Faksimile 0043 | Seite 865
Faksimile 0043 | Seite 865
Sau
Sāū, f.; Säue, –en; Säüchen, lein; -:
1) Schwein (s. d.), eine Gattung von Vielhufern, mit vier Hufen an jedem Fuß, wovon nur die beiden vordern den Boden berühren, mit starken, gekrümmten Eckzähnen und rüsselförmiger Nase: Die eig. Schweine oder Säue (Sus). Oken 7, 1131 etc. Im Besondern gilt S. sowohl von dem wilden Schwein (best. Wild-S., s. Schwarzwild, ritterlich, Rudel etc.), als auch von dem zahmen, und hier nam. von dem ausgewachsnen weibl. Thier (s. Mor 1, vgl. Bache, Lehne und als Ggstz. Eber, Bär I, Frischling, Ferkel). Zumeist gilt (s. u.) die Mz. Sauen (vgl. die Ez. Saue. Berlichingen 51; Luther 6, 9a etc.) vom Wildschwein, Säue vom zahmen, doch findet sich auch umgekehrt, z. B.: Wenn Sauen ihres Trogs vergessen. B. 297b; Landwirthsch. Zeit. (55) 567b etc. (vgl.: Die Natur der wilden S–en kommt mit den zahmen ziemlich überein .. Von denen zahmen Sauen entsprossen. Döbel 1, 23a) und: Nicht wächst ja so großes Gewild hier, | nein, nur Bären und Säu’. V. Th. 25, 185; Wilde Säue und Bären. W. 15, 319; Zinkgräf 2, 33 etc., vgl.: Es haben ihn [den Weinstock] zerwühlet die wilden „Sewen“ [Säuen]. Ps. 80, 14. Bsp. der Verkl.: Einen fetten Schinken, so groß als manches Säulein. Hebel 3, 342; 77 etc. Vielfach, namentl. vom zahmen Schwein, sprchw., s. Körte 5186—5196 und außerdem z. B.: Wer sich unter die Treber mengt, Den fressen die Säue; Seine Perlen vor die Säue [,,Sew“ Matth. 7, 6] werfen, s. 2; Die S. wälzet sich nach der Schwemme wieder im Koth. 2. Petr. 2, 22; Die „Saue“ bei den Ohren nehmen. Berlichingen 51; Was soll einer S. eine Muskate? Luther 5, 479a; Eine S. will die Taube lehren, kein unrein Körnlein essen. 8, 16b; Wie die Säu zum Troge laufen. 6, 109a; 8, 309a; Daß wohl eine Kuh oder „Sawe“ mit ihren Klauen an der Wand greifen möchte. 6, 9a; In der heiligen Schrift fertig . .., wie eine S. auf der Harfen. SW. 26, 38 etc. (s. auch Fischart B. 31; 37b etc.). Im Übrigen sind Belege kaum nöthig. 2) Oft übrtr. und bildl. als verächtl. Bez. von Pers. (s. sauen, Sauerei, sauisch), z.B.: Säu sind, die, ersoffen in fleischlicher Lust, das Wort nicht achten. Luther (Randgl. zu Matth. 7, 6) 5, 368b (s. Kuh 2 und Mast-S.) etc., ferner in Bezug auf die Unreinlichkeit: [Die polnischen Mägde] sind solche Sauen, daß Sie davor erschrecken werden. Forster Br. 1, 494; Luther SW. 46, 4; Die Leute, welche soviel von Reinlichkeit .. predigen, sind .. ganz allerliebste Säuchen. EWagner 10, 129 etc.; ferner: S. an Trägheit! V. Sh. 3, 236 etc.; Ihr dummen Sauen ihr! Lichtwer 56; Ein französischer Plauderer . ., ein holländisches Rindvieh, eine deutsche S. Zimmermann Nat. 47; Ein baierischer Soldat, als er .. eine „Beyer-Saw“ gescholten ward. Zinkgräf 2, 62 (vergl. 3, 322; Schm. 3, 178; Franck Weltb. 15b); auch: (Die Hexe zu der Meerkatze:) Verfluchtes Thier! verfluchte S.! G. 11, 104 etc., ferner als Bstw. in Zsstzg., z. B.: In dem Sau-Merkur. Ders. (Merck’d Br. 1, 137), in der schlechten, schändlichen Zeitschrift etc. und z. B. bei Fischart Verdrehungen wie: Sauiter (statt Jesuiter) Bien. 21a; Dieser grobe Sauzius (statt Socius, Gesell). Wackern. 3, 479¹² etc. 3) (s. 1) ein Dintenklecks: SClara EfA. 1, 47; 417; Devrient 2, 212 etc. 4) zu 3 verallgemeint: ein Fehler, Versehen, z. B.: Eine S. (Gryphius Sq. 9; Luther 6, 146a); Säue (Weise Abs. 246; Jak. 228) machen etc., vgl.: So wollen wir 50 Schweine ohne Zoll passieren lassen. Abs. 322 = Fehler hingehn lassen; Schweine genug machen. Ders. (Wackern. 3, 838⁶) etc. und Ferkel 2c; Sind mir einige gewaltige Schnitzer oder Sauen entwischt. W. Merck 2, 195, s. auch 8a; Eine S. aufheben, einlegen, wider Willen und Absicht etwas Ungeeignetes, Anstößiges begehen. Schm. 3, 177 ff.; Schwäb. W. 447 und 2 etc.; Häng dich auf . ., wenn’s Säue giebt [wenn die Sache schief geht]. Klinger Gris. 115. 5) (vgl. 4) ein Verweis wegen etwas Ungehörigen etc.: Luther SW. 61, 179. 6) das im Kartenspiel: Ihr seid Nichts als der Trumpf- Unter, Trumpf-S. sticht Alle. Auerbach Gv. 530; So sind ja in der Karten vier Säu, Eichel-S., Schellen-S., Herz- S., Gras- [oder Laub-] S. und weil die Säu mehr gelten als ein König, so ist ja Das ein säuisch Spiel. SClara; Fischart B. 21a; 143a; Gotthelf G. 243; Mathesius Lthr. 107a; Zinkgräf 3, 285; In dgl. Spiel steche die S. den König. 2, 60 (s. JoMüler 14, 7) etc., vgl. im Spiel mit 4 das Räthsel vom Kartenspiel: In welchem Zelt, | in welchem Theil der Welt | logiert der König und die S. | im Bett zusammt des Königs Frau? Hebel 2, 233. 7) vgl. 6: Die S. haben, die besten Karten im Spiel und vielleicht danach ver- allgemeint, namentl. burschik.: S., Schwein = Glück. Volmann 405; 419, s. S.-Glück. 8) Bergb.:
a) S–e beim Schmelzen heißet, wenn der Herd im Ofen aufsteiget oder sonst ein Zufall sich begiebt, daß sie .. das Werk aufs Neue vornehmen müssen. Jablonsky 971 (s. 4); übrtr. Mathesius Lthr. 202b; ferner: Eisen-, Ofen-S., s. b.
b) (s. a) S–e bei den Seigern sind Schlacken, die noch viel Metall bei sich haben. Jablonsky, s. Kupfer-S.
c) bei den Planenherden flache Grube zum Auffangen des mit der Trübe abfallenden Schlichs.
d) = Göpelhund. 9) Kochk.: S., Brat-S., Thongefäß mit Deckel zum Eingruden eines Bratens. 10) Krappfabr.: Ofen zum Heizen der Krappdarre.
Anm. Ahd., mhd. sû, vgl. lat. sus, gr. ȫς. Hierzu (s. lat. Ew. suinus) Schwein, goth. svein, ahd. suin, mhd. swin, s. nam. Schm. 3, 538. S. auch Anm. zu saugen, sudeln, sühlen. 8cff. viell. andern Stamms.
Zsstzg. nam. ohne Bemerk. vom zahmen Schwein (s. d.): Bāīer- [2]. Brāt- [9]. Ecker(n)-, Eīchel-[6]. Ēīsen- [8a; b]: Wird der [Kupfer-]Stein geröstet, so bedarf das oxydierte Eisen Kieselsäure zur Schlackenbildung; am zweckmäßigsten wendet man die Schlacke vom ersten Schmelzen an und zwar soviel als nothwendig ist, damit wenigstens ein Eisenoxydulsilikat gebildet wird. Bildet sich nämlich ein Subsilikat, so wird beim Niederschmelzen Eisen metallisch ausgeschieden, die sog. E–n bilden sich. Mitscherlich 2, 2, 210 (Ofen-S.); Karmarsch 1, 257; E., auch Wolf ist ein am Boden der Schmelz- öfen sich ansammelnder, oft 50 bis 100 Centner wiegender Klumpen von Roheisen, Frischeisen und Schlacken, der wegen seiner Lage und Größe nicht mehr zum Schmelzen gebracht werden kann etc. Scheuchenstuel 66.
Erstlings-: ein zum ersten Mal ferkelndes Mutterschwein. Landw. Zeit. (55) 272a. Erz- [2]: höchst schmutzige Person etc.
Gä́rber-: s. Gärberhund. Grās-, Hérz- [6]. Kúpfer- [8b]: Schwarzkupfer als Zuschlag. Lāūb- [6].
Mást-: Sau auf der Mast, auch [2] = Völler, Schlemmer: Besser, zehn Jahr ein „möstsaw“, denn 20 Jahr ein „nörsaw“. Franck LastC 1a etc.
Nǟhr-: eine Sau, die nicht „gemästet“, sondern eben nur genährt wird, s. Mast-S. und Schm. 2, 703.
Ofen-: Eisen-S.: Ein Subsilikat würde Ausscheidung von Eisen (die sog. O–en) bewirken. Pāūk- [7]: s. pauken 4a.
Rénn-: s. Schm. 3, 177. Schéllen- [6].
Schwēīn-: weibl. Schwein. W. 34, 308.
Stáchel-: bei Nemnich ein Fisch, Scorpaena scropha, versch.: Stachelschwein. Trúmpf- [6].
Ur-: sehr große Sau. Adelung.
Wíld-: im Ggstz. zum zahmen Schwein. Gotthelf G. 356.
Zúcht-: zur Schweinezucht.