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sanft
Sánft, a., –est:
frei von allem Heftigen, Ungestümen, Rauhen, Harten, Schroffen, Verletzenden, Beschwerlichen etc. und somit: angenehm, wohlthund für die Empfindung, vgl. sacht [s. Anm.], (ge)linde, milde, leise, zart etc., nam. in folgenden, vielfach in einander greifenden, nur der Ubersichtlichkeit halber getrennten Anwendungen:
1) Etwas thut (Einem) s. (niederd. sacht), thut wohl, erregt das Gefühl wonnigen, wohligen Behagens: Ein guter Rath thut s. Spr. 13, 15; 22, 18; 29, 17; Hat H. Georg Solches auch nicht darum gethan, daß [es] euch sollte s–e und wohl thun . ., sondern er hat euch wollen Leide und Wehe thun. Luther 6, 11b; Sonst thut mir’s s. auf der rechten Kniescheiben und an der linken Fersen, daß mir der Teufel .. so herzlich feind. 8, 207a; 219a; 5, 140a; Er hat mich nicht ins Land geschickt, dem Volk | zu schmeicheln und ihm s. zu thun (s. 5). Sch. 545b; Ob es deinen schwachen Augen nicht s–er thut, auf die Dunkelheit Derer, die unter dir stehen, als in den Glanz Jener zu blicken. Thümmel 3, 70; Er spricht kein Wort, wie s. ihm auch die Frage thut. W. 12, 9 etc.
2) (s. 1) S. schlafen (Jer. 31, 26; Sir. 31, 23 etc.), in erquickendem, friedlichem, durch nichts Unangenehmes gestörten Schlummer liegen; Des Dankes Stimme rief | darin die Liebe wach, die s. und leise schlief. Alxinger D. 81; Wie s. ruht sich’s etc. G. 1, 290; S. ruhe seine Asche etc., auch z. B. (s. 3a): Von ihren weichen Armen s. umruht. Cham. 4, 156 etc.
3) nicht rauh, hart, drückend; frei von allem Unangenehmen für die Empfindung und (positiv) —: sie angenehm erregend:
a) zunächst in Bezug auf das körperliche Gefühl der Berührung etc. (oft unmerklich aufs Geistige übergehnd, s. 5): Einen s. an-, berühren, streicheln, anfassen, anstoßen, wecken etc.; Ihre Haut ist so s., fühlt sich so s. an, wie Seide etc.; Des Zephyrs s–e Kühlung (vgl. 4); Das Bündel schlüpft, so s. wie Flaum, | dem Burschen zw. seine Beine. W. 12, 10; Mein Joch ist s. (s. 5). Matth. 11, 30; Mit s–en Banden. G. 13, 4; Mit s–en Rosenketten. Sch. 10a; Mit s–em Zwange. G. 2, 296; Eine s–e Gewalt. L. 3, 234; Wie säuberlich, wie s., wie einschmeichelnd er zu Werke geht! 10, 178; Die Jungfrau zart . . | liebstreichelt ihn s. Cham. 3, 253; Diana, die du mich | .. in deinen heil’gen, s–en Arm genommen. G. 13, 4; [Er hat] nicht s. aus einem schönen Traum mich aufgeweckt. 123; Gab ihm einen Puff, nicht eben allzu-s. Immermann M. 3, 105 etc.; Wiewohl der Kontour ihrer Wangen nicht ganz so s. abgeründet ist als an der Venus des Alkamenes. W. 27, 406; Winckelmann M. 1, 251b etc.; Auch das schroff erscheinend Rauhe, Wilde | umkleidet lieblich sich mit s–er Milde. WHumboldt 3, 390 etc. Ahnlich auch in Bezug auf die andern Sinne, z. B.:
b) aufs Gesicht (vgl. milde 3 und als Ggstz. blendend etc.): Beleuchtet von dem s–en Schein der Lampen. G. 18, 225; In der klarsten, s–esten Mondnacht. 19, 52; Gemach erschien der Morgenröthe | s–es Licht. Platen 4, 295 etc., so auch von Farben (s. als Ggstz. grell, schreiend): Dein [der Rose] s–es Roth. B. 3a; S. erröthend etc.
c) von Tönen: leise, z. B.: Sie murmeln s., mit halbem Ton | den Rachgesang. Platen 6, 25; Er hätte vielleicht gar s. [leise, mit innrem Wohlbehagen, vgl. 1] in die Faust gelacht. Luther 8, 121a etc., gw. mit dem Nbnbegriff des Angenehmen fürs Ohr: Ein still s–es Sausen. 1. Kön. 19, 12; In stillem, s–em Säuseln | kommt Jehova. Kl. Od. 1, 153; Das s–e Rauschen der Bäume, des Wassers, Bachs etc. (s. 4); Beim s. verlornen Getön weit entfernter Symphonien. W. HB. 1, 134 etc., s. ferner 5.
d) von Gerüchen im Ggstz. zu streng, scharf etc. —: zart und angenehm: Der Rose s–er Duft etc.
e) in Bezug auf den Geschmack zuw. (s. 4): leicht und angenehm über die Zunge gleitend: [Der Trunk däucht ihm] süß wie Milch und s. wie Öl zu sein. W. 20, 197 etc.
4) im Ggstz. der heftigen, ungestümen Bewegung und Erregung (s. 5): Machet Bahn Dem, der da s. herfähret. Ps. 68, 5; Die Wellen spielen da s. mit den beschäumten Wurzeln. Geßner 2, 10; Ein s–er Wind vom blauen Himmel weht. G. 1, 137; So bewegte vor Hermann die liebliche Bildung des Mädchens | s. sich vorbei. 5, 66; In dem Grün, worin s–e Lüfte mit gelindem Hauch .. fächeln. 18, 286; Einem s–en Strom, dem man Nichts entgegenstellen darf, wenn er nicht brausen soll. 21, 193; Als der Rauch sich über dem Thale s. zusammenzog. 37, 327; Wie s–er Regen auf junges Gras .. träuft. H. R. 9, 38; Jetzt rieselt er s. (s. 3c), jetzt rauscht er gewaltig. Ph. 10, 258; Das s–e elegische Tonmaß. R. 7, 167; Wie dort der Saaten goldnes Meer | s. wogend fällt und steigt. Langbein Liederkr. 227; Heimwärts gleiten, s. wie Schwäne, | fern am Eiland Fischerkähne. Matthisson 114; Daß es einen überaus s–en Trab geht. W. 2, 137; Allmählich sank die süße Harmonie | gleich voll, doch schwächer stets herunter bis zum Säuseln | der s–sten Sommerluft (s. 3c). 20, 75; Der lüft’ge Phaeton fliegt | s. wie der Schlaf. 331 etc.
5) von Regungen des Gemüths: ruhig-milde, im Ggstz. sowohl (s. 4) der maßlosen wild-leidenschaftlichen Erregung als auch (s. 3) der rauhen Härte und lieblosen Strenge etc.; dann auch: solchen Regungen und Gefühlen gemäß und entsprechend; sie hegend; sie ausdrückend und kundgebend; sie erregend etc.: S–e Regungen, Gefühle, Freude, Schmerzen, Wehmuth, Thränen etc.; Ein s–er Geist, Sinn, Muth; Ein s–es Gemüth, Herz; Der s–e Ausdruck ihres Gesichts, ihrer Augen; Ihre s–en Augen, Züge, Mienen etc.; S–e Worte, Reden; Der s–e Ton seiner Rede (vgl. 3c); Der Flöte s–er Ton etc.; Eine s–e [mild liebevolle] Ermahnung; S–e Vorwürfe; Das Volk s. und milde regieren, behandeln etc., vgl. bibl.: Der Stab „S.“ und der Stab „Wehe“. Zach. 11, 8 ff. und danach z. B. Kurz Weihn. 196; VWeber 2, 379 etc.; Antworte ihm freundlich und s. Sir. 4, 8; Jes. 30, 10; Mit s–em und stillem Geiste. 1. Petr. 3, 4; Jetzt mit s–en, jetzt mit strengen Worten. Cham. 6, 248; Allzu s. und leise [vgl. schwach] | endlich aufhören muß. Doman (Wackern. 2, 244²⁰); Nicht zu der s–en Bestimmung des Weibes. Gervinus Lit. 5, 309; Durch deinen milden Blick, | durch deiner Worte s–en Ton. G. 13, 241; Kein s–eres, liebevolleres, leises Verhältnis als das zu der Tochter des Goldschmieds. 29, 173; Die Empfindbarkeit der Griechen zu s–en Thränen. H. 4, 41; „Sie haben ihn so weich gebildet“. S. [gefühlvoll etc.], nicht weich. Iffland 5, 1, 121; S–en Vorwurf. Platen 4, 295; Held Rostem hörte gern die Rede, s. und zahm. Rückert Rost. 5a; Sie [die Gebieterin] war so s., sie war so gut. Sch. 67a; Wo dein [der Freude] s–er Flügel weilt. 19a; Ihr Schmerz wird s–er werden, sie wird weinen. 399a; „Ein Auto da Fe hat man uns auch | versprochen.“ Uns versprochen! hör ich Das | von meiner s–en Monderar? 247b; 256a; Heimwärts schlägt der s–e Friedensmarsch. 336b [milde Gefühle weckend, wie der Kriegesmarsch leidenschaftliche Kampfeswuth etc.]; Weiber sind s., mild, mitleidsvoll etc. Schlegel Sh. 8, 218; Sie sind s., | wie Zephyr, deren Hauch das Veilchen küsst. Tieck Cymb. 4, 2; Hat das s–e Täubchen sich nun seiner Galle entledigt? W. 27, 312 etc.
6) ohne schroffe Sprünge, in allmählichem Fortschritt und Ubergang: Dieses Abstechende durch allerlei Schattierungen s–er zu machen. L. 10, 17; Die glücklichste Verfassung geht vom Thron in s–en Stufen herunter. Möser Ph. 1, 31; Ein s. gekrümmter Pfad, der sich allmählich senkt. W. 20, 212 etc. und nam. von allmählicher Hebung oder Senkung des Erdbodens (s. II. lehne): Auf den niedrigern Bergen, die sich s. gegen das Ufer verlaufen. Forster R. 1, 30; S. welliges Wiesenland. Frese Bed. 1, 17; Aufwärts den s–en Pfad. G. 5, 97; S. abhängige Waldwiese. 16, 265; An s–en Hügeln. 18, 179; 40, 188; Links wird der Abhang nach dem kleinen Thale zu s–er. 26, 119; Vom s–en Hügelbug. Rückert Mak. 2, 34; Wo sich die Hügel | mählich entziehn und die Höhn in s–en Windungen sinken. V. Ländl. 2, 443 etc., im Bergb. auch sänftig. Adelung und dazu: Die Sänftigkeit. 7) im Kompar., s. Anm.
Anm. Ahd. sanfti, semfti, mhd. sempfte, senfte, bair. s., samft, soft (s. Schm. 3, 206; 250; 270), vgl. ags. seft, soft (auch engl.) u. niederd. (vgl. I. After; Gracht, Anm.; Schlucht und Schluft etc.) sacht (s. d.), sagt, Brem. Wörterb. 4, 571 ff. mit Fortbild. wie (ver)sagten = besänftigen etc. —, vergl. schwzr. satt. Stalder 2, 301; Machte satt (gelassen) das Läufterli zu. Gotthelf G. 224 etc., dazu: satten = sacht, d. i. langsam werden. Bei Ältern und noch mundartl. mit Uml.: Die senften oder kleinen Reglin [Regen]. Eppendorf 111; Luther SW. 26, 321; Schaidenreißer 40b; 41b; 49b; 69a etc. und gesteigert: Seitmal ihm das Schmarotzen .. viel senfter thut als die Arbeit. 72b; In der sänfteren Schönheit. Geßner 2, 162 und in mundartl. Bed. = eher, lieber (s. Schm.): Verlör ich auch den Sohn, so wär’ ich sänfter blind. Rückert Rost. 11b.
Zsstzg. z.B. einem Vergleich entsprechend: Da schien er lämmchen-s. Heine NGd. 315; Der weiche mondschein- s–e Michelet. Lut. 2, 188; Ein so tauben-s–er Ausdruck des Auges. Bodenstedt 2, 246; Höfer Bar. 1, 83 etc., ferner als Ggstz.: Un-s. zerstöret. Mich. 2, 10; Un-s. liegen. Agricola 665; Auf den un-s–en Postpferden zu Schanden geritten. Canitz 209; Leerte den Becher und setzte ihn sehr un-s. nieder. G. 19, 69; Der uns sehr un-s. aus jenen .. Träumen aufweckte. 16, 96; Hackländer SKr. 112; H. Ph. 13, 158; Mit einem un-s–en Ruck. Höfer V. 200; Dieses un-s–e Äußerliche machte mit dem sehr s–en, menschenfreundlichen Wesen, von welchen er beseelt war, den auffallendsten Kontrast. Mendelssohn 5, 405; 670; Etwas un-s. mitgenommen. JvMüller 6, 24; Rückert Rost. 101a; Die Worte, wenn sie dich vielleicht auch un-s. berühren. Ruppius GG. 101; Warf ihn un-s. zu Boden. Sch. 718a; Un-s. .. im Kampf ein- ander begegnen. V. Il. 8, 400; W. 24, 243 etc.