nöthigen
Nȫthigen, tr.:
1) in Umstände versetzen, so daß man nicht anders kann als Etwas thun, es thun muß (vgl. zwingen, gewaltsam n.): Einen Etwas zu thun n.; Ich bin (od. sehe mich) genöthigt, zu widersprechen etc.; Einen zu Etwas n.; auch mit ausgelaßnem Infin. (vgl. Zsstzg.): So dich Jemand nöthiget, eine Meile [mit ihm zu gehen], so gehe mit ihm zwo. 5, 41; Ich ward genöthiget, mich auf den Kaiser zu berufen. 28, 19; Auf daß dein Gutes nicht wäre genöthiget, sondern freiwillig. 14; An deren .. Religionsübungen ich Antheil zu nehmen veranlasst, ja genöthigt wurde. 22, 169; Du nöthigest mein Herz zur Dankbarkeit. 35, 279; Weil die Vorbilder .. von Andern als n–d befolgt und beibehalten werden. 30, 28; Ein Begriff, zu dessen Annehmung uns die Vernunft nöthigt. phR. 85; Sich nie wieder in eine solche Situation [zu kommen] n. lassen. Ib. 2, 323; Der eintretende Winter nöthigte die Belagerer in die deutsches Wörterb. II. Winterquartiere [zu ziehn]. 1001b; Also vollendete sie’s, zwar ungern, aber genöthigt. Od. 2, 111; [Daß er] genöthigt ward, das Schloß bei Nacht heimlich zu verlassen. 1, 253; Durch das Aufziehn des Kolbens wird die Luft genöthigt, sich auszudehnen etc. — 2) (s. 1) Jemand durch (dringende) höfliche Bitten zur Annahme von Etwas, nam. von Speis’ u. Trank od. einer Einladung bewegen od. zu bewegen suchen, ihn bitten, einladen etc.: Einen zum Essen, Trinken n.; Lassen Sie Sich nicht n., greifen Sie zu!; Gäste zu einem Mahl, zu einem Ball, zur Hochzeit n.; Einen ins Haus [zu treten] n.; Nöthige sie, hereinzukommen. 14, 23; 1. 19, 3; 33, 11 etc.; Aus was Ursache dieses Weib mich so außer- ordentlich nöthigte. 29, 117; So spricht mich euer förmlich N. los | von jeder Makel. Rich. III. 3, 7 etc. — 3) dazu: Nöthigung, f.; –en:
a) (s. 1) So eigensinnig widersprechend ist der Mensch. Zu seinem Vortheil will er keine Nöthigung, zu seinem Schaden leidet er jeden Zwang. 3, 174; Wenn äußere Nöthigungen ihn nicht unwiderstehlich bestimmen. 255; Gewalt wollte man nicht brauchen, aber ohne Nöthigung wäre man gar nicht vorwärts gekommen. 21, 199; Nöthigung Anderer zu seinen Gedanken. 24, 191; 23, 257; 39, 3; Glaub ja nicht an Nothwendigkeit und Schicksal, | an Nöthigung vielleicht nur etc. Laienbr. (1852) 239 etc. —
b) (s. 2) Es bedarf keiner besondern Nöthigung, ich komme ohnehin etc.
Anm. Vralt. z. B. auch = nothzüchtigen (s. d.), vgl.: Sie n. die Weiber in ihrer Krankheit [zum Beischlaf]. 22, 10 etc., dazu: Jungfraun-Nöthiger. Sh. 2, 245 etc.; ferner: in Noth und Drangsal bringen; Erhaltet den Bedrängten und Genöthigten. 3, 219 Z. 21); Zogen sie ab und ließen das Schloß fürder ungenötiget [von Belagrung unbedrängt]. 693b etc.; auch refl.: sich quälen, sich zu Etwas zwingen, es mit Überwindung seiner selbst übernehmen, z. B.: Weltlich Regiment hat für sich genug zu thun, darf sich nicht n., mit unnöthigem Regiment zu beladen. 6, 352b. Ältre Nbnf.: nöthen (s. goth. nauthjan, ahd. nôtan, mhd. noeten, neben dem spätern ahd. nôtegón, mhd. nótigen) = zwingen etc., noch mundartl. und in gehobner Rede, z. B.: Uns anzugreifen, zu nöthen und zu pfänden. 268; Wie sie sich nöthen [quälen, abarbeiten] müssen. EfA. 2, 618; Poeten, | die wahr G’schicht in falsch G’dicht nöthen. 2, 141 Z. 8); Sein göttlich Wort ist .. frei, auch nit in den Nothstall, Zwinger und Winkel der Schrift genöthet, verfasst, eingeschlossen. (3, 347 Z. 15); Nöthete (2) sie das Ehepaar in die Stube. G. 173; Wie sie es [das Mädchen] nötheten (1), sich mit ihm anzulassen. 175; Die ärgste Noth ist die, die gar zu lange nöthet [quält]. 5, 334); Der Tod kann Keinen [zu gehn] nöthen, | den ihr .. | nicht lassen wollt von hinnen. ebd.; Beim Tone der Flöten, | der Felsen kann nöthen | zu springen mit Ach. Mak. 1, 100; G. 2, 14; 53a; Er muß noch heut | das Fräulein nöthen, Paris zu verlassen. 10, 233; 2, 26; 2, 719 ff. u. 2, 244, z. B. = (dringend) an Etwas gemahnen u. intr. (haben): eilfertig thun und knapp leben; dazu: Der Nöther etc. Ferner: nothen, in Noth stecken etc. Tr. 70.
Zsstzg. vgl. die von zwingen, z. B.: Áb-:
1) [1] (Einem) Etwas a., es ihm durch Nöthigung abgewinnen od. abnehmen, abzwingen; ihn dazu nöthigen, treiben etc.: Des Wüthrichs Niederträchtigkeit | .. nöthiget Empörung | selbst feigen Herzen ab. D. 327; Un- annehmlichkeiten, die uns den .. Wunsch abnöthigten, daß wir endlich in eine bessere Lage kommen möchten. R. 1, 69; 3, 53; Ein abgenöthigter Widerruf. 3, 287; Daß er eine Erklärung dir abgenöthigt. 9, 294; Furcht | vor größerm Übel nöthiget Regenten | die nützlich ungerechten Thaten ab. 13, 304; Uns ein mitleidiges Lächeln a. 15, 165; Jch weiß nicht, was mir die Verwegenheit abnöthigte; ich weiß nicht, wie ich es wagen konnte. 18, 226; Diese dem geübten Kunstauge abgenöthigten Betrachtungen. 16, 226; 33, 327 etc.; Was in der Taucherglocke man dem Meere | hat abgenöthigt. 3, 70; 312b; Sh. 6, 74; Der milde Einfluß seines Gestirns nöthigte dem unhöflichen Drescher den Hut ab. 7, 173; 5, 36; Il. 19, 262; Eine stillschweigende Einwilligung a. 4, 197; Da sie ihm zu ihrer abgenöthigten Rechtfertigung gestand. 6, 82; Ein Ballett, das ihm einen flüchtigen Blick abnöthigte. 9, 284; 15, 193; 16, 108; 19, 190; 21, 157; 22, 135; HB. 2, 189; Ich lasse mir keinen Frieden abpochen oder a. 2, 82 etc., auch: Abgenöthete Gegenwehr. 1, 323 etc. —
2) vralt.: Einen a., von Etwas abzustehn nöthigen, z. B. von einer Belagerung. 164b; 268a etc., ferner: Sich a., sich abquälen, abmühn. 2, 305 etc. — Āūf-:
1) (Einem) Etwas a. [1; 2], durch Nöthigung es ihm aufdrängen, aufzwingen, s. ein-n.; Dieses so oft von der Welt aufgenöthigte Verfahren. Ab. 47; Willst du mir als Sinnenmenschen die Gottheit so gebieterisch a.? G. 279; Aufgenöthigte Angewöhnungen. 26, 337; Schafmilch, die er als höchste gesunde Nahrung pries und aufnöthigte. 27, 188; Der ihm Theilnahme an dem unseligen Familiengeschick aufzunöthigen gedenkt. 30, 461; Daß ihm Urtheil und Handlung mehr aufgenöthigt worden, als daß sie sich aus ihm selbst entwickelt hätten. 31, 74; 2, 192; Das Volkslied .. nöthigt selbst dem Schulgesang der Meister einen kräftigern Takt auf. GschTh. 78; Der Drang der Umstände nöthigte ihm eine vorübergehende Größe auf. 775a; 450a etc.; Ein langes historisches Einschiebsel. . . Diese historischen Aufnöthigungen. (44) 2249b etc. —
2) (vralt.) Etwas aufnöthen, aufsprengen, mit Gewalt öffnen. Garg. 286b etc. — Āūs-:
1) (Einem) Etwas a., ab-n. 1. Lthr. 27a etc. —
2) [2] Einen a., ihn (aus seinem Hause fort) zu sich einladen. — Be-:
1) (vralt.) Einen b., ihn in Noth bringen, in die Enge treiben, bedrängen, zwingen: [Die Stachelschweine] so sie von den Hunden benöthiget werden. 69; Chr. 265a; Wie er mit .. tyrannischem Gewalt von den Romanisten an Leib, Gut und Ehr beschwert und benöthiget werde. 3, 211); Mich nicht dringen noch b., . . zu widerrufen. 1, 118b; 376a; Die Pfalzgrafen wurden aufs äußerste benöthiget. 113a; Pipin benöthiget sie dahin, daß sie versprachen etc. 225b; Die, so sie mit dem Schwert in ewige Knechtschaft benöthiget hatten. 308b; 372a; Ein Jud .., zum Tauf benöthiget. 398b; 578a; 675a etc., auch: benöthen. etc. —
2) Etwas b., es nöthig haben, bedürfen; Was irgendwo eine griechisch-christliche Gemeinde wünschen, was sie b. mochte. DM. 4, 1, 603, — gw. nur im Partic.: Benöthigt sein, mit Genit.: SW. 1, 221; Ich bin deiner Dienste benöthigt. 1, 37; Mein Vermögen stand Jedem zu Dienste, der dessen benöthigt war. 5, 75; 6, 91; 102 etc., aber auch mit Acc., nicht bloß der allgm. Fw. (s. Das 4; Es 9 etc.), z. B.: Das Alles werden wir benöthigt sein. 19, 227; Wenn ich einmal Etwas von eurer Waare benöthigt bin. 3, 342 etc., sondern z. B. auch: Wozu er das Geld benöthigt sei. 148; Sollten Sie mehr als beikommende 25 Exemplare benöthigt sein. 12, 122 etc., — ferner adjekt. = nöthig: Die benöthigte Summe. 12, 130; Benöthigten Falls. 12, 261; Das benöthigte Geld. 4, 36; Die benöthigte Stelle. 2, 165; Das Benöthigte. 9, 117; Luc. 6, 21. — Eīn-: vgl. auf-n. (1): Seinen Gästen ein Mittagessen e. Lind. 3, 73; Nachdem sie der Dame die Chokolade eingenöthigt hatte. Th. 1, 337; Gleichnisse, denen er die spätere Anwendung einzunöthigen weiß. Ant. 1, 151 etc. — Hêr-, Hín- etc.: Wodurch man zu wahrer Theilnahme hingenöthigt [hingetrieben] wurde. 27, 237; Wenn ich aus meiner gleichmüthigen Heiterkeit herausgenöthigt werde. 19, 85; Wollte gern Handwerksmann bleiben, so daß ihn Herr Sp. aus seinem Stand heraus-n. mußte. 127; Er lasse sich in das trügerische Geschäftsleben gar nicht ein oder her- einbitten, herein-n. 15, 1; Er nöthete [2] diese hinein [zu kommen]. G. 181; Übrigens nöthigten ihn die Chikanen bald hinweg [zu gehn]. Lit. 5, 536 etc., s. zurück-n. etc.; Brünstiges Beten zu Herannöthigung der Hilfe. 24, 181 etc. — Zū-:
1) Sich Einem z., angreifend und bedrängend ihm zu Leibe gehn; Wie sie sich ihm aber aufs Neue zunöthigten, ging er ihnen mit Macht zu Leibe. Osn. 1, 143. So: Zunöthigung = Angriff, um Einen in Streit zu verwickeln; Beschuldigung. 4, 88; 3, 55; 60 etc. —
2) Einen z., ihn nöthigen (1; 2), so auch: Ganz von selbst, ohne äußere Zunöthigung [1]. 6, 373; Es bedurfte keiner Zunöthigung [2], die hungrigen 57 Gäste fielen wie gierige Wölfe über die Speisen her. M. 1, 103 etc. —
3) [2] Noch Gäste z., hin-zu-n. — Zurück-: Nöthigte er uns .. ins Alterthum zurück [zu gehen etc.]. 27, 272; Ver. 12; Ihn in seine natürliche Gestalt z. 23, 174; Mich .. | von Neuem zu dem alten Spiel zurück | zu nöthigen. HBr. 1, 21 etc.
Work in progress
Die Arbeiten am Wörterbuch sind noch nicht abgeschlossen. Beachten Sie daher folgende Hinweise:
- Artikel können falsch segmentiert sein.
- Lemmata können falsch aufgelöst sein.
- Die Struktur, v. a. von Lesarten, kann falsch ausgezeichnet sein.
- Falsch erkannte Zeichen sind nicht auszuschließen.
- Faksimiles können fehlen oder falsch beschnitten sein.
- Das generierte TEI/XML kann invalide sein.