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Tügen tugend tügenhaft tügenlich tügensam tüglich
Tügen: taugen (s. d. Anm.) Tūgend: I. a.:
s. ebd. II. f.; –en; -:
1) vortreffliche Eigenschaft u. Kraft, die in Etwas oder Einem wirksam ist, z. B.:
a) von Sachen: Wie Alles, was ein bloßes Ersatzmittel ist, die eigenthümliche T. Dessen, was es ersetzen soll, niemals erreicht. Danzel 88; Durch die T. des Wermuths erlangte ich .. meine Kraft wieder. G. 28, 77; Die T–en natürlicher Edelsteine. 39, 116; Jede T., jede Kraft, jede Tüchtigkeit, Alles, dem man ein Wesen, ein Dasein zuschreiben kann. 152; 75 ff.; Diese Pillen wirken langsam, aber doch großer T. und trefflicher Nutzbarkeit. Ryff Sp. 249a; Wir preisen hoch des Quelles T. V. 3, 180; Der Liebe ist vor manchem andern Gift | die sonderbare T. eigen, | daß etc. W. 11, 182 etc. Ferner von lebenden Wesen, z. B.:
b) Auch die wilden, unvernünftigen Thiere, wenn man sie einschließt, ihrer T. und Stärke zu vergessen pflegen. Zinkgräf 1, 284 etc., bes. aber von Pers., z. B. ähnl. wie im letzten Bsp. = Tapferkeit (vgl. lat. virtus): Als Kaiser Karl .. durch die T. und Mannheit der Franken das röm. Kaiserthum auf die Deutschen gebracht. 315, vgl. auch: Maccabäus, der stärkste Mann, | der viel groß T. [tapfre Thaten] hat gethan. Brant N. 8, 24 etc.; ferner z. B.: Willst du nicht .. die Flöte und das .. Hörnchen in die Hand nehmen? . . Mit solchen Geschicklichkeiten und T–en etc. G. 28, 20 etc., häufiger z. B.: Daß der Mensch sich in mehrere Tüchtigkeiten zu theilen und in mehreren T–en zu üben hat. 39, 439; Die Einsicht in die T–en eines Zöglings. 15, 32 etc.; Eine Tüchtigkeit, zu einem Zweck gewandt, | Das ist’s, .. was T. wird genannt. | Was immer tüchtig ist und taugend, Das ist T., | wenn ihm ein Zweck nicht fehlt etc. Rückert W. 6, 209; Einem Mädchen .., das lange schon nach einem Handel schmachtet, | der ihre Gaben weckt und ihre T. übt. W. 11, 184, ihre Tüchtigkeit, sich dabei zu benehmen etc.; Diese Klugheit war freilich nie meine T. 16, 71 etc., s. c.
c) bes. (s. b) sittliche Vortrefflichkeit, Ggstz. Laster (s. d.), so in Ez. (die T.) von dem harmonischen Gesammtstreben aller Kräfte nach dem Guten und vereinzelt (eine T.; T–en) von den einzelnen Außerungen und Ausflüssen dieses Gesammtstrebens. Bei der Häufigkeit des Worts in dieser gw. Bed. beschränken wir uns auf wenige Bsp.: Menschen, die aus der Noth eine T. gemacht . ., die jene erzwungene T. sich selbst als freie Tugendhaftigkeit .. angerechnet. Börne Frzf. 113; So mannlich fest, so kindlich mild, | so aller T. vollendetes Bild. Cham. 3, 225; Die Heiligkeit ist die .. unbeschränkte moralische Vollkommenheit des Willens. .. Die T. besteht in der Selbstüberwindung. Kant phRel. 134; Tombackene (s. d.) T–en. SchE. 36 (s. f, vgl. Schein-T.): Doch ist die Treue nur am Mann eine T. und bei der Frau nur eine Rechtschaffenheit. König Jer. 2, 231; T.: . . Vollkommenheit des Begehrungsvermögens. Mendelssohn 4, 2, 4; T. . .: Fertigkeit im Sieg über grosse Hindernisse. JvMüller SW. 9, 256; Oken 4, 321; Die wahre T. lst nicht: alle T. üben; | sonst wird der eine Glanz sich durch den andern trüben; | die wahre T. ist, daß J:der jede Fiist | Das tüchtig thut, wozu er taugt und tüchtig ist Rückert W. 3, 232; Was ist die T.? Schrauk’ und Maß der Menschenkraft. 5, 265; Die T., sie ist kein leerer Schall, | der Mensch kann sie üben im Leben | und, sollt’ er auch straucheln überall, | er kann nach der göttlichen streben. Sch. 88a; 93a; T. ist . . das Streben unsre Kräfte zum Guten zu lenken. ChSchiller 1, 70 etc., s. das Folg.
d) ugw. von der göttl. Vortrefflichkeit. 1. Petr. 2, 9 (vgl. heilig 2a).
e) speciell: Keuschheit, z. B.: Also rangen in ihm .. T. mit Lust. Baggesen 1, 94 etc.; bes. von Frauenzimmern: Daß die Dame sich jederzeit durch eine sehr spröde T. unterschieden. W. 6, 71; Wie wohl die Frau die T. selber war (s. 2). 10, 95 etc.
f) iron. od. im Gegensinn: Ihre Unwissenheit, Gefräßigkeit, Völlerei und Unzucht, mit einem Wort alle ihre T–en. 9, 99 etc.
g) personif. z. B.: Herkules am Scheideweg sah hier die T., dort das Laster etc. und in Mz.: Dieses Rund der Sitz der Götterschar, | der T–en. Nicolai 1, 107 etc.
2) (s. 1) Jemand, insofern ihm T. innewohnt, z. B. (s. 1c): Die T. handelt groß um des Gesetzes willen, die Schwärmerei um ihres Jdeals willen. Sch. 770b etc. und (1e): Ziere dich nicht, du schöne T.! Freytag DW. 351; Geschenke, die .. manche spröde und stolze T. in Versuchung hätten führen können. W. 2, 89; 10, 68 etc., vgl. als veralt. Titulatur für Patricierinnen in Nürnberg: Ihro hochadelige T. Adelung. Zsstzg. zu 1, nam. 1c, z. B.: Zur Ahnen-T. wir uns weihn. Ausw. d. L. 9; Kosegarten Po. 1, 186 etc.; Erwarb er den Eichenkranz der Bürger-T. Heine 6, 260; Jede in der Schule .. treu und gewissenhaft geübte Schü- ler- T. wird sich im spätern Leben .. auch als die entsprechende Bürger-T. bewähren. Kapp Aufr. 10; Die Behutsamkeit ist eine Bürgermeister-T. Kant SchE. 9; Unsern liebsten Gemahl, | die Ehren-T. [2] fest wie Stahl. Ayrer 290b; Wenn gewisse Erscheinungen an der menschlichen Natur .. uns nöthigen, ihr . . eine Erbsünde [s. d.] zuzuschreiben, so fordern andere Manifestationen derselben, ihr gleichfalls eine Erb-T., eine angeborene Güte, Rechtlichkeit und bes. eine Neigung zur Ehrfurcht zuzugestehen. G. 33, 60; V. 3, 81 etc.; Familien-T–en. W. 28, 366, die in einer Familie herrschen (s. Haus-T.); Nur mit schillernden Halb-T–en verstattet man uns [in der Gesellschaft] aufzutreten. Klinger 11, 11; Seine Haupt-T–en waren Sanftheit und Gefälligkeit. Bahrdt 2, 177 (s. u.: Kardinal-T.); Wohlthätigkeit ist eine HausT. der Meyerbeer’schen Familie. Heine 11, 244 (s. Familien-T.); 13, 157 etc.; Wenn Hoheit, Helden-T. [1b] und Männerschönheit einen Sterblichen | der Ehre würdig machen. Sch. 416b; 295a; 470a; 991a etc.; Daß der Prälat die drei schönsten Hof-T–en [1b] an sich hatte, daß er ein guter Reiter, ein guter Jäger und ein ausbündiger Säufer war. Moscherosch Gs. 3, 115; Der Gewaltthätigkeit und der sonstigen Kardinal-T–en [1b; f] gemeiner Politik. Görres V. 76; Solche Welt- und Lebe-T. [1b] errutscht sich nicht auf den [Schul-] Bänken. Jahn M. 312; Viele ergeben sich einer gewissen Temperaments- oder Lieblings- T. auf Unkosten aller übrigen. W. 9, 67; Gesang erweckte Männer-T. V. 4, 32; Einem Gott gefällt Maschinen- T. nicht; | wer freie T. will, muß freies Laster dulden. Uz 1, 55; Menschen-T. ist gleich Menschen mangelhaft. Rückert W. 5, 265; Diese Mode-T. W. 31, 246; Die allgemeine deutsche National-T. der Geduld. DMus. 14, 1, 337; Politische T–en. . . Privat-T–en. Görres V. 167; Der du heiligen Druden gleich | Richter-T–en übst. ChStolberg; Klarer Spiegel aller Ritter-T.! Cham. 6, 246; Wackern. 4, 829³⁸ etc.; Schein-T–en. 327ē etc.; Eine Sünde .. durch grämliche Prüderie und zänkische Über- T. abzubüßen. Heine Verm. 1, 99 etc.; Daß die T. nur eine Gestalt oder Form habe, die Un-T. hingegen unzählige. W. 24, 122; So kann uns die löbliche T. der Bescheidenheit oder die Un-T. des Mißtrauens in uns selbst zuw. irre führen. 216; Die Keime künftiger Un-T–en und Laster. 9, 133; Zinkgräf 2, 50; 61 etc.; Die Erz-Un-T. [das Glas anklingend nicht recht zu fassen, vgl. Erzunart etc.]. V. 1, 89; Ihr habt ein reiches Erb von Väter-T. Sch. 524a; Dieselbe Kraft, die dies Laster hervorgebracht, gebt ihr nur eine andre Richtung, andere Gegenstände und sie wird Wunder-T. verrichten. W. 33, 32.
~haft, a.:
Tugend (s. d. 2c; e) besitzend und ihr gemäß: T–e Personen, Aufführung etc., auch (s. Tugend 2f, vgl. fromm): Werner gab seinem Freunde alle die Bitterkeiten zu kosten, die ruhige Menschen an Liebende mit t–er Schadenfreude so freigebig Sanders, deutsches Wörterb. II. auszuspenden pflegen. G. 16, 67 etc. (veralt.: So wird die Wunde wieder tugenhaft. Gersdorf 32, gutartig). Dazu: Der freilich nicht im Geruch besonderer T–igkeit stand. Boas SchJ. 1, 240 etc. (s. Tugend 1c. Börne); Un-t.; Seine Un-T–igkeit. DViertelj. 1, 1, 236 etc., ferner: Die Töchter Loth’s .. hatten sich .. sehr vertugendhaftet. Heine Rom. 313, waren sehr t., keusch geworden.
~lich, a.:
tugendhaft, fromm, sittsam etc.: Der Streit der t–en und sündhaften Mächte um die menschliche Natur. Gervinus Sh. 1, 82; Mir ist’s ganz t. dabei. G. 11, 160; Keller gH. 1, 255; Luther 5, 124a; Ihr redet als eine t–e und kluge Jungfrau. Musäus M. 2, 142; Ph. 3, 143; Wer hegt bescheidnern, t–ern Sinn? Sch. 449b; Schwab 309; Grüßt er ihn ganz t. Volksb. 1, 11; Wackern. 3, 229³³; 445²⁸; Leute von t–em Temperament. W. 9, 75; Luc. 6, 202 etc.; Wenn ich in falscher T–keit die Perle meiner Liebe dem Götzen gesellschaftlichen Herkommens opfern wollte. Scherr Pr. 205 etc.; Jhr bürger-t–es Benehmen. Volksz. 8, 19; Vermeß sich Keiner un-t., | dies Schwertes anzumaßen sich. W. 11, 124 etc.
~sam, a.:
tugendlich, tugendreich etc., auch in alterth. Titulatur (vgl. ehrsam): Ein t–es Weib. Spr. 31, 10 etc.; Die Ehr- und T–e. B. 107a; Der Prinz von Neuburg t. Canitz 368a; G. 5, 253; Worin das Heilige mit dem Weltlichen, das T–e mit dem Alltäglichen sich vereinigen und vertragen sollte. 24, 184; Alle Menschen .., die etwas T–es oder Tugendähnliches vollbracht. 28, 5; Jenem t–en [tapfern] Manne. 7; Der ehrbare, t–e und kluge Knabe. 58; Nicht eine t–e, sondern unreine Liebe. 67; Wollte ich mein einfaches und t–es Wort nicht brechen. 239; 27, 91 etc.; (ugw.: Die königliche t–e [Gemälde-] Sammlung. 31, 109, herrlich, tüchtig etc.) Lebte fromm und t. Langbein L. 285; Olearius B. 33b; Die Jugendjahre sind die t–sten. Rahel 2, 18; Umglänzt von 1000 t–en Thaten. Sch. (Palleske Sch. 1, 95); Die scheinbare t–e Königin. Schlegel Haml. 1, 5; Eine sitt’gen t–en Jüngling. Sh. 1, 41; 8, 288; 7, 240; auch iron.: Die t–e Heldin Jeanne dArc. 239; T. von Sitten. Schwab V. 1, 251; Stiling 2, 163; W. 22, 119; T–e Seele. 33, 212; Luc. 4, 255 etc.; Den armen un-t–en fetten Ritter. PhKaufmann Sh. 3, 251 etc.
Tüglich, a.:
tauglich (s. d.). Zinkgräf 1, 196 etc.