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rasen um-rasen um-rasen
III. Rāsen: 1) intr. (haben) mit wildem Ungestüm wüthen, toben, von Pers., die außer sich sind (in engrem Sinne:
die sich in einem Ausbruch der Tollheit und Tobsucht befinden) und von Dingen (auch imperson.), s. 2: Habe ich der Unsinnigen zu wenig, daß ihr Diesen herbrächtet, daß er neben mir rasete? 1. Sam. 21, 15; „Paule, du rasest! die große Kunst macht dich r–d [s. 5a]“ .. Ich rase nicht, sondern ich rede wahre und vernünftige Worte. Ap. 26, 24; Die Glocken r. [tönen wild und ungestüm] auf den Thürmen. Freiligrath Pol. 2, 42; Ich irre, rase schon. G. 4, 11; Nie geläng’s, die innre Gluth zu stillen; | schon rast’s und reißt’s in meiner Brust gewaltsam. 2, 98; Gleich möcht’ ich mit zum Reihen | und tanzen und r.! 8, 249; Überall raste die Wuth und die feige tückische Schwäche, 5, 55; Während oben Die im Tanze rasten. Gutzkow R. 4, 257; Ich raste; ich hatte keine Besinnung mehr. 5, 519; Und doch rast dies der Erde Urgewimmel | zu jeder Stunde noch im Menschenherzen. 9, 508; So werde ich nicht zürnen, ich werde r. L. Samps. 2, 1; Du er- innerst mich, daß ich nicht gegen den Rechten rase [meine Wuth auslasse]. 7; Es rast das schnelle Mordmetall | und Reihen Krieger trifft der Fall. Lichtwer 277; Sie toben oder r. Luther 5, 142b; Dinget nur die halbe Welt zusammen | und raset wider einen Mann! Ramler 46; Ein Gerücht .., | der König rase gegen Kind und Mutter. Sch. 289b; Da rast der See und will sein Opfer haben. 518a; Wie die Hektik rast er mir im Blut. Schlegel Haml. 4, 3; Könnte doch Verrücktheit, Aberwitz so r. nicht [so toll sein], | allein hierher zu kommen. Tieck Cymb. 4, 2; [Das] macht euch heimlich r. [vgl. 5a]. W. 20, 164 etc. Selten und dichter.: Harfenschwung aus angenehmern Sternen | ras’ ich [wähn’ ich entzückt, außer mir], in mein trunknes Ohr zu ziehn. Sch. 3a etc. 2) intr.: mit wildem Ungestüm sich bewegen, stürmen, mit „haben“ (s. 1), wenn der Ungestüm und wilde Lärm der Bewegung, mit „sein“, wenn die Ortsverändrung hervorgehoben wird: Er aber raste von dannen und nahm die Matratze mit. Droysen Ar. 3, 453; Wie rast die Windsbraut durch die Luft! G. 11, 172; Berauscht .. war er nach Hause geschwankt, war auf den Fortunaball gerast. Gutzkow R. 8, 31 (vgl.: Er hatte aufdem Ball gerast = wild getanzt, s. u.: Roquette); Indeß der Tyrann der Musik, die Orgel, wie ein Orkan darein rast. Heinse A. 1, 46; Man raste auch nicht so wirbelhaft durch den Saal, man tanzte in gemessenem Schritt. Roquette E. 200 etc. (s. 1). 3) (s. 1) tr.:
a) (vgl.: Einen Gang gehn etc.): Allen Wahnsinn übertreffen, den die Menschen von ihrem Beginn gerast haben. Klinger F. 31; Zeit, eine Scene der Verzweiflung mit ihrem Buhlen zu r. [r–d aufzuführen]. 182; Mit stierem, | vorgequollnem Auge rast’s der Jude [ruft er es r–d etc.]. Schubart 2, 62; Was die Fürsten r. [r–d thun, verschulden], immer büßen’s | die Griechen aus. W. HB. 1, 62 etc.
b) tr. und refl.: mit Angabe der Wirkung: Und stürmt die Steppe ungeheuer, | sie rast sich an drei Festen mild. Jahn (Ausw. d. Lied. 17), sie rast so lange, bis sie mild wird, bis ihr R. sich an den Festungen bricht etc.; Will Unglück dich zu Boden r. Kosegarten; Mit ihren schönen im Spiel hochroth gerasten Bäckchen. EWagner 9, 154 etc. 4) (s. 1) im substant. Jnfin. (vgl. Raserei): Der Herr wird dich schlagen mit Wahnwitz . . und R. des Herzens. 5. Mos. 28, 28; Wie er schalt, mir fluchte, lästernd raste! | doch willkommen sei des Fluches R.! G. 10, 292; Sie zürnte fast zum R., | daß etc. W. 15, 225; Das ist zum R. = zum R–d-werden (5a) etc. Auch in Zsstzg.: Das Liebes-R. etc. 5) in adjekt. Partic. Präs.:
a) (s. 1) R–de [wahnsinnig wüthende] Personen; R–de [tolle] Hunde; Toll, r–d und unsinnig. Agricola 485; Die R–de! Cham. 4, 70; Daß der Sieg der r–dsten [Partei] zu Theil ward. Gentz Rev. 95; Jch werde r–d, toll. G. 4, 10; Sie werden mich am Ende noch r–d machen! 8, 206; Da will ich mich wieder gescheit oder völlig r–d gaffen. 9, 43; Wie ein R–der zu toben. 11, 120; Sie tanzt mich r–d, ich werde toll. Heine Rom. 36; Jagte wie ein R–der zum Burgthor hinaus. Pfeffel Pr. 8, 174; Die Frauen lieben die Gallen mit der größten Leidenschaft, die Gallen lieben hinwieder die Frauen bis zum R–d-werden. W. Luc. 5, 315 etc., dichter. auch von Sachen: Wo .. | das Thal vom r–den [wildlärmenden etc.] Puchwerk schallt. Zachariä 2, 262 etc.
b) (s. a) auch meton. und verallgemeinert, vgl. z. B.: Er ist r–d eifersüchtig, im höchsten Grade, schrecklich, und: Seine r–de Eifersucht; Von dieser r–den Liebhaberei. W. Luc. 6, 238; Die Sehnsucht wird immer r–der. Gerstäcker Äq. 2, 25; Wo bin ich? R–der Betrug! Sch. 260b, schrecklicher, zum R–d-werden; Den r–den Vorsatz gefasst. Gentz Rev. 118, wie ihn nur ein R–der fassen kann; Im r–den Dreher geschwungen. Scherr Nem. 2, 45, im wilden, ungestümen Tanz, wobei man dahinrast etc., dann auch nur zur Bez. eines hohen Grades, vgl. fürchterlich, schrecklich etc.: Es hat sie r–d viel Menschen gekostet. Forster Br. 2, 544 etc.
c) in Zsstzg. (s. a): Der liebes-r–de Gesell [der balzende Vogel]. Brehm (Gartenl. 9, 556a) etc.
Anm. Mhd. râsen, vgl. altn. râsa, laufen. In der Zürch. Bibel (1523) als „ausländig“ erklärt durch toben, unsinnig, fast zürnen“. Vralt.: Einem rosenden Hund. Ryff Th. 11; 15 u. o. Man untersch das Impf.: Ich raste von dem Präs. von rasten: ich raste, s. Sanders Orth. 68.
Zsstzg. vgl. die von toben, wüthen, brausen, stürmen etc. (und als vrsch. die von II), z. B.: Äb-[3]: sich matt, müde rasen: Dank meinen ermatteten, abgeraseten Gliedern. Holtei Jahr 2, 296. An- [2]: Den wild a–den Bergstrom etc., auch tr.: Wenn der Nordwind mich anraset. Schirmer Ros. 33. Āūf- [2]: Daß zerwühlt aufraset der Abgrund. V. Ov. 2, 224; Als gallsüchtiger, um Kleinigkeiten a–der nie zu besänftigender Lästerer. Ders. (Paulus Leb. 27).
Āūs-: austoben:
1) intr.:
a) zu Ende rasen: Wenn andere Leute in der Fasnacht ausgeraset haben, so fangen sie .. erst an. Fischart B. 153a; Ausgeraset dein Feuer, erloschen sind deine Flammen. ETAHoff- mann Ausgw. 7, 309; Sch. 456b; V. 3, 59 etc.
b) in rasendem Erguß sich bis zur Erschöpfung Luft machen: Lieber, daß die wilde Jugend in Frankreich als im Vaterland ausrase. JvMüller 24, 254; Jetzt raste die Stille des Volks in den brüllendsten Laut aus. Sch.
2) refl.: (1a und b) Der Sturm der Leidenschaften rast sich aus (1a). Frese G. 1, 267; Im Tanze sich a. (1b). G. 22, 7; Ein furchtbares Wetter, das sich in Donnerschlägen .. ausgerast (1b). König 15, 309; Der beste Mann rast sich erst aus (1b). V. Sh. 2, 265 etc.
3) tr.: (s. 1b) Etwas in rasenden Ergüssen ausbrechen lassen, so daß man danach zur Ruhe kommt: Zu dem Lager der Feinde, daß wir die kühne Begeisterung a. Klinger 2, 157; Er raste an ihrem schwellenden Busen seine Gluth aus. 3, 108; Seinen beleidigten Künstlerstolz auszuweinen, aus-zu-r. Wehl Allerw. 157 etc. Dahêr-, dahin- [2]. 1. Durch-: tr.:
1) Etwas rasend durchziehen, durchstürmen: Daß alle Symptome dieser .. Krankheit .. mein Jnnerstes durchrast haben. G. Zelt. 2, 44; Ihr [der Revolutionsschlange] Kopf durchrast Paris. Kl. Od. 2, 142; Wie durchraset mir der Geist | des Bassareus die Seele! Ramler 10; Wie hat sie mit Gebrüll den Wald durchrast, durchschnaubt! Rückert W. 3, 73; Mich durchrast noch Liebe! Sch. 621b etc.
2) Etwas in rasender Eile durchmachen, zu Ende führen: Nach rasch durchrastem Tanze. G. 11, 64.
3) Eine Zeit d., rasend verbringen (s. 2 und II). II. Dúrch-: zuw. statt I, z. B. (s. I 3): In der Stille zu schlafen, nachdem sie öffentlich ihre Nächte durchgerast haben. Zimmermann Eins. 47 etc., ferner intr. (sein) = hindurch-r. Einhêr- [2]: Da kommt St. auf dem rohen Pferde einhergerast. Laube Band. 1, 80. Empōr- [2]: Sie rast oft empor mit dunkler Gewalt, | als ob ein Dämon sie riefe. Gottschall G. 41. Ent- [2]: Anschwellend entrast er [der Fluß] den Borden. Entgêgen- [1; 2]. Fórt-:
1) fortfahren zu rasen, weiter rasen, z. B.: tanzend. G. 22, 14.
2) [2] von dannen rasen, weg-r. Hêr- etc. [2]: Hört’ ich die See nicht, aufgeschwellt vom Sturm, h.? V. Sh. 3, 358; Sie rasen heran, wie der höllische Feind. PHeyse Nov. 131; Rase in dies Leben hin- ein! Gutzkow Lenz 111, auch [3b]: Ein revolutionäres Volk .. rast selbst in das Bodenlose hinein. Klencke Stolb. 1, 236 etc.; In einen Abgrund hinuntergerast ist er. Freytag DW. 274; Unter Schnee und Nebelschauer | rast ein Ätna dir hervor. G. 4, 92 etc. Mít-: mit Andern rasen. Nāch-: z. B.:
1) [2] Wild stürmt er dahin, nachrast ihm die Schaar etc.
2) Besser in der Jugend ausgerast als im Alter nachgerast! das an Raserei Versäumte nachholend.
3) tr.: Laut aufschmettert die Welt vor Triumph, nachrast [rasend, tobend wiederholt] ihn der Himmel. Sonnenberg D. 1, 464 etc. Über-: z. B.: Den Waldstrom, der sein Bett überraset. Spindler Vog. 2, 215, es rasend übertritt; Einen ü., ihn an Raserei überbieten, übertreffen etc. I.
Um-: tr.:
in rasender Weise, z. B. mit rasendem Lärm etc. umringen etc.: Das Opfer wird . . von seinen Verwandten .. umrast [wildlärmend umtanzt etc.]. Gerstäcker Miss. 3, 361; Ruhig inmitten des ihn u–den Kampfes. Stahr Par. 1, 11; Umrast von jeder wilden, | entflammten Raubbegier, | flog auf Peru’s Gefilden | das christliche Panier. Tiedge Ep. 1, 236. II.
Úm-: 1) intr. (sein):
[2] umher-r.: Den Zauberstier, | der dorten umrast, wild nach Menschenmord. Fouqué Dr. 1, 158. 2) tr.: rasend umwerfen etc. Umhêr- [2]: um-r. II 1: Er ließ das junge Ehepaar, wie er sich ausdrückte, u. Immermann M. 3, 412. Ver-:
1) intr. (sein): zu Ende rasen, ein Ende des Rasens finden, vgl. aus-r.: Solcher Wahnsinn kann nur in der Hölle v. Jahn M. 332; Daß der Sturm verrase. Kosegarten Rh. 1, 43.
2) tr.: faktitiv zu 1: Hab’ ich im Stolz der Jugend | der Monden viel verrast [rasend vergeudet]. 3, 383; Daß ich in diesem letzten hitzigen Fieber den letzten Rest meiner jugendlichen Thorheiten verraset habe. L. 12, 164, daß sie damit verrast sind etc. Vorǖber- [2]: Den v–den Orkan. H. Ph. 4, 248. Wég- [2]. Zusámmen-:
1) vereinigt, gemeinsam rasen: Das Alles raste zusammen in meinem durch Liebe und Leidenschaft, Wein und Tanz aufgeregtem Blute. G. 22, 16.
2) [2] sich rasend, mit Ungestüm vereinigen etc.: [So] stürzten, flogen, rasten Geist und Geist zusammen. Sch. 124a etc.