Faksimile 0694 | Seite 1516
weh!
I. Wêh! interj.:
ein Ruf bei betreffendem Übel als Ausdruck des Schmerzes, Leides, der Klage etc., z. B.:
1) unabhängig vom Zeitw. und ohne abhäng. Vhe, gw. verdoppelt oder verbunden mit ähnl. Jnterjekt.:
a) „W. weh!“ Was wehst du? [rufst du w.] Alles ist ja schön gethan. Droysen A. 3, 250 etc. In der lallenden Kinderspr.: (s. Sanders Orth. 41) Weh-weh oder wewe (⏑–), Bez. eines kleinen Schmerzes und Ausruf bei demselben, z. B. wenn das Kind gefallen ist, sich gestoßen hat etc. (s. Bibi II).
b) „O weh!“ Was ist denn da zu owehen? Gotter 3, 216 etc. (s. α); Ach (s. d. IIf) w–e! helas! auweh! . . auwinnen, auweh! Philander 1, 572; Ach weh und ach weh! auwe und auwe! auwinnen auwe! 2, 351; Auweh! Fleming 621; Auwehe Rabbi! Mathesius Lthr. 70b etc. (vgl. als veralt. Fortbild. des Zeitw.: auwehzen, s. Grimm, vgl. ächzen etc.); jüd.: Au weih, au weih! Hebel 3, 146 etc. (s. 2 u. 8). Wir bemerken hierbei: α) O weh! rheinpfälzisch als Ausruf der Freude und des Wohlgefallens, s. Schwäb. W. 514. 8) Bei Luther etc. die Schreibw.: Awe, s. Teller 1, 95 ff., auch für die iron. Anwendung 2. Mos. 10, 10, vgl.: Gilt und hält auch solcher Fluch gewiß? . . Awe ja, er gilt gewißlich! etc. Luther 5, 223b; Jst’s ist nicht fein? Awe ja, ganz fein. 3, 73a; 468b etc.
2) abhängig vom Zeitw.: W. (vgl. III) schreien (s. d. 2), z. B. über einen Unfall (s. 3e). G. 28, 114; Ach und w(–e) schreien (Alexis H. 2, 2, 229; Luther 6, 232a etc.); rufen über etc. (FMüller F. 30), auch (s. 1b): Daß der Hebräer lautauf Auweih schrie. Hebel 3, 290; Je schmerzlicher der Eine Au und der Andere Weih schrie. 180 etc.; auch: W. geschrien, wenn etc.! (s. 3a). Scheffer Tr. 101; ferner: Beständig wehzuklagen. W. 34, 62 (vgl.: zu wehklagen, s. d.); Klagt um den Ritter weh. Schlegel Sh. 7, 40; Mein männlich Herz klopft weh. 50 etc.
3) mit abhäng. Vhen, z. B.:
a) mit nachfolg. Satz: O w–e, daß wir so gesündigt haben! Klag. 5, 16; W–e, wenn sie losgelassen .. wälzt den ungeheuren Brand! Sch. 78b; O weh, wer soll nun trösten? etc. Simrock N. 2196 etc., s. c.
b) mit Nomin. oder Vokativ: W.! sündiges Volk! etc. Zunz (Jes. 1, 4) vgl. d; O weh! ich Armer! etc.; O weh meine Hände! Simrock N. 1901 etc.
c) mit Dat. zur Bez. Dessen, den ein Übel betroffen hat oder betreffen soll etc., ungemein häufig: W. mir; dir; Dem, der etc.; W. euch, ihr stolzen Hallen! etc. Uhland 446; auch (s. 1b): O w.! o w. mir Armen! B. 13b; W. 12, 90 etc.; Ach über-w. mir Armen! Scultetus (L. 8, 292) etc. und in der edlen Sprache veraltend —: Au w. mir! Opitz 2, 126 etc.; ferner (s. a): W–e mir, daß ich ein Fremdling bin! Ps. 120, 5; W–e mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte! 1. Kor. 9, 16; Hos. 7, 13; 9, 12; G. 11, 80; Haller 13; Simrock N. 2073 etc., s. d.
d) mit Genit. (im gehobnen Stil, zur Angabe Dessen, was zu dem Schmerz-, Klageruf etc. Anlaß giebt, oft nah grenzend an c (dafür in gw. Prosa über, s. e): O w. des sündigen Volks. Jes. 1, 4 etc.; O w. der Lüge! Sie befreiet nicht etc. G. 13, 57; 34, 189; Aber w–e des Schutzes, der etc. Luther 5, 148a; O w. der Herberge! .. und w. meiner Freunde! Simrock N. 1765; 964; 982; 1032; 1685 etc., auch (s. c): O w. mir dieses Leides! 953; 1573; 1937; W. mir des Bechers, den etc. V. Ar. 3, 376 etc.
e) (s. d) W. über mit Acc., sehr gw., vgl. (s. 2): W. rufen, schreien über etc. und (s. III): W. komme über dich, Etwas! etc.
Anm. Goth. vai, ahd., mhd. (vgl. lat. vae, gr. occί, esthn. waiwa), auch als Adv. (s. II, vgl. über die Interjektionen bes. Herrig 18, 257 ff.); ferner als Hw. (s. III) ahd. wêwo, m.; wêwa, f.; mhd. wêwe, etc. S. auch weinen; wimmern; winseln etc.