Faksimile 0246 | Seite 1068
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Seige Seigel seigen seiger seigern Seihe Seiger Seigern
Sēīg~e, f.; –n:
1) Vorrichtung, Etwas zu seigen (s. d.): Wie der Most .. aus der Seig’ einengenden Offnungen abläuft. V. Ov. 2, 273; Ländl. 1, 87; 3, 237; 4, 783 etc., daneben: Seihe, f. Adelung etc.; Seiger, m. Weinhold; Andre sind einem Seiher ähnlich, ein Seihetuch lässt den Wein auslaufen und behält nur die Hefen. H. R. 9, 298; Durchseiher. Adelung; Die Würze von den ausgekochten Hopfenblättern zu trennen. Man bedient sich dazu des Hopfenseihers etc. Karmarsch 1, 219; Suppenseiger. Weinhold; Wasser-S., z. B. bei Bäckern, zum Abseigen des Wassers vom genetzten Weizen [versch. 3]. Adelung etc.
2) (ohne Mz.) der beim Seigen bleibende unbrauchbare Rückstand, nam. die Trebern (Seihe). 3) (s. Seich, Anm.) Bergb.: S., Wasser-S. (versch. 1), die gegen den Tag,,gesenkte“, dem Grubenwasser freien Abfluß darbietende Stollensohle und die „Senkung“ (Neigung) derselben gegen den Tag, s. Schm. 3, 209; Scheuchenstuel 260.
~el, m., –s; uv.:
(schwzr.) Leitersprosse. Gotthelf Sch. 37; Hebel 3, 118.
~en, tr.:
(s. Seich, Anm.) Flüssiges, um darin enthaltne gröbre Theile abzusondern, durch Etwas „sickern“ (tröpfelnd hindurchlaufen) lassen (s. filtrieren), Nbnf. seihen, beide urspr. mit starker Abwandlung (wie schweigen, steigen; leihen, zeihen etc., vgl. nam. gedeihen, gediegen), auch zuw. in der Schreibw.: seien, säugen: Die ihr Mucken [s. d. 1] seiget und Kamelse] verschluckt. Matth. 23, 24 (sprchw.); Kritisches Mücken-S. Heyne (L. 13, 485); Das Land .. trank sie [die Thränen] hinab in die innersten Adern, | wo sie, zu Wasser geseigt, aufquollen. V. Ov. 1, 341; Durchgebeutelt, geseigt und gepresst [bildl.]. W. 14, 246 etc.; Seihe es durch ein Tuch und so du es .. gesiehen hast. Büchsenmeist. 8; Mit sehr reinem, vorher geseihetem .. Leim. Karmarsch 3, 555; Die Milch ist geseiht. Kosegarten Po. 2, 389; IP. 40, 23 etc.; Geseiet. Volger EE. 313; Zinkgräf 1, 159 etc.; Der eine Mücke säugt etc. Günther 534, s. auch seigern. Dazu: Ihr Muckenseiger und Kamelverschlinger. Luther 8, 10b; Kein Haarspalter und kein Mückenseiger Gutzkow Z. 2, 259; Mückenseiher. R. 5, 490 etc.; Grillenfängerei und Mückenseigerei. Gedike Du 2 etc. Zsstzg. s. nam. Schm. 3, 209; 219, auch intr. (sein), vergl. sickern, z. B.: Áb-: Säftchen .. aus Büchern abgeseigt. V. Ar. 3, 166 etc.; Zu der von dem weinsteinsauren Kalk abgeseihten Lösung. Karmarsch 3, 624 etc.; Die abgesiegene Brühe. Tabernaem. Kräut. 1362. Āūf-: s. be-s. Āūs-: Mücken seiget ihr aus etc. H. R. 9, 280; Milch ausseihen (oder ausseideln). Schm. Be-: mund- artl. statt ver-s.. Der Kuh ist die Milch besiegen, meton.: Die Kuh beseiht (Schm.), beseicht (Höfer Et. W. 1, 79, richtiger: beseigt) sich = ist aufgesiegen. Adelung. I. Dúrch-, II. Durch-: Mit durchsēīgtem rothem Wein. Gerhard W. 2, 306, gw.: dúrchgeseigt; Der .. Thau muß öfters durchgesigen werden. Hohberg 1, 697b; Den Wein filtrieren oder ihn durchsäugen. L. 3, 412; Den Honig bereit mit Sieden und Durchseihen. Ryff Sp. 280a; Von der durchgesigenen Brühe. Tabernaem. 1193; Den Wein durchzuseigen. Winckelmann 2, 70 etc., auch (––⏑) intr. (sein): tröpfelnd (sickernd) hindurchdringen: Die Feuchtigkeit, welche durch die Keime zu den übrigen Theilen dürchseihet. G. 39, 35; 41 etc. und tr. (⏑–⏑): tröpfelnd durchdringen: Die Flüssigkeit, indem sie die Pflanzengefäße durchseihet und durchspült. 36. Er- (veralt.): trocknen: Kehr den Salpeter um, daß er wohl „erseuche“ und trockne. Büchsenmeist. 16; Fischart Ehz. 408 etc. Ver-, intr. (sein): sickernd (oder wie sickernd) abnehmen und verschwinden, eintrocknen, eig. und übertr., z. B.:
1) Ich spreche zu der Tiefe: verseige! und zu den Strömen: vertrocknet! Jes. 44, 27; In nimmer verseigendem Überfluß. Brockes 9, 320; Döbel 3, 182b; Da wollte mir für Angst der Beine Mark verseigen. Fleming (Lüb.) 17; H. 15, 113; Lohenstein IbrS. 32; Luther SW. 60, 266; IESchlegel 1, 742 etc.; Ich will .. ihre Brunnen verseihen lassen. Jer. 51, 36; Hammer RH. 386; [Das Wasser] verschwindet und verseihet. Ryff Sp. 139a etc.; Jmpf.: Das Zuckerquell versieg. Lohenstein Ros. 106; Partic.: Welchen .. die Wasserquellen versiegen waren. Ps. 107, 33; Versiegene [milchlose] Brüste. Hos. 9, 14; Haller 19; Hutten (H. Ph. 13, 91); Luther 8, 121b; Aus versiegnem Quell. Lohenstein Ros. 68, von Matthisson (A. 1, 196) geändert: Aus versiegtem Born etc., vergl. verneint: Die .. unversiegen rinnet. Haller 144; Unversiegene Quelle (L. 7, 261), Ader (Ramler 231) etc.
2) Aus dem Partic. entwickelte sich der jetzt gw. Infin. versiegen (schwachfvrmig), schon bei Luther z. B. Hiob 14, 11; Ps. 74, 15; Jes. 15, 6; 19, 5; Jer. 48, 34; 50, 38; Sir. 40, 13; Freiligrath 1, 243; G. 27, 259; 11, 53; Das Auge war ihm nicht zu der Freudenthräne versiegt. Kl. M. 5, 159; Luther 1, 390b; Die Kraft versiegt. Platen 4, 294 (s. b); Eh sie [die Ziege] uns versiege [milchlos werde]. Rückert Erb. 1, 14; W. 24, 21 etc. Wir erwähnen bes.:
a) Versiegen gehn. Sch. 106b; Schwab 182 etc.
b) bei Platen 1, 189 (6, 209); 4, 330; 181 (7, 92) die Schreibw.: Versiechen; Hippokrene ist versdgen. Fleming Lüb. 634, abgewandelt wie fliegen etc.
c) faktit.: Der Herr wird .. ihren Brunnen austrocknen und ihre Quellen versiegen. Hos. 13, 15 (s. f).
d) Versiegung. Rückert Mak. 1, 107 etc.
e) Unversiegend. G. 22, 101; Kl. M. 13, 426; Sch. 229a; V. Od. 13, 109; 247 etc.
f) (s. e; c) Nie versiegbar. Guhrauer Less. 1, 262; Knebel 1, 4 etc.; Unversiegbar. Fichte N. 5; G. 4, 295; 31, 311; V. Th. Ep. 4, 7 etc. = Unversieglich. Rückert Mak. 2, 4; W. 33, 277 etc.
~er: 1) (s. Seich, Anm.) a.:
Bergb.: blei-, senkrecht. G. 40, 213; WHumboldt 3, 211 etc. 2) m., –s; uv.:
a) (s. 1) Blei-Wage, -Loth, -Perpendikel, vgl. mhd. seigære, Wage, s. seigern 4.
b) Uhr, urspr. wohl = Pendeluhr (s. a), z. B.: Zwei Pendeluhren .. Zwei S. Ramler F. 3, 231 etc., nach Andern urspr. = Sanduhr (nach dem Durchsickern des Sands), z. B.: Der meiste Sand [ist] verflossen, | der S. ziemlich leer. Günther 1018; Mathesius Lthr. 104a; Wackern. 3, 848¹; Sand-S. 845²⁴ etc., dann verallgemeint, z. B.: Versetzt ein Kleinod und ein S–lein. Schweinichen 2, 27 etc., auch angelehnt an Zeiger, s.: Provinzialia . ., wenn die Meißner sagen: der Zeiger schlägt. Wackern. 3, 1018¹⁰ (Leibnitz); Der Thurm mit blinkendem S. V. 1, 10; Es rückt die Uhr; noch einen kleinen Weg des S–s und etc. G. 9, 209 etc.; Der S. schlägt (Brockes 1, 390; Hölty 63; Pfeffel Pr. 3, 177; W. 10, 307 etc.), brummte zwölf (Falk Mensch. 140) etc.; auch = Stunde, s. Weinhold 90a; Bernd 284 etc., aber auch Zarncke Br. 410b.
c) s. Seige 1.
d) Salzw.: Aufseher über die Bornknechte (Bornmeister): Ober-, Unter-S.
e) Mücken- S., -Seigerei, s. seigen.
~ern, tr. und zuw. intr. (sein):
1) seigen, sickern:
a) tr.: Alles ist Gefäß, das immer feiner seigert, | wodurch sich Nahrungssaft zum Nervengeiste steigert. Rückert W. 4, 69; Die Resultate seines Studiums, durch seinen Geist geseigert und geläutert (s. 2). Wackenroder Kl. 80 etc.; Nbnf.: Meinen siebenfach ge- seiherten | .. Quintessenztragödien. Platen 4, 189.
b) intr.: Das Moor ist leicht und aller Sand seigert durch. Möser Osn. 1, 94 etc.; veralt.: Er-s. = versiegen; intr. Fischart Garg. 85a etc. und faktit., s. Schm. 3, 209. 2) (s. 1) Hüttenw.: tr.: aus einer Verbindung das leichter schmelzbare Erz herausschmelzen, und intr.: von solchem Erz: schmelzend heraus-tröpfeln, -sickern, s. Karmarsch 3, 56 (Saigerung); Die Gewinnung des Wismuths .. besteht in einem Aussaigern aus der Gangart od. andern Erzen. .. Das aus den Erzen ab saigernde Metall. .In Zeit von acht Stunden können . . 20 Centner Erz abgesaigert werden. 626 ff.; 1, 52 (von Schwefelantimon), nam. auch von der Operation, bei der silberhaltiges Schwarzkupfer durch Zusammenschmelzen mit Blei in Kupfer und silberhaltiges Blei verwandelt und aus diesem letztern wieder das Silber getrieben wird. 3, 316 etc., auch bildl.: Ich will . . so lange s., | bis ich der Wahrheit Silber abgeschieden. Immermann Card. 31; Mathesius Lthr. 193a etc.
3) Bergb.: Einen Schacht s., abs., ihn seiger (s. d. 1) in die Tiefe führen. Adelung (absenken, abteufen) oder: den seigern abmessen (absenkeln). Ders.; Scheuchenstuel 5 etc.
4) (vralt.) Münzen s., aus-, er-s., von den Kippern (s. d.) und Wippern: die bessern (schwerern) aussondernd dem Verkehr entziehn (wohl durch die Wage, s. Seiger 2a). Schm.; Frisch 2, 259c.
Seih~e, ~er, m., ~ern: s. Seig-e etc.