offen
Offen, a.:
1) (ohne Steigrung) nicht zugemacht, nicht ge- oder verschlossen, — daher auch (mit Steigr.) frei zugänglich (s. a) und oft nahe an 2 grenzend: Etwas Verschließbares ist, bleibt, steht o., — es o. haben, halten, lassen (s. auch vergessen 1); es o. finden, sehn, erblicken etc., z. B.: Die Thür eines Zimmers, das Zimmer ist o. etc.; O–e Thüren, Fenster, Zimmer, Stuben, Häuser, Thorwege, Thore, Städte (s. a); O–e Kisten, Kasten, unverschlossen oder ohne Deckel (vgl. 2), so: O–e Geräthe, Pokale etc.; O–e [nicht zugeschüttete, zugemachte] Gruben, Gräben etc.; O–e [nicht zugeheilte] Wunde; O–er (Leibes-) Schaden, sichtbar daliegend (s. 2) etc.; O–e [unversiegelte] Briefe (s. b), Billette etc.; O–e Augen, nicht geschlossen, wie bei Schlafenden oder Todten (versch. a und 2); Mit o–em Munde dastehn, gaffend, s. maulaffen etc.; Ein Platz ist o., unbesetzt, leer, so daß Einer oder Etwas dort eine Stelle finden kann; Eine Zeile o. lassen etc., so auch: Ein o–es [erledigtes, eröffnetes] Lehen; Eine o–e [vakante] Stelle, s. a; Sobald ein Ehrenstand dort o. ist. Fr. 349; Die Superintendur ist o. 2, 389 etc. deutsches Wörterb. II. —
a) freien Zugang, Eintritt gewährend, wobei Der oder Dasjenige, dem der Zugang frei ist, im Dat. oder mit „für“ beigefügt werden kann: Einem bleibt eine Hinterthüre (s. d.) o.; sich eine Hinterthüre o. halten, lassen, zum Entschlüpfen etc.; Die neuen Bürger ziehen | .. in das gastlich offne Thor. 56b etc.; Der Laden, das Geschäft ist bis Mittag o. (für die Käufer); Das Museum, die Gallerie ist o. (für das besuchende Publikum); Die Post ist nicht mehr o., ist geschlossen (für die Annahme von Briefen etc.); Gestern war die Bibliothek schon zu, als ich Ihren Brief bekam, und jetzt, da ich schreibe ist sie noch nicht o. Br. 1, 359 etc.; Mein Haus ist (steht) dir immer o., du findest dort Aufnahme, bist willkommen; Willst du in meinem Himmel mit mir leben, | so oft du kommst, er soll dir o. sein. 71b etc.; im Mittelalter etc. auch: Es ist auch des Bischofs Schloß zu Arbon dieser zehn Orten, dazu der Bürgerschaft, in Kriegsnöthen o. Haus. 494b, sie haben das Besatzungsrecht, s. 1, 33 etc.; O–e Kasse bei Jemand haben, so viel Geld von ihm entnehmen können, wie man wünscht etc.; Mein Land steht dir o.; wohne, wo dir’s gefällt. 1. 20, 15; 13, 9, ich „will“ dir überall gern Eintritt etc. gewähren, — vgl. dagegen: Das ganze Land bis München lag dem Eroberer o. 947a; 946b, in seiner Gewalt, es „konnte“ ihm den Zugang etc. nicht wehren, und so: O–e [unbefestigte] Städte. 25, 28; Ein o–es [gegen feindliche Einfälle unverwahrtes] Land; Ihr seid Kundschafter ... zu sehen, wo das Land o. ist. 1. 42, 9 etc.; Einem abgehenden Kommis etc. seine Stelle noch eine Zeit lang o. halten, so daß er wieder eintreten kann; Zwei Gedecke für etwa noch eintreffende Freunde o. zu halten. Dicht. 1, 32 etc.; Beim Schreiben eines Kontrakts Platz für die Namen o. lassen etc.; Des saronischen | Meerbusens weit den Blicken offnen Strand. 3, 43 etc.; Ein o–es [empfängliches] Auge, Ohr, einen o–en Sinn für Etwas haben, so daß dies in dem Sinn leicht Eingang findet; Ein o–es Auge für die Naturschönheiten haben; Die Schmeichler finden bei ihm immer ein o–es Ohr; Sein Ohr ist den Schmeicheleien o.; Schmeicheleien, Einflüsterungen, guten Lehren, guten Rathschlägen ein o–es Ohr (dar)bieten, leihen; Daß die Niedern | sich ihres offnen Ohrs bemächtigen. 493b; Ein für alle Eindrücke o–es Herz; Je o–er wir für diese Genüsse sind. 22, 159; Alle Quellen natürlicher Empfindung, die der Fülle unserer Väter o. waren, schließen sich ihm. 31, 18; Einer.. schon den zartesten Gefühlen o–en Nation. 33, 321; So stehet seiner Wünsche Schlund | zuletzt den Millionen o. 1, 82, seine unersättlichen Wünsche gehn bis in die Millionen, diese finden in seine Wünsche Eingang: Weich | ist euer Herz gebildet, o. ist’s | der Scham. 409a; In dem Alter, wo die Seele, jedem Eindruck o., sich ebenso leicht mit edeln Gesinnungen füllt. 8, 214 etc. Ähnlich: Ein o–er Kopf, (s. d. 3b), der unbefangen, Alles leicht fasst, vgl. als Ggstz.: ein vernagelter etc. Ferner z. B.: Der Weg ist nur für Fußgänger o., für Wagen und Reiter gesperrt; „Wandle!“ rief’s, „der Weg ist o.“ [frei]. 48a etc.; Das Wasser ist wieder o. (für die Schifffahrt), frei von Eis; Die Erde ist noch nicht o., frei von Frost, so daß man grabend etc., den Acker bestellend, leicht eindringen kann etc. —
b) daran reihen sich (s. a u. 3) einige Verbind. mit bes. nüancierter Bed., z. B. (alphab. nach dem Hw.): Mit o–en Armen (s. d. 1f) Einen aufnehmen, empfangen etc. — Einen freien o–en Born haben wider die Sünde. 13, 1, Allen frei zugänglich, woraus Alle schöpfen können (s. 3), — versch.: Ein o–er [nicht zugedeckter] Brunnen etc. — Ein o–er Brief (s. 1), auch: mit einem für Jedermanns Kenntnis best. Inhalt (s. 3 und Patent 1a). — O–e Brust (s. d. 3e), vgl. ferner 2. — Das o–e E, Ggstz: das geschloßne (frz. e ouvert und fermé), dies mit mehr geschloßnem, jenes mit mehr geöfsnetem Munde gesprochen und so in der Aussprache sich dem ä nähernd. — Auf freiem o–em Feld (s. d. 2), im Ggstz. der von Mauern umschloßnen Stadt etc. (s. 3), seltner (vgl. frei 3b): Ich muß mich im O–en dehnen (Er macht die Glasthür auf etc.). 162a, — vgl. ferner: In o–er Feldschlacht etc.; ferner: Einem o–es Feld (s. d. 7) lassen. — Eine noch o–e Frage, unerledigt, noch nicht zum Abschluß gekommen, so daß deren Lösung noch frei ist. — O–er Gang, z. B. eine Halle, die an einem oder an beiden Enden o. ist oder auch (s. 2) oben unbedeckt etc., ferner (Bergbau): ein Gang (s. d. 7a) voller Drusen und Klüfte. — O–er Hafen, o–e Rhede, nach der Seeseite zu o. und so ohne Schutz gegen Wind und Wellen, Ggstz. beschloßne Rhede; — aber auch zuw. = Freihafen (s. 3). — O–e Hand, Ggstz. zugemachte, geschloßne, nam. in Bezug aufs Geben, z. B. Mak. 1, 71 etc., aber auch aufs Nehmen, z. B. 13, 230; 2, 173. — O–er Harnisch, Ggstz. geschloßner, nam. auch Weber.: (s. Harnisch 3), dieser mit zwei, jener mit einer Harnischschnur in jeder Rahmschnur, vgl.: Geschloßne Kette, wobei die Fäden des Aufzugs in einer Linie liegen; gespaltne oder o–e, wo sie durch die Fußtritte in zwei Hälften getheilt sind. — O–es Konto, o–e [laufende] Rechnung, eine nicht abgeschloßne. — O–en Leib [gehörige Darmausleerung] haben, Ggstz.: verstopft sein; Sich den Leib o. halten etc. — Auf o–em Meer, auf o–er (oder offenbarer) See (s. u.) sein, so weit entfernt vom Lande, daß man sich nirgends davon umgeben sieht. — In o–er Rechnung stehn, s. o.: Konto. — O–e Rhede, s. o.: Hafen. — Ein Schiff o. halten, sich das Aussegeln desselben o. halten; sich so davon (luvwärts) halten, daß man es aussegeln kann. — Wir befanden uns .. bereits außerhalb Landes in o–er See. R. 1, 141, s. o.: Meer. — O–e Tafel halten, im Freien oder doch so, daß Zuschauenden der Zutritt gestattet ist etc.: Sie ist wohl Bettlerkönigin, | die offne Tafel hält. 388. — O–e Tage (veralt. Rechtsspr.): an denen die Schranken des Gerichts geöffnet waren. — O–er Wechsel, nicht auf eine bestimmte, abgeschloßne Summe lautend, sondern fortlaufend, für Jemandes Bedarf sich ausdehnend (Kreditbrief), s. o.: Konto. — Schiff.: O–er (raumer, breiter) Wind, Backstagswind, dem alle Segel o. stehn, so daß er eine breite (raume) Fläche findet. — O–e Zeit, in der die Benutzung, der Gebrauch von Etwas o. ist, freisteht, Ggstz.: geschloßne Zeit, — z. B.: Das Vieh zu o–en Zeiten ins Gehölz treiben, zur Weide etc. —
2) unbedeckt, unverdeckt, z. B. (s. 1): Oben o–e Hallen, Gänge etc.; O–e Wagen, Fahrzeuge (ohne Verdeck); Landwirthsch.: O–er (offenbarer) Frost, Barfrost, der die Erde noch ohne Schneedecke trifft; Dem Feind die o–e [nackte] Brust entgegentragen; Der glanzvoll offne [unverhüllte] Schoß des Tages. 528a; Am offnen [hellen] Tage. etc.; O–es Gesperr (Uhrmach.), frei sichtbar an der Schnecke der Taschenuhren angebracht; O–er [äußerlich sichtbarer] Leibesschaden; Etwas liegt o. [unverhüllt, frei sichtbar] da, zu Tage, vor Aller Augen; Da brach es auf, da lag es kund und o., | aus welchem Beutel ich gewirthschaft hatte. 343a etc.; Nachdem er seine Karten ... verborgen hält, sollen wir die unsern auflegen und ein o–es Spiel gegen ein verdecktes spielen. 18, 85; Einen o–en Misere (s. d.) spielen, mit aufgedeckten Karten etc.; Etwas o. zeigen, z. B. 2, 2, 658; Hier zeigt sich seine Dummheit, Schlechtigkeit etc. o.; Er zeige frei das offne Laster. 6, 33; Zum o–en [rückhaltlosen] Spott der Thoren. Mak. 1, 104 und oft (s. Offenheit): ohne Hinterhalt und Verstellung, sich, wie man ist, gebend und zeigend (vgl. o-herzig, aufrichtig etc.): O–e Gegner, Feinde, erklärte, die Feindschaft nicht verhehlende; Im o–en ehrlichen Kampf; Jemand, seine Ansichten o. bekämpfen; Frei und o. mit der Sprache herausgehn, mit seiner Ansicht hervortreten; Sich o. über Etwas aussprechen; Etwas o. äußern, gestehn, bekennen; O–es Geständnis, Bekenntnis; Jemand, — sein Herz, Gemüth, seine Seele ist o.; Jch bin o. und gutmüthig . ., du bist versteckt und still. 21, 233; Ottilie war kindlich heiter, nach ihrer Weise konnte man sie o. nennen. 15, 102; Begann sie das Gespräch .. um so mehr o. und zuversichtlich. 125; Ein geschäftiges Leben [macht] den o–sten [Menschen] vorsichtig. 30, 301; Gegen dich ist’s offne, treue Meinung. 13, 190; Bar und o. etc. Danach auch vom Außern, als Spiegel des Innern: O–e Physiognomie, Miene etc.; O–er Blick; o–es Auge (versch. 1; 1a), Aussehn, Gesicht, Äußere, Wesen, Benehmen etc., auch subst.: Etwas O–es im Wesen haben etc. —
3) als attrib. Ew. (ohne Steigr.) in einigen Verbind. fast = öffentlich (s. d.), z. B.: Einen o–en Laden, ein o–es Geschäft haben, wobei die Waaren o. zur Schau gestellt werden (s. 2) etc.; Auf o–er (Land-) Straße, wo Alle gehn etc.; Auf 59 o–em Markt, Platz Lthr. 68), Weg 1, 264) etc.; Iu o–er Versammlung, wo Niemand ausgeschlossen, Alle zugegen sind; Auf o–er Kanzel. 122b, wo es das ganze Publikum hört; In o–er Gant, in öffentlicher Versteigrung, wozu Jedem der Zutritt und das Mitbieten o. ist; O–es Instrument (s. d. 4), veralt. Rechtsspr.: von einem öffentlichen Notar streng nach der Form Rechtens ausgestellt etc. —
4) substant.: Das O–e, s. 1b: o–es Feld und 2 am Schluß.
Anm. Ahd. of(f)an, mhd. of(f)en, Participialbild. zu ûf, auf (sod. †), — das im eig. Sinn von geöffnet sich mit o. (aber natürlich nur als adv.) berührt, doch nicht das Seinde, sondern das Bewirkte bez., vgl.: Eine Schachtel ohne Deckel ist o.; man macht aber eine Schachtel auf, indem man den Deckel auf [d. h. empor] zieht und abnimmt; Diebe nehmen nicht nur aus o. stehenden Schränken Geld, sondern brechen auch die verschloßnen auf; Die Stellen der künftigen Fenster werden nicht zugemauert, sondern bleiben o. Ich habē das Fenster aufgemacht und es soll auf [ellipt. = aufgemacht, geöffnet] bleiben oder: o. bleiben und so ellipt. auch: Auf [= geöffnet] sein, stehn, lassen etc., z. B.: Die Thür ist auf. 6, 280; 276; Die Fenster standen alle auf. 2, 293; Wenn das Schutzbrett an einer Wassermühle auf [gezogen] ist, so ist die Wasserrinne auf (oder o.) etc., s. auflassen 3 (dagegen gw. nur: Ich fand das Haus o., — nicht: auf, wegen der Zweideutigk., s. auffinden); ferner ohne Zeitw., z. B. (imperat.): Auf, meine Augen! 6, 278 = öffnet euch etc., seltner: Und auf [etwa: ging, flog etc.] die Thür! und Röschen lief | hinaus etc. Ir. 6, 322 etc. Tadelhaft ist o. st. auf in Zsstzg. wie auf- machen, -schließen, -brechen etc. — Steigr. s. oben (1; 2) nur in übrtr. Bed.
Zsstzg. — oder eig. Zusammenschiebungen — z. B.: Flügel-: von Flügelthüren, mit beiden Flügeln ge- öffnet, weit-o., auch übertr.: Wenn ein sehnend Hoffen | ... Erfüllungspforten findet f. G. 12, 6 etc., vgl. schwzr.: Mangel-o., von einer gw. Thüre etc., bis am Angel (od. ganz) offen. Stalder 2, 196, s. weit-o. —
Hálb-: z. B.: Die Thür stand h.; Der Mund war h. Stilling 1, 134 etc. und nam.: In einer h–en Beichaise. Hackländer SoldKr. 5; H–er Wagen etc., mit halbem Verdeck. —
Héll-: weit-o.: H. liegt vor uns die Welt. Freiligrath 2, 225. —
Wēīt-: weit geöffnet etc., Ggstz.: halb-o.: Mit w–en Nasen. H. Ph. 4, 19; Mit w–en Augen. W. 21, 129; Mit einer w–en Wunde. Luc. 1, 50 etc., auch: Die Thür sperrweit-o., sperrangelweit-o., vgl. flügel- o. —
Wélt-: weit-o. wie die Welt, s. weltoffenbar etc.: Wie Homer die w–e Entfaltung eines jugendlichen Heroenlebens darstellt. Augsb. Zeit. (44) 2353a.
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