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schleichen Über-Schleichen um-schleichen um-schleichen
Schlēīchen, schlich; geschlichen, intr. (sein); refl. (4); zuw. (s. 3b; Anm.) tr.:
sich leise, kaum hörbar fortbewegen, wobei oft das Langsame, oft das Heimlich-Versteckte bes. hervortritt: 1) o. Angabe der Ortsverändrung, intr. (s. 4): Die Schlangen etc. sch., s. 3. Mos. 11, 41; Die Füchse etc. traben zuw., zuw. sch. sie etc.; Der birschende Jäger schleicht, s. Laube Br. 278; Jemand, früher mit Adlergang, schleicht nun, s. Sch. 4b; Geschlichen kommen. Gryphius Fr. 11; Wie Wurzelfasern schleicht ihr Fuß. G. 4, 26; Sieht er 3 Lichtlein sch. [sich langsam bewegen]. 8, 49; Der Bach schleicht, fließt langsam; Die Zeit, ein Stündchen (G. 3, 96), der Tag (Gotter 1, 148) schleicht, geht langsam dahin etc.; Ein Heimtückischer schleicht, sucht versteckt sein Ziel zu erreichen; Wie auch der Pfaffe finnt und schleicht. G. 2, 297; Der heil. Geist schleicht nicht, sondern fleuget öffentlich vom Himmel herab; die Schlangen sch., aber die Tauben fliegen. Luther 5, 491a etc.; Die Pestilenz (Ps. 91, 6), das Gift (L. 10, 167) etc. schleicht im Finstern, breitet sich heimlich aus, ehe der offne Ausbruch erfolgt etc., s. 2. Ugw. (s. 4) rcfl.: So sch. und so wanken | wie verderbliche Gedanken | sich die Büsche. G. 10, 236. 2) (s. 1) oft im adjekt. Partic. Präs.: Dem sch–den [langsamen] Schritt gemäß, den sie ritten. G. 25, 252 etc.; Die lange Nacht | mit ihren gräßlich sch–den Minuten. Kinkel 332 etc.; Der sch–de Gang [der Katzen]. Oken 7, 1578 etc.; Die sch–de tückische Pfaffheit. Börne 1, 46; Engel 8, 266 etc.; Verborgene und sch–de Wege. W. 6, 85; Sch–de Wendungen. 7, 185 etc.; Sch–de Krankheiten. 73; Sch–des Gift. G. 1, 225 etc. 3) mit Accus.:
a) s. gehen 4b, z.B.: Schleicht | sie den Gang der Schnecken. Göckingk Lieb. 58, schneckenhaft; Mit leisen Tritten schlich er seinen bösen Weg. Sch. 357b etc.
b) selten tr. mit Angabe des Erfolgs, s. Blindschleiche. 4) mit Angabe der Ortsverändrung, sowohl (s. 1) intr., als refl., Beides häufig, das Letztre nam. bei hervortretender Absicht (s. 3b), z. B. eig. von lebenden Wesen: Rückwärts sch. feige Schlangen. Arndt 349; So schleicht | der Fuchs vom Taubenschlag. G. 8, 22; Schleiche dich zu ihr| und schleiche wieder weg. 24; Daß ein Bettler sich ins Haus geschlichen. 1, 321; Nicht mehr verstohlen werd’ ich zu ihr sch. Sch. 495a; Er schleicht, | als ob er Blei an wollnen Füßen hätte, | allmählich sich bis an Rosinens Bett. W. 11, 253 etc., auch: Wie es [s. d. 7] langsam Treppe auf und Treppe ab schleicht und schlürft etc. Hackländer Erl. 1, 133 etc., ferner z. B.: Sich in Jemandes Vertrauen; sich ihm in den Busen (Schlegel Sh. 6, 37) sch. (oder stehlen, ein-sch. etc.) etc.; Wie vom Mittagslicht zum Schein der Dämmerung | schlich sie [die Natur] bei Vastola durch unmerkbare Grade | vom Vollgenuß zur Sättigung. W. 12, 35 etc.; Ein Begehr (Geibel Jun. 222), ein leiser Abglanz (Grün Sch. 11) schleicht in deine Seele; Bis das Naß .. ihm in die Kehle schleicht [dringt]. Nicolai 8, 242 etc.; Quellen etc. sch. durch die Thäler. ESchulze 3, 269; G. 12, 113 etc.; Zähren etc. sch. über die Wange (Hungari 2, 173), v. den Lilien des Gesichts (W. 11, 239), sich aus dem Auge (L. Samps. 3, 5; Heine Lied. 160) etc.: Ins 2te Jahr schon schleicht [zieht sich] die Unterhandlung. Sch. 364b etc. 5) Dazu:
a) Schleicher, s. u.
b) Schleichung, gw. nur von Zsstzg., vgl. Schlich.
Anm. Ahd. slihhan, mhd. slîchen, wohl vrwdt. mit ahd. slifan, mhd. slîfen, schleifen (s. d.), gleiten etc., s. Wackern. Gl. 522 etc., vgl. Schleich- und Schleifweg, Unterschleif etc. Noch im ältern Nhd. dazu ein schwachform. Faktit., z. B. [Sie haben es] in diese Land ge- schleichet [heimlich hineingebracht, eingeschwärzt]. Mathesius Lthr. 170a; 171a; Wackern. 2, 94¹⁰ etc., s. Schm. 3, 426 und schleiken etc. Stalder; bei Adelung starkformig: Hier schlich sie ihre Hand in die seinige (s. ein-, unter-sch.) wie (s. 4) durchgedrungen im Reflexiv.
Zsstzg., nam. zu 4 was unbez. bleibt —, wie bei ähnl. Zeitw. der Bewegung, ungemein häufig, z. B.: Áb-:
1) Jemand schleicht ab (HSachs 3, 2, 43c); auf und ab (G. 10, 168); sich ab (JP. 41, 159; W. 20, 244) etc.; Diese sanft a–den Zähren. Hippel Leb. 1, 275.
2) tr.: Einem Etwas a., durch Schleichen abgewinnen. W. 23, 279 etc. Án-:
1) intr.: schleichend nahn, (heran-sch.): Kommt das Wiesel . . angeschlichen. Schlegel Sh. 7, 23; Ein A. auf das Wild. Tschudi Th. 556; [Der Teufel] schleicht .. an. V. 4, 96; Während die Nacht anschleicht. Th. 22, 15 etc.
2) refl. = 1 (gw.: sich heran-sch.), auch: Das jeder Form und Beugung sich sanft a–de [anschmiegende] Wasser.
3) tr. (s. 1): Einen a., ihn be-sch.: Daß die Sünde uns Sterbliche von allen Seiten anschleicht. Alexis H. 1, 1, 43; Ense D. 1, 337; V. Ant. 2, 3 etc. Āūf-: s. ab-sch. 1. Be- tr.: anschleichend das mit dem Obj. Beabsichtigte ausführen, z. B.: Jemand beschleicht Einen, ihn überraschend (G. 280); belauernd, behorchend (34, 263; V. Od. 22, 179; W. 15, 225); ihn überrumpelnd, bewältigend, fangend etc. (10, 82; 11, 194 etc.); Der Jäger beschleicht ein Wild etc. (Goldammer Lith. 72; Kohl A. 1, 126 etc.), der Fuchs die Pernise im Nest (Tschudi Th. 434), Amor euer Herz (W. 3, 22), Jemand Burgen, Schlösser (Uhland 376); Der Weise beschleicht forschend den schaffenden Geist. Sch. 76betc.; auch zuw.: Einen um Etwas b., ihn überlistend darum betrügen. Hebel 8, 132 etc., auch zuw.: Einen Ort b., ihn schleichend besuchen, besichtigen (CBahrdt 3, 126 etc.). Oft mit sachl. mehr oder minder personif. (z. B. G. 13, 255, 276 etc.) oder belebt aufgefaßtem Subj., das sich des Obj. unmerklich bewältigend bemächtigt etc.: Es beschleicht ein Affekt, Liebe (s. o. Amor), Furcht und Sorge (G. 5, 10), ein Schauer vor dem Tod (Lenau A. 91) das Herz; Reue oder Erbarmen die Brust (B. 8b); Einen eine stille Unruhe (Immermann M. 1, 348), der Zorn (Cham. 4, 67), eine Versuchung (Sch. 559a) etc.; eine Weise [Melodie] das Ohr (Schlegel Sh. 2, 157); der Schlaf die Augen oder Einen (W. 3, 53 etc.); Wie Träume beschlichen thauende Wölkchen die Wiesen. Hölderlin H. 1, 101; Was frühlingsheiter die Seele beschleicht. Körner 262b; Bis dich das Alter | sanft beschleicht und der Tod. V. Od. 13, 60 etc., auch: Felsen . ., die spärlich nur ein dunkles Grün beschlich [bedeckte]. Reithard 209 etc. Im adjekt. Partic.: B–d Fieber brachte dir Verderben. Uhland 163 etc.; Schlaue Beschleichungen. Droysen Y. 1, 147; Thümmel 4, 9 etc. Dahin-: Ein Wässerchen, welches träge dahinschlich. Immermann M. 1, 157; Platen 4, 192 etc. Davón-: Hebel 2, 9. I. Dúrch-: hindurch-sch., z. B. mit persönl. Subj.: Durch Gegenden d. G. 14, 178, häufiger refl.: Claudius 5, III; Sich zwischen beide Klippen (L. 7, 263), durch krumme Wege (Ramler F. 3, 290) d. etc., ferner: Andere Vhe, die sich nicht gut bekennen ließen, schlichen doch behaglich unter der Decke mit durch. G. 22, 312 etc. II. Durch- tr.: Es durchschleicht Jemand ein Gemach (Thümmel 4, 118), des Lebens Bahn (Cronegk 2, 105), die Tage unnütz (G. 34, 158) etc.; (lesend) einen Brief (Thümmel 7, 25) etc.; die Schlange das Rohr (Freiligrath SW. 4, 18) etc. und mit personif. Subj.: Es durchschleicht Einen Furcht (HSachs G. 2, 19), Hoffnung und Schmerz (G. 1, 62), Verzweiflung sein Gehirn (34, 135) etc. Eīn-:
1) Jemand oder Etwas schleicht ein (in Etwas, bei Einem etc.), dringt schleichend ein: Man weiß, unter welchen seltsamen Formen die Neigung bei uns einschleichet. G. 18, 172; Lichtenberg 4, 231; Mathesius Lthr. 39b; Daß keine kontrebande Waare e. möchte. Musäus M. 5, 157; Opitz 1, 100; Wackern. 4, 1219¹ etc., bes. im Partic.: Eingeschlichne Diebe, Mißbräuche, Irrthümer etc., wofür es ugw. heißt: Ein in die Bibliothek sich (s. d. †) unverlangt eingeschlichner Fichtianer, s. Fichte 8, 62 etc., sonst aber gw.: Jemand oder Etwas schleicht sich wohin oder bei Einem ein. G. 10, 292; 22, 167; 26, 319 etc.; ugw.: Er hatte sich in einigen Häusern eingeschlichen. 29, 210 (vgl.: Sich in die Häuser e. W. Luc. 5, 162 u. o.).
2) [Anm.] tr. (schwachformig): Ketzerei, so vom Erzmörder in die Welt eingeschleicht. Mathesius Pr. 212; Lthr. 74a; 95b; Sim. 138 etc., s. einschwärzen. Einhêr-: G. 1, 184 etc. Ent- intr.: Jemand (Hagedorn 3, 10; Kl. M. 7, 861 etc.), die Zeit (Wackern. 2, 1305¹³) etc. entschleicht und mit Dat.: Der Heuchler .. entschleicht der Folge seiner Sünde. Gleim 6, 153; Opitz 1, 308; Kaum entschlich | Pervonten dieses Wort. W. 12, 10; Die Zeit entschleicht mir unter den Händen. Denkw. 1, 305 etc. Er- tr.: Etwas schleichend oder auf Schleichwegen erreichen, gewinnen, sich zu eigen machen etc.: Ein Ziel, ein Wild, Jemandes Lob, Beifall, ein Amt, eine Erbschaft etc., einen zu beweisenden Satz etc. e.; Hinterlistige Erschleichungen. Garve Pfl. 1, 221 etc. Fórt-:
1) weg-sch. (s. d.).
2) weiter schleichen: Eine Krankheit, die im Stillen fortschlich. G. 20, 80; Mein Leben schleicht in ruhigem Glück und Fleiß fort. JvMüller 14, 200 etc. Hêr-, Hín-, Heráb- etc.: intr., refl., sehr gw.; auch mit Accus.: Das Gift schleicht die Kehle hinab (W. 10, 121) die Thräne die Wange herab (11, 150); Daß er (der Geist) bedächtiger so fortan | hinschleiche die Gedankenbahn. G. 11, 77 etc. und zeitl. (fast tr.): Daß die Arme . . ohne ihn ihr Leben hinsch., hinjammern soll. 9, 252; 16, 93 etc. Hinter- tr.: (veralt.) hinterrücks be-sch.: Wenn sie von den Jägern hinterschlichen werden. Eppendorf 41; HSachs G. 1, 179 etc. Māūse-: (scherzh.) sehr leise schleichen: Er mauseschleicht | da umher und schmiegt und duckt sich. Droysen A. 2, 38. Nāch-: schleichend folgen: Dann schleicht sie weinend nach. Stolberg 33; Sich n. etc. und bes.: Einem n., z. B. spähend etc. (Sch. 357b; Thümmel 5, 178 etc.) oder verfolgend (7, 181 etc.), seltner: Einen kleinen Schritt gethan, | dem üble Folgen nachgeschlichen. ESchulze 3, 312. I. Über- tr.:
1) schleichend überfallen, überraschen, be-sch.: Jemand überschleicht Einen (Geßner 4, 209; W. 3, 100; 307 etc.), das Heer des Feindes (G. 13, 78); das Glück und seine Gunst (10, 235), eines Andern Herz (W. 3, 272; 12, 324) etc.; Indessen überschleicht ein Tag den andern, unvermerkt werden Jahre daraus. 27, 146 etc.; Einen überschleicht die Mittagshitze (16, 96), eine Mattigkeit (132), sein 24stes Jahr (24, 110), das Alter (Denkw. 1, 166), Abspannung und Überdruß (Ense Gal. 2, 183), die Pein (G. 16, 161), die Neigung (22, 114) etc.; Ein Gefühl überschleicht mir die Sinne (Sch. 376a), Liebe und Leidenschaft etc. ein Herz (G. 24, 205; W. 17, 120) etc.
2) (selten) schleichend überschreiten: Die [du] .. die Mutterflur | nie überschlichst. Thümmel 8, 68. II.
Über- hinüber-sch.:
An dem mein zweites Ich | .. zu meiner Kammer überschlich. Ders. Dazu: Ich nenne ihn keinen Überläufer, sondern einen Überschleicher. Börne Frzfr. 112. I.
Um- tr.:
schleichend umgehn (s. d.) oder umgeben, z. B.:
1) Jemand umschleicht Einen (Börne 4, 119), ein Gerüst (V. Il. 23, 225) etc., geht schleichend, langsam etc., darum einher; übertr.: Das All der Erkenntnis nur zu u. B. 490a etc. b) (s. a) Etwas oder Einen (lauschend, lauernd, in heimtückischer Absicht) u., z. B. König Kl. 2, 321; Langbein L. 468; Sch. 510a etc. c) (s. b) Einen etc. u., schleichend ihm in den Rücken zu kommen suchen, eig. und übrtr. W. Luc. 5, 75; Att. 2, 1, 113 etc. d) mit sachl. Subj.: Als die Täuschung noch mein Aug’ umschlich. Brinckmann 2, 156; [Diese Sucht] umschleicht wie eine Pest auch euer Vaterland. Uz 1, 182; Feuer .. umschleicht die Gelenke. V. Georg. 235; [Musik] umschlich das bezauberte Ohr. W. 2, 122 etc. II.
Um- intr.:
schleichend umhergehn (umher-sch. IP. Fat. 2, 219); selten von der Zeit = ver-sch. (s. d.). Campe. Unter-:
1) (vralt.) ein-sch.: tr. [Anm.]: So schleicht der Teufel immer böse Bücher mit unter. Mathesius Lthr. 117b etc.; Schm.; intr.: Untergeschlichen sein. Luther SW. 56, 195, s. Unterschleif. 2) hinunter-sch.: Da lasst mich unt., wie ein aufgescheuchtes Wild. Schlegel PW. 2, 150. Ver-:
1) intr.: schleichend vergehn (von der Zeit). Holtei ObB. 1, 284; Kosegarten Rh. 2, 65; 3, 54 etc. (s. 2).
2) refl.: sich schleichend verlieren, verschwinden etc.: Wann Mitleid, Lieb’ und Huld mit Seufzern sich verschlichen. Hagedorn 1, 27; Verschlichen bestürzt die Thiere der Felder | sich in die einsame Kluft. Kl. M. 8, 402; Thümmel 8, 79; 48; 161 etc. Vorbēī- etc.: Jemand schleicht vorbei (G. 1, 193 etc.), sich vorbei (11, 112 etc.); Die Tage schlichen für ihn in .. Melancholie vorbei. W. 5, 132; Eine Stunde schlich .. vor- über. Börne 2, 81 etc. Wég-: intr. G. 8, 24; 16, 315 etc.; refl.: Nachtgespenster, die sich vor dem anbrechenden Tage w. 22, 389; Man schleicht sich dadurch über die wichtige Erörterung weg. Fichte 6, 129 etc. Zer-: (mundartl.) allmählig zergehn, zerschmelzen. Schm. Zū-: Dem Ziel z. etc. Zurück-: Jemand schleicht zurück (Thümmel 3, 60; W. 20, 102 etc.) oder sich zurück; Jeder nackte Degen | schleicht in die Scheide still zurück. W. 20, 20; Es schleicht sich die goldene Zeit zurück [kehrt wieder]. Tieck 16, 238 etc. Zusámmen-: schleichend zusammenkommen, z. B. refl. Sch. 528a etc. Zwíschen-: Schlangenlistig zwischengeschlichen. Arndt E. 238 etc.