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wagen
II. Wāgen, tr. (auch ohne Obj.) und refl.:
Etwas auf die Wage (s. d. 10) setzen, riskieren; etwas Riskantes thun; im kühnen Vertraun aufs Gerathewohl handeln etc.:
1) absolut, ohne abhäng. Vhe, z. B. (Sprchw.): Wer nicht wagt, gewinnt nicht; Frisch gewagt ist halb gewonnen; Du musst glauben, du musst w.; | denn die Götter leihn kein Pfand. Sch. 48a; „Auf den Fall, denk’ ich, kann mans w. bei Ihnen“ (s. 2). Man wagte wirklich. 210a, man thäte Etwas, was doch fehlschlagen könnte etc.
a) adjekt. Partic. Präs.: Er trug ein w–des [kühnes, muthiges] Herz in dem Busen. V. Jl. 10, 232 etc.
b) substant. Infin.: W. gewinnt, W. verliert (verspielt. Weise Mas. 26). Sprchw.; All mein Thun und W. Arndt 170; Freiligrath SW. 5, 30; Ein dreistes W. G. 4, 46; 10, 259; Mehr zum Dulden als zum W. erzogen. Kriegk 4, 507; Dem Spiele durch hohes W. . . Reiz zu geben. Sch. 744b; Wackern. 2, 518²³ etc.
2) mit Infin. und zu:
a) Etwas zu thun w., den Muth, die Kühnheit haben, z. B.: Er wagt es, nicht zu kommen. G. 9, 209, er hat die Kühnheit, wegzubleiben (versch. mit Verschiebung des Kommas: Er wagt es nicht, zu kommen, es fehlt ihm an dem Muth, zu kommen); Kaum wag ich, mich herein-zu-w. (s. 5). 12, 87; Einer, der es auf alles Das hin w. wollte, Ihnen seine Hand anzubieten. 9, 377; Der Mann .. muß wetten und w., | das Glück zu erjagen. Sch. 78a; Du wagst’s, dein Antlitz zu zeigen? . . Darfst du etc. 551a; 492b etc.; Sie wagt’s, auf sein Gesicht, sich ihm zu überlassen. W. 12, 207 etc., s. 3.
b) seltner refl. (vgl.: sich getrauen, erkühnen etc.), z. B.: Wenn man sich waget, aus dem Stegreife .. zu reden. Gottsched Redek. 8; Da Niemand darum, weil er Etwas sich nicht zu behaupten wagt, beschuldigt werden darf, er wolle es gar leugnen. Kant Kr. d. r. Vern. 661; Kl. M. 1, 674; Tieck DQ. 1, 290 etc.
3) (s. 2a) mit Etwas als Obj., wovon der W–de hofft oder wünscht, daß es ihm glücken, gelingen möge etc., z. B.: Jch wage —, Etwas zu thun, zu unternehmen, zu behaupten (2a) etc.; eine That, Unternehmung, Behauptung etc.; Einen Sprung, ein Spiel, eine Schanze (s. d. I) w.; Es (s. d. 8) w.; Es auf Etwas [vertraund] w.; Es mit Einem oder mit Etwas w., z. B.: Es mit einem Gegner w. = den Kampf gegen ihn, mit ihm w.: Ich will’s ’mal mit Karo-König w., versuchen, ob ich damit einen Stich bekomme etc.; „Woge“ es mit uns, es soll unser Aller ein Beutel sein. Spr. 1, 14; Da „wagt“ ich’s. 1. Sam. 13, 12; Das Äußerste zu w. G. 8, 47; 13, 335; Ich will es denn auf gut Glück w. und (s. d. †) mit ihm gehen. 14, 86 [= mit ihm zu gehen, s. 2a]; L. 2, 237; Mein Schauspiel [die Aufführung desselben] auf der Bühne zu w. Sch. 102b; Des Krieges Glückspiel zu w. 665b; 11, 201; Wagt’ ich einen Todessprung. Thümmel 1, 57; Er wagt’s von Grad zu Grad, bis ihm vor lauter W. [1b] | Nichts mehr zu w. übrig blieb. W. 10, 61; Als Seladon sich bebend unterfing, | den ersten Kuß auf ihren Mund zu w. 76; So wag ich’s auf mein unverschämt Gesicht. 11, 201; Die gefährlichsten Dinge für einander w. Luc. 4, 3 etc., s. 4b.
4) mit Etwas als Obj., das der W–de aufs Spiel setzt, hingiebt etc.:
a) Tausend Thaler, sein Vermögen, Hab und Gut, Gut und Blut, sein Leben, seinen Hals, Leib und Leben w., z. B.: Die ihr Leben „gewogt“ haben. 2. Sam. 23, 17; Daß man Nichts wage [riskiere], wenn man bei ihnen Alles wagt [2a, sich herausnimmt, erkühnt]. W. 27, 303 u. o., auch prägn. refl., z. B.: Sich (= sein Leben etc.) w.; Bist du kühn und hältst du Stich, | so wage Haus und Hof und dich. G. 12, 281; Ob wer gleich Bruto denkt, sich auch gleich Bruto wagte. L. 3, 334; Werder Tass. 12, 13 etc.
b) mit abhäng. Präpos. (vgl. 5), z. B.: Wag die Kostsen] an sie. Ap. 21, 24; B. 37a; Rabner 4, 194; Sie wagt ihren ganzen Reichthum und Besitz | großmüthig an mein untersinkend Glück. Sch. 454b; 501a; An den Zufall wag ich das Gewisse. 668a; 675a; 905a; 1152b etc.; (veraltend) Weil jetzund auf ein Kleid soviel gewaget [aufgewendet etc.] wird. Opitz 2, 263; Er waget Nichts auf sich. R. 300 etc.; ferner: Auf Christus Wort [vertrauend] sich mit Leib und Gut w. Luther 6, 11b; Die Großmuth . ., womit er sich für sie gewagt. W. 2, 96 etc.; Wer wird sein Leben gegen einen so romantischen Fratzen w.? G. 9, 271; Wer sind wir, um uns gegen einen aufgebrachten Abenteurer zu w.? 291 etc.; ugw.: Ich muß mit der See mich [den Kampf] w., mit dem Sturm. Giesebrecht Ep. 37 etc.; O daß man Jungfraun wagt zu solchem Dienst! Fouqué Dr. 1, 58 etc.
5) mit Beifügung eines Woher oder Wohin, z. B.: Er wagt seinen Fuß nicht aus dem Hause [zu setzen]; wagt [getraut] sich nicht aus dem Hause, nicht ins Haus; Sebulons Volk wagte seine Seele in den Tod. Richt. 5, 18; Eh ich mein geflicktes Schiffchen wieder auf den Ocean wage, wahrscheinlicher dem Tod als dem Gewinnst entgegen. G. 31, 4; Wer neben diesen Mann sich w. darf. 13,. 122; Er waget sich frei dahin in solche Fährlichkeit. Luther 5, 314a; Ich stand von fern und wagte mich nicht nah. Sch. 46a; 527b; Deine Feinde werden sich nicht an dich w. Sealsfield Leg. 3, 45; Mich auf eine so große Reise zu w. Tieck DQ. 2, IV; Vergieb es der kühnen Vermuthung, | die in dein Geheimnis sich wagt. W. 26, 178 etc., s. Zsstzg.
6) Ein Abenteurer ..wagt falsche Würfel. Börne 1, 202 [zu gebrauchen] etc.
7) Sie stecken | silberne Löffel ein, w. den Pranger und mehr. Sch. 96b, w. Etwas, das sie an den Pranger bringen kann etc., vgl.: Man . . wogt ein Galgenschanz. Uhland V. 372.
8) (ugw.) Doch welcher König wird es w. [dulden], | daß man ihm in die Augen lacht? Ramler F. 2, 542 [etwa Drckf. statt: wird ertragen?].
9) adjekt. Partic. pass. = riskant; gefährlich; wobei viel zu w. ist, gewagt wird etc.: Ein gewagtes Kunststück. G. 24, 257; So hat ein Neuerer im ähnlichen Falle ein noch gewagteres Spiel. 30, 12; Durch den Riß . . trägt sie der gewagte Sprung. Sch. 50b; 922a; FSchlegel DM. 3, 70 etc.
10) Wo vom kühnsten Wager die Bahn | dir nicht vorgegraben du siehst. G. 1, 54; Jeder pfuschende Wager. Kl. 7, 4 etc.
Anm. Veralt.: wogen (s. o.), z. B.: Agricola 120; Brant N. 24 ²²; Luther 5, 283a; 297a; 6, 7a; 8, 4a; 86a; 250a; Wackern. 2, 280 ²⁷ etc.; veralt. auch intr. = auf der Wage (s. d. 10), auf dem Spiel stehn. [Da] waget gemeinlich all ihr Gut. Zinkgräf 1, 64 etc.; s. ferner Wage, Anm., auch: Erwagt = erweckt, s. d. 2b.
Zsstzg. nam. zu 5, z. B.: Āūf-: Noch wagt er keine Bitte | zum Himmel auf. Alxinger D. 24; Der alte gute Mann .. wagte sich auf, ihr entgegen. G. 14, 35 etc.; veralt. [4b]: Habe in meines Weibes Krankheit viel a. [aufwenden] müssen. Schweinichen 3, 291.
Āūs-: Anfangs Mai wagt’ ich mich aus. G. 27, 163.
Dahêr-: s. Wage, Anm.
Empōr-: Den Wunsch zu solchem Glück empor-zu-w. Sch. 662b.
Entgêgen-: Sich Einem e., s. [5] und auf-w. Er- [Anm.]. Hêr- etc.:
1) [5] Hast her dich gewagt in unsern Bereich. Cham. 6, 235; Daß mit dem Adler auch sich seine Jungen wagen | hin in die .. Luft. Rompler 103 etc.; Sich heran-w. Spindler V. 3, 210; Wenn man sich über die große Treppe hinaufwagte. Hackländer SKr. 51; Da ich mich einmal soweit in die Welt hinaus gewagt. W. 23, 69; G. 30, 29; Alle Fahrzeuge, die durch diesen Paß sich hindurch- wagten. Sch. 868b; Kaum wag ich’s mich herein-zu-w. G. 12, 87; Sich hinein-w. Forster Jt. 2, 51; Wo das Wahre sich .. wieder wird hervor-w. dürfen. G. 19, 164; Steffens Malk. 1, 278; 367; 2, 96 etc.
2) Für dich mein Alles hin-zu-w. [4b]. Kosegarten Po. 2, 198 etc.; So wag ich’s mit dir hin [3]. HSachs G. 1, 200. Nāch-: Mir .. haben sich Jünglinge nicht nachgewagt. Kl. Od. 2, 38. Ver- [4]: (veraltend) Etwas (an etwas Andres) v., in die Schanze schlagen etc. Fischart B. 137b; 235b; Logau (L. 5, 187). Vōr-:
1) [5] Sich weit (Hackländer T. 1, 113; Pz 1, 70 etc.), bis zu unsern Gebirgen (Stahr Rep. 1, 95) v. 2) [3] Etwas als Vorgänger wagen: Als wagte Der nicht auch, dem Andre vorgewagt. Michaelis 54 etc.; Der Vorwager. Jahn V. 391 etc.