nüchtern
II. Nüchtern, 1) intr.:
a) s. I 1. —
b) (schwzr.) hungrigthun, schmarotzen (der Nüchter = Schmarotzer). — 2) tr.: nüchtern (1) machen, gm. ver-n.: Wasser auf Erden, | ach, fließet so viel; | nüchtert und wässert | so manches Gefühl. 208; Selbst die jüdische Nation, als sie von dem Taumel der unvernünftigen Gottesversinnlichung geheilt und genüchtert schien. 7, 249 etc.
Zsstzg. tr., refl. u. intr. (sein) z. B.: Áb-: nüchtern (s. d. I 4a u. nam. b) machen und werden: Vor unsern vernünftig abgeklärten, verhältnismäßig religiös-abgenüchterten Blicken und Sinnen. Goltz 1, 224; 252; Das A. und Versanden der Jetztlebenden. Immermann M. 3, 202. —
Āūs-: tr.: den Rausch austreiben; refl. und intr. (sein) aus dem Rausch herauskommen, nam. eig.: ihn ausschlafen, auch übertr., s. ab-n.: Dieser ganz und gar ausgenüchterten Verstandeswelt. Goltz 1, 251; Häßlicher Rausch, der mit einer noch häßlicheren Ausnüchterung abgebüßt wird. 67; 221; 254; In solchen ausgeweinten, ausgeleerten, ausgenüchterten Stunden ergreift den Menschen eine wilde Gleichgültigkeit. Immermann M. 4, 112; Wenn sie morgens ausgenüchtert, | nennen sie mich: liebes Kind. Werner Osts. 1, 211. Schwzr.: Einen a., ihm weder zu essen noch zu trinken geben. Stalder. —
Ent-:
1) von der Nüchternheit frei machen: Sich e., frühstücken; Bei den geringen Leuten schließt sich an die Trunkenheit des Abends die Entnüchterung des Morgens. Pet. 2, 173 [sie kommen gar nicht aus dem Rausch heraus] etc., s. etc. —
2) er-n. (vgl. ent- und erbrennen; it. giunare und digiunare etc.; ver-n.); Wir fühlen uns entnüchtert, verkleinert; denn in jeder tiefen Empfindung liegt etwas Erhabenes. Reis. 1, 149; Den der Schauer wieder völlig entnüchtert zu haben schien. Bürg. 199 etc. — Er-: tr.: nüchtern (eig. und übertr.) machen; refl. und intr.: es werden, s. ent-n. 2: Leb. 1, 60; 291a; Jener Anblick, der nach einer Orgie die Sinne so ernüchtert. Z. 1, 202; Das Adagio .. hat ihn .. gerührt, der Hinrichtungsmarsch erschüttert, das Finale freilich hat ihn wieder etwas ernüchtert. BB. 144; Das trunkene Herz wird schnell wieder ernüchtert. Sal. 1, 101; That .. Buonaparte einen so starken Zug aus dem Kelch des Ruhmes, daß er im Rausch Konsul, Kaiser, Welteroberer wurde und sich erst zu St. Helena e. konnte. 3, 177; 2, 132; Lut. 1, 217; Nichts auf der Welt, was e–der und abkühlender wirken mag. 2, 267; Freiheitsrausch . ., während späterhin allzu ernüchterte Betrachtungen eintraten. Börn. 142; Deren Zustand fast an den frevelhaften Rausch und an das ernüchterte Elend der Opium-Esser erinnert. 12, 130; M. 1, 336; Wie aus seiner Begeisterung plötzlich ernüchtert. 3, 151; Den berauschenden Trank der Romantik der ernüchterten Welt darbieten. 56) 1, 231; Kalte Allegorien, die als leere Schemen jedes Herz e. N. 6, 81; 7, 50 etc. Dazu: Daß die Schauspielkunst den wilden Rausch der Selbständigkeit, in dem sie sich studentisch austobte, bald durch den kläglichen Katzenjammer einer armseligen Ernüchterung büßen werde. 1, 285; Leb. 1, 143; R. 4, 312; Sch. 1, 193 etc. — Ver-:
1) ent-n. 1: Sprach in einer der ersten besten Hütten ein, um mich, wie man zu sagen pflegt, ein wenig zu v. Rh. 2, 104; Ein wenig zu stark aus dem Glase vernüchtert. 1, 68; 189, s. nüchternI1. — 2) ab-n.: Erzeugnisse eines v–den Puritanismus. 4, 420; Kleine Lächerlichkeiten sind geschickter, eine werdende Neigung zu v., als große Fehler. Himm. 110; Der Orient sei neu bewegt, | soll nicht nach dir die Welt v. 1, 296; Die Wissenschaft droht ohnehin Alles zu v. Nat. 4, 2a; Eine nothwendige . . Reaktion gegenüber drohender Vernüchterung. 1, 2; 135; 137 etc.).
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