Faksimile 0758 | Seite 756
Faksimile 0758 | Seite 756
Faksimile 0758 | Seite 756
rieseln
Rīēseln: 1) intr. (haben, sein, s. Anm. zu flammen, flattern etc.):
grieseln (s. d.); leise und sanft rauschend sich bewegen, zumeist (s. reisen, Anm.) niederwärts, doch auch (s. auf-, hinauf-r.) zuw. nach oben, bes.:
a) von sich so bewegenden festen Körpern, nam. Körnchen: Wie ein Riß an einer hohen Mauer, wenn es beginnet zu r. Jes. 30, 13; Von oben | rieselt Kalk und Schutt. G. 12, 85; Noch rieselte die Asche [des Vulkans]. 23, 238; Der Streusand „rüselt“. Günther 922; Der gefrorne Schnee vom Winde .. aufgefegt, rieselte bis um ihre Füße. Kinkel E. 279; Gestern gerieselt hat es Schnee [fein geschneit], s. Sanders Volksl. 65 etc. und so auch s. graupeln. Schm. 3, 133; Es rieselte stark. G. Stein 1, 251; Es regnet und schneit und rieselt so klein. Uhland V. 248 (vgl. d u. 3c). Ferner von Flüssigkeiten (b— d), so:
b) sehr häufig von fließenden Wassern (Quellen, Bächen), die sich leise plätschernd und murmelnd bewegen: Es klatschet, rieselt, rauscht anitzt der rege Bach. Brockes 1, 26; Forster Br. 1, 417; Jt. 2, 156; Nicht rauschen sie, sie r. kaum. G. 12, 113; Ein Blutquell rieselt nie allein, | es laufen andre Bächlein drein etc. 34, 326; Jetzt rieselt er sanft, jetzt rauscht er gewaltig. H. Ph. 10, 258; Da strömt die Quelle der Freude | oder rieselt auch nur. Kl. Od. 2, 247; Quellen r., es strudelt der Strom, es rauschet das Weltmeer. Kosegarten Dicht. 2, 29; Da sprudelt es silberhell | ganz nahe wie r–des Rauschen. Sch. 62b; Sein [des Brunnens] r–des Geschwätz. Tieck A. 1, 325; V. Ov. 1, 352; Des Schlafs am r–den Krystall. W. 12, 36; 20, 196 etc.
c) von tröpfelnden, rinnenden Flüssigkeiten (s. d): Das Blut quoll noch ein wenig aus der Wunde; es war in größern Massen die Nacht auf eine Strohmatte gerieselt. Gutzkow R. 8, 320; Das rieselt unaufhörlich,wie ein Faß, dessen Hahn ohne Zapfen. Heine Lut. 1, 4 etc.
d) unpersönl. von feinem Regen (s. nieseln und a): Anfangs rieselte es so zart ..; bald aber plätscherte es gewaltig. Auerbach D. 1, 180; Es regnete mehre Tage unaufhörlich, es rieselte immer so fort. Ed. 164 etc.
e) übrtr., in Bezug auf Empfindung und Gefühl, s.: Tausend Quellen einer süßen | neuen Wollust .. | r. in mein Herz. JGJacobi 3, 38 etc. und: Da rieselte Entsetzen von den Gliedern des Jünglings, Todesblässe bedeckte ihn. Börne 2, 291; Angst rieselt ihm durch Mark und Bein. B. 71b; Daß seinem alten Zuhörer ein Schauder über die Haut rieselte. Immermann M. 4, 55; Während ein Schauer durch ihre Glieder rieselte. Lewald W. 2, 136; Unter diesem Jammer, der mir [Drckf. mich] eiskalt durch alle Glieder rieselte. Lubojatzky Ams. 30 etc. und unpersönl.: Es rieselt Einem über den Rücken (Gutzkow R. 9, 55, vergl. überlaufen II 1c und überrieseln), in den Adern (Schlegel Sh. 6, 82), kalt durch die Adern (Cham. 3, 312), kalt durch Mark und Bein (Freiligrath 1, 253), leise krabbelnd durch die Glieder (Prutz W. 64) etc. und dazu: Da überlief jeden ehrlichen Menschen eine Gänsehaut und ein Mark-R. ging durch die Knochen. vHorn Maj. 1, 65.
f) zuw. auch nur: sich leise rauschend bewegen, allgem.: So rieselten, flitterten und tänzelten leise Tritte herunter. Tieck NK. 4, 163. 2) refl.: selten statt 1, z. B. (s. 1c): Blut rieselt sich von meinem Haupt. G. 7, 243. 3) tr.:
a) (s. 1 und dgl. murmeln 1 und strömen): Auf den glatten Kieseln | beginnt der Bach ein Trauerlied zu r. Alxinger D. 17; Oben rieselt die Quelle und surret Liebe. Klinger Th. 4, 119; [Gesang,] der nach ernstem Geschäft dir in melodischem | Tonfall, lieblichen Schlaf riesele [r–d errege]. V. 3, 41; Eine Ahnung des Gefühls, das ein Mai am Neckar in deinen Adern r. [r–d ergießen] würde. Waldau N. 3, 6; Es r. die Wolken Segen. Zunz (Jes. 45, 8) etc.; Die silber-r–den Bäche. Kretzschmann 2 234.
b) Wiesen r., oder be-, über-r., durch darauf geleitetes r–des Wasser wässern. Dazu: Eine Verbesserung durch Rieselung. Landwirthsch. Zeit. (55) 1147a.
c) s. Riesel 3a.
Zsstzg. vgl. die von strömen, fließen, rinnen, fallen etc. und reisen, Anm., z. B.: Áb-: Es strömt von der heißen Stirn a–d der Schweiß. Jacobs Verm. 2, 21; Wie vom hohen Ast abrieselt Laub auf Laub. Rückert BE. 330 etc. Āūf- [1e]: Den meisten rieselte es kalt den Rücken auf. Gotthelf U. 2, 159.
Āūs-:
1) Es hat ausgerieselt, rieselt nicht mehr, von feinem Regen [1d], Schnee [1a] etc.
2) rieselnd ausströmen, intr.: Dein Getränk ist Cäkuber und was Kales’ | edler Traub’ ausrieselte. V. G. 1, 59 (vgl. ent-r.) und tr., z. B.: Das Herz Ägyptens .. rieselt seines Blutes Fülle | nach allen seinen Gliedern aus. Freiligrath Garb. 5; Wenn der Baum .. seine .. Träume ausrieselte. Tieck NK. 4, 269 etc.
3) [3c]. Be-: tr.:
1) rieselnd beströmen: Eine Grotte .. berieselt von einem Wasserfall. Gutzkow R. 4, 237; Als sie .. sein Blut den Schnee b. fand. Kinkel E. 284; Doch b. warme Thränen | seiner Wangen Rosenschein. Lenau 1, 260 etc.
2) [3b] Landwirthsch. Zeit. (55) 542b etc. Dahêr- [1b]: Pfefel Pr. 3, 210. Dahin- [1b]. Frese Bed. 1, 158. I. Durch- tr.:
1) [1b] Quellen rings | d. sein Grün. Freiligrath SW. 3, 174; Thalgründe, von Quellen durchrieselt. Willkomm Sag. 1, 17 etc.
2) [1e] Durchrieselt leises Beben | den Baum. Dingelstedt (Mo— natbl. 1, 339b); Ein Bivouak mit seinen alle Glieder d–den Morgenschauern. Eichendorf Lärm 44; Sein wundes Herz . . wird Jeder einen .. Balsam d. fühlen. Freiligrath SW. 5, 318; Dieser eitle Gedanke durchrieselte sie ganz. Gutzkow 11, 208; Durchrieselt von Wonne und Schrecken. R. 6, 163; Indem’s den Grafen heiß und kalt | durchrieselt. Sch. 67b; Ein wollüstiger Schauder durchrieselte ihn. Spielhagen Pr. 1, 199 etc. II. Dúrch-: hindurch-r. Eīn-:
1) hinein-r. 2) [3a] tr.: in Schlaf rieseln. Ent-: rieselnd entströmen: Den ungehörten Wogen entströmt, | dem geheimen Quell entrieselt der Tod. Kl. Od. 1, 210; Den Quellen entrieselt Harmonikaklang. Kosegarten Po. 2, 168; 169; Wie vom Okeanos quellend .. | alle Gewässer auf Erden entrieselen oder entbrausen. Schlegel (Wackern. 2, 1308⁷); V. 3, 218 etc. Fórt-:
1) hinweg-r. 2) weiter rieseln. Heinse A. 1, 84, s. auch [1d]. Hêr- etc.: Kleine Bäche, kaum merklich, rieseln hin. G. 23, 358; W. 23, 96 etc.; Der das Blut so stark herab-r. sah. G. 28, 146; Quellen, die aus den Felsen herabrieselten. W. 18, 9; 20, 229 etc.; Das Wasser . ., das | den Bach hinab mit sachtem Murmeln rieselt. HB. 1, 165 etc.; Hinauf muß es [das Wasser] rieseln, hinunter muß es grüseln. Tieck NKr. 2, 237 etc.; Schien ein feiner Regen durch die Öffnung der Kuppel her- ein-zu-r. G. 19, 342 etc.; Der feine Sand rieselte .. durchs Fenster hinein. Mügge Silt. 1, 132 etc.; Hernieder-r. Blätter. Rückert Rost. 89 etc.; Durch die .. Bretterdecke rieselte dicker Staub herunter. Waldau N. 2, 81 ꝛc, s. auch [1f]; Die Temperatur der an den verschiedensten Orten hervor-r–den Quelle. Burmeister Gsch. 122; Geßner 3, 22; Eben und stille | rieselt sodann das neue Leben hervor. IBMichaelis 237 etc.; Über .. Perlen flüchtig hinweg-r–de Quellen. W. 19, 237 etc. Nīēder-: Zuletzt rieselte die Asche nieder. G. 23, 238; Wo der Regen niederrieselte. Höfer Leb. 1; Während deine Thränen als Perlen niederrieselten. Monatbl. 1, 333b; Sanft n–der Schnee. Wilkomm Bank. 1, 45 etc. Über-: tr.: rieselnd überströmen, z. B.:
1) Ein dichter Staubregen überrieselt den Zuschauer. Scherr Nem. 1, 136; [Wo das Wasser] gestaut wird und so zuletzt die Felder überrieselt. Schmarda 1, 73; Auf sumpfigem, von Quellen überrieseltem Grunde. Volger EE. 377 etc.
2) faktitiv zu 1, s. [3b]: Um trockene Gegenden zu ü. DMuseum 1, 1, 575 etc. und übrtr.: Sein Festgewand, | mit Diamanten überrieselt [gleichsam überschüttet; reich besetzt]. Freiligrath SW. 5, 192. Dazu: Waschbutten, in denen durch Überrieselung von klarem Wasser das Nitrum .. herausgespült wurde. Guhl GR. 2, 236; Mit Wegen und Gräben, manchmal gar mit Überrieselungen [Anstalten zum Ü.] durchschnitten. Temme Verb. 1, 4 etc.
3) [1e] Mich überrieselt’s! Auerbach Ab. 130; Von Grauen überrieselt. Bechstein Dunk. 16; Den es eisig überrieselte. Gutzkow R. 5, 210; Ein so wehmüthiger Schauer seiner Empfindungen, wie ihn seit dem Tage nicht überrieselt. 9, 369; 546; Trotz des Schauders, der uns überrieselt. Schwegler (46) 275; Spielhagen Pr. 6, 199 etc. Um-: tr.: Wie die Well’ umrieselt ihn kalter Schweiß. Schwab 362. Ver-: Sein purpurroth v–d Blut. Freiligrath SW. 1, 250; Ihr flirren die Augen, die Sinne ver-r. Kosegarten Po. 1, 137; Wie Hauch in Hauch versäuselt, wie Duft in Duft | verrieselt. 2, 87; Die Stunden .. sind verrieselt wie ein Regenbach. 114 etc.; Der Brandung Wog’ am weiten Kieselriffe | verrieselt und zerschellt. Salis 34; Daß der Sturz [des Regens] .. v–d leiser klopft. V. 4, 163; Ov. 1, 290 etc. Zer-: Das Wasser zerrieselt, zerstiebt im Sturz. Zū-: z. B.:
1) vergl. zurauschen, zuflüstern etc.: Doch rieseln ihm die Bäche zu | und Lüftlein wiegen ihn mild in Ruh. G. 12, 52.
2) vergl. zufließen etc.: Was aus den geistigen Lebensbächen anderer Völker den Meerestiefen unseres Volksgeistes zurieselt. Kolat- schek StdZ. (1860) 131 etc. Zusámmen-: z. B.:
1) [1b] Quellen rieselten von mehreren Seiten zusammen. G. 19, 39 etc.
2) [1a] rieselnd zusammensinken: Wohin sein Fuß sinkend trat, es rieselte leise die Spur [im Sand] hinter ihm zusammen. Mügge Silt 1, 132 etc.