Faksimile 0127 | Seite 949
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schlecht
II. Schlécht, a., –est:
1) (veralt.)
a) grade, im Ggstz. zu krumm, z. B. Pred. 1, 15; 7, 14 etc., s. Schnur-sch. Egenolph Abm. 32 etc.; als adv.: schnurschlechts. Ryff Th. 8; 121 etc.; Eine Kanone vogel-sch. [wagerecht] richten. Adelung.
b) glatt, eben, Ggstz. rauh, höckrig etc. Jes. 26, 7; 40, 4; Sir. 32, 26; 22, 20 etc., auch: Nicht krause Wolle, sondern sch–e [schlichte] Haare. Mandelslo 113b; Eppendorf 51 etc.
2) (s. 1) schlicht (s. d.), einfach (s. d.) etc.:
a) lobend oder ohne Nebensinn (vgl. b, s. Freytag B. 2, 314), z. B.: Er ist ein sch–er guter Mann. Gryphius Sq. 12; So lehrt ein sch–es Buch viel Guts. Hammer RH. X; Fein sch. und einfältig. Mathesius Pr. 59; Einen sch–en Rath, der sehr nütz war. Rollenhagen Fr. 265; Stumpf 405a (Sch–lich Haus, Hof halten. 407a; 405a); Irrationalgrößen auf eine sch–e Art auszudrucken etc. ChrvWolff Algebra 1567 etc. In solcher Anwendung (s. 3) veralt., außer wo durch ein mit und angeknüpftes svrwdts Wort der Mißdeutung vorgebeugt ist, z. B.: Schlicht und sch. G. 2, 108 und bes. oft: Sch. und recht. Hiob 2, 8; 2. Sam. 15, 3 [„recht und schlicht“ Hebel 4, 111]; B. 37a; L. Nath. 5, 6 etc.
b) (s. a) einfach und gewöhnlich, niedrig und gering etc., im Ggstz. zu Etwas, das mehr, höher, vornehmer, besser etc. ist (vgl. 3), s. Adelung; Schm., z. B. niedern Stands: Mich, einen sch–en Reitersjungen. G. 9, 57; Gellert 1, 261; Ich bin nur sch. und gemein. V. 1, 133; W. 20, 126; Wackern. 3, 624³¹ etc., auch: Du bist ein Philosoph, ich bloß ein sch–er Gärtner. Pfeffel Fab. 2, 132 etc., ferner z. B.: In dem Gefühl ihrer Bescheidenheit hielten sie ihren Zustand nicht gering, das alte Haus nicht zu enge, nicht zu sch. G. 6, 330; Zu sch–en Speisen. Haller 32; Die Suppe, sch. und ohne Schmalz, war gut. Karschin 249; Reime .., die man lieber braucht denn sonst sch–e Rede [Prosa]. Luther SW. 56, 305; 63, 239 etc.; Die gehet sch. einher . . | Wie reizend würde sie in schönen Kleidern sein! Nicolai 1, 221; Ein sch–er Mundbescheid | war damals mehr geacht als itzo Schrift und Eid. Rachel 7, 27; Mit sch–er [geringer] Müh. Weckherlin (Matthisson A. 1, 5); Ganz sch. mit einer Farb entworfen [nicht bunt]. Zinkgräf 1, 226; Sch. [oder gering] gerechnet (s. d. 2c); Sch–e Hirsche [Spießer]; Sch. jagdbar (s. d.) etc.; (Sie entschuldigten sich, daß sie so sch–lich aufwarteten. Gotthelf G. 288 etc.). In Fällen, wo Mißdeutung zu befürchten (s. 3), heute gern gemieden.
c) (s. b) Nicht sch., oft = nicht wenig oder gering; gehörig etc.: Die werden nicht sch. böse mit ihr sein. Frese Bed. 1, 16; Fluchten und schimpften nicht sch. Gerstäcker Miss. 3, 205 etc.; Macht einen tiefen Bückling, es war nichts Sch–s. G. 2, 223 etc.
d) (s. b und
1) adv. veralt. = bloß; nur: Sollt ihr sch. blasen und nicht trompeten. 4. Mos. 10, 7 [, So wird in einem Ton fort, aber nicht Lärm geblasen.“ Mendels- sohn]; Die Taufe ist nicht sch. Wasser. Luther SW. 1, 341; Daß er nicht sch. eine geistliche Pers., sondern zugleich ein weltl. Fürst etc. Zinkgräf 1, 243 etc., auch: Schlechts. Fischart B. 11a; 23b; 42aetc., heute gw.: sch.-hin (s. d.), -weg (s. d.). e) (s. b; 1) adv. (veralt.) durchaus, unbedingt. 4. Mos. 15, 31; 5, 23, 2; Luther 5, 533b etc., vgl.: Sch–er Ding. Mathesius Pr. 135, auch: Schlechtlich. Stumpf 377a; 734a etc., heute gw.: sch–er- [oder platter-] dings (s. d.). 3) (s. 2b) heute gw. als Ggstz. zu gut, s. d., vgl. böse 1; 2; arg I 1; schlimm und die Bsp. dort, wonach die ungemein häufige Anwend. im Allgem. keines weitern Belegs bedarf, doch erwähnen wir im Besondern:
a) Sch. bei Wörtern, die gw. in gutem Sinn stehn, z. B.: Ein sch–er Trost = kein Trost oder vielmehr: etwas Niederschlagendes; Sch–er Dank (s. d. 2a); Mit immer sch–erm Glücke (s. d. 2). G. 6, 62; Ein scb. Vergnügen. L. 3, 125; Sch–e Gesundheit [= sch–es Befinden] etc.; Der ist von dieser Botschaft sch. entzücket. Streckfuß Rol. 2, 26; Meine Lage hatte sich sch. gebessert. Zschokke 8, 386 etc.
b) prädikativ von Pers.: Jemand ist, wird sch., z. B. moralisch: Da die Menschen immer sch. werden, wenn man sie sch. behandelt. Heine Lut. 1, 35 etc., aber auch in Bezug auf den Gesundheitszustand = krank, so daß wenig Hoffnung vorhanden etc.: Frau M. ist sehr sch., ich bete für ihr Leben. G. 14, 43; L. 12, 310; Meine Frau ward sch–er. FLSchröder Beitr. 3, 1, 30 etc.; ferner (kaufm.) in Bezug auf Vermögens-Vhe, Zahlungsfähigkeit etc.; außerdem: Einen etc. sch. machen (s. d. 1l). G. 14, 94 etc., ihn durch Reden in Jemandes Meinung herabsetzen, verdächtigen etc.
c) Weil ein vornehmer Herr den Sch–en an ihr gemacht [sie verführt etc.]. Scherr Gr. 1, 66.
Anm. In Bed. 1 goth. slaihts, ahd. mhd. slëht (von schlagen?).
Zsstzg. s. 1a; ferner zu 3: Die Sterblichen amüsiert’s blut-sch. [3a]. Musäus Ph. 3, 25; Ihr Mann habe sch. an ihr gehandelt, galgen-sch. Auerbach Leb. 2, 250; Grund-sch–e Menschen; So ginge mir’s hunde-sch. Laube DW. 5, 202 (s. Frommann 3, 360); Einem kreuz-sch–en Menschen. Spielh. Pr. 8, 182 (s. Ggstz. kreuzbrav); Geht es mit meinem Befinden so spott-sch. 7, 359; Ruppius V. 2, 25 etc.; Ein über-sch–er [allzu sch–er] Poet. G. 3, 107 etc.