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steif Steife steifen steiferig Steifheit Steifigkeit Steifling
Stēīf, a.:
(s. Stab, Anm.) so beschaffen oder in solchem Zustand, daß es sich nicht leicht biegt, biegen lässt etc., vgl. die oft damit verbundnen fest (s. d. 5c) und starr (s. d.), zwischen denen es gleichsam die Mitte hält, ferner stark etc. und als Ggstz. theils biegsam, geschmeidig, gelenk etc., theils schlaff, schlapp etc., z. B. (theilw. ineinandergreifend): 1) zuw. ohne den Sinn des Fehlerhaften, Ungehörigen, so:
a) von Gliedern des Körpers (versch. 2a) in aufgerichtetem Zustand, Ggstz.: schlaff, nam. vom männl. Glied. Bock An. 884 etc.; S–e Haare, Borsten etc., daher auch: S–er Pinsel. Karmarsch 2, 283 etc.; ferner: Die Ohren (s. d. 8c) s. halten, z. B. Beck Arm. 90 etc.
b) von Ggnstden der und zur Tracht etc. (s. Steife 2): S–e Stiefel, Röcke (s. S.-Rock); Die Wäsche ist nicht s. genug; Die Hutkrämpe muß s. sein; S–e Leinwand, s. S.-Leinen etc.
c) von brei-, gallertartigen Massen etc.: dick, konsistent (s. Matte 3).
d) unbeweglich fest; ohne Wanken Stand haltend, s. e; f; ferner: S. und fest (s. d. 5e); außerdem (vgl. 2c) veraltend, vgl. von untadelhafter Festigkeit: Das sind die Staffeln und Stegreif, | darauf man zum Lob steiget s. Fischart Gl. Schiff 622; Wie? wenn er allen Grimm der Marter überwünde | und s. und unverzugc auf trotzem Schweigen stünde? Gryphius Fr. 27; Sie sturben beiderseits mit hohen s–en Sinnen. Opitz 2, 150 (vgl. Haller 57); Hielt s. darob, daß etc. Stumpf 81a; Unüberwindlich sein und s. bestehen. 216b; 343b; Noch in s–er Übung. 353b; 379a; Seine s–e und unbewegliche Hoffnung. 525b; Ein s–er Vorsatz nicht zu irren. Zinkgräf 1, 67 (vgl. Hagedorn 2, 187); Sich s. an die Hoffnung des ewigen Lebens halten. 249; Stehet s. mit unverwendten Füßen. Ders. (Wackern. 2, 303³) etc.
e) (s. d) vom Blick, fest und unverwandt: Sehen Sie mich an, s. an! Aug’ in Auge. L. Gal. 4, 5 etc.
f) (s. d) von Schiffen: stabil: Das Schiff schaukelt, grade weil es von den flauen Winden nicht s. in seiner Stellung gehalten werden kann. Burmeister gB. 2, 38 (vgl. s. 2 —: Die Segel keines Lüftchens Spiel, | s. in den Wassern lag der Kiel. Freiligrath 1, 360); Ein Schiff ist s., segel-s., wenn es viele Segel führen kann, ohne sich auf die Seite zu neigen; ballast-s., wenn es nur so viele Ladung außer dem Ballast hat, daß es Segel führen kann (s. Bobrik 662a; 88a). g) Schiff.: s. f; ferner: stark (vom Wind). Höfer Leb. 31; S–e Kühlte. VrgT. 265 etc. h) (s. g) stark, von warmen geistigen Getränken: S–er Grog, Punsch etc., seltner: Kaffe (Ruppius V. 2, 69). 2) (vgl.
1) heute überwiegend mit mehr oder minder hervortretendem Sinn des Fehlerhaften und Ungehörigen, z. B.: (a; b) der freien, leichten und ungezwungnen Bewegung ermangelnd:
a) Jemand, sein Körper, seine Glieder. (versch. 1a), z. B.: Beine, Füße, Arme, Hände, Finger, sein Nacken etc., sein Gang, seine Haltung, Bewegung etc. ist s.; er geht, tanzt, verbeugt sich s.; Das Pferd ist alt und s.; geht s. etc.; S. wie ein Stock; Holz (G. 10, 35); ein buchnes Scheit (Gotthelf Sch. 2), eine Kerze (s. d.); ein Bock (s. d. 4) etc.; Wohlgebaut zeigte er sich strack, ohne s. zu sein. G. 30, 227 etc.; Ein jedes Glied, ge- lenker Kraft beraubt, | soll s. und starr und kalt wie Tod erscheinen. Schlegel Sh. 1, 129; G. 8, 267 etc.; Daß ihm die Zunge s. geworden ist und verdorrt. Heinse A. 1, 204 etc.; S. vor Alter, Frost etc.; S. gefroren, gesessen; Sich ganz s. sitzen; Sich blind und s. gaffen (W. 11, 173) etc.; S. von Gliedern, Knochen etc., bildl., z. B.: Einen s–en Daumen haben. Auerbach Barf. 231, schwer Geld herausrücken etc.; Den Kopf im Nacken (Beck Arm.131), den Nacken (s. d. 1a) s. tragen, von Stolzen, die sich nicht gern bücken (vgl.: Seinem Herrn | zollt er nur karg und s. der Ehrerbietung Zeichen. Nicolai 5, 139); Sie starren mit ihrem Hals s. Luther 8, 120b (vgl. c; Rücken 2). Zsstzg. z. B.: Alters-; bock- (Auerbach Leb. 1, 206; Schücking Sph. 327); draht- (Höfer Nor. 1, 97); glieder- (Gartenl. 9, 91b); kerzen-; knochen- (Klencke Parn. 1, 351); nacken- (Scherr Bl. 1, 208; 2, 64) s.; Stangen-s. aufzusitzen. IP. 31, 55; Dieser stock-s–e (vgl. b), hölzerne (s. d.) Professor Spielhagen Pr. 7, 92; Monatbl. 1, 45b etc.
b) (s. a) mehr übertr., z. B.: S–e Handschrift; S. schreiben. G. 15, 32 etc.; S. und förmlich; Jene s–e Vornehmheit. Heine Reis. 1, 182; S–e Visiten; In meinem s–en Sonntagskleide. G. 20, 63 etc.; S. und pedantisch (s. d.); und hölzern etc.; S–e Pedanterie. W. 17, 100; Bei einem s–en Schulmeister. Gervinus Lit. 5, 142; Sehr viel Natur mitten in dem s–en Leben. G. 14, 71; 13, 182; 15, 177; 29, 386; W. 14, 33 etc.
c) (vergl. 1e) mit mehr oder minder Hartnäckigkeit fest: Recht s. in seiner Meinung sein, | nicht auf ein Haarbreit sie verlassen. Brockes 9, 537; Gellert 1, 207; Der mit s–em Sinn | die Gunst der Musen zu ertrotzen glaubt. G. 13, 184 etc. Zsstzg. s. 1f; 2a.
~e, f.; –n:
1) (ohne Mz.) das Steifsein (s. Steif-heit, -igkeit): Die S. | der Glieder. Cham. 4, 87; Mischung von mittelalterlicher S. und moderner Sentimentalität. Nat.–Z. 16, 395; Ruppius GG. 31 etc.
2) ein Stoff, womit man und insofern man damit Zeuge etc. tränkt, um sie steif (s. d. 1b) zu machen, zu „steifen“: Die S. der Wäscherinnen (s. Stärke; niederd. auch Steifels, n., z. B. Strals. Kochb. 2, 155); der Hutmacher (Karmarsch 2, 283), der Weber (s. Schlichte) etc.
3) Strebestange (s. d.): Wenn eine Forchel nicht fest steht, setzt man eine S. dahinter. Döbel 2, 186b; Die Stützen .. die S–en. Nat.-Z. 11, 584 etc.
~en, tr., refl.:
steif machen, z. B.:
1) (s. steif 1) Nimmt einen festen Stand an, ballt die Faust, steift den Rücken. Engel 7, 102; 290; Wenn wenig Jahre, dir den schwachen Fuß gesteift [gestärkt, versch. 5c]. Weichmann 1, 13; Weich, biegsam, außer Stande, sich zu s. Linck Schl. 22 etc.
2) mit Steife (s. d. 2) versehn: Die Wäsche s. (Beck Arm. 157, an-s.); Die Hüte s. (Karmarsch 2, 283) etc.; dazu: Steifer; auch: Die Schreibärmel, die von anklebender Tinte entsetzlich gesteift waren [steif waren, starrten]. Hackländer Erl. 1, 146.
3) mit einer Steife (s. d. 3) versehn, stützen, z. B.: Die Forkeln, Ständer, Mauern etc. s., ab-s. etc.; Sich auf einen Stab s. Rückert Mak. 1, 19 etc., s. .
4) übertr. (s. 1 und 3), z. B.:
a) Wo du des Magens | Flauigkeit nicht brav steifest mit Kost und stärkender Nahrung. V. H. 2, 139 etc.; Daß unsere Sache in demselben Maße erschlaffte, als die der Franzosen sich steifte. Ense D. 6, 90 etc.
b) Wenn sich Alle steiften [auf die Hinterbeine setzten], ging Alles besser. Börne Par. 5, 35; Wollen wir allein | uns eigensinnig s. und verstocken | die Landeskette ihm zu unterbrechen? Sch. 525b, auch: Da habt ihr Ursach, euch zu wider-s. Zinkgräf Schulposs. 101 etc. (s. 5b).
c) Ein Mann . . steift den gesetzten Sinn. Haller 80; Weil die Parteien nur gesteifet [bestärkt] werden. Leibnitz 1, 384 etc.; bes.: Einen in Etwas, z. B. in seiner Widerspenstigkeit (Pfeffel Pr. 1, 12), seinem Unfug (Kurz Sonn. 237) s. (oder be-s.); Wo ihm (Drckf. statt ihn) Keiner in seiner Übereilung steifte. Ense B. 4, 392 etc.
d) Der .. gesteift [gestützt] auf Gott, fest wie ein Felsen stehet. Creuz 1, 62 etc., nam. refl.: (versch. 5b): Worauf er sich steifte, ob auf Verhältnisse oder auf Verdienste. IP. 7, 106; Ich fing an . . ., mich gegen ihn auf mein Recht zu s. Rückert Mak. 2, 149; 161; W. 13, 134; 25, 60; 33, 362 etc.
5) (s. steif 2), z.B.:
a) tr.: Den Rechtsgelehrsamkeit, Amt, Milz und Alter steift. Hagedorn 1, 186 etc.
b) refl.: s. 4b, auch (versch. 4d): Man steifte und stemmte sich auf untergeordnete Absonderlichkeiten. Auerbach SchV. 82, beharrte steif, hartnäckig darauf etc.
c) pass. Partic. = steif, z. B. (selten, vgl. 1): Meiner gesteiften Beine wegen. Heine Verm. 1, 252 etc., häufiger (s. steif 2b): Die gesteifte Kirchenschicklichkeit. G. 31, 19; Gesteifte Putzdämchen. Gotter Sch. 210; IP. 7, 202 etc. Zsstzg. z. B.: Áb- [3].
Án-:
1) [2].
2) [4b; 5b] Sich an Etwas a., anstemmen. Scultetus (L. 8, 295). Āūf-:
1) steifend emporstehn machen:
a) eig.: [Hut-] Krämpen (Gellert 1, 9); Laschen [am Schuh. Zachariä 1, 23]; Gewänder (Tieck N. 2, 29), Toupé’s (Immermann M. 1, 48); den Knebelbart (Simplicissimus 3,171) a. etc.
b) übertr.: Als ob er die schlottrige Ängstlichkeit durch das Selbstgefühl a. müsse. König Jer. 1, 125; 2, 146; Die mich aufgesteift [1c, aufgestiftet, aufgereizt] haben, ich soll mir’s nicht gefallen lassen. Kurz Sonn. 206; Jene ängstlich aufgesteiften Gesellschaften. Lewald Leid. 2, 188; Seine Gesichtsmuskeln a. Möser Ph. 2, 225; IP. 23, 105; Tieck N. 6, 215 etc.
2) von Neuem steifen [2]. Āūs-: durch Hineingethanes steifen, z. B. eig.: Reifröcke (Spindler V. 2, 295 etc.) übertr.: Briefe mit mathematischen Zeichnungen (Mendelssohn 4, 1, 546) a. Be- [4c]: W. 3, 144 (bestärken, bestätigen). Ent-: von der Steife frei machen. Entgêgen-[4b; 5b]: refl.: sich entgegenstemmen. Goldammer Lith. 323 etc. Er-, intr. (sein): steif (s. d. 2) werden: [Das Roß] wird nicht im Stall e. Böttger Byr. 8, 46; Rückert BE. 330; V. Ar. 1, 19 etc., so auch: Ver-s. Diesterweg Jahrb. 2, 186; Jahn M. 22; Kühne Ch. 1, 322; DMus. 1, 1, 117; 569; Das altversteifte Formenwesen. König Kl. 1, 37 etc.; refl.: Sich in Etwas (Lewald Ad. 264), auf Etwas [s. 5b, z. B.: Immermann M. 3, 245; Schücking Mark. 2, 209] ver-s.; Verhärtungen und Versteifungen. Ense D. 6. 367. Wider- [4b].
~erig, a.:
(scherzh.) Rück-s. [steifen Rückens]. Immermann M. 1, 76.
~heit, f.; –en:
Steife 1: Ctabilität, S. eines Schiffs. Bobrik 655; S. und Unbiegsamkeit des Charakters. Engel 12, 52; S. und Affektation. G. 16, 27; S. und Trockenheit. 27, 100; 26, 75; 30, 348; S. und Ungewandtheit. Klinger F. 102; Sch. 738a etc.; Alters- S. Scherr Gr. 1, 22 etc.; auch mit Mz.: das Steife: Die Unschönheiten und S–en [der Schreibart]. Ruppius GG. 37 etc.
~igkeit, f.; –en:
Steifheit: S. der Bewegung. Engel 8, 285; Benahm ich meiner Übersetzung die fremdartige S. Forster Sak. IX; A. 1, 89; G. 22, 382; Im Nacken eine S. fühlen. 17, 90; H. Ph. 13, 141; Sch. 1236a; G. 5, 56; W. 34, 112 etc.; Ehrenfestigkeit und Ehren-S. Gervinus Lit. 5, 555 etc.
~ling, m., –(e)s; –e:
steife Pers. Körte Sprchw. 128.