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Sollen
Sóllen: (s. Schuld, Anm.) Hilfszeitw. (s. dürfen I etc.):
unter der Bestimmung von Etwas, das Befolgung heischt, stehn, z. B.: Du „solt“ [vralt. statt sollst] deinen Vater und deine Mutter ehren. 2. Mos. 20, 12 etc., es ist Gottes Gebot, Wille, daß etc.; Er soll gleich kommen, ich will es etc.; ferner z. B.: Die Elle soll fünf Thaler kosten, der Verkäufer will, verlangt, daß man sie so bezahle; Was soll ich da thun?, was ist deine Ansicht, Meinung, als Bestimmung des von mir dort zu Thunden etc.; Der König soll todt sein, das Gerücht behauptet es, wobei der Gedanke zu Grunde liegt, daß das (personif.) Gerücht Glauben für seine Behauptung heische unentschieden, ob mit Recht oder Unrecht u. ä. m., z. B. in Verbind. mit erst (s. d. 1g u. 2g) und noch (s. d. †): So Einer soll erst geboren werden, er ist noch nicht geboren, eig.: er harrt noch Desjenigen, dessen Machtgebot ihn geboren werden heißt; Und so soll er noch kommen, er ist noch nicht gekommen und wird’s wohl auch nicht etc. 2) elliptisch oder ohne Infin., z. B.:
a) Was soll Das [bedeuten, sein etc.]? Engel 12, 24; G. 11, 138 etc.; Was sollte Das unter so Viele? 25, 85 etc.; „Phädra will mit dir sprechen.“ .. Was soll ich ihr? was kann sie wollen? Sch. 614b etc.
b) Wem soll denn dieser Strauß [sein, gehören etc.]? .. Soll er mein? Gellert 3, 445; 1, 130; 174; Fouqué Dr. 1, 21; Luther SW. 26, 51; Musäus M. 1, 110 etc.; Die Esel s. für das Gesinde. 2. Sam. 16, 2; Was der Woche soll [gehört; für eine Woche sein soll], | zehrt oft ein Abend auf. Günther 482; Weil man läppisch zugewandt, | was dem Munde soll, der Hand. Logau (L. 5, 187) etc., s. c.
c) Der mir 50 Gulden soll [schuldet, zahlen soll]. 215; 253; V. Ar. 1, 198 (s. Soll 2).
d) Wisst ihr, daß ihr nicht mit Stangen in den Wald [kommen] sollt? Waldau N. 2, 90; Es hätten darauf noch vier leichte Thurmspitzen gesollt [oder sollen, kommen s.]. G. 22, 62; Der Brief soll zur Post [gebracht werden], soll hin, fort etc. und so (s. können II2a; müssen II1c) viele lose Zsstzgn., z. B.: Der Besatz soll ab; Soll die Thür auf oder zu?; Was soll ich schon so früh auf?; Wo soll ich aus? Uhland V. 44; Der Faden soll durchs Nadelöhr durch, ins Ohr hinein; Soll ich ruhelos und ohne Ziel hinaus? Hölderlin H. 2, 79; Thue die Stücke hinein, die hinein-s. Hes. 24, 4; Ich bin aus meiner Bahn geschritten und ich soll nicht wieder hinein. G. 15, 295; Die Atome .. sollen nicht ins Element zurück. 13, 293; 38, 17 etc. 3) subst. Infin.: Wen verleitet sein Können nicht öfter über sein S. hinaus? L. 8, 18.