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ode
I. Ōde, a.:
eine Leere zeigend, die unangenehm berührt und das Gefühl erregt, daß etwas Wünschenswerthes fehlt, vermisst wird, am häufigsten u. gw. (weßhalb hierfür wenig Belege genügen) von Gegenden, Wohnplätzen etc., denen es an Bewohnern oder an Anbau, oft an Beidem fehlt, vgl. das oft damit verbundne wüst etc. u. II.: Das Land .. war wüst und ö. Jer. 4, 26; Eure Mutter [die Stadt Babel] . ., unter den Heiden ist sie die geringste, wüst, dürr und ö. 50, 12; Ihre Städt sind zur Wüsten und zu einem dürren ö–n Lande worden, zum Lande, da Niemand innen wohnet und da kein Mensch inne wandelt. 51, 43; 12, 10; Die Thore stehen ö. Jes. 24, 12; 5, 9 etc.; Sich gezwungen herumtreiben in einem ö–n Felde des Lebens. Börne 5, 6; Manch ö. Stunde. Böttger Byr. 8, 165; Ich traur’ im ö–n Haus. Cham. 3, 337; Du harrest stumm am Meeresrand | und blickest starr in ö. blaue Ferne. 4, 161; Auf diesem ö–n Felsen 162; 51; 5, 213; Daß sein Weib unberathen im ö–n Ehebett schläft. Geßner 2, 168; 1, 237; Eine Stelle suchte der Liebe Schmerz, | wo es recht wüst und einsam wäre. | Da fand es denn mein ö–s Herz | und nistete sich in das leere. G. 4, 36; Wie ö., wie todt die Welt ihm erscheint! 1, 78; In der ö–n Nacht. 57; Der ö–n Nacht | geheimnisvolle Schauer hold beleben. 13, 231; Der tausendfachen Welt | glanzreiche Gegenwart ist [für mich] öd’ und tief | in Nebel eingehüllt, der mich umgiebt. 166; Wie ö., hohl und leer | liegt Alles vor mir da und ausgebrannt, | ein großer Schutt, die Stätte meines Glücks. 284; Ja, ich verlor’s! .. | die ö. Stunde ruft mir’s . . zu. 286; Eine ö., bildlose Landweite [in der kein Werk der bildenden Kunst sich fand]. 31, 288 etc.; Ohne dich .., zur ö–n Wüste | wird der grünste. Hain. Gotter 1, 148; Es hatte überall gelautert; ehe aber noch Licht war im Ö–en und Leeren [in der Behufs des Reinmachens ausgeräumten Wirthschaft], kam auch Hans Joggi heim. Gotthelf Sch. 199; Im ö–n [leeren, flauen, nüchternen] Leibe. 263; Bei ö–m Magen. G. 147; Im ö–n Saale ein halbes Dutzend Paare. 47; Die echte Kraft weiß im Kleinen groß zu sein, der ö. [leere, nichtige] Hochmuth nur harret immer auf die Gelegenheit groß zu werden. 92; So bleibt der müde Geist bei falschen Gütern ö. Haller 157; Ö. Sümpfe. 168; Ö. Stege. 205; 209; Nacht . ., | wann ö. [leere, nichtige] Schatten uns das Unglück schwärzer malen. 210; Wurde es ihm . . öd [flau] im Magen. Hebel 3, 75; Ein ö–r Spuk. Heine Lut. 2, 47; Der Himmel ist ö., | ein blauer Kirchhof, entgöttert und stumm. Rom. 125; Der ö. Groll [des liebeleeren Herzens]. Reis. 2, 278; Durch des Meeres ö. Pfade. WHumboldt 1, 365; Doch sind seine Freuden so kurz und ö. Immermann M. 4, 155; Sind ihm Jenes demosthenische Reden . .. vielleicht auch noch zu ö., zu unfruchtbar, zu dornicht? L. 6, 28; Der ungemachte Kloß [das Chaos] lag öd’ und ungestalt. Opitz 1, 33; Als sei der Magen ihm ö. [flau]. Rückert Mak. 1, 122; Morg. 1, 159; Salis 21; An des Lebens ö–m Strand. Sch. 22b; 77a; Wenn .. | ich im Palast indessen einsam sitze, | leer die Gemächer der Gestorbenen | und alle jungfräuliche Zimmer ö. 229a; Der peinlichen [Arbeit], die mir die Jugend stahl, | das Herz mir ö. ließ. 336b; Ich habe Dinge | zu sagen, die man lieber in die ö. Luft | hinjammerte, wo sie kein Ohr empfinge. 576a; O des ö–n [nichtigen, unfruchtbaren] Formelklaubens! V. 4, 68; 3, 218; Auch die ö. [sonst unfruchtbare] Platane gebiert vollhangende Äpfel [durch das Impfen]. Georg 2, 70; Daß mir Alles so trübe, so schattenmäßig, so ö. und todt vorkommt. W. 27, 392; Ö., rauhe Wildnis. HB. 1, 195. Bergb.: Ö–r Berg, in der Grube gebrochnes taubes Gestein, s. Scheuchenstuel 174.
Anm. Goth. auths, unfruchtbar, wüst, ahd. ôdi, mhd. oede, die außer jenem Begriff (vergl. auch: Eine Wüste oder „Odeland“. Jer. 2, 31) auch leer und leicht (leicht möglich, s. u.) bez. Dazu authida, (die Öde, Wüste), ahd. ōdî, mhd. oede; ferner ahd. ôdan, mhd. oeden, ö., wüst machen, veröden. Was nun die Zsstzg. betrifft, so erscheint nach dem heutigen Sprachbewusstsein als unfehlbar dazu gehörend: Einöde, f. und seltner, erst nhd. als Ew., etwa Jenes = einsame Öde, Dies = einsam öde, doch findet sich ahd. neben dem zu Gdî als Zsstzg. gehörenden einôdî, f., auch als neutr.: einóti, vergl. mhd. neben einöde, f., einoete, einōte, n., wo ōti, ôte, als Ableitungssilbe für den Stamm ein [also = Einsamk.] erscheint (vgl. auch Anm. zu Kleinod und Allod). Jedenfalls ist aber dann sehr früh das Wort als Zsstzg. von Öde gedeutet worden, wie es heute allgemein gilt, s. Schm. 1, 29 und nam. 66 über (bair.) Einöd „in der Bed. eines einsam und ganz abgesondert liegenden Bauernhofes“, dazu: Einödler: Besitzer, Bewohner eines solchen Hofs und ferner z. B.: Die Vortheile der Vereinödung oder Güterarrondierung. ebd. Grundbegriff des Worts scheint: leer und so berühren sich nam. die Zsstzg. des tr. öden (s. d. 2) mit denen des veralt. ösen = leer machen, erschöpfen etc., s. Schm. 2, 121 (wo es mit wüst in Zusammenhang gebracht wird) und z. B.: Was Weins wir östen [austranken] weißt du wohl. Schwarzenberg 144, 2 etc., noch üblich in der Schiffsspr., ausö(h)sen: das Wasser aus einem Boot mit dem Ö(h)sfaß [s. d. und vgl. Hose 11] ausschöpfen. Bobrik 73a; Das Wasser aus dem Maschinenraum mit Püzen auszuösen. .. Immerfort Wasser ausösend; aber so schnell als sie östen, brach die See auf sie herein. Nat.–Zeit. 13, 539 (Dr. Clement); Das Schiff auszuöhsen. 10, 468 (Bucher) und O(h)se, f.; –n = Schöpfgefäß, Schaufel, Öhsfaß, Dachtraufe. Frisch 2, 34b und c u. Brem. Wörterb. 3, 273. Vralt., mundartl. Bedd. von öde, s. nam. Frisch 2, 28a, Schm. 1, 28 ff.; Stalder 2, 249, wo wir zu der Bed.: „verschlagen, schlau“ noch als Beleg beifügen: Es ist auch sein Schreiben nit öd [bösgemeint], er meinet’s .. gut. Zwingli 2, 3. Was aber die Bed. (s. o.) leicht betrifft (ags. eate, altsächs. ôdi, ōthi), so dürfte sie wohl andern Stamm angehören. Sie ist noch lebendig im Niedrd., s. Schütze Holst. 3, 161: Man kann da öd’ [leicht] zu kommen; Er weiß sich öd [mit Wenigem] zu behelfen; Da muß man öde [fein, säuberlich] mit umgehn, vgl.: Sie tanzten wohl so öte, | daß sie die Braut nicht träte[n]. Kretzschmer Volksl. 1, 205, mecklenburgisch und so nam. auch: Öte thun, sich öte haben, benehmen etc. = sich zieren, vgl.: Das Od-thun ist bloß Verziehung. Jahn M. 313; 333 etc., ferner als Ggstz.: Un-od = nicht leicht, nicht gern Schütze, im Brem. Wörterb. 3, 245: unnode, unnoë (s. Noth I 1e).
Zsstzg. z. B.: Eīn- [Anm.]: verstärktes öde, z. B.: Im e–n Bett. Fischart Garg. 73a; An e–n Orten. B. 253b; Der e–n und rauhen Felsen. Opitz 2, 71; Wie aus Wust e–r Verwilderung aufstieg | Ordnung und Zier. V. 2, 40; Der weit e–n Gewässer. Od. 5, 52 [ältre Les- art: Des weit verödeten Meeres]; Durch e. Bezirke der Luft. Ov. 1, 81; Sh. 3, 117; In e–n Wüsten. W. 27, 11; Wo du nicht bist, ist Alles e. für mich. 65; In dieser feierlich e–n Stille. 29, 23; 4, 180 etc. Nbnf.: In den einödigen Häusern. Auerbach Leb. 1, 20; Dorfgesch. 1, 397; Durch der Wälder einödige Pracht. Heine Rom. 57; Stille und einödige Örter. Simplicissimus K. 82 etc.
Ménschen-: menschenleer: Durch die sonst m–n Gegenden. Monatbl. 2, 234a.
Tōdt-: im höchsten Grad öde, wie ausgestorben: T. wäre das Doppelleben der Brüder ausgefallen ohne die Liebe. IP.
Wínter-: vom Winter verödet: Im w–n Garten meines Daseins. Voigts H. 393.