Faksimile 0246 | Seite 1068
Faksimile 0246 | Seite 1068
Faksimile 0246 | Seite 1068
Seil
Sēīl, n., –(e)s; –e, (–er); –chen; -:
1) ein durch Zusammendrehn gefertigtes Band von bedeutender Stärke und Dicke, stärker als die Leine (s. d.), schwächer als das Tau (s. d.), so daß natürlich auch stärkre Leinen und schwächre Taue S–e heißen.
a) von versch. Stoff, z. B.: Andere banden die Binder mit strohernen S–n in Garben. V. Il. 18, 553 (vgl. Schrank3), Stroh-S. Döbel 3, 40b; Wenn man mich bände mit sieben S–en von frischem Bast etc. Richt. 16, 7; Bast-S. Gerstäcker Äq. 3, 216; Pyrker 106 etc.; bes. aber: Hanf-S–e (s. Seiler), so in den meisten folg. Anwend., vgl.: In der neuern Zeit hat man zum Gebrauch auf Schiffen, sowie beim Bergbau eiserne S–e statt der hanfenen in großer Ausdehnung zur Anwendung gebracht .., Kettentaue und Draht- S–e etc. Karmarsch 3, 283, s. auch: Mit glänzendem S–e von Silber | band er ihn [den Schlauch] fest. V. Od. 10, 24, bei Wiedasch: Mit dem S. voll silbernen Glanzes etc. Zu versch. Gebrauch s. Zsstzg., statt deren oft das Grundw. genügt, z. B.:
b) insofern lebende Wesen dadurch gebunden und in der freien, nur von der eignen Bestimmung abhangenden Bewegung gehemmt werden, eig. und übertr.: Das Joch und die S–e beugen den Hals. Sir. 33, 27; Das Joch zerbrochen und die S–e zerrissen. Jer. 5, 5; Hiob 30, 11; Ich ließ sie ein menschlich Joch ziehen und in S–en der Liebe gehen. Hos. 11, 4 [„Mit Menschenbanden zog ich sie, mit Liebes-S–en“. Zunzl; Ps. 2, 3; 129, 4; Legen mir Stricke, breiten mir S–e-aus zum Netz. Ps. 140, 6; Die Ketten streift’ ich ab und warf die S–e weg. Platen 2, 68; Gebunden bist du durch der Liebe S–e. Sch. 526a; 732a; Die unsichtbaren S–e, die mich .. zurückziehn etc. W. 23, 69; 26, 25 etc. Sprchw.: Einen am S. haben, halten, führen etc., z. B. G. 12, 137; Logau (L. 5, 238); Die der Geiz regiert, | die Ehrsucht an dem S–e führt. Ramler F. 1, 7; Schlegel Sh. 2, 167; Glaubten .., das blinde Schicksal ebenso gewiß an dem Seilchen zu führen, als unsere Puppen. Thümmel 3, 36 etc. (s. Faden 4f; Hänge -, Narren-, Affen-S. und Zarncke Br. 321); ferner: Einem das S. über die Hörner (s. d. 3a, Luther SW. 56, 199); über den Kopf; um den Hals (G. 9, 49) werfen; um- (L. Nath. 2, 7); überwerfen, vgl. (veralt. und mir unklar, woher das Bild?, s. Frisch 2, 260b) im Sinn von übervortheilen, berücken: Einen über das S. werfen. Luther 5, 152b; Schm. 3, 224 etc.; ferner hergenommen von Zugthieren: Mit Jemand an einem S. ziehn, mit ihm verbunden sein zu einem (nam. bösen) Zweck, vgl. Wagen- S., -Strang etc.
c) Ferner z. B.: Auf einem (ausgespannten) S. tanzen, laufen etc. (s. S.-Tänzer); Das Schlapp-S. an die Pfosten befestigt und das straffe S. über die Böcke gezogen. G. 16, 109; Bestieg ein S.-Tänzer das hohe Thurm-S. Guhl 2, 280 etc.; danach bildl.: Keck wie Einer, der nicht straucheln kann, | lief er auf schwankem S. des Lebens hin. Sch. 388b; Keck auf dem Glück- S. tanzend. Scherr Bl. 1, 150 etc.; Ein solcher Charakter ohne Halt . ., ein Künstler auf dem schlaffen Tanz-S–e des Egoismus. Gutzkow R. 6, 11 etc.; Etwas hängt an Seilen, z. B. Sch. 209b; Etwas an, mit einem S. befestigen; schwingen (z. B. eine Glocke); niederlassen, emporziehn, z. B. Jos. 2, 15 ff.; Jer. 38, 6 ff. etc.; nam. auch Bergb.: Hanfne oder eiserne (s. a) Förder-, Göpel-, Gruben-, Haspel-S–e; S. und Kübel wird in längrer Ruh | nicht am verbrochnen Schachte stocken. G. 2, 34 etc., auch (veralt.): S. werfen = einschlagen (s. d. 9c). Mühlpforth H. 133 etc.; Ein S. hält Etwas; Haut’ ich ab die S–e des .. Schiffs. V. Od. 10, 127 [das Hemmtau. Wiedasch] etc. Sprchw.: Sack (s. d. 1i) und S. aufbinden (s. d. 1a) etc.
d) als Längenmaß: In Danzig hält ein S. zehn Ruthen. Adelung; Ein Land- oder Wald-S. in Böhmen hält 52 Ellen, ein Weinbergs- S. 64. Ders.; Frisch. 2) s. Segel.
Anm. Ahd. sail, mhd. seil, vgl. (s. Saite, Anm.) said, noch erhalten in (lausitz.) seideln = tüdern (s. d.), wahrscheinl., s. Seime, vgl. gr. εερα, von einem Stamm si, binden (mit l, d, m, r als Suffix), doch s. Graff 6, 187; 157; Wackern. Gl. 470. Nahvrwdt ist Siele, f.: Brustriemen (s. d.) z. B. der Karrenschieber und nam. am Pferdegeschirr; in Mz. (s. Falke Th. 2, 318) dies selbst = Sielen- Geschirr (s. d., vgl.: Das feinere gelbe Sielenwerk, womit die Pferde angeschirrt waren. Temme SchwM. 2, 21; Sielzeug. Mügge Tell 259) und dann auch einzelne Theile des Geschirrs, ahd. silo (Graff 6, 185), niederd. säle, sele (Brem. W. 4, 582; 746), s.: Hie [am Wagen] ist kein Achse . ., Wage, „Seele“ noch Stränge. Luther SW. 63, 35 [vom Herausg. willkürl. geändert: Seile]; Das Thier allein ohne „Silen“ und Strick. .. Das Geschirr ohne das Thier etc. Zwingli 3, 3 (Silm, m. Stalder 2, 374) und Zsstzg. z. B.: So ich das Roß einsetzen [einspannen] will, | so hat es verloren den Aftersil [Hintergeschirr]. Keller Fastn. 566, 1; Wo Kummet, Geschirr und Aftersil? | wo Strickleder und Echssil? Uhland V. 720, zur Befestigung an die Achse oder Deichsel; Daß er im Arbeitssiehlen vor meiner Egge verendet. Goltz 3, 55; Zugsiehlen. 93 etc., vgl. Sillscheit. Mundartl. Mz. (dem neutr. gemäß, vgl. Spate 2, 91): Seile r. Eppendorf 4; Fischart B. 261a; Hebel 3, 403; Glockenseiler. 343 etc.
Zsstzg. zu 1, vgl. die von Tau, Leine, Kette, z. B.: ffen- [1b]: Einen am A. führen. Fischart B. 55b etc., s. Narren-S.
Ánker-: Möser Ph. 3, 170 ꝛc Bást- [1a].
Bāūch-: s. Bauchkette.
Béttler-: eine Pflanze (Zaunwinde). Brúnnen-. Drāht- [1a].
Flōß-: zum Zusammenbinden von Flößholz: Hasel- und Birkenruthen .. zu F–en. Grube 3, 149. Fólter-. Förder- [1c].
Ge-: Seilverschlingung etc. Fischart Garg. 153b.
Glócken-: die Glocke zu schwingen [Anm.]. Glück- [1c]. Grūben- [1c]. Hāār- [1a]: z.B.: als Fischergeräth. V. Th. 21, 11 etc., nam. (Wundarzn.): Zwecks Eitererzeugung unter die Haút gezogen (Eiterband, vgl. Leder 3c). Kinkel E. 95.
Hált-: Etwas festhaltend. Hánf- [1a]. Hänge- [1b]: woran man den Leithund hält (s. nachhängen a). Döbel 1, 85a etc., vgl.: An Seilen bellt die Meute. Echtermeyer 83 etc. Háspel- [1c].
Hēīnzen-: (Hüttenw.) zum Auf- und Niederziehn der Blasbälge (s. Heinz, Anm.).
Jāgd-: s. Jagdleine; Leit-S. Krān- [1c]. Lánd- [1d].
Lēīt-: Etwas damit zu leiten, z. B. Pferde. Alexis H. 2, 3, 189 etc. = Lenk-S. Rüstow gK. 23 (Jagd-S.) etc.; übrtr.: [Er gängelte sie] an dem Leite- S. der Möncherei. Seume Gd. 63. Līēbes- [1b]. Méß- [1d]. Nárren- [1b]: sprchw.: Am N. ziehen [ein Narr sein. Weidner 15 etc.]; Einen haben (Möricke N. 514 etc.), führen (Auerbach Tag. 76; Tieck NK. 3, 326), herum-führen (Sch. 117b), -ziehn (Schwegler [46] 536) etc., ihn zu Narren haben; Einen ans N. anbinden. Ense T. 6, 489; Ideen sind keine leere Worte . ., in ein N. geflochten, um den Albernen damit zu führen. Görres V. 31 etc.
Rāh-:
1) Rahband. V. Od. 12, 423.
2) [2] Rahsegel. Rōsen- [1b]: bildl. (s. Rosen-Band, -Kette): Der du mein Vaterland an R–en des Geschmacks leitest. Jris 7, 524. Schlápp- [1c]. Schrōt- [1c]: s. schroten 3. Schwúng-: womit Etwas geschwungen wird, z. B. eine Glocke (s. Glocken-S.); ein Sturmbock (Nicolai 8, 218), Jemand schaukelnd (G. 18, 112 etc.). Spríng-: worüber man springt, z.B. es schwingend. IKohl Par. 3, 196, auch: Sprung- S. Hartmann BB. 216. Strōh-[1a]. Stūfen-: s. Strickleiter. Tánz-, Thúrm- [1c]. Tōdten- [1c]: zum Niederlassen des Sargs. Sch. 2a. Wāgen-: Weh Denen, die sich zusammenkoppeln (s. d.) mit losen Stricken, Unrecht zu thun und mit W–en, zu sündigen. Jes. 5, 18, s. [1b] am Ende. Wáld-, Wēīnberg- [1d]. Wérf-: s. Werfzeug. Zīēh-, Zūg-: woran Etwas gezogen wird, z. B. ein Schiff, ein Wagen etc.