Faksimile 0656 | Seite 654
Faksimile 0656 | Seite 654
Faksimile 0656 | Seite 654
Faksimile 0656 | Seite 654
Rauben
Rāūben: (s. Raub):
1) tr.:
a) in vollständiger Fügung: Einem Etwas r. (versch. d), es ihm, dem dagegen Wehrlosen, gewaltsam raffend entreißen, wobei doch zuw. nam. bei sachl. Subj. der Begriff des Gewaltsamen und des Raffens etwas zurücktritt, also dann = Einem Etwas wegnehmen, entziehn etc. (vgl.: ihn desselben be-r.): Wegelagrer, plündernde Soldaten r. Einem Hab und Gut; Der Wolf raubt dem Hirten Schafe; Paris raubte dem Menelaos die Gattin; Sie r. beides, Rock und Mantel Denen, so sicher dahin gehen. Mich. 2, 8; Kann Jemand in eines Starken Haus gehen und ihm seinen Hausrath r.? Matth. 12, 29; Ein Bär, dem die Jungen geraubet sind. Spr. 17, 12; Die Schweden haben uns ’ne Kuh gestohlen, | gestohlen nicht daß ich nicht unrecht sage | geraubt vielmehr, es war am hellen Mittag etc. Fouqué Dr. 1, 202; Einem Mädchen einen Kuß r.; Eine Schöne oder ihre Schönheit raubt Einem das Herz (vgl. erobern 2); Der Nachbar raubt durch den Vorbau oder: der Vorbau raubt mir die Aussicht; Der Anblick, der Schreck raubt ihm das Bewusstsein, die Besinnung, Vernunft, Sprache etc.; Dieser Umstand raubte mir die Gelegenheit, (das Vergnügen), ihn kennen zu lernen; Diesen beruhigenden Glauben, diesen Trost soll mir Niemand oder Nichts r., laß ich mir durch Nichts r.; Du raubest [entziehst] Gott, was sein ist. Röm. 2, 22; Wieviel Anmuth des Lebens r. sich Diejenigen, die etc.! Gellert; Es frommt ihr [der Menschheit] jede Handbreit Erde, | die der Gemeinheit wir geraubt. Freiligrath 1, 269; Ein träges Gestirn hängt über dem Haupt dir, | lässt dir des Fleißes Verdienst, raubt dir des Geistes Genuß. Knebel 1, 23; Ich fühle mein Unglück zu sehr, als daß ich mir selbst diese letzte, einzige Versüßung desselben r. sollte. L. Samps. 1, 7; Ist es wahr, | daß mir ein Tag zwei Söhne r. soll? Sch. 514a; So viele Schläg’, unvorgesehn, auf einmal | zerschmettern mich und r. mir die Sprache. 619b etc.
b) (s. a) zuw. statt des Obj., wo es sich nur um einen Theil desselben handelt, von: Raubt euch | des Kerkers Schmach [Etwas] von eurem Schönheitsglanz? Sch. 410b, oder mit Genit., s. hinweg-r. etc.
c) (s. a) ohne Nennung Dessen, dem Etwas genommen wird, z. B. mit sachl. Obj. (s. f): Alles ihr Vieh, alle ihre Habe und alle ihre Güter raubten sie. 4. Mos. 31, 9; So raubet nun Silber, raubet Gold! Nah. 2, 9; Der Löwe raubete genug für seine Jungen. 13; Er bezahlet, was er geraubet hat. Hes. 22, 25 U. V., auch: Die Welt wird nie das Glück erlauben, | als Beute wird es nur erhascht, | entwenden musst du’s oder r., | eh dich die Mißgunst überrascht. Sch. 47a etc., ferner: Das heilige .. Bild [der Göttin] | zu r. G. 13, 70 (vergl.: „weg-zu-r.“ 34, 197) etc. (s. auch 3e) und so mit persönl. Obj. (versch. e): gewaltsam entführen: Menschen, Kinder, Jungfrauen, Weiber r. Richter 21, 23; Paris raubte die Helena; Die geraubten Sabinerinnen etc.
d) (s. c) mit hinzutretendem persönl. Dat. zur Bez. Dessen, für den das Geraubte best. ist, selten wegen naheliegender Verwechslung mit a (vgl. nehmen 7 und 8b): Ihr müsst der Biene Honigsack ihm [für ihn] r. Schlegel Sommern. 3, 1 etc., am häufigsten ncch refl.: Wofern du willst ein Leben haben, | raube dir’s! Daumer 2, 84 etc.
e) (veralt.) Einen r. (versch. c) statt: ihn be-r., plündern, ihm das Seinige r. etc., z. B.: Die Männer zu Sichem .. raubten Alle, die auf der Straße zu ihnen wandelten. Richt. 21, 23; Sie sollen r., von denen sie beraubt sind und plündern, von denen sie geplündert sind. Hes. 39, 10; Ps. 89, 42 etc.; Hab. 3, 8; Zeph. 2, 9; Er hat .. keinen Mord noch Ehebruch gethan, Niemand gestohlen [bestohlen] noch geraubt. Luther 6, 232a etc., s. Räuber 1b.
f) (s. c, vergl.
a) im adjekt. Partic. Präs. mit dem Obj. verschmelzend, z. B.: Flieht den athem-r–den Aushauch | von goldenen Kerkern der Städte. EKleist 2, 9; Besinnung-r–d, herzbethörend, | schallt der Erinnhen Gesang. Sch. 58b; Daß sie die Jungfrau | siegreich führen zum kranz-r–den Ehegemach. V. 3, 21; Umgürtete der Held den Stahl, den leben-r–den. Rückert Rost. 95a etc. 2) zuw. refl. (s. Sich und Es 7): Von jenen Küssen, .. die so sanft sich r. Geibel 184, die zu r. so sanft ist etc. 3) intr. (haben):
a) von Pers.: sich fremden Eigenthums mit Gewalt bemächtigen, z.B. im Kriege plündernd, Beute machend etc., am häufigsten aber von widerrechtlicher Gewalt, zumal im engsten Sinn von Wegelagerern etc. (s. Räuber) oft im substant. Infin.: Mit R., Plündern und Ausbeuten. Dan. 11, 24; Daß du r. und plündern mögst. Hes. 38, 12; 13; Das Volk im Lande übet Gewalt und raubet getrost. 22, 29; R. sie zur Rechten, so leiden sie Hunger. Jes. 9, 20; Die ihrer Herren Haus füllen mit R. und Trügen. Zeph. 1, 9 etc.; Reiten und R. ist keine Schande, | Das thun die Edelsten im Lande. Sprchw.; Es praßten bei uns die Obern und raubten im Großen | und es raubten und praßten bis zu dem Kleinsten die Kleinen. G. 5, 54 etc.
b) von einem Thier (s. Raubthier): sich eines andern ihm zur Nahrung dienenden Thiers als Beute (Raub) bemächtigen oder zu bemächtigen ausgehen: Ein brüllender Löwe, wenn er raubet. Hes. 22, 25; Hiob 4, 11; Der Bär raubet. Döbel 1, 33b etc.
c) Bergb.: Diese „Pfeiler“ [im Kohlenbergwerk] ...werden später, wenn auf andere Weise für Sicherheit gesorgt ist, insoweit es möglich, wieder weggenommen, eine oft sehr gefährliche Arbeit, welche Bergleute mit dem Ausdruck „r.“ zu bez. pflegen. KCvLeonhard (DViertelj. 1, 1, 67) etc., vgl. Raub 4.
d) Hüttenw.: Eine Bergart raubt (ist räuberisch), verzehrt im Schmelzen die Erze und führt sie mit sich fort in die Luft etc.
e) Kartensp.: In einigen Spielen raubt der niedrigste Trumpf, d. h. wer diesen in der Hand hat, kann, ihn auf den Tisch legend, dafür den dort aufgeschlagnen höhern Trumpf sich nehmen, und so auch tr.: Du kannst den Trumpfkönig mit der Sieben r. 4) Dazu:
a) Raubung, selten außer v. Zsstzg. (vgl. das R. und der Raub), z. B.: Die Raubung der Sabinen. Lohenstein Ros. 133 etc.
b) Rauber, z. B. ebd., s. Zsstzg., sonst gw. Räuber (s. d.).
Zsstzg. z. B.: Áb- [1a]: Wollt ihr noch mit Blumen prangen, die euch werden abgeraubt. Mühlpforth 2, 16; Küsse, die ich ihnen abgeraubt. Uz etc.
Aūs-: ausplündern:
1) mit sachl. Obj.: durch Rauben leer machen: Ein Land (JvMüller 15, 66; Weidner 156), eine Provinz (W. 9, 88), die Küste (Sch. 1039a), eine Stadt (Tieck A. 2, 9), ein Haus (136; Stahr Rep. 3, 247), Wohnsitze und Landgüter (W. 24, 220), einen Tempel (Luc. 1, 58), die öffentlichen Kassen (W. 8, 271) a. etc.
2) (s. 1) mit persönl. Obj.: Einen, die Unterthanen, das Volk a., all des Seinigen be-r. Auerbach Ed. 263; Jos. 154; Holtei Nobl. 1, 229; Kohl Südr. 1, 283; JvMüller 24, 19; Tieck A. 1, 248; W. 7, 23 etc.
3) Dazu: Er ist kein Mensch für die wilde Welt, da muß man ein Ausrauber sein. Auer— bach Ed. 45 etc.; Bei der Ausraubung des mogolischen Schatzes durch Thamas Kuli-Kan. W. 8, 151 etc. Be-:
1) veralt. statt des Grundw. [1a und b]: (Einem) Etwas b., z. B.: Wiewohl nun der Papst mit Gewalt und Unrecht das römische Reich .. hat dem rechten Kaiser beraubet. Luther 1, 313a; Opitz W. 1, 435; HSachs 3, 1, 163b; Ders. (Wackern. 2, 72¹); Weckherlin 516; Weidner 118 etc., auch z. B.: Mit beraubtem [abgehauenem] Haupt. Franck Weltb. 189a.
2) [1e] gw.: Einen oder Etwás eines Ggstds b., ihm den genannten Ggstd. (der in manchen Fällen auch wegbleiben kann) entziehn, wegnehmen: Ihr beraubt mich meiner Kinder. 1. Mos. 42, 36; Auswendig wird sie das Schwert b. und inwendig das Schrecken. 5, 32, 25; Daß er ihm sein Haus beraube [des Hausraths]. Matth. 12, 29 (versch. 1); Menschen, die zerrüttete Sinne haben und der Wahrheit beraubet sind. 1. Tim. 6, 5 U. 0.; Die Zweige, die nackt waren und ihres grünen Schmuckes beraubt. Cham. 4, 215; Beraubt das schöne Maienkleid! [den Blumenflor]. SDach (Wackern. 2, 371¹); Wenn man ihn | der Freiheit ganz beraubt. G. 13, 73; Das unglückliche Mädchen ihres letzten Trostes, ihres einzigen Beistandes zu b., ihres Bruders! 9, 265; Geheimnisvoll . ., | lässt sich Natur des Schleiers nicht b. 11, 30; Das beraubete Feld. Hagedorn 2, 26; Sch. 513b; Behalten Sie’s lieber, ich möchte Sie nicht b. etc.
a) Beraubter Krapp (s. d. I), Ggstz. unberaubter. Karmarsch 2, 485.
b) der Genit. zuw. formell nicht bez.: Gottes Angesicht [des Angesichts Gottes] in aller Ewigkeit beraubt sein. Mathesius Pr. 73 etc., zuw. auch durch Präpos. ersetzt, z. B.: Ich sah ihn .., von Glanz beraubt. Cham. 6, 262; Die Äste .., vom falben Schmuck beraubt. 3, 42; [Er liegt,] | von allem Muth und Kraft beraubet. Cronegk 2, 340; Ein Kerker, beraubt vom Tagesstrahl. Grün Ritt. 188 etc.; Der Mensch beraubt den Mensch an Dem, das etc. Logau 1, 3, 33 etc.
c) im pass. Partic. mit dem Genit. verschmelzend (vgl. Zsstzg. von los), z. B.: Ein elender Krüppel, | arm- und beinberaubt. Pyrker 130; Sie kniet ehren- und schmuck- beraubt. H. 15, 278; Zu dem Tändeln geistberaubter Küsse. W. 26, 284; Dem hilfberaubten Sohne. Sch. 612b; An diesem schweigsam klangberaubten Orte. G. 34, 343; Erbarmet sich der schutzberaubten Schönen. W. 20, 241; Der .. zum seel beraubten Bilde | erstarrt. 12, 189; Einer Sinnberaubten. Rückert N. 137; Ihm lag der Sohn in Armensprachberaubt. Cham. 4, 135; Die Jugend | in zierberaubter Muße zu vernutzen. Shakesp. 6, 89 etc.
3) Die Beraubung des Tempels etc.; Der Berauber des öffentlichen Schatzes etc. Durch-: raubend durchziehen und überall plündern: Kriegsvölker, die das ganze Land durchraubten. Ense Biogr. 4, 198, auch trennbar: [Alexander,] der . . die Welt hat überzogen, | bezwungen, durchgeraubt. Rachel 4, 379 etc. Ent-: raubend fort-, wegnehmen: Was Er sittsam nicht entraubte, | wenn sie sich’s nun selbst erlaubte? G. 6, 122; Also ist auch mein Herz der Liebe zu dir völlig ergeben, so daß deiner Natur Bildnis das Bildnis meines Verstandes entraubet [,in mir beraubet.“ Olearius Ros. 69b]. 4, 258; Rafaelische Verzierungen, dem Vatikan entraubt. Paalzow Th. 1, 101; An der Ehre Kraft noch glaubend | und die Zeit der Schmach e–d [entreißend]. FSchlegel; In dem Liede, seel-e–d. Ders. (Kurz 3, 158b) etc., bei Alteren auch = be-r. mit Genit., z. B.: Einen des Erbes (Pictorius 105a), des Schlafs (Galmy 11) e. etc. Er-: durch Rauben Etwas erwerben, sich aneignen: Hätte Heraklit nun Erraubtes irgendwoher umgebildet. Schleiermacher 3, 2, 19; Wenn ..| der Lüste Sklav’ erraubtes Gut verschmaust. Uz 2, 70 etc. Fórt-: (hin)weg-r., raubend fortschleppen: Ein reicher Mann ist von den Banditen fortgeraubt worden. Tieck A. 1, 108. Hín- etc.: Du raubst mir Alles hin [s. d. 4]. IESchlegel 1, 268; Gryphius Fr. 12; Opitz 2, 55 etc.; Um aus dem wüsten und allgemeinen Wirrwarr das Seinige für sich [rettend] heraus-zu-r. Arndt Ber. 76 etc.; Fodre nicht mehr von dem Schicksal, | als es zu geben verheißt; | allzubemühete Sorge raubt ihm den Willen hinweg [1a]. Knebel 1, 45; Er schwand, unrühmlich hinweg von Harphen geraubet [1c]. V. Od. 1, 242, auch [1b]: Still im Flug hinweggeraubt | des Honigs hat sie schon. KMayer Lied. 290 etc. Vorāūs-: vorwegnehmen: Die Rede des jüngsten Bruders schien ihm allen Beifall vorausgeraubt zu haben. Nicolai 5, 22. Wég-: fort-, hinweg-r.: Wie ihn der Fluß weggeraubt hatte. Geßner 2, 71; G. 34, 197; Alles wurde unter den Händen weggeraubt. Knebel 3, 106; Verschwunden | ist meine Bertha, heimlich weggeraubt. Sch. 543b; So raubt das Küchlein der geschwinde Weihe | der Glucke weg. Streckfuß Rol. 2, 39; Tieck A. 2, 221; Uhland 239; W. 12, 276 etc. Zurück-: Geraubtes raubend zurückerlangen. Spielhagen Pr. 5, 61. Zusámmen-:
1) gemeinsam rauben.
2) durch Rauben zusammenbringen: Man raubt sich ein paar Stühle zusammen. Kohl Südr. 2, 12; Ein Königreich z. Sch. 1042a; W. 9, 86 etc.