Faksimile 0802 | Seite 800
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Ruder
I. Rūder, n., –s; uv.; –chen, lein, Rüderchen, lein; -:
s. Rudel 2, z. B.:
1) Rührstange der Brauer („Wessel“).
2) ein Werkzeug zum Bewegen von Schiffen, und zwar:
a) bei kleinern (oder Ruder-) Fahrzeugen die unten in ein Blatt endigenden Stangen, welche an den Seiten des Schiffs (s. Dulle) als Hebel zur Fortbewegung gebraucht werden (Seiten-R., seemänn. Riem, s. d., vgl. Riege, Streiche): Sie strackten all ihre Kräfte an die R. Schaidenreißer 52a [„Sie stürzten sich rasch auf die R.“ V. Od. 12, 194]; Das R., daran ich neben andern meinen Gesellen gezogen. 46a [11, 77] etc.; Setzte schon zwei R. in Bewegung. Steffens (Wackern. 4, 1305¹⁸); An die ꝛR. der Galere (s. d.) geschmiedet etc. und z. B. auch statt R.-Führung (vgl. b): Der einer kecken Zunge und eines verwegenen R–s berufen war. König Kl. 1, 114.
b) das starke Holz am Achtersteven, womit der Lauf des Schiffs geleitet und regiert [mundartl. ,,gekehrt“] wird, das Steuer, Steuer-R., mundartl. Kehr-R. (Schm. 2, 323), Hand-R. (vHorn Maje 1, 117, vgl. Hand 1l) und veralt.: Steuernagel. Eppendorf 39 etc., s.: Steuer und Steuer- R. bedeuten Eins. V. Ant. 2, 336 und: Während der Lauf unserer Fahrzeuge durch ein Steuer-R. geregelt wird, welches sich am Hintertheile derselben in Angeln bewegt, führten alle größern Schiffe des Alterthums zwei auf beiden Seiten des Hintertheils angebrachte Schaufel-R. etc. Koner GR. 1, 282 etc., R. und Riemen [s. a]. Brant N. 103¹¹ und Garzoni 871a; Das R. zerbrochen, das Hinterkastell zerstört. Steffens (Wackern. 4, 1305¹) etc., s. c.
c) (s. b) Das R. führen (Sch. 518a etc.), in Händen haben, halten; am R. sein; ans R. kommen, eig. vom Steuermann und übertr. auf Staatslenker etc. Droysen Y. 1, 20; Ense Tag. 1, 79; Die Jakobiner, sagt man, hätten mehr thun sollen; sie sind aber erst sechs oder acht Wochen am R. Forster Br. 2, 178; Am R. des Staats sitzen. L. 12, 60: An Helm [s. d. 7] und R. sitzen. Wernike R. 161; Könige, die das R. der Regierung, welches sie selbst zu führen unvermögend waren . ., dem Ersten Besten .. überließen. W. 8, 256; Das R. der Republik nicht mitten in einem Sturm zu verlassen, wo sie eines so weisen Steuermanns am meisten vonnöthen hätten. 14, 79 etc.; Pitt, der das Staats-R. in seine geniale Hand nahm. Scherr Bl. 1, 48 etc.; Du bist gesonnen, dich an das Steuer-R. unsrer Republik zu stellen. W. Att. 3, 2, 317; Wernike R. 39 etc. Auch z. B.: Nun, so führe das R. [der Rede], | du Lügenbruder. Rückert Mak. 1, 122 etc.
d) weidmänn.: Füße der Schwimmvögel, z. B. der wilden Gänse. Laube Br. 271 (s. Latsche).
e) in gehobner Rede die Flügel der die Luft gleichsam durchschiffenden Vögel: Schwebt in der Höh mit ausgespreiteten R–n | .. ein Geier. Knebel; In Lüften schiffen | mit leichten Rüderlein. Spee (Wackern. 2, 275¹⁰) etc.
3) (s. 2) mundartl.: Fahrwasser eines Stroms. 4) s. Rudera.
Anm. In Bed. 2 masc. Brant N. 10813s; 109¹⁸, wie Rudel (s. d. 2). Eppendorf 38, ahd. ruodar (s. Graff 2, 493), mhd. ruoder, gr. ēτμáς und lat. remus (s. 2a: Riem) mit Fortfall des Zahnlauts, wie niederd. roer statt roder, s. Rohr 5 und bei Hagedorn 1, 31 ruern, auch rojen, vgl.: Wann ein Schiffmann vornen am Fluß- Ende sitzt und rüget [rudert] daher und der Steuermann am Stier-Ende rüget [steuert] widersinns. Keisersberg Post.
Zsstzg. s. 2a; b; c und II.