Faksimile 0467 | Seite 1289
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taub
Tāūb, a.:
–e)st:
1) nicht hörend, im engern Sinn: nicht hören könnend, eig. und übertr (vgl. blind etc.; schwer-, harthörig etc.): T–es Ohr (s. d. 4c; 162 7; 9h etc.); T–e Otter (s. d. II) oder Natter (s. d.); Auf einem Ohr, auf beiden Ohren t. sein; T. geboren (s. t.-stumm); Sich t. stellen etc.; Liebe selbst ist in der Ferne t. G. 13, 292; So legt die t–e Noth ein doppelt Laster | mit ihrer Hand mir auf. 70; 9, 255; Zum t–en Himmel fleht ihr glühend Angesicht. Sch. 33a; Ihr Bitten fand mich t. W. 12, 167 etc. Das, was oder worauf man nicht hört, wogegen das Gehör unempfindlich ist (vgl. 2), steht mit abhäng. Präpos. (a—d) oder (e) im Dat.:
a) T. und stumm bei allem Flehen. G. 34, 342 etc.
b) Ihr seid t. für die Stimme der Vernunft. Benedir 1, 171; Der für alles Flehen | t–e Tod. Brockes 9, 570; T. für Lust und t. für Schmerz. B. 73b; Görres V. 112; G. 12, 11; 31, 6; Platen 4, 287; T. für Silber und Verrath. Uz 2, 204 etc.
c) Daß ich t. gegen alles Schicksal, daß ich unempfindlich werde etc. G. 9, 236; L. 13, 16; Lichtwer 243; Sealsfield Leg. 2, 89 etc.
d) Mein Sinn, zur Freude t., vom Unglück dumm getroffen. Haller 209; Er war zu unsrer Bitte t. L. Nath. 1, 1.
e) Ich war seinen Bitten, seinen Vorstellungen t. Cham. 4, 300; 3, 319; Platen 2, 214; Rückert Morg. 1, 72; Sch. 13b; Schlegel Sh. 1, 90; 91; Nicht t–er (s. f) sind Felsriffe nackten Ruderern. V. H. 1, 350; W. 15, 41 etc.
f) Steigrung, z. B.: Da jener Buhler . . | mich täglich spröder fand und täglich t–er. Platen 4, 132; 2, 194; V. Ov. 2, 364 etc.; Die blindeste, t–ste, verstockteste Rückwirkung [Reaktion]. Görres V. 44; Der Ton, welcher . . . auch den T–sten (s. g) erwecken kann. Immermann M. 2, 80.
g) substant.: Einen T–en, der stumm war. Mark. 7, 32 [Einen Taubstummen. Eß]; Die T–en macht er hörend. 37 etc.; Drei T–e. .. So lud vor einen t–en Richter | ein T–er einen T–en vor. Hagedorn 2, 255; Das heißt ..: eines T–en Milz durch Symphonien heilen. W. 12, 186; Solches Liedlein singst du einer T–en. Wackern. 3, 22731 (Hutten) etc.
h) verstärkt: Stein-t. (t. wie ein Stein). Rückert Mak. 2, 56 etc., häufiger: Stock-t. Gutzkow R. 6, 301; Lichtenberg H. 1, 120; W. Luc. 6, 178 etc.; Mit einem Stock-T–en (g) über den Zauber der Musik hadern. W. 27, 318 etc.
i) Schiff.: T–e Jütte (s. d., urspr. wohl als Eigenn., vgl. David). 2) (s. 1 u. Anm.) dumpf, in Bezug auf Empfindung, Gefühl etc. (s. betäuben), nam.:
a) Ein Glied ist t. (vgl. schlafen 2), man hat zur Zeit kein oder doch nur ein dumpfes Gefühl darin; Die Füße waren ihm [dem Gebundnen] so t., daß er meinte, sie seien ihm rein abgehauen. vHorn Pollm. 76 etc.
b) Die Neujahrsbesuche und das Neujahrsbetteln macht mir den Kopf so t. Knebel 3, 11; Die Wintermonate in t–em Schlummer hinbringen. Linck Schl. 29; Momente des Schmerzes, wo nur die kalte, t–e Dumpfheit, in die endlich unser Wesen versinkt, uns von Wahnsinn und Raserei errettet. Tieck N. 2, 100; T–es Hinbrüten. Adelung; T–er Schmerz. Ders. 3) (s. 1) grade des Wesentlichen ermangelnd, nam.:
a) (s. b) Bergb.: ohne Erz: T–es Gestein; T–e Berge, Gänge, Gangarten, Klüfte, Mittel etc.
b) T–es Ei, ohne befruchtenden Keim, Wind-Ei (s. d.), ähnl.: T–er Samen; T–e Blüthen. Oken 3, 713; Zeit ist nun, Frucht zu tragen, | denn t–er Blüthen gnug trugst du. Rückert BE. 329; T. blühen. Zink Ök. 1, 740; T–er Hopfen, Hanf (s. Fimmel 2 und Anm.); T–e [leere] Nüsse, Ähren; Die obenauf schwimmenden t–en Körner [der Gerste]. Karmarsch 1, 197; T–er Dunst (s. d. 1b); Nicht in t–er Redeblume, sondern wesentlich, wirklich und wahrhaftig giebt der Liebende seine Seele weg. Immermann M. 4, 181; Nicht will ich einen Frühling, welk und t., | nein, einen Frühling, welcher treibt im Saft. Uhland 435; Wir nennen | den t–en Sinn Verstand. V. 3, 216 etc.; ferner z. B.: T–e Nessel (s. d. 1b; c), die nicht brennt; T–es Salz (s. d. 1k und dumm 1a), das nicht salzt; T–er Hafer (s. d.), wie Hafer aussehnd, aber nicht so zu benutzen, vgl.: Die Raden und Kornrosen und mancherlei t–es Gras [Unkraut]. Hebel 8, 163; Daß [Stein-] Kohlen, wo sie zu Tage ausgehen ... „t.“ sind, d. h. milde und unbrauchbar. KCvLeonhard (DViertelj. 1, 1, 52) etc.
Anm. Goth. daubs, starr; empfindungslos (s. 2; ertauben 1b; täuben
2) und danach in Bed. 1 ahd. toub, mhd. toup, sich nah berührend (vgl. sinnlos und unsinnig, ferner mundartl.: thörisch = taub und unsinnig. Schm.) mit top, dazu toben, ahd. tobên, tobön, mhd. toben, s. nam. t., tob = toll, rasend, zornig etc. und Ableit. Stalder 1, 271, wozu wir einige Belege fügen: Tober Hund. Gryphius Fr. 678; Ein douber Hund. Brant N. 955¹ (Dorecht Hund. 97³¹) und Zarncke Br. 438b; 397b; Von den tauben Pferden geschleift. Stadelmann Einsiedl. 228; Unsinnig und taub werden. 481 (Aus unmäßigem Grimm und Taubheit. 181); Stumpf 388b; Gotthelf U. 2, 307 (s. Kuh 1); Obramtm. 66; Wenn es so recht taubs [zornig] wäre. G. 281; 279; 167 etc.; In der Täubi [Rage, Wuth]. 242 etc.; Zähneknirschend und täu- belend. 172; Sch. 383; Austaubbelen [seinem Zorn Luft machen]. 396; Ein wüster Taubbeli. 393; Ihren taubeligen Herrn. Obramtm. 100 etc.; Ich ertaube [gerathe in Wuth]. G. 203; 280; Mit erschrecklich er- taubtem Gesicht. .. Jch glaubte, seine Frau hätte ihn etwa ertäubet [in Wuth gebracht]. Gesamm. Schr. 5, 133 etc.; Darum ist Der blind und ertoubt [sinnlos], der nicht hört Weisheit. Brant N. 11²5; 65⁶¹ (Philander 2, 484) etc. und faktit.: Man töubt ander Leut damit, | wenn man so sürflet durch die Zähn. 110a¹⁰¹, wohl: es kann die Hörenden toll machen etc.; Wo eine thörichte Frau in einer Gasse ist, da macht sie 10 oder 12 Theubinen, gleich als ein fauler Apfel die andern faul macht. Keisersberg Post. 140a etc., s. Frisch 2, 363c; Wackern. Gl. 527 etc.