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scheinen
Schēīnen, schien (scheinete. Zinkgräf 1, 1 etc.); geschienen (gescheinet. Scultetus. L. 8, 310 etc.), intr. (haben, s. 1), zuw. (s. 1a) tr.:
1) mit hellem Schein ins Auge fallen und sichtbar sein; glänzen, leuchten:
a) bes. oft von den Himmelslichtern: Die Sonne, der Mond, die Sterne sch.; sch. hell etc.; Bis das Licht der Nacht [der Mond] in die ruhige Dämmerung schien. Hölderlin H. 2, 5; Die Sonne scheint mir blendend ins Gesicht; warm ins Zimmer; lebhaft nach dem Saale. G. 17, 317 etc.; Jch wurde so dünn, daß die Sonne durch mich [hindurch] schien. W. 9, 35 etc. Zuw. tr. m. Angabe der Wirkung: Liebe Sonn’, uns schienst du trocken | unser Korn. V. 4, 24, trocknetest es sch–d. Vralt.: Daß es regnet und scheinet [Regen und Sonnenschein war], wenn er woll. Luther 6, 134a (vgl.: Als ob Gott ihm zu Lieb .. regnen und sonnen-sch. lasse. Gotthelf Sch. 71). Ferner z. B. von dem Sonnengott: Ihr scheint [2] er nur allein zu sch., | für alle heitern Räume blind. G. 4, 102 etc. Ferner z. B.: Das Licht des Tages, der Tag scheint; Die Lichter erlöschten, der Tag schien in den Saal. Gutzkow R. 5, 166; Du wirst hingehn, wo kein Tag mehr scheinet. Sch. 1a, und so: Hat Vielen schon der letzte Tag geschienen [sie sind todt]. Cham. 4, 132 etc. Jm subst. Jnfin.: Mit erstorbnem Sch. | steht der Mond. Sch. 1b; Das Abend-Sch. Lenau A. 233 etc.
b) Auch sonst, eig. u. übrtr.: Das Licht wird auf deinem Wege sch. Hiob 22, 28; Da seine Leuchte über meinem Haupte schien. 29, 4; Sein Blitz scheinet auf die Enden der Erde. 37, 3; Welch ein Licht | scheint mir durch diese Nacht! G. 8, 66 etc. Ein (weithin) sch–d Licht (s. d. 6c), eig. u. übrtr. auf Pers.: Joh. 1, 35; Scherr Bl. 1, 187; 214 etc.; im subst. Inf.: So entsteht ein Sch. in das Dunkel. Vischer Ästh. 2, 35 etc. Ferner verallgemeint: So sch. dir die buntesten Bilder an deine weiße Wand. G. 14, 45; Dessen Grab mir bald in die Augen schien. 25, 188; Das Schicksal aller Blumen ist, einmal zu sch. und früh zu sterben. Möser Ph. 4, 45; Daß scheine der Bord und das goldene Stickwerk. V. Ov. 1, 125; Die angeborne Würde, | die, unverhüllbar, auch durch eine Kutte scheint. W. 20, 216 etc.
c) überleitend zu 2: durch Glanz etc. des Außern in die Augen fallen, z. B.: Nicht begehrst du zu sch. in der Montur vor den Mädchen. G. 5, 35; Der Edelmann darf und soll sch.; der Bürger soll nur sein und, was er sch. will, ist lächerlich. 17, 13; 213; Durch sch–de gute Eigenschaften. 34, 224 [vgl. 2: Durch gutsch–de Eigenschaften]; Dies ist die große .. Gnade . ., ob sie wohl vor der Welt nicht scheinet. Luther 6, 354b; Die unechten Steine, die sch. und nicht sind. Putlitz W. 66; Daß die Metzger das Fleisch, damit es desto mehr scheine, aufzublasen pflegen. Zinkgräf 1, 230 etc. Im subst. Inf.: Die Welt ist all ein flüchtig Sch. Freiligrath 1, 399.
2) den Schein oder Anschein von Etwas haben, insofern dieser von dem Wesen getrennt aufgefasst, oft geradezu ihm entgegengesetzt wird, in versch. Fügungen: Sie sch. reich (zu sein); Es scheint, daß sie reich sind; sie sind reich; als ob sie reich sind oder seien; als seien sie reich; Sie sind, wie es scheint, reich; Sie sind, scheint es, reich etc.; Sie sind nicht so reich, wie sie (zu sein) sch.; reicher als sie sch. etc. Er scheint sich um das Kind zu bemühen; er bemüht sich [in der That] um die Frauen. G. 15, 273; Abwesend schein ich nur, ich bin entzückt. 13, 114; So lasst mich sch., bisichwerde. 1, 130 U. v.; Scheint zu entsenden den Strahl, aber entsendet ihn nicht. WHumboldt 1, 359; Darum eben | war es kein Tempelherr, er schien es nur. L. Nath. 1, 2 etc.
a) Seltnere Fügungen: Mich will Antonio von hinnen treiben | und will nicht sch., daß er mich vertreibt. G. 13, 200 = es soll nicht sch., daß etc.; Sie bestäche seine Zweifelsucht, ohne es [s. d. †] zu sch. Sch. 705a = ohne daß sie dieselbe zu bestechen schiene; [Er] scheint mir ganz besonders hochzuschätzen. Danzel Gottsch. 151 = schätzenswerth, meist gemieden, weil der abhäng. Jnf. gw. akt. Sinn hat etc.
b) Bsp. der Vergangenheit: Uns wenigstens hat es geschienen, daß. G. 39, 411; Mir hat die Eintheilung die beste zu sein geschienen. Möser Ph. 3, 297; W. 8, 128 etc.; Darum hat mir Ihre Darstellung so meisterhaft geschienen. Forster’s Br. 2, 796; Thümmel 2, 145 etc. Doch findet sich im Partic. (vgl. c): Meine bisher so eisern geschienene Gesundheit. CFBahrdt 4, 160; Das ihm bisher wahr Geschienene. G. 27, 428; 39, 99; Kerner 388 etc.
c) im Partic. Präs.: Meine vielleicht nur sch—de, vielleicht wirkliche Narrheit. L. 3, 226 etc.; Gering- (G. 6, 324); möglich- (39, 112), klug- (Tieck NKr. 3, 238) sch–d etc.
d) im subst. Jnf.: Der Untersch. zw. Sch. und Sein. W. 9, 130; Des bloßen Sch–s wegen. 19, 195; Des Sch–s Maske weggezogen. Kinkel 496 etc.
3) mundartl. (s. 1a): gelben, vom Teint (Schm.) und vom nothreifen Getreide. Ade- lung. (ver-sch.)
Zsstzg. zu1, vgl. die von glänzen, leuchten, schimmern, strahlen ꝛ.: Án-:
1) tr.: Einen scheint die Sonne (Gott- helf G. 323 etc.), Aurora (Schlegel 1, 152), Etwas sternengleich (G. 6, 149), ein Gedanke wie Tageslicht (IP. 3, 154), glänzende Stunden (Tieck 16, 36), keine gute Stunde (Kürnberger N. 2, 166) an; Schatten, die von dem hellglühenden Erzklumpen angeschienen wurden. Tieck 16, 358 etc.; seltner: [Blitze] scheinet mir mein Kindlein an! Schwab 305, zeigt es mir mit eurem Schein an.
2) intr.: gw. im Partic.: A–d, dem Anschein nach; scheinbar. Dieser a–de Bettler. G. 14, 243; Die a–de Unschicklichkeit. L. 6, 500; W. 16, 155 etc.; selten: Ein Vorfall, so klein er beim ersten Anblick anscheinet [scheint]. Hippel 2, 291 etc.; veralt.: Wiewohl es deinem Leibe nicht wenig anscheinet [anzusehn ist], daß etc. Luther 1, 360b.
3) Anscheinung: etwas A–des; Anschein; Anzeichen: Bei so günstigen Anscheinungen. W. 14, 62; 6, 59 etc. Āūf-: z. B. scheinend auffallen: Beim Durch-sch. . ., beim A. G. 40, 27; Sehen sie aber die Sonne gleich hoch, so scheint sie auch gleich schief auf. Lichtenberg 4, 223 etc. Āūs-:
1) tr.: scheinend auslöschen (s. über-sch.). Hog. 1, 112; W. 12, 227.
2) intr., z. B.: Bei der so weit a–den Hoffnung. L. 12, 323= weit aussehend. Be-:
1) tr.: Etwas b., darauf scheinen: Sonne, Mond und Sterne b. Etwas; Wen lockend deine [des Goldes] Gunst bescheinet. Beck Arm. 67. Mond- (Gutzkow 11, 205 etc.), sonne- (Immermann M. 1, 8 etc.), sonnen- (G. 22, 360) beschienen. Vereinzelt m. schwacher Abwandlung: Fischart Garg. 155b; Dein Pan.. wacht, vom Mond bescheint | und seufzt und weint. W. Ferner mit schwacher Abwandl.:
2) tr.: mit Glanz versehn, z. B.: Der mein Leben bescheint und begrünt. Zelter 2, 108 etc. und nam. bei Altern: mit täuschendem Schein versehn, s. L. 5, 308.
3) tr.: Etwas bezeugen, bewähren (s. bescheinigen): Gryphius 1, 706; Mathesius Sar. 153b; Rückert Rost. 109b etc. s. Stalder. und vralt. intr.: erhellen, deutlich hervorgehn aus Etwas. Fischart B. 40a, Garg. 30a etc. Dahêr-: V. 2, 19. I. Dúrch-: intr.:
1) hindurch-sch.: Nicht dadurch, daß das Licht davon zurückscheint, sondern daß es durch sie durchscheint. G. 26, 332 etc.; übrtr.: Parabolisches, wodurch der helle lebendige Sinn jedoch durchgeschienen sei [oder: habe] wie der Mond durch eine leichte Thauwolke. Koseg. Rh. 1, 24; Droysen A. 3, 12; Kant SchE. 62; W. 14, 35 etc.
2) im Partic. Präs. durchscheinbar (s. d.), Lichtstrahlen den Durchgang verstattend. Off. 21, 21; G. 6, 87; 25, 238; 37, 188; 327 etc. mit Fortbild. (s. bedeutend, Anm.): Einen Grad von D–heit. Knapp Techn. 2, 549 etc. II. Durch-: tr.: mit d–dem (I) Licht erfüllen: G. 27, 367; Rubinen, vom Strahl durchschienen. Plönnies Mar. 96 etc. Vereinzelt: Gärten, | licht durchscheint von Stern und Lilie. Kerner 280. Eīn-: hinein-sch.: Der Mond scheint in die Kammer (Tieck 2, 201), der Tag zu den Löchern (Immermann M. 4, 145) ein. Ent-: scheinend, glänzend entstammen etc. Rückert 1, 165. Entgêgen-: G. 39, 443; V. Georg. 3, 353. Er-:
1) intr. (sein) als daseind sichtbar hervortreten; sichtbar sich zeigen: Etwas, Jemand erscheint (Einem); Die Sonne, der Tag, ein Gestirn, Komet erscheint; Der Engel des Herrn „erschein“ [erschien] ihm. 2 Mos. 3, 2; Ihm ist ein Gespenst, der Teufel erschienen etc.; Er muß bei Hof, an der fürstlichen Tafel e. etc.; Wann und wo ist dies Buch erschienen? etc.; Dort beginnt inmitten grünen Räumen| das Dorf mit rothen Dächern zu e. Cham. 4, 113; Eine solche antike Natur war in W. wieder erschienen. G. 30, 12; Aus Diesem Allen erscheinet [erhellt] genugsam, daß etc. Luther 6, 382b. Mit prädik. Zusatz: Er erscheint (mir) tapfer, als Held; Das erscheint (mir) merkwürdig, als eine Merkwürdigkeit; Sie hat mir größer geschienen . .., sie ist mir auch bedeutender erschienen. Humb. KlSchr. 1, 373. Auch: Was bisher als einfach erschienen war. G. 39, 99 etc. und umgekehrt vgl.: [Sonst wären sie] Das, was sie in dem Gemälde erschienen. L. 6, 502; Gewässer, das mir .. ein stattlicher Fluß erschienen war. Burmeister gB. 2, 227; [Er] mag sich ein Held e. G. 3, 74; V. Od. 4, 456; Gutzkow Z. 4, 361 etc.; seltner: Etwas, das ihm .. für gleichgültig erschien. R. 1, 210; Wahrheitsliebe erschien damals für unerlaubte Frelsinnigkeit 2, 351.
2) (vralt.) tr.:
a) zeigen. Aeg. Tschudi 1, 618 und ref.: Zwingli 3, 12 etc.
b) erleuchten: Der Herr, der uns also erscheinet und leuchtet .. Der uns erschienen und erleuchtet hat. Luther 5, 69a; b.
3) zu 1 im subst. Inf., nicht bloß: das Sichtbarwerden, sondern zuw. auch: das E–de, dem Blick sich Zeigende und: die Art des E–s, z. B.: Die Sonne kommt! ein Pracht-E. G. 4, 81. Häufiger: Erscheinung, z. B.: Etwas kommt zur —, tritt in die Erscheinung etc.; Jemand macht seine Erscheinung bei Einem (W. Merk 2, 101), erscheint. Cäsar hatte .. eine Erscheinung diesseits des Niederrheins gewagt. Möser Osn. 1, 8 etc.; Die in der Erscheinung [Habitus] ähnlichen Lorbeerbäume. Burmeister gB. 2, 209; Er war in seiner äußern Erscheinung gealtert. Kinkel E. 364 etc.; Daß meine Einbildungskraft des Engels Bild fast bis zur Erscheinung [vgl. Gesicht] erhöhte. G. 17, 95; Wie’s den Heiligen bei himmlischen Erscheinungen sein mag. 9, 41 etc.; Statt des alten Wortkrams die Erscheinungen [Phänomene] selbst. 39, 465; Sucht den ruhenden Pol in der Erscheinungen Flucht. Sch. 76b; 24b; Die pulsenden Erscheinungen der Zeit. Alexis H. 1, 1, VIII; Eine außerordentlich allgemeine Erscheinung [Vorkommnis]. Vol- ger EE. 512 etc. Auch: An die Erscheinungen [Gerichtstage, Termine] kamen die beiden Advokaten in einerChaise. Gotthelf 6, 222 etc.; Diese pathologische Augenerscheinung. G. 40, 54; Doppel- 37, 29 etc.; Engels- (W. 9, 237), Farben- (G. 37, 174), Furcht- (Sch. 73a, furcht- erregende); Geister- (G. 28, 2), Gottes- (Tieck A. 1, 292, göttliche Vision); Haupt- (Laube DW. 5, XXIX, Ggstz.: Neben-), Kraft- (Ense D. 2, 383, kräftige), Kunst- (G. 29, 132, Kunstwerk), Licht- (Sch. 425a, Engel), Luft- (G. 33, 281. Wolke; L. 12, 189, Meteor, übertr.); Nacht- (G. 2, 361; V. Od. 4, 824 nächtl. Vision); Natur- (G. 29, 426, Phänomen); Pracht- (13, 348, prächtige); Theater- (39, 337, bühnenhafte); Traum- (Traumgesicht); Wunder- (G. 19, 167, wundervolle) Erscheinungetc. Hêr- etc.:
1) intr.: Das Tageslicht, das im höchsten Glanze über ihn herabschien. G. 18, 125; Es kann viel Verstand hindurch-sch. Kant SchE. 17; Thal, in das ein griech. Himmel hineinscheint. IP. Fat. 1, 13; Tieck 16, 286 etc.; Wenn unter den besondern zufälligen Zügen das Allgemeine.. her- vorscheint. Engel 7, 139; Der hoch an Thaten hervorschien. V. Od. 11, 550 u. o.
2) tr. mit Angabe der Wirkung: Die Sonne scheint mir fast die Augen heraus. Kompert NGsch. 2, 10; Scheine die Nebel hinweg! V. Br. 2, 311 etc. Nāch-: Das Gutgewesensein | scheint nach wie Abendröthe in dein Leben. Schefer Laienbr. 502. Über-, tr.:
1) auf Etwas hin scheinend, Diesmit hellem Glanz überziehn: Eine röthliche Sonne überschien sein Gesicht. G. 19, 409; Limb. Chr. 30; Thümmel 5, 47; Wackern. 2, 262¹⁴etc.; In der morgenrothüberschienenen Welle. Gutzkow R. 9, 479 etc.
2) durch übertreffenden Schein verdunkeln. G. 1, 49; 6, 313; 13, 181; 21, 23; 22, 313; Schlegel Sh. 2, 320; W. 12, 257. Um-, tr.: mit hellem Schein umgeben, rings be-sch. Arndt 170; Brinckmann 1, 238; Freiligrath SW. 4, 172; G. 25, 162; V. Od. 2, 72 etc. Ver-, intr. (sein): 1) v. etwas Scheinendem: vergehn, so daß es nicht mehr scheint: Die Sonne mag versch. Rückert 1, 234; Der Schimmer .. ward schwächer .., bis er beinahe ganz | verschienen war. W. 10, 182; Denn der Tag nun verschienen und die finstre Nacht vorhanden ist. Schaidenreißer 12a etc.; verallgemeint v. der Zeit: vergehn: Längst verschienene Tage. Arndt E. 106; Fischart B. 34a u. o. bei Alteren, auch: Nach Verscheinung des Jahrs, Tags etc. Luther 1, 459b; Schaidenreißer 44b etc. 2) [3]. Vōr-:
1) scheinend, glänzend vorschweben. G. 1, 117; Sch. 367b; Wackern. 2, 155³ etc.
2) glänzend hervordringen; vorragen. V. H. 2, 483. Wī(ē)der-: s. wiederglänzen: [Die] Fluth | scheint wieder von des Feuers Gluth. Sch. 32a; [Das] scheint aus den Spiegelwellen wieder. W. 12, 163 etc.; In den Tönen widerschien der Glanz. Tieck 2, 116 etc. Zū-: Das liebste Licht . . scheint uns ..aus Ihrer Seele zu. Knebel 3, 13. Zurück-: widersch. G. 26, 332; 37, 132 etc.