Faksimile 0467 | Seite 465
Faksimile 0467 | Seite 465
Faksimile 0467 | Seite 465
Faksimile 0467 | Seite 465
offen
Offen, a.:
1) (ohne Steigrung) nicht zugemacht, nicht ge- oder verschlossen, daher auch (mit Steigr.) frei zugänglich (s. a) und oft nahe an 2 grenzend: Etwas Verschließbares ist, bleibt, steht o., es o. haben, halten, lassen (s. auch vergessen 1); es o. finden, sehn, erblicken etc., z. B.: Die Thür eines Zimmers, das Zimmer ist o. etc.; O–e Thüren, Fenster, Zimmer, Stuben, Häuser, Thorwege, Thore, Städte (s. a); O–e Kisten, Kasten, unverschlossen oder ohne Deckel (vgl. 2), so: O–e Geräthe, Pokale etc.; O–e [nicht zugeschüttete, zugemachte] Gruben, Gräben etc.; O–e [nicht zugeheilte] Wunde; O–er (Leibes-) Schaden, sichtbar daliegend (s. 2) etc.; O–e [unversiegelte] Briefe (s. b), Billette etc.; O–e Augen, nicht geschlossen, wie bei Schlafenden oder Todten (versch. a und 2); Mit o–em Munde dastehn, gaffend, s. maulaffen etc.; Ein Platz ist o., unbesetzt, leer, so daß Einer oder Etwas dort eine Stelle finden kann; Eine Zeile o. lassen etc., so auch: Ein o–es [erledigtes, eröffnetes] Lehen; Eine o–e [vakante] Stelle, s. a; Sobald ein Ehrenstand dort o. ist. Gryphius Fr. 349; Die Superintendur ist o. L. 2, 389 etc. Sanders, deutsches Wörterb. II.
a) freien Zugang, Eintritt gewährend, wobei Der oder Dasjenige, dem der Zugang frei ist, im Dat. oder mit „für“ beigefügt werden kann: Einem bleibt eine Hinterthüre (s. d.) o.; sich eine Hinterthüre o. halten, lassen, zum Entschlüpfen etc.; Die neuen Bürger ziehen | .. in das gastlich offne Thor. Sch. 56b etc.; Der Laden, das Geschäft ist bis Mittag o. (für die Käufer); Das Museum, die Gallerie ist o. (für das besuchende Publikum); Die Post ist nicht mehr o., ist geschlossen (für die Annahme von Briefen etc.); Gestern war die Bibliothek schon zu, als ich Ihren Brief bekam, und jetzt, da ich schreibe ist sie noch nicht o. Forster’s Br. 1, 359 etc.; Mein Haus ist (steht) dir immer o., du findest dort Aufnahme, bist willkommen; Willst du in meinem Himmel mit mir leben, | so oft du kommst, er soll dir o. sein. Sch. 71b etc.; im Mittelalter etc. auch: Es ist auch des Bischofs Schloß zu Arbon dieser zehn Orten, dazu der Bürgerschaft, in Kriegsnöthen o. Haus. Stumpf 494b, sie haben das Besatzungsrecht, s. Schm. 1, 33 etc.; O–e Kasse bei Jemand haben, so viel Geld von ihm entnehmen können, wie man wünscht etc.; Mein Land steht dir o.; wohne, wo dir’s gefällt. 1. Mos. 20, 15; 13, 9, ich „will“ dir überall gern Eintritt etc. gewähren, vgl. dagegen: Das ganze Land bis München lag dem Eroberer o. Sch. 947a; 946b, in seiner Gewalt, es „konnte“ ihm den Zugang etc. nicht wehren, und so: O–e [unbefestigte] Städte. Spr. 25, 28; Ein o–es [gegen feindliche Einfälle unverwahrtes] Land; Ihr seid Kundschafter ... zu sehen, wo das Land o. ist. 1. Mos. 42, 9 etc.; Einem abgehenden Kommis etc. seine Stelle noch eine Zeit lang o. halten, so daß er wieder eintreten kann; Zwei Gedecke für etwa noch eintreffende Freunde o. zu halten. Auerbach Dicht. 1, 32 etc.; Beim Schreiben eines Kontrakts Platz für die Namen o. lassen etc.; Des saronischen | Meerbusens weit den Blicken offnen Strand. WHumboldt 3, 43 etc.; Ein o–es [empfängliches] Auge, Ohr, einen o–en Sinn für Etwas haben, so daß dies in dem Sinn leicht Eingang findet; Ein o–es Auge für die Naturschönheiten haben; Die Schmeichler finden bei ihm immer ein o–es Ohr; Sein Ohr ist den Schmeicheleien o.; Schmeicheleien, Einflüsterungen, guten Lehren, guten Rathschlägen ein o–es Ohr (dar)bieten, leihen; Daß die Niedern | sich ihres offnen Ohrs bemächtigen. Sch. 493b; Ein für alle Eindrücke o–es Herz; Je o–er wir für diese Genüsse sind. G. 22, 159; Alle Quellen natürlicher Empfindung, die der Fülle unserer Väter o. waren, schließen sich ihm. 31, 18; Einer.. schon den zartesten Gefühlen o–en Nation. 33, 321; So stehet seiner Wünsche Schlund | zuletzt den Millionen o. Nicolai 1, 82, seine unersättlichen Wünsche gehn bis in die Millionen, diese finden in seine Wünsche Eingang: Weich | ist euer Herz gebildet, o. ist’s | der Scham. Sch. 409a; In dem Alter, wo die Seele, jedem Eindruck o., sich ebenso leicht mit edeln Gesinnungen füllt. W. 8, 214 etc. Ähnlich: Ein o–er Kopf, (s. d. 3b), der unbefangen, Alles leicht fasst, vgl. als Ggstz.: ein vernagelter etc. Ferner z. B.: Der Weg ist nur für Fußgänger o., für Wagen und Reiter gesperrt; „Wandle!“ rief’s, „der Weg ist o.“ [frei]. Sch. 48a etc.; Das Wasser ist wieder o. (für die Schifffahrt), frei von Eis; Die Erde ist noch nicht o., frei von Frost, so daß man grabend etc., den Acker bestellend, leicht eindringen kann etc.
b) daran reihen sich (s. a u. 3) einige Verbind. mit bes. nüancierter Bed., z. B. (alphab. nach dem Hw.): Mit o–en Armen (s. d. 1f) Einen aufnehmen, empfangen etc. Einen freien o–en Born haben wider die Sünde. Zach. 13, 1, Allen frei zugänglich, woraus Alle schöpfen können (s. 3), versch.: Ein o–er [nicht zugedeckter] Brunnen etc. Ein o–er Brief (s. 1), auch: mit einem für Jedermanns Kenntnis best. Inhalt (s. 3 und Patent 1a). O–e Brust (s. d. 3e), vgl. ferner 2. Das o–e E, Ggstz: das geschloßne (frz. e ouvert und fermé), dies mit mehr geschloßnem, jenes mit mehr geöfsnetem Munde gesprochen und so in der Aussprache sich dem ä nähernd. Auf freiem o–em Feld (s. d. 2), im Ggstz. der von Mauern umschloßnen Stadt etc. (s. 3), seltner (vgl. frei 3b): Ich muß mich im O–en dehnen (Er macht die Glasthür auf etc.). Sch. 162a, vgl. ferner: In o–er Feldschlacht etc.; ferner: Einem o–es Feld (s. d. 7) lassen. Eine noch o–e Frage, unerledigt, noch nicht zum Abschluß gekommen, so daß deren Lösung noch frei ist. O–er Gang, z. B. eine Halle, die an einem oder an beiden Enden o. ist oder auch (s. 2) oben unbedeckt etc., ferner (Bergbau): ein Gang (s. d. 7a) voller Drusen und Klüfte. O–er Hafen, o–e Rhede, nach der Seeseite zu o. und so ohne Schutz gegen Wind und Wellen, Ggstz. beschloßne Rhede; aber auch zuw. = Freihafen (s. 3). O–e Hand, Ggstz. zugemachte, geschloßne, nam. in Bezug aufs Geben, z. B. Rückert Mak. 1, 71 etc., aber auch aufs Nehmen, z. B. G. 13, 230; Platen 2, 173. O–er Harnisch, Ggstz. geschloßner, nam. auch Weber.: (s. Harnisch 3), dieser mit zwei, jener mit einer Harnischschnur in jeder Rahmschnur, vgl.: Geschloßne Kette, wobei die Fäden des Aufzugs in einer Linie liegen; gespaltne oder o–e, wo sie durch die Fußtritte in zwei Hälften getheilt sind. O–es Konto, o–e [laufende] Rechnung, eine nicht abgeschloßne. O–en Leib [gehörige Darmausleerung] haben, Ggstz.: verstopft sein; Sich den Leib o. halten etc. Auf o–em Meer, auf o–er (oder offenbarer) See (s. u.) sein, so weit entfernt vom Lande, daß man sich nirgends davon umgeben sieht. In o–er Rechnung stehn, s. o.: Konto. O–e Rhede, s. o.: Hafen. Ein Schiff o. halten, sich das Aussegeln desselben o. halten; sich so davon (luvwärts) halten, daß man es aussegeln kann. Wir befanden uns .. bereits außerhalb Landes in o–er See. Forster R. 1, 141, s. o.: Meer. O–e Tafel halten, im Freien oder doch so, daß Zuschauenden der Zutritt gestattet ist etc.: Sie ist wohl Bettlerkönigin, | die offne Tafel hält. Uhland 388. O–e Tage (veralt. Rechtsspr.): an denen die Schranken des Gerichts geöffnet waren. O–er Wechsel, nicht auf eine bestimmte, abgeschloßne Summe lautend, sondern fortlaufend, für Jemandes Bedarf sich ausdehnend (Kreditbrief), s. o.: Konto. Schiff.: O–er (raumer, breiter) Wind, Backstagswind, dem alle Segel o. stehn, so daß er eine breite (raume) Fläche findet. O–e Zeit, in der die Benutzung, der Gebrauch von Etwas o. ist, freisteht, Ggstz.: geschloßne Zeit, z. B.: Das Vieh zu o–en Zeiten ins Gehölz treiben, zur Weide etc.
2) unbedeckt, unverdeckt, z. B. (s. 1): Oben o–e Hallen, Gänge etc.; O–e Wagen, Fahrzeuge (ohne Verdeck); Landwirthsch.: O–er (offenbarer) Frost, Barfrost, der die Erde noch ohne Schneedecke trifft; Dem Feind die o–e [nackte] Brust entgegentragen; Der glanzvoll offne [unverhüllte] Schoß des Tages. Sch. 528a; Am offnen [hellen] Tage. vdLühe (Campe) etc.; O–es Gesperr (Uhrmach.), frei sichtbar an der Schnecke der Taschenuhren angebracht; O–er [äußerlich sichtbarer] Leibesschaden; Etwas liegt o. [unverhüllt, frei sichtbar] da, zu Tage, vor Aller Augen; Da brach es auf, da lag es kund und o., | aus welchem Beutel ich gewirthschaft hatte. Sch. 343a etc.; Nachdem er seine Karten ... verborgen hält, sollen wir die unsern auflegen und ein o–es Spiel gegen ein verdecktes spielen. G. 18, 85; Einen o–en Misere (s. d.) spielen, mit aufgedeckten Karten etc.; Etwas o. zeigen, z. B. Scheling 2, 2, 658; Hier zeigt sich seine Dummheit, Schlechtigkeit etc. o.; Er zeige frei das offne Laster. Platen 6, 33; Zum o–en [rückhaltlosen] Spott der Thoren. Rückert Mak. 1, 104 und oft (s. Offenheit): ohne Hinterhalt und Verstellung, sich, wie man ist, gebend und zeigend (vgl. o-herzig, aufrichtig etc.): O–e Gegner, Feinde, erklärte, die Feindschaft nicht verhehlende; Im o–en ehrlichen Kampf; Jemand, seine Ansichten o. bekämpfen; Frei und o. mit der Sprache herausgehn, mit seiner Ansicht hervortreten; Sich o. über Etwas aussprechen; Etwas o. äußern, gestehn, bekennen; O–es Geständnis, Bekenntnis; Jemand, sein Herz, Gemüth, seine Seele ist o.; Jch bin o. und gutmüthig . ., du bist versteckt und still. G. 21, 233; Ottilie war kindlich heiter, nach ihrer Weise konnte man sie o. nennen. 15, 102; Begann sie das Gespräch .. um so mehr o. und zuversichtlich. 125; Ein geschäftiges Leben [macht] den o–sten [Menschen] vorsichtig. 30, 301; Gegen dich ist’s offne, treue Meinung. 13, 190; Bar und o. etc. Danach auch vom Außern, als Spiegel des Innern: O–e Physiognomie, Miene etc.; O–er Blick; o–es Auge (versch. 1; 1a), Aussehn, Gesicht, Äußere, Wesen, Benehmen etc., auch subst.: Etwas O–es im Wesen haben etc.
3) als attrib. Ew. (ohne Steigr.) in einigen Verbind. fast = öffentlich (s. d.), z. B.: Einen o–en Laden, ein o–es Geschäft haben, wobei die Waaren o. zur Schau gestellt werden (s. 2) etc.; Auf o–er (Land-) Straße, wo Alle gehn etc.; Auf 59 o–em Markt, Platz (Werner Lthr. 68), Weg (Gellert 1, 264) etc.; Iu o–er Versammlung, wo Niemand ausgeschlossen, Alle zugegen sind; Auf o–er Kanzel. Sch. 122b, wo es das ganze Publikum hört; In o–er Gant, in öffentlicher Versteigrung, wozu Jedem der Zutritt und das Mitbieten o. ist; O–es Instrument (s. d. 4), veralt. Rechtsspr.: von einem öffentlichen Notar streng nach der Form Rechtens ausgestellt etc.
4) substant.: Das O–e, s. 1b: o–es Feld und 2 am Schluß.
Anm. Ahd. of(f)an, mhd. of(f)en, Participialbild. zu ûf, auf (sod. †), das im eig. Sinn von geöffnet sich mit o. (aber natürlich nur als adv.) berührt, doch nicht das Seinde, sondern das Bewirkte bez., vgl.: Eine Schachtel ohne Deckel ist o.; man macht aber eine Schachtel auf, indem man den Deckel auf [d. h. empor] zieht und abnimmt; Diebe nehmen nicht nur aus o. stehenden Schränken Geld, sondern brechen auch die verschloßnen auf; Die Stellen der künftigen Fenster werden nicht zugemauert, sondern bleiben o. Ich habē das Fenster aufgemacht und es soll auf [ellipt. = aufgemacht, geöffnet] bleiben oder: o. bleiben und so ellipt. auch: Auf [= geöffnet] sein, stehn, lassen etc., z. B.: Die Thür ist auf. Cham. 6, 280; 276; Die Fenster standen alle auf. Freiligrath 2, 293; Wenn das Schutzbrett an einer Wassermühle auf [gezogen] ist, so ist die Wasserrinne auf (oder o.) etc., s. auflassen 3 (dagegen gw. nur: Ich fand das Haus o., nicht: auf, wegen der Zweideutigk., s. auffinden); ferner ohne Zeitw., z. B. (imperat.): Auf, meine Augen! Cham. 6, 278 = öffnet euch etc., seltner: Und auf [etwa: ging, flog etc.] die Thür! und Röschen lief | hinaus etc. JG Jacobi Ir. 6, 322 etc. Tadelhaft ist o. st. auf in Zsstzg. wie auf- machen, -schließen, -brechen etc. Steigr. s. oben (1; 2) nur in übrtr. Bed.
Zsstzg. oder eig. Zusammenschiebungen z. B.: Flügel-: von Flügelthüren, mit beiden Flügeln ge- öffnet, weit-o., auch übertr.: Wenn ein sehnend Hoffen | ... Erfüllungspforten findet f. G. 12, 6 etc., vgl. schwzr.: Mangel-o., von einer gw. Thüre etc., bis am Angel (od. ganz) offen. Stalder 2, 196, s. weit-o.
Hálb-: z. B.: Die Thür stand h.; Der Mund war h. Stilling 1, 134 etc. und nam.: In einer h–en Beichaise. Hackländer SoldKr. 5; H–er Wagen etc., mit halbem Verdeck.
Héll-: weit-o.: H. liegt vor uns die Welt. Freiligrath 2, 225.
Wēīt-: weit geöffnet etc., Ggstz.: halb-o.: Mit w–en Nasen. H. Ph. 4, 19; Mit w–en Augen. W. 21, 129; Mit einer w–en Wunde. Luc. 1, 50 etc., auch: Die Thür sperrweit-o., sperrangelweit-o., vgl. flügel- o.
Wélt-: weit-o. wie die Welt, s. weltoffenbar etc.: Wie Homer die w–e Entfaltung eines jugendlichen Heroenlebens darstellt. Augsb. Zeit. (44) 2353a.