Regel
Rēgel, f.; –n; –chen, ein; -:
1) Lineal, z. B.: Die R. meines Schulmeisters und die Linien, die er damit zog. G. 106 etc. So auch (nam. bei Altern) von Linealen als Richtschnur bei Messungen (vergl. Maß-R. 1, s. Alhidade etc.): Setz zwo R–n oder Pfähl an beiden Zielen der Ebene. 24 etc. und so bildl.: Nach dem Ziel der R., damit uns Gott abgemessen hat das Ziel etc. 2. 10, 13 ff. — Gw. übrtr. wie Richtschnur (s. d.): Das, wonach man sich richten kann, richtet od. zu richten hat, mit verschiednen, in einander spielenden Nüancen, so nam.: 2) das gemäß der Erfahrung, der Beobachtung Gewöhnliche, — im Ggstz. zu dem davon Abweichenden (den Ausnahmen), — ohne daß die innern Gründe, warum es das Gw. ist, — sei es nun allgm. oder nur von dem nach der Norm sich Richtenden und Urtheilenden — erkannt werden (wodurch sich R. vom Gesetz untersch.): Keine R. ohne Ausnahme; Die Ausnahmen bestätigen die R.; In der R. [gw.] ist es so, aber nicht immer; Er kommt in der R. [od. regelmäßig] zu spät; Könige pflegen [s. d. 3b] sich in der R. wenig an die R. [s. 2] zu halten. 8, 345 etc.; Aus Einfalt, d. i. aus Mangel einer schon zur R. [stehnden Gewohnheit, vergl. 2 und Maxime] gewordenen Verstellungskunst. Anthr. 12 etc.; So ist es z. B. nur eine R. [ein Ergebnis der Erfahrung], daß auf je 100 Mädchen 105 Knaben geboren werden ..; ein Gesetz ist es dagegen, daß während einer Theuerung der Tod eine reichere Ernte hält als gewöhnlich [insofern man den Grund dafür einsieht]. 15, 85); Alle jene Bildung geschieht wenigstens nach R–n, wenn auch nicht nach Gesetzen (s. 2). 6, 88; Bei dieser scheinbar aus der R. (s. 2) schreitenden Erscheinung. 39, 243 etc. — 3) (s. 2) eine best. Vorschrift u. Norm, wonach sich Etwas richtet und wonach man sich demgemäß in den vorkommenden Fällen zu richten hat, — hier sich oft nahe (vergl.
1) mit Gesetz, Grundsatz, Maxime berührend: Eine R. aufstellen; Einem eine (praktische) R. geben; Eine R. anwenden, beobachten, befolgen; Nach der R., der R. gemäß — oder zuwider, entgegen handeln; Sich nicht an die R. kehren etc.; Das Beispiel eines solchen Dichters galt dann für musterhaft; die R–n, die er befolgte mußten [für Nachfolger] Gesetze werden. Gsch. d. P. 1, 49; Alle Gesetze sind von Alten und Männern gemacht. Junge und Weiber wollen die Ausnahme, Alte die R. 3, 230; Korrektion setzt R–n vor- aus und zwar R–n, die der Mensch selbst bestimmt, nach Gefühl, Erfahrung, Überzeugung und Wohlgefallen und darnach mehr den äußern Schein als das innere Dasein eines Geschöpfes beurtheilt; die Gesetze hingegen, nach denen die Natur wirkt, fordern den strengsten, innern organischen Zusammenhang [s. 1]. 29, 388; Bei der Zeichnung hat man in den Schulen, wenn auch keine vollkommene Theorie, doch wenigstens gewisse Grundsätze, gewisse R–n und Maße, die sich überliefern lassen. 416; Wer [hat] Gesetz und R. | wonach es [das Herrschende] ordnend spricht, erkennen mögen? 13, 265; Daß Genie diejenige Kraft des Menschen sei, welche durch Handeln und Thun, Gesetz und R. giebt. 22, 378; Damals manifestierte sich das Genie nur, indem es die vorhandenen Gesetze überschritt, die eingeführten R–n umwarf. 380; Drum leuchten sie [die Griechen] uns als Muster voran, als göttliche R. der Schönheit. 4, 247; Entlässt der Tanzmeister den Lehrling aus seiner Schule, so muß die R. bei Diesem ihren Dienst schon geleistet haben . ., das Werk der R. muß in Natur übergehen. 1114a (vgl. 4); 1132a; Wenn in einer lauen | Minute eine 60jähr’ge R. [Maxime] | wie eines Weibes Laune schmilzt. 207a; Das Genie sagt: „die R. bin ich!“, es ist lebendige, persongewordene R. und wird daher Gesetzgeber. Ästh. 2, 396; Ich will dir etliche R–chen geben. Kom. Op. 3, 236 etc. —Dazu nam.:
a) Nach der R., der Vorschrift gemäß; so wie es sein soll: Das sind mir einmal Reitklepperchen, ganz nach der R. 2, 112; Die bald, nach der R., ihm Hausehr’ ist und genannt wird. 1, 148 etc. —
b) in Bezug auf best. Fächer der Gewerbe, Künste, Wissenschaften, theilweise sich mit 1 berührend: R–n für den Fecht-, Tanz-Unterricht, Fecht-, Tanz-R–n; R–n für die Orthographie oder Rechtschreibung, orthographische oder Rechtschreibungs-R–n; Grammatische, sprachliche oder Sprach-R–n und, insofern sie sich z. B. auf Best. des Geschlechts (Genus) beziehn: Geschlechts-, Genus-R–n, z. B.: Die R., daß die von Zeitwörtern hergeleiteten Abstrakte auf „ung“ weiblich sind, zu 1, insofern damit bloß der Erfahrungssatz ausgesprochen wird, dagegen hierher gehörig, insofern nach diesem Satz Jemand das Genus solcher Wörter bestimmen u. erkennen kann etc. So nam. auch: die prakt. Anweisung zur Lösung von Rechnungsaufgaben, so (vergl. die Zsstzg. von Rechnung) z. B.: Allegations- oder Mischungs-, Ketten-, Verhältnis-R. (-Satz- -Ansatz etc.); R. (oder nam. in ältern Rechenbüchern, in ganz lat. Form: Regula) de tri, (de)quinque septem etc., Regula multiplex (entsprechend der Verhältnis- und der Ketten-R., bez. nach Anzahl der Glieder); vergl.: Regula cöci, falsi etc. —
c) kollektiv (vgl. 4) von den Vorschriften und Bestimmungen für die Mitglieder einer Genossenschaft, nam. eines geistl. Ordens, aber auch allgemeiner: Nonne oder nicht Nonne — Was ist älter? die R. der Natur [die für alle Menschen als solche geltende] oder die R. des Augustin’s? Jul. 31; Wenn auch ein Bischof . ., wenn sogar ein Märtyrer von der [Glaubens-] R. abgefallen ist. 11, 83, die für alle Christgläubigen geltende etc., so: Glaubens-, Kloster-, Mönchs-, Nonnen-, Ordens- R. und nach den versch. Orden (s. d.) z. B.: Au- gustiner-, Barfüßer-, Franziskaner-, Kapuziner-R. etc. —
d) ungewöhnlich: Als wie nach Windes R. | anzögen weiße Segel. 12, 149, als wenn sie, in ihrer Richtung durch den Wind bestimmt, einherkämen, s. 4. — 4) die in Etwas herrschende und es in allen seinen Theilen und Beziehungen durchwaltende Ordnung und Abgemessenheit, vergl. 3c und d und z. B.: Die Unordnung seines Hauswesens in R. zu setzen [zu regeln]. 18, 236; Stände seh ich gebildet. . . | R. wird Alles und Alles wird Wahl. 75b etc. und in tadelndem Sinn (s. 2: 1114a) von abgezirkelter und steifer Abgemessenheit im Ggstz. zu ungezwungnen Natürlichkeiten: Sie richtet vor dem schmeichlerischen Spiegel | zugleich den Putz und ihre Mienen ein; | Gebärde, Blick, Bewegung, Stellung, Alles | ist in der R. und verräth uns Absicht, | selbst ihre Grazien sind steif. 26, 285 etc. — 5) = Menstruation: Doch ist das Ausbleiben der R–n durchaus kein gewisses Zeichen der Schwangerschaft etc. Abbild. aus d. Gebiet der .. Geburtsh. (Berl. 1829) 76.
Anm. Aus lat. regula (von regere, s. recht I, Anm.), ahd. rëgula, mhd. rëgel, in vralt. Form auch: Die alte Soldaten-Regul: Wer ’was hat, Das ist der Soldaten Feind. 12, vgl. Insel, Anm.
Zsstzg. leicht zu mehren und zu verstehn nach dem Obigen und den folg. Bsp. (vgl. Spate 1576), ohne Bez. meist zu [3]: Allegatiōns- [3b]. —
Ammen-: wie sie Ammen kleinen Kindern geben; Regeln für die ersten Anfänger: Die ihm eingeprägten A–n der Profession zu beachten. ETAHoffmann Ausgw. 7, 154. — Bārfüßer- [3c]. — Bāūern- [2; 3]: wie sie für oder bei Bauern gilt, z. B. Uhland 41 (vgl. Fürsten-R. G. 2, 255) und nam. (vgl. Bauernpraktik, Kalender-, Wetter-R.): Verschiedene B–n und sprichwörtliche Wetterprophezeiungen. G. 26, 221; Den Kalender mit der Witterung, den Bauer-R–n. Keller LvS. 458 etc. — Dīēnst- [3 u. 3c]. —
Erfāhrungs-: auf Erfahrung gegründet. — Fécht- [3b]. —
Fürsten-: s. Bauern-R. — Gēnus-, Geschléchts- [3b]. —
Geschmácks-: ästhetische Regel. G. 21, 67. —
Gesúndheits-: diätetische, auch kollektiv = Diät. —
Glāūbens-: s. [3c]. —
Grúnd-: die Grundlage bildende Regel. Volksz. 10, 19. — Hāūpt-. — Hándwerks- [3b]: vgl. Kunst-R. —
Hāūs-: fürs Haus, für die Wirthschaft geltend, Wirthschafts-R. — Hēīraths-. —
Kalénder-: im Kalender enthalten, s. Bauern-, Wetter-R. —
Kardināl-: Haupt-R. Spielhagen Probl. 1, 217. — Kétten- [3b]. — Klōster- [3c]. —
Klūgheits-: von der Klugheit gebotne, ihr gemäße Regel (vgl. Lebens-R.). JvMüller 6, 27. — Kúnst- [3b]: vgl. Handwerks-R. V. Georg. XII. —
Lêbens-: fürs Leben als Richtschnur geltend: Diät, die eben nur dadurch Diät ist, wenn ich sie zur L. mache, wenn ich sie das ganze Jahr nicht außer Augen lasse. G. 17, 220; Der, wie der feste Stern des Pols | mir als die L. vorgeschienen. Sch. 367b etc., nam. auch: Regel fürs prakt. Leben, vgl. Klugheits-R. —
Māß-:
1) (veraltend) s. [1] das Richtmaß (s. d., vgl. Richtschnur): Die nach allen Richtungen Streifzüge durch das Feld der Naturwissenschaften vornehmen und weil sie das Un- ermeßliche desselben anerkennen, ohne Plan und M. darin herumschweifen. 39, 227; Was da geschrieben steht, das Wort Gottes, das ist unser Glauben und unsere M. Stolb. 1, 320. —
2) (selten) eine Regel, festsetzende Bestimmung in Betreff des Maßes, das Mehr oder Weniger: Nun kann ich mir viel Licht und wenig Schatten, oder viel Schatten und wenig Licht denken und nach den M–n [nach Maßgabe] des Mehr oder Weniger, was ich mir von Jedem denke, werden auch die Aussichten und Modifikationen sein. Rel. 21. —
3) gw. (vgl. 1; 2): ein nach - 6 Maßgabe der obwaltenden Verhältnisse und des zu erreichenden Zwecks eingeschlagnes Verfahren = Maßnahme (s. d. 2): Kräftige, strenge, entschiedne, unentschiedne, halbe M–n ergreifen, treffen; Seine M–n nach Etwas nehmen, einrichten; Hat in Betreff der Censur eine halbe M. getroffen, eine schwächliche, schiefe, dummschlaue. Tag.; Der Richtpunkt aller politischen M–n. 1, 17; Darnach nimm deine M–n. 15, 278; Indessen habe ich auch schon meine M–n genommen. Sch. 5, 89; Ob diese für Fremde getroffene M. auch einen Freund .. gelte. E. 1, 270; Die M–n, die er zu nehmen hätte. 2, 47; Daß sie kräftigere M–n ergreifen müsse, um sich .. zu erhalten. 9, 279; M–n, die er zu glücklicher Ausführung des Anschlags getroffen. 283; 14, 190 etc.; Die Hälfte der Monarchie durch Ausnahms-M–n [die nur für Ausnahmsfälle getroffen werden und gelten sollen], Militärexekutionen oder Belagerungsstand zwingen. heim Jahrb. 1, 236; Jede Gewalt-M.; wenn sie nicht zum Ziele führt, nur immer geschärfter wiederholen. Ver. 35; Hilfs-M. Tag. 4, 254; Regierungs- M. 4, 34; 268 etc.; Sicherungs-M–n. Biogr. 3, 70; Vorsichts-M–n gegen Mordversuche. Bl.1, 325 etc., s. maßregeln. — Míschungs- [3b]. — Ordens- [3c]. — Réchtschreibungs [3b]. — Schūl-: Das Genie durchbricht die kleinlichen Sch–n. — Schǖler-. — Schützen-: Mein ganzes Leben lang hab’ ich den Bogen | gehandhabt, mich geübt nach Sch. 544b, nach Dem, was bei den Schützen gilt und Brauch ist. — Sítten-: moralische, — auch kollektiv = Moral: Ein schulgerechter Zögling der S. 1119a. — Soldāten- [Anm.]. — Sprāch- [3b]. — Stāāts-: in Betreff von Staatssachen geltend. — Tánz- [3b]. — Un- (selten): Weil die Natur, so wie sie die Regel schafft und sich in ihr bewegt, auch wieder den Gegensatz, die U., einschiebt. NKr. 4, 14, vgl. Unregelmäßigkeit, Ausnahme etc. — Verhä́ltnis- [3b]. — Verháltungs-: Regel, Vorschrift, wie man sich zu verhalten hat: Blickten sie auf die Herrscherin, um gleichsam die V. ihrem Antlitz abzumerken. R. 9. 107; Bis man Zeit gewonnen hätte, V–n aus Spanien zu holen. 820a. — Wétter-, Wítterungs- [2]: s. Bauern-R. — Wírthschafts-: s. Haus-R. etc.
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