toll
Tóll, a.:
1) unsinnig, bes. rasend und tobend, z. B.:
a) von Thieren, nam.: Der Hund sei t. .. Daß sie ihn auch für wüthend (s. d.) hielten. 28, 264 u. o. (s. hunds-, fuchs-, wolfs-t.), vgl. b; Israel läuft wie eine t–e Kuh. 4, 16 (vgl. bisen 4und taub). —
b) Bes. aber von Pers. (und Personif.) z. B. (s. auch c; d): α) attrib.: Du „tol“ und thöricht Volk. 5. 32, 6; T–es Volk, das keinen Verstand hat. 5, 21; Dem t–en Pöbel. 50, 28; Die Trunkenheit macht einen t–en Narren noch töller (s. c und Anm.) 31, 37; 27, 197; Du t–er Bursch! V. 66; O thore, t–e Mutter! Ngr. 1, 39; O möcht .. | kein t–er Sohn den Reif nach weisem Vater tragen. Rost. 53a etc., s. 2. Wir erwähnen hier noch: Disteln, so unsre Bauern „Toll graet“ heißen. 8, 170, wohl = Grete (s. d. 2). — 8) substant.: Einen T–en erwürget wohl der Zorn etc. 5, 2 ff., u. v. (vgl. T.-Haus), ugw. (s. a): Der T–e [= t–e Hund] fällt ihm ins Gebein. 15, 324 etc. — γ) prädikativ: Mein Volk ist t. .., thöricht sind sie. 4, 22; Ich sprach zum Lachen: du bist t. 2, 2; Wallenstein: [Max Piccolomini] hofft, | sie [meine Tochter] zu besitzen? Ist der Junge t.? 376b; 187a; 11, 174; Ich möchte wohl wissen, was Tollheit ist, wenn Das nicht t. sein heißt. Luc. 4, 327 etc.; Da Dies der König höret, ward er „tol“ und thöricht (s. d. 1). 2. 7, 39 6, 9a); Ich werde rasend, t. 4, 10; ’S ist, um t. zu werden. 137b u. v.; Der .. die Weissager t. machet. 44, 25; 22, 17; Schlimm genug, daß ihr euch nicht mehr einreden lasst, daß euch die Liebe so t. gemacht. Hohn. 78; Wenn man sich so ’rausstaffiert . ., so muß Das einen Menschen ganz t. machen. M. 3, 290 etc. (s. 2d), auch mit abhäng. Vhen (s. c): Um 7 Neuntheile von meinen .. Landsleuten auf mich t. und rasend zu machen. 12, 206; Luc. 1, 70 etc.; Petronius war t. mit Häuser aufzubauen. 4, 85 = mit Häuserbauen, von Bauwuth besessen (bau-t.) etc.; Die Dirne ist t. nach Männern (manns-t., s. d.) etc.; Seitdem bin ich ganz t. geworden über das t. gewordene Volk. 1, 310; T. und böse über eine so ungelegene Erscheinung. 1, 18 etc.; Ugw.: Nun werdet ihr über eine m Triangel gw. schon t.: wären euch die beiden zu Gesicht gekommen, man hätte euch müssen in Ketten legen. 22, 212; T. und blind vor Wuth. M. 194 etc. —
c) (s. b) in engrem Sinn von Trunknen (eig. und zuw. übertr.): Sind vom Wein t. worden und taumeln etc. 28, 7; 7, 5; Hurerei, Wein und Most machen t. 4, 11; 51, 7; Daß sie trinken, taumeln und t. werden vor dem Schwert etc. 25, 16 etc., nam. in der Reimverbind.: T. und voll (s. d.). Schmj. 16; 1, 298b; N. 1, 66 etc.; „Doll“ und voll. B. 164; 3, 47217) etc. —
d) (s. b) Wie t. sehr gw. = unbändig etc., vgl.: Harlekin wird ausgeprügelt und lacht, als ob er t. wäre. 4, 376 etc.; Er trippelte vor Ungeduld etc. . . und gebärdete sich überhaupt wie t. 2, 76; Er läutete zu wie t. und thörig. 5, 157; Alles tanzte schon wie t. 11, 41; Sprangen wie t. in der Stube herum. 19, 89; M. 3, 169; Kr. 60; Luc. 6, 179; Hint. 76 etc., vgl. nam. niederd.: T. oder doll (= sehr etc.) laufen, springen, sich freuen etc. (s. 2d). —
2) (s. 1) dem Wesen eines T–en gemäß; wie es sich von einem T–en erwarten lässt etc., z. B.:
a) attrib.: Sein Wahnsinn ist von der t–en Art. Luc. 1, 84; Die t–en Gedanken. 11, 16; Jch sitze .. unter t–en Geschichten und, wenn sie mir .. zu bunt werden etc. R. 2, 290; Selbst das t–e Handwerk, das er treibt [des Schauspielers]. 16, 328; Mein t–es Herz. F. 80; Weil kluge Vorsicht mehr als t–er Muth | dem Feldherrn ziemt. 241b (vgl. t.-kühn etc.); Man frisieret ihm die t–sten [wunderlichsten etc.] Perücken auf den Kopf. 8, 299; Einen t–en Raps von Liebe. Sh. 3, 83; Seinen t–en Sinn. 5, 314a; Löblich wird ein t–es Streben, | wenn es kurz ist und mit Sinn. 6, 32 (vom Mummenschanz); Einen t–en Streich machen. 10, 165 U. v.; Da lacht ich ob dem t–en Traum mich aus. 4, 38; Von zu vielem Schlafen, davon sie .. grobes und ungeschicktes „dolles“ Verstandes werden. Sp. 106a; T–es Weltgetümmel. 3, 164; Eine t–e Wirthschaft (s. d.); Mir widersteht das t–e Zauberwesen. 11, 98 etc.; Solch t–es Zeug. 30, 274; Luc. 6, 407 u. v.; Die t–sten Zumuthungen. 3, 97 etc. —
b) substant.: Das T–ste ist ihm noch nicht t. genug; Lustig bis zum T–en. 7, 147 etc. —
c) prädik.: Ein ernstl. Gedanke dieser Art ist t. etc. 16, 308; Dem verständigen Leser wird Manches ganz t. und abgeschmackt erscheinen. 22, 375; Wenn’s [s. Es 7] gar zu t. wird. 23, 228; Dem’s der Sohn zu t. gemacht. HB. 2, 207; Du darfst mir den Kopf nicht t–er machen. 8, 220 etc. —
d) adverb. (vgl. c und 1d): Wo’s am t–sten [herlgeht. 6, 78; T. und wild das Äußerste zu wagen. 8, 47; Der bei seinem Gold und Schätzen | t–e [thöricht etc.] sich zu kränken pflegt. 1, 349; Daß sie .. recht t. aufjubelten. N. 1, 28; Euch t. verliebt zu machen. Dian. 2, 1 etc. —
3) zuw. faktit. = t. machend: Aßen wir | von jener t–en Wurzel, die die Sinne | bethört? 558b, so nam. als Name mancher Pflanzen von betäubender Wirkung: so = Hyoscyamus niger: T–e Bilsen, Dille (T.-Kraut) etc.
Anm. Ahd. tol (s. 5, 401), mhd. tol, dol (s. 3, 159), vgl. Qualm, Anm. und z. B.: Werden ihm die Füß und Schenkel dumm (s. d. 1b), dol und unempfindlich. Th. 50; 244 etc. Mundartl. auch lobend von einem „Ausbund in seiner Art“, s. 1, 442; 131; 1, 289 und z. B.: ’s giebt keinen tölleren Feger. Nem. 1, 217 mit Anm.: muthigeren, kühneren, gewandteren,“ — wobei man den Uml. der Steigrung beachte (vgl. 1bc.
Zsstzg. leicht zu mehren und zu verstehn nach folg. Bsp.: Bau-t. [2b]; Ein Historiker, der das alte Testament ohne kritische Prüfung als Grundlage der Geschichtskunde betrachtet. . . Rahel nannte solche Leute bibel-t. Ense T. 5, 357; Das Weib ist blitz-t. V. Sh. 3, 340 (s. Blitz 2c, vgl. als ähnl. Verstärkung niederd.: splitterdull. V. 2, 82¹¹⁵); Wenn ein dichter-t–es Mädchen einem Herder oder Goethe um den Hals fiele. IP. 51, 12, die t. nach Dichtern ist, s. u.: manns-t.; Von einer Zähmbarkeit des dumm-t–en Thiers [der Kreuzotter] ist keine Rede. Tschudi Th. 319; Geldstolz. Es ist kein Stolz so erden-t. WhMüller 2, 398; Halb freude-t. [t. vor Freude]. Heine 19, 25; Wurde das Vieh fuchs-t. Immermann M. 1, 183, vgl.: Die Füchse tollen, | die Füchse rollen (s. d. 4). Laube Br. 104; s. fuchswild, vgl. hunds-t. etc.; Vom alten, schroffen .. zuletzt der Verrücktheit nahen Vater.. Jener würdige Halb-T–e. G. 32, 285; 27, 471; Den Ruf eines .. halb-t–en cynischen Hundes. W. 17, 145; In Nürnberg sind sie hopfen-t. Gartenl. 12, 326b, nur von Hopfen sprechend, vergl. Manie; Hörner-t. sein. Tieck Viel Lärm 1, 2 (engl. horn-mad, s. Horn 3b); Wie sich das Geisterpack mitunter so hunds-t. betrage. Immermann M. 2, 265, im höchsten Grade toll, s. Frommann 3, 360, vergl. [1a]; Schlägt um sich ketten-t. Oppenheim 9, 145, so t., daß er in Ketten gelegt werden muß, vgl.: Zum Anbinden t. Börne Par. 1, 167; Kloster-t. Thümmel 8, 140, versessen darauf, ins Kloster zu gehen, Nonne zu werden; Musik- und kunst-t. zu sein. Mügge Rom. 3, 6, 256, übertrieben für Musik und Kunst zu schwärmen etc.; Liebe- (Sturz 2, 234 etc.) oder liebes- (Gutzkow Z. 4, 352; West Dian. 2, 1 etc.) t., bis zur Tollheit verliebt (s. das Folg.); Mann- (Rabner 3, 187), männer- (Thümmel 6, 146) t., an Nymphomanie (s. d.) leidend (mit derbem Ausdr.: kutten-t., s. Kutte 4); Mich in Verzweiflung | gestürzt und sinnen-t–es Buhlerwerk. Immermann Card. 146; Still-t. Holtei Mensch. 1, 180, t. bei stillem Wesen; Der über-t–e Freiheitsrausch. Heine Sal. 1, 119; Über-t–e Laune (HRau Moz. 2, 113), Streiche (Spielhagen Pr. 2, 213) etc.; Am Rhein sind sie viktoria-t. Auerbach Gv. 422, toll schwärmend bei Anwesenheit der Königin Viktoria, — aber auch = sieges-t.; Der . . wage-t. vor Nichts zurückbebte. Cholevius 2, 196; In einem wahn- t–en Mißverständnis. Frenzel (Nat.-Zeit. 15, 31); Wenn’s ihm recht in die Quere kommt, kann er auch wolfs-t. werden. Alexis H. 1, 1, 30 (vgl. fuchs-t.); Der [Blocks-] Berg ist heute [in der Walpurgisnacht] zauber-t. G. 11, 170 etc.
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