Faksimile 0568 | Seite 1390
Faksimile 0568 | Seite 1390
Faksimile 0568 | Seite 1390
Trotz
I. Trótz, m., –es; 0; -:
1) kühner, zuversichtlicher Muth und: dessen Kundgebung im Behaben, in der ältern und noch in der gehobnen Spr.: Fürchtet euch nicht vor der Gottlosen T. 1. Macc. 2, 62; 2, 8, 18; Ps. 49, 15; Du verbirgst sie .. vor Jedermanns T. 31, 21 (auch Mendelssohn); Jer. 48, 2; 49, 16; Was ist Das für ein T. (s. 2), worauf du dich verlässest? 2. Kön. 18, 19 etc.; Es ist nicht der edle T. der Freiheit dem schnöden T. der Gewalt entgegengesetzt; es ist nur Philisterstolz, der nicht Stich hält. Börne 1, 264; 198; T. mit T. zu bänd’gen. G. 13, 146; Nun stieg die Angst, nun sank der T. Lichtenberg 4, 398; Daß er seine Zuversicht, Trost und T. nicht setze auf zeitliche Güter. Luther 5, 349a; Christum, der solchen T. und Muth wider den Teufel .. in euer Herz gegeben. 6, 11b; 241b; 8, 50a; Liebe, Hoffnung, T. SW. 63, 130 (Variante: Trost; doch vgl.: Solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade machet fröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und Kreaturen. 125); Die Freundschaft | ist wahr und kühn, die kranke Majestät | hält ihren fürchterlichen Strahl nicht aus; | den T. des Bürgers würden Sie nicht dulden, | ich nicht den Stolz des Fürsten. Sch. 253b; Dulde die Kränkungen all, dem T. der Männer dich schmiegend. V. Od. 13, 310; Sie gehorchten dem T., dahingerafft von der Kühnheit, | daß sie .. des . . Volks .. Äcker | plünderten. 14, 262; Wackern. 2, 303¹³ etc.; daneben: Wider dich und deinen Trutz | alle Waffen des Gemeinen! Freiligrath SW. 6, 308; Geibel J. 5; Ohne Hilfe gegen Trutz und Härte. G. 13, 77 etc. (s. Anm.), s. das Folg.
2) zuw.: Das, worauf sich der T. (1) stützt; was das Herz mit Muth und Vertraun füllt: Der Weg des Herrn ist des Frommen T., aber die Übelthäter sind blöde. Spr. 10, 29; 3, 26; Sir. 34, 18 etc., vgl.: Welche auf Trotz eines nichtigen Vertrags und Schutz eures Landesfürsten sich selbst ihrem Mann entzeucht. Luther 5, 267a = auf Grund oder: darauf trotzend, sich verlassend. 3) (s. 1) das Gefühl, daß man nicht zu weichen brauche, und —: dessen Kundgebung im Behaben, zunächst (vgl. 4; 5) als Widersetzlichkeit da, wo man weichen, sich fügen sollte, s. nam.: T. pflegt man das Beharren bei einem unberechtigten Eigenwillen zu nennen, der eine obliegende Pflicht oder das Recht einer andern Person verkennt. Nat.–Z. 16, 439 etc.; Der T. eines Kindes gegen Eltern, Lehrer etc.; Aus T. Etwas nicht thun, mit den Füßen trampeln etc.; Jemandes T. brechen; ihm den T. austreiben etc.; Aus den verdrehten Feuerblicken | will immer keine Demuth blicken | .. Euch kleiden besser T. und Grimm. G. 34, 335; Ihr T. gegen die ewigen Götter. Heine 6, 135; Christus wird sein Werk .. wider den T. aller Teufel .. hinausführen. Luther 6, 324a; „Sie trotzt uns. . .“ Dieser eitle T. | wird schnell verschwinden, wenn man ihm den Vorwand raubt. Sch. 414b; Ein so fortgeführter T., eine so beispiellose Geringschätzung aller kaiserlichen Befehle. 977a; Verkehrtest ihren kindlichen Gehorsam | in eigensinn’gen T. Schlegel Somm. 1, 1; T. lachend, wie Kinder pflegen. Thümmel 7, 29; Den vollständigsten Triumph, der jemals über den T. eines widerspenstigen Herzens erhalten worden. W. 6, 69 etc. Daneben: Starren Trutz. G. 13, 231 etc. Daran reihn sich (4; 5) in verallgemeinter Bed. einige stehnde Verbind.: 4) T. bieten mit Dat.:
a) wie trotzen (s. d. 1c): das (persönl. oder sachl.) Subj. leistet dem im Dat. Genannten, es wirklich oder gleichsam höhnend, Widerstand (vgl. b): DaT. ihr jeder Fährlichkeit wohl bötet. Cham. 4, 133; Beut T. der bösen Lust! Rückert Mak. 2, 245; T. bot euch der Abscheuliche! der euer | Geschöpf war, euren König wollt’ er spielen! Sch. 408b: Ein wohlbefestigtes Lager, welches jedem Angriff T. bot. 946a; Da T. euch | Veji ins Antlitz bot. Wackern. 2, 1296³⁴; Daß sie [die Krankheiten] aller ihrer Kunst und aller Niesewurz von Anticyra T. boten. W. 14, 126 etc.; auch: In deinem Allmachtschutz | biet ich dem Schreckenreich entlegner Zukunft Trutz. Creuz 1, 81; Sch. 79b; Schlegel Sh. 7, 219; W. 3, 16 etc.
b) (s. a) wie frz. défier: Einem T. bieten, ihn zum Kampf, Wettkampf herausfordern; es mit ihm aufnehmen, eig. u. übertr.: Du weißt, dein Mädchen zu lieben und T. sei jedem Sperling geboten. Leisewitz Jul. 15; Sind wir doch nie vor ihnen geflohen und stehen noch hie und bieten ihrer heiligen Weisheit T. Luther 8, 91a etc.; und mit abhäng. Satz, z. B.: Jch biete ihnen Allen T., daß etc. [= ich gehe die Wette gegen fie Alle ein, wette, daß nicht]. W. 1, 101 etc.; T. sei aller Welt geboten, | ob Einer lebt . ., der etc. Sch. 424a etc. und bes. mit Infin. und zu, z. B.: Ich biete aller Welt T., mir ein einziges solches Exemplar zu zeigen. L. 10, 54, ficherlich kann Niemand mir eins zeigen; Wir bieten den Jesuiten T., sich auf diese Vertheidigung Etwas einzubilden. 3, 165; 8, 32; 11, 416; Mendelssohn 4, 2, 370 (Lichtwer); 5, 265 (Abbt) etc.
c) veraltend auch mit Fortfall des Zeitw. oder interjektionsartig, z. B. (s. a): Auf, füll in Peru (T. sei Fluth und Winden!) | dein Schiff mit Sünden. EKleist 1, 4 etc. und (s. b): T.! und mache sich Einer an Joab! 2. Sam. 20, 11, ich fordre Jeden heraus, sich an ihn zu machen; es soll sicher Niemand sich an ihn machen etc.; T.! thut Gutes oder Schaden! etc. Jes. 41, 23, ich fordre euch dazu heraus etc.; Doch T. dem Grillenkopf, der ihn ergründen will, | wann etc. Haller 129, es wird ihn sicher kein Grillenkopf ergründen; Und T.! es trete noch Einer hervor! Luther 6, 420b; Ich streite für mein Eigenthum. T., daß mir ein Mensch auf der Welt meinen Mann nimmt. Weise Jak. 144 etc., auch (s. Anm.): Trutz! der dies Lämbel [Lämmlein] für einen Trampel ansieht! SClara EfA. 1, 498; Wackern. 2, 106¹³; Trutz, daß eure Prädikanten so viel .. Verstand hätten. Zinkgräf 2, 94 etc. 5) Zu(m) T., T. bietend (s. 4), z. B.:
a) selten (s. 4b): Wir liebten uns zu T. und scherzten um die Wette. Günther 1043, wir wett- eiferten in der Liebe; Die Trüffeln, | die ich dem Spürer zum T. ausstöberte. V. 2, 120 etc., auch: Die du . . in den höchsten Himmelslüften | zum Trutz der stolzen Lichter thronest. G. 8, 322 etc., gw. aber:
b) nach 4a, und zwar: c) [Als] ob sie es den biblischen Schriften zu T. und zu Leid thäten, ihnen die Feig zu bieten. Fischart B. 14a (vgl.: zum Possen, zum Schabernack etc.); Daß er . . ihren Millionen zu T. bereit sei, sich .. mit ihr trauen zu lassen. W. 19, 345; Auch hielten sie den ew’gen Sinnenschmaus, | der Feeenkunst zu T., nicht in die Länge aus. 12, 53 etc., auch: Dem Höllenwurm und seinem Fleisch zu Trutz. 99 (vgl. , Schluß); FMüller F. 48; Platen 4, 149 etc. 8) Zum T., mit Dat.: Allem Menschenverstande zum T. [zuwider]. Forster Br. 2, 255; Daß ich dir zum T. [Possen etc.] eine Andre nehmen wollte. G. 8, 134; Als ich denn doch nun, dem Satan zum T., Student geworden. ETAHoffmann Ausgw. 7, 240; Die Kritik, der zum Verdruß ich wohl einige mittelmäßige Stücke könnte gemacht haben, der zum T–e ich aber nie diese mittelmäßige Stücke für schön erkennen würde. L. 3, 267; Der Welt zum T–e Jegliches zu wagen. Sch. 568a; Mögst zum T. den Jahren blühen. Schlegel Span. 2, 119; Tieck Cymb. 4, 1 etc.; auch: Allen Gewalten | zum Trutz sich erhalten. G. 1, 53; 21, 47; Ramler F. 1, 29; Dem Höllenwurm zum Trutz. W. 12, 108 etc. γ) auch mit Genit.: Ich will doch einen großen Musikus aus dir machen zum T. eines Jeden, der mich daran hindern will. G. 28, 19; Dem Gott (8) zum T–e, deiner auch, der Schwärmenden. 33, 48 etc.; auch: Zum Trutz höherer Wesen zu schaffen. 22, 237 etc. 6) (s. 5) Durch Fortfall des zu(m) wird T. zur Präpos. (vgl. Kraft 2) und so gw. mit kleinem Anfangsbuchstaben:
a) T. Einem = in der Wette mit ihm; es mit ihm aufnehmend; so gut wie er, z. B.: Wie sie wehen . ., | weiß ich t. dem Wetterhahn. B. 288b; Disputiert t. einem Meister. Fichte 7, 100; Gellert 1, 149; Das Schuldenmachen verstand er t. Einem und das Schuldigbleiben noch besser. Hebel 3, 255; 195; Hippel Ehe 140; HKleist Kr. 91; L. 1, 8; Nath. 1, 3³; 2, 215²; Gal. 5, 5; Pfeffel Pr. 8, 90; Rabner 3, 24; 25; Ramler F. 3, 259; Stilling 1, 56; W. Att. 2, 2, 4; HB. 1, 29 etc.; ugw.: Ritt, t. den besten Postkurier, | auf ihrem Besenstiele. Hölty 108 (wohl nur Drckf. statt de m).
b) s. 5b und vergl. das svrwdte ungeachtet, Anm.:
a) mit Genit. (s. 5bγ), den manche Grammatiker als Regel verlangen (s. z. B. Heinsius Teut 1, 295 etc., vgl. Herrig 30, 71) und wofür wenige Belege genügen (s. Adelung): T. aller ihrer löblichen Bemühungen. Cham. 5, 160; T. Verneinung, Hindrung, Raubens. G. 4, 19; Die schreib ich immer schöner | .. t. Krittler und Verhöhner [pl.]. 4, 108; Hat Appetit t. seiner 82 [Jahre]. Gutzkow R. 4, 169; T. des besten Vorsatzes. Rahel 2, 254 etc.; seltner: Halte nur trutz alles Spottes | immer fest. Lavater (Wackern. 2, 841²) etc. 8) mit Dat. (s. 5ba; ), dessen Häufigkeit folgende Stellen beweisen mögen: T. allen Gegenstrebungen. Ense D. 6, 590; Fallmerayer Or. 2, 23; T. Allem. Forster Br. 1, 494; T. alledem und alledem, | t. niederm Pack und alledem. Freiligrath SW. 6, 59 ff.; 251 ff.; Gervinus Sh. 2, 304; T. allen ihren Mängeln. G. 6, 234; Mein Herd bleibt doch mein Herd | t. jedem fremden Koch. 7, 97; 22, 68; 32, 204; 39, 294; Gotthelf G. 142; Hebel 3, 27; Heine B. 30; Lut. 2, 274; Weil . . t. euch schön das Schöne bleibt. Hölderlin H. 2, 116; „Gott | kann, wen er retten will, schon ohn’ ihn retten.“ | Auch t. ihm, sollt’ ich meinen, selig machen. L. Nath. 4, 2; 5, 3; Lewald RothE. 15; Platen 3, 28; T. dem gefräßigen Magen. Sch. 109b; T. dem Teufel. 113b; 332a; 405a; Schlegel Gd. 1, 162; T. allem T., hält er die Schlacht allein. Joh. 5, 4; Stilling 4, 14; V. Od. 4, 504; HDoß JP. 19; Wiedasch Od. 1, 34; W. 11, 206; 12, 97; 14, 104; 126; 20, 127 etc., auch ohne hervortretende Flexion: T. Wirbel, Sturm und Wogendrang. B. 37a; Goltz 3, 424, vgl.: T. ein (s. d. II Anm. 1e) 40 Landfrieden. G. 9, 33 etc.; selten mit voranstehndem Dat.: Dir t. will ich hier stehen. Gryphius Squ. 39 etc.; ferner: Wunder .., die trutz der Lästrer Kinderspotte | .. geschehn. G. 2, 138; Was Ihr angeklebt heißt und trutz Euch und Andern eingewoben ist. Kestn. 234 etc. c) als Bindew.: t.-dem (s. d.), daß oder bloß: t.-dem, dagegen ugw.: Napoleon mußte den Ort beschießen und anzünden t., daß er ein eignes Haus darin hat. Hebel 3, 382; Und t. Dies mein .. Freund ist, so ist .. doch etc. Rahel 1, 574.
Anm. Mhd. trotz bei Jeroschin, gw. traz und truz, oft Beides verbunden, s. Benecke 3, 84 ff. In der Schriftspr. gilt noch, nam. im gehobnen Stil, Trutz, s. o. und bes. (wo T. unüblich) mit nüancierter Bed. in der Reimverbind.: Schutz (s. d. 1) und Trutz. Dagegen gilt Tratz (dazu tratzen etc.) nur noch mundartl. (s. Schm. und Stalder, mit der Grundbed.: zum Zorn reizen etc.) wie im ältern Nhd., z. B.: Ein tratz und Gewalt. . . Ein tratz. Eppendorf 28; Rollenhagen Fr. 333; Bei dem Trutz und Tratz. HSachs 1, 5, 530a; Mir zu Tratz. Schaidenreißer 67b; Er dring darauf mit Grimm und Tratz. Schwarzenberg 122; Stumpf VI; 131b; Ihnen zum Tratz. 221a; 544a; Treib [trieb] da viel Tratzes und Muthwillens. 714a; 721b; (Wackern. 2, 164¹⁴) Fischart (vgl.: Tratz- und Fatzbrief. Großm. 31; Fatztratzbrief. Garg. 12b) etc. Dazu: Die Schelme haben höhnisch gerufen und getratzt. Reithard 53 etc., bes. mit Obj. (s. Schm.; Stalder): Mit Höhnwort sein spotten und fatzen, | ihn zupfen, rupfen, tretzen und tratzen. HSachs 3, 2, 32c; Mein Frau thut mich trutzen und tratzen. H. 315; Um den Andern, der ganz fuchtig [,,zornig“] darüber war, noch mehr zu tratzen. Spindler V. 1, 112; mit der Erklärung: „spotten, aufreizen, hohnnecken.“ 321; 4, 210; 261 etc.; ferner: Mit etwas tratzigem Hochmuth. Stumpf708b; Sie mit tratzlichen Dräuworten angefahren. 302a etc. Nach dem Vorstehnden (vgl. auch ahd. truzzi = Schutz. Graff 5, 480b) scheinen sich in T. versch. Stämme gemischt zu haben, vergl. ags. thrëat, Drohung (s. d.); getrost und trauen.
Zsstzg. z. B.: Die erste [Partei] beharrt mit altem Glaubens-T–e [1; 3] in ihrer treuen Anhänglichkeit an dem Papste. Matthisson E. 1, 117; Der Herrschertrutz. Reithard 4; Umwölkte Jugend-T. [1] und Dünkel | uns mit des eitelen Trugs Verblendung? V. 3, 4, vgl. [3]: Knaben-T. gegen väterliche Mahnungen etc.; Einem solchen Leidens-T. [1; 3]. G. 20, 75; Wann des Lasters Riesen-T. [1; 3] die Langmuth | des Himmels aufgezehrt. Sch. 259a, der riesige, kolossale T.; Der einst vor Kaiserschergen | Wahrheits-T. [1] den Mann gelehrt. Kinkel 76; Weibischer, schmähsüchtiger Winkel-T. [3]. V. Ant. 2, 168 (vgl.: T.-, Schmoll-Winkel) etc.