Faksimile 0630 | Seite 628
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Rächen
Rä́chen, räch(e)te; geräch(e)t, gerochen (s. 4. und Anm.):
1) tr., refl. mit persönl. (oder personif.) Subj.: Rache üben: Jemand rächt einen Andern oder sich (selbst) für eine Diesem oder ihm zugefügte Kränkung, Beleidigung, Missethat etc., oder wegen derselben, oder —: er rächt die Kränkung, Beleidigung, Missethat etc. an dem Beleidiger, Missethäter, Übelthäter, Feind etc., durch oder mit Etwas, wobei natürlich eine oder die andre Bestimmung auch fortbleiben kann. Hierfür bedarf es im Allgem. keiner Belege (s. auch Anm.), doch erwähnen wir einige besondre, minder gew. Anwendungen (a) und Fügungen (b), so:
a) Jch will des Menschen Leben [wenn es ihm geraubt wird, also = Mord] rächen an einem jeglichen Menschen [Mörder]. 1. Mos. 9, 5; An dem frevelnden Geschlecht | rächet Zeus das [verletzte] Gastesrecht. Sch. 53b etc.; Bemerkt, scheut man Verbrechen; | man ziehet auf das Land, sich an dem Zwang zu r. [sich für den erduldeten zu entschädigen]. Cronegk 2, 103; Am rohen Glück will ich das Edle r. [was das Schicksal an dem Edlen roh verbrochen u. durch Erniedrigung desselben verschuldet, will ich gutmachen und sühnen]. Sch. 46a; Nehmen Sie diesen Dank, bis ich mich auf andre Weise r. kann. Wille (Merck’s Br. 1, 231) wie revanchieren (s. d.) von der Vergeltung im guten Sinn.
b) zuw. o. Obj.: Es lebt ein Gott, zu strafen und zu r. Sch. 544b etc., ferner: Ihn zu hassen und uns an ihn [wohl nur Druckf. statt ihm] zu r. Börne Frz. 49; Verzieh, Herr, .. | dich wider mich zu r. Weckherlin Gd. 18 und veralt. mit Genit. statt für, wegen etc.: Die wollte mit dem Schwert sich r. ihrer Nöthen. Opitz. 2) refl. mit sachl. Subj.: Etwas Gethanes rächt [straft] sich, trägt für den Thäter die übeln Folgen in sich, wodurch er gestraft wird und büßt: Stellt willig euch nicht taub und blind, es rächt sich. Cham. 4, 74; Dann überlasst ihr ihn der Pein, | denn alle Schuld rächt sich auf Erden. G. 16, 159; Wenn auch schon die Verspätung übel sich gerochen hat. Görres Ver. 108; Nichts rächt sich in der Geschichte mehr als der versäumte Augenblick. Gutzkow R. 6, 252 etc. zuw. auch ohne „sich“ oder intr.: Wahrer Freude folgt Nachgenuß, Ausgelassenheit rächt mit Nachwehen. Jahn V. 345 etc. 3) im Partic. Präs. zuw. verschmelzend mit dem Obj. (s. 1): Blut-r–de Araber; Die mord- r–den Erinnyen; Kind-r–der Groll. WHumboldt 3, 9 etc. 4) im verneinten Partic. Pass.:
a) Ich, der Mörder, sollte glücklich sein | und deine heil’ge Unschuld ungerächet | im tiefen Grabe liegen? Sch. 515b; Niemals | ward von dem Hundert der Häupter ihr eins ungerächet enthauen. V. Ov. 2, 114 etc., selten mit Ausstoßung des „e“ der letzten Silbe, wegen nahliegender Mißdeutung, wie absichtlich, wortspielend: Besser ungerächt als ungerecht. Rückert Mak. 1, 37 etc.
b) Ich will ihr Blut nicht un- gerochen lassen. Joel 3, 26; Luther 5, 9a; SW. 26, 71; Nicht ungerochen [ohne sich zu r.] stirbt, wer männlich fechten kann. Sch. 36a; 267a; Ungerochen wird Kupido nie verachtet. W. 12, 164; 26, 372 etc. 5) statt des Abstrakt. auf ung gilt Rache, s. d., Anm. (Rachung). 6) Rächer, s. u.
Anm. S. Rache, Anm. Im Allgem. ist heute die schwache Abwandlung durchgedrungen; nur im Partic. findet sich noch in gehobner Rede nicht selten gerochen, s. 4a und b und vergl.: Ihr sollt gerächt werden. G. 8, 146; 9, 256; 295; 296; Gutzkow B. 197; Weil das Blut des Beleidigten, aber noch nicht Gerächten schreie. Kant Anthr. 233; Sich gerächet zu sehen. L. Samps. 5, 10; Thümmel 2, 167; Dies Schwert .. | hat Unschuld stets gerächt. W. 12, 207 etc. u.: Das soll 7fältig gerochen werden. 1. Mos. 4, 15 etc.; Berlichingen 221; Hat Gottes Donner den Bruder gerochen? Geßner 1, 212; 2, 119 etc.; Hätt’ er .. die Schande billig gerochen. G. 5, 165; 8, 95; 13, 12; 28, 107; 173; 194 etc.; Gutzkow 11, 48; L. 11, 260; Möser Ph. 1, 216; JvMüller 1, 83; 347; Der ungeheure Frevel soll | mit Blut gerochen sein. Platen Pol. 24; Rückert Morg. 1, 141; 178; Sch. 59a; 115b; 1028a; Die gerochne Welt mit Riesenblute färben. W. 3, 6; 5, 140; 7, 14; 9, 105; An Spröden, die mir Hohn gesprochen, | hat mich noch allezeit ihr eignes Herz gerochen. 10, 13; 17, 146; 20, 68 etc. Im Jmperf. dagegen gilt schon bei Luther gew. die schwache Form: Er „rechete“ Den, dem Leide geschah und erschlug den Ägypter. Ap. 7, 24; Jos. 10, 13 etc., dagegen vralt.: Er rach allen Unbill. Fischart Garg. 289; Der Verrätherei er rach (s. 1b). Teuerdank 91 etc., vgl. Jmperat.: O Herr, Das rich! Waldis Ps. 123, 3 etc., s. Schm. 3, 14. Vralt., mundartl. Nbnf.: rechnen ebd.; Hammer RH. 272; Kantzow 2, 219; Der martert sich und rechent mich an ihm selber. Luther 6, 8b; Angerichtete Abgötterei kann mit zeitlicher Strafe nicht genugsam gerechent werden. 8, 223b; (Das kann keine zeitliche Strafe genugsam rechen. ebd.); SW. 35, 45; Aller verlaufner und geschehener Ding .. gegen einander mit zu äfern noch zu rechnen. Schaidenreißer 102a etc., seltner: Ich wollt mich vor ein wenig regen und brannt in einer Nacht an dreien Orten. Berlichingen 169.
Zsstzg. selten, z. B.: Ab-: rächen, so daß, wenn nicht das Ganze, doch ein Theil der Schuld dadurch gesühnt ist, abrechnend: Um an dem Manne des Volks heimlich abzurächen, was das Volk einst öffentlich an einem der Ihrigen verübt hatte. Heine Reis. 2, 160; Rahel 1, 309 etc.