. 9, leder-, wollen-w.) etc.; Den Behörden gegenüber w. Auerbach Leb. 1, 146. Wínter-: Ein ganz andrer Kerl, aber damals kränklich und w. Arndt E. 24 (empfindlich gegen Winterkälte?) Wóllen-: Zerschlag sie w. [vgl. windel-w.], so bleibet doch der Sinn | stahl-, stein- und eisenhart. Rachel 1, 131 etc.