Natur
* Natūr (lat.), f.; –en; -:
ein Wort von mannigfach nüancierten u. vielfach in einander übergreifenden Bedd.: 1) die an- u. eingeborne oder angeschaffne, — verallgemeinert: die der ursprünglichen innern Bestimmung von Etwas, seinem Wesen entsprechende Art zu sein, auch mit Bezug darauf, wie sie, frei von umgestaltenden äußern Einwirkungen, sich von innen heraus, aus sich selbst entwickelt (s. Eingeschaffenheit, Wesen, Wesenheit): Von N., z. B.: So du aus dem Ölbaum, der von N. wild war, bist ausgehauen und wider die N. in den guten Ölbaum gepfropfet. 11, 24; 2, 14; 27; 2, 15; 4, 8 etc.; Er ist von N. schüchtern, aber er hat seine schüchterne N. bezwungen; Man kann seine N. wohl eine Zeitlang unterdrücken, aber nicht ganz er-sticken; Er kann seine N. nicht verleugnen; Die N. lässt sich nicht zwingen; Gewohnheit ist die zweite N., wirkt so mächtig wie Angebornes; Etwas wird Einem zur zweiten (od. andern) N. etc.; Kunst, die diesem Geschöpf [dem Menschen] zweite N. ist. Ph. 3, 210 etc.; Die göttliche, die menschliche N. Christi; Der Herre Christ | nach beiderlei N–en. 2, 182 Z. 36); Etwas der N. Gottes, — meiner N., — der N. der Sache Widerstrebendes, Gemäßes; Etwas ist wider, gegen meine N.; Er ist nun einmal nicht gemacht, nach Andern | geschmeidig sich zu fügen und zu wenden; | es geht ihm wider die N., er kann’s nicht. 335b etc.; Das ist in meiner N. 28, 21; Es ist nicht in der menschlichen N. 32, 31; Es ist meiner N. gemäß, liegt in meiner N.; Es liegt in der N. der Sache; Die N. der Sache bringt es so mit sich; In der N. des Magnets liegt es, das Eisen anzuziehn; Der Vortrag ist der N. des Gegenstands angemessen; Die N. der französischen Sprache erlaubt solche Inversionen nicht; Sie sind schier der Roßbremen Art und N. B. 262b; Die N–en der Menschen sind verschieden; Jemand hat [od. ist, s. 3c] eine (un)glückliche, harte, weiche, starke, kräftige, schwache N.; Meine ganze N. sträubt, empört sich dagegen etc. Minder gw.: Die sanguinische N. Thiebold’s hatte [Th. hatte seiner sanguin. N. nach, s. 3c] schon den Hut in der Hand. Z. 3, 14; In Griechenland würde Byron anders gesungen haben, wo seine gesammten N–en [Anlagen] in ihrer vollen Gediegenheit und Herrlichkeit hätten voll .. hinausblühen können ins Leben. 1, 272. — 2) (s. 1) ein in sich geschloßner Kreis von Werdendem od. Gewordnem (Seiendem), in mehr oder minder umfassendem Sinn (vgl. Welt, All, Weltall), im weitesten: alles Seinde; in etwas engrem: die finnliche Welt (im Ggstz. der übernatürlichen, vgl. Schöpfung), nam. insoweit sie sich der Betrachtung des Erdbewohners darbietet: die irdische Welt; dann auch — wo auch nam. dichterisch die Mz. auftritt — einzelne in sich abgeschlossene Kreise der Welt, sei es der wirklichen od. der Gedankenwelt (vgl. die folg. Nummern): N., in der vielfachen Deutung des Wortes, bald als Totalität des Seienden und Werdenden, bald [s. 4] als innere, bewegende Kraft, bald als das geheimnisvolle Urbild aller Erscheinungen aufgefasst, offenbart sich dem einfachen Sinn und Gefühle des Menschen vorzugsweise als etwas Irdisches, ihm näher Verwandtes. K. 1, 83; Die N. ist, wie Carus trefflich sagt und wie das Wort selbst dem Römer und dem Griechen andeutete, das ewig Wachsende, ewig im Bilden und Entfalten Begriffene. 22; N. ist der Inbegriff der Gegenstände der Erfahrung. phRel. 12; In der ganzen N., in dem ganzen Kreis (Umkreis, Umfang) der N.; Durch die ganze N. 110b; Die leblose, die belebte N.; Die drei Reiche der N.; Ins Innre der N. dringt kein erschaffner Geist, | zu glücklich, wem sie noch die äußre Schale weist. 88, vgl.: N. hat weder Kern noch Schale etc. 2, 304 etc.; Unfühlend | ist die N.: | es leuchtet die Sonne | über Bös’ und Gute etc. 67; Als das Auge der N. [die Sonne] | sich endlich schloß. 12, 252 etc.; Es giebt Augenblicke . ., wo wir der N. in Pflanzen, Mineralien, Thieren, Landschaften .., bloß weil sie N. ist, eine Art von Liebe .. widmen. .. N. in dieser Betrachtungsart ist uns nichts Anderes als das freiwillige Dasein, das Bestehen der Dinge durch sich selbst, die Existenz nach eigenen unabänderlichen Gesetzen etc. [vgl. 1]. 1190; Schöne Welt, wo bist du? kehre wieder, | holdes Blüthenalter der N. [Menschheit]. 22a etc.; Freude heißt die starke Feder | in der ewigen N.; | Freude, Freude treibt die Räder | in der großen Weltenuhr. 19a etc. und (s. v.) in Mz.: Tilge sie [die Liebe] vom Uhrwerk der N–en: | trümmernd aus einander springt das All; | in das Chaos donnern eure Welten. 2a; Hingeschmiedet zum Gesang, | stehn im ew’gen Wirbelgang, | einzuziehn die Wonnefülle, | lauschende N–en stille. 3a; Beschwöre die N–en rings — und weine, | daß du nicht Macht hast über todte Steine. Gd. 87; O Schöpfer der N–en. 2, 293 Z. 18) etc.; In der unerschöpfbaren N. ist Alles einzig und einzeln und so in der N. aller N–en, der Liebe. R. 7, 68, in der Welt der Welten, in der höchsten Welt, vgl. 3d, nam. 22, 53. — 3) (s. 2) N. auch von einem einzelnen Wesen, insofern es als etwas in sich Abgeschloßnes erscheint oder aufgefasst wird, als eine eigne Welt (vgl. Mikrokosmos):
a) = Geschöpf, Wesen: Aller irdischen N–en Kraft | zu dem Heil der Menschen auszukunden. 88a; Unter allen organischen N–en. 29, 388; Es ruft uns .. | des Tages Licht zu irdischen Geschäften, | ihr leiblich Theil verleihend den N–en. 1, 146 etc. —
b) (s. c) ein persönl. Wesen nach der ihm einwohnenden N. (1) od. Wesenheit: Zur Erkenntnis der übrigen erhabenen N–en [der Engel und Gottes]. 39, 75; Das Bild menschlicher N–en (1). 4, 442 Z. 41); Den Flug | des Denkens hemme ferner keine Schranke | als die Bedingung endlicher N–en. 279b; Eiltest du, | junge Himmlische, dem Frieden | seliger N–en zu. 2, 37; Zwei, die mit mir überfuhren, | waren geistige N–en [Geister, Verstorbne]. 67; Einen noch in irdische Glieder gefesselten Geist zum Anschauen der himmlischen N–en vorzubereiten. 5, 13 etc. —
c) (s. b) eine Person von so u. so beschaffner N. (1): Die feindlich widerstreitenden N–en (1) | ergänzten sich zu wunderbarer Einheit. 4, 39; Goethe war eine schöne, Herder dagegen eine erhabene N. G. 148; Gönnt ihr dieser köstlichen N. | vom Fürstenblute nicht das Glück? 13, 261; Eine leere, hohle N. wird sich wenigstens einen äußern Schein zu geben wissen, und der tüchtige Mensch etc. 21, 216; R. 1, 92; 7, 28; Tag. 1, 13; V. 64; M. 1, 6; 4, 283; W. 1, 199; 2, 438; Die Liebe | wird leicht zur Wuth in heftigen N–en. 508a; In gutartigen N–en. 280a etc. Selten vrkl.: Musikalische N–chen. 6, 22. —
d) prägnant: der Mensch als Welt für sich (vgl. e): Dagegen tritt nun die Kunst ein; denn, indem der Mensch auf den Gipfel der N. gestellt ist, so sieht er sich wieder als eine ganze N. an, die in sich abermals einen Gipfel hervorzubringen hat. 30, 16. Einerseits wird nun die N. außer dem Menschen oft dem Menschen entgegengesetzt, andrerseits ihre (der Wirklichkeit) Ubereinstimmung mit der im Menschengeist sich offenbarenden innern Welt hervorgehoben (s. 6a): Mir gälte es als das Höchste, wenn wir als reine N. mitten in das reine N.-Lehen außer uns treten könnten. Ab. 108; N. und Idee lässt sich nicht trennen, ohne daß die Kunst wie das Leben zerstört werden. .. Gerade Das, was ungebildeten Menschen am Kunstwerk als N. auffällt, Das ist nicht N. (von außen), sondern der Mensch (N. von innen). 3, 262 ff.; Ein vollkommenes Kunstwerk ist ein Werk des menschlichen Geistes und in diesem Sinne auch ein Werk der N.; aber indem die zerstreuten Gegenstände 51 in Eins gefasst und selbst die gemeinsten in ihrer Bedeutung und Würde aufgenommen werden, so ist es über die N. etc. 30, 399 (s. außernatürlich); Er mochte von der N. so wenig wissen, als wir; denn, indem er einige allgemeine Begriffe hingepfahlt, verlässt er sie sogleich, um Dasjenige, was höher als die N. oder als höhere N. in der N. erscheint, zur materiellen, schweren, zwar bewegten, aber doch richtungs- und gestaltlosen N. zu verwandeln. 22, 53; 1, 97; Mit dem Genius steht die N. in ewigem Bunde. | Was der eine verspricht, leistet die andre gewiß. 83a; Wiederholen zwar kann der Verstand, was da schon gewesen; | was die N. gebaut, baut er wählend ihr nach. | Über N. hinaus baut die Vernunft, doch nur in das Leere. | Du nur, Genius, mehrst in der N. die N. 92a etc. —
e) (s. d u. 6e) Eine N., eine Pers., die eine bedeutende Jndividualität in ungekünstelter, ihrem innersten Wesen gemäßer Weise entwickelt und entfaltet; Wie der Ausdruck: „Er ist eine N.“ in Goethe’s Munde für ein bedeutsames Lob galt. G. 22; Was man seit Goethe „eine N.“ zu nennen liebt. BB. 242; Es thut wohl, endlich einmal auf eine N. zu stoßen, wenn man soviel Puppen gesehen hat. Ich habe da die Unterscheidungen und Bezeichnungen aufgestellt, welche .. unser großer Dichter von weiblichen Wesen zu gebrauchen pflegte. M. 4, 206; Nachdem Goethe eine gewisse Stufe der Entwicklung erreicht und sich in sich gefestigt hatte, sagte er über sich selbst das stolze Wort: Ich lernte mich als N. achten. Nat.-Z. 14, 95 etc. —
f) nach der Trennung u. Gegenüberstellung von Geist u. Körper etc. dann auch zuw.: Die geistige N. = Geist; Indem ich . . in meine physische N. [auf meinen Körper] stürmte, um der sittlichen [meinem Gemüth etc.] etwas zu Leide zu thun. 21, 84 etc. So auch als verhüllender Ausdr.: Die N. [den Leib] erleichtern (s. d.). 1, 194 = seine Nothdurft verrichten. Vgl. 6a. — 4) (s. 2) die der Entwicklung des Werdenden u. Seinden zu Grunde liegende Kraft, die das All durchwaltende u. durchwebende, die schaffende, zeugende, das All erhaltende Kraft, in Bezug auf das All od. auf Theile desselben, auch in bald mehr, bald minder scharf hervortretender Personif.: Mutter (s. d. 1k) N.; Die bildende N.; N., die große Werkmeisterin etc.; Im Lauf (s. d. 2e) der N.; Der Gang der N.; Die Schuld der N. bezahlen, sterben, z. B. 17, 129 etc., insofern der Sterbliche, seiner N. (1) nach, sterben muß etc.; N., erschaffne Schöpferin! 1, 33; Zuletzt heilt ihn | allgegenwärt’ger Balsam | allheilender N. 2, 60; N.! du ewig keimende, | schaffst Jeden zum Genuß des Lebens, | hast deine Kinder alle mütterlich | mit Erbtheil ausgestattet. 171; Hohes Gras wankt drüber hin [über die umgestürzten Säulen]! | Schätzest du so, N., deines Meisterstücks [des Menschen] Meisterstück? 169 (s. 6g); Alles ist gut, wenn es aus den Händen der N. kommt. .. Alles verschlimmert sich unter den Händen der Menschen 22, 192 (s. 6d ff.); Niemand irre sich daran, daß ich zuweilen den Namen der N. personificiert gebraucht; die N. ist kein selbständiges Wesen, sondern Gott ist Alles in seinen Werken etc. Ph. 3, XVI; Die Decke, über deren Entziehung .. Plinius die N. so jammernd anklagt. Die wohlthätige Mutter etc. 210; Nicht ein todtes Aggregat ist die N.; sie ist „dem begeisterten Forscher“ (wie Schelling .. sich ausdrückt) die heilige, ewig schaffende Urkraft der Welt, die alle Dinge aus sich selbst erzeugt und werkthätig hervorbringt. K. 1, 39; N. des Schöpfers Dienstmagd. Hy. 19; Die N., sie ist ewig gerecht. 491b; Dem Gesetze, | das du selber, N., mir in den Busen geprägt. 87a; Bis an das All die N. dich, die gewaltige knüpft [als Vater]. 93b; Sich hüten vor Denen, welche die N. gezeichnet. 1, 229 etc. — 5) (s. 4) nam. in Bezug auf die im Menschen sich gleichsam instinktmäßig geltendmachenden Regungen u. Gefühle, z. B.: Der N. folgen, gehorchen; Auf die Stimme der N. hören; Es siegt in uns die Stimme der N. [das Mitleid]. 30a etc., so auch bes. von den durch die Geburt geknüpften Beziehungen der Blutsverwandtschaft: Brüder durch | ein edler Band als die N. es schmiedet. 301b; Die Bruderfehde | löst alle heil’gen Bande der N. 489b; Jetzt, da ihn [den Bruder] die heilige N. | dir gab, dir in der Wiege schon ihn schenkte, | trittst du, ein Frevler an dem eignen Blut, | mit stolzer Willkür ihr Geschenk mit Füßen. 492b; Zu lange schon erstickt’ ich der N. | gewaltge Regung [das Muttergefühl]. 490a; Er [mein Vater] hat noch nie die Stimme der N. gehört. 253a; Hast du N. [das Gefühl eines Sohns] in dir, so leid es nicht. Haml. 1, 5, etc. — 6) das Seinde, frei von Umgestaltungen (insofern diese nicht Entwicklungen des Seinden aus sich selbst heraus sind) und dieser Zustand des Seinden, — mit mannigfachen Nüancen:
a) das Wirkliche, im Ggstz. des Jdealen, Jdealisierten etc.: Nach der N. Etwas (ab)zeichnen, nehmen, bilden; Die Familie über die N. [vgl. 3f: über ihren Leib] in Gips abzugießen. 30, 331 etc., auch zur Bez. einer großen Ahnlichkeit zwischen zwei Personen: Ganz nach der N.! Zug vor Zug. 12, 35 etc.; N.! o wende dich nicht ab, N.! | ich will zum Jdeal dich schon erheben. 4, 145; Man behauptete, sie [die Jmaginanten] seien ohne Realität, hätten nie und nirgends ein Dasein und ihnen fehle Kunstwahrheit als schöne Wirklichkeit. Wenn man den Nachahmern eine falsche Natürlichkeit zuschrieb, so blieben die Jmaginanten von dem Vorwurf einer falschen N. nicht befreit. 30, 381; Nicht mehr der Worte rednerisch Gepränge, | nur der N. [s. e] getreues Bild gefällt.. | und in der Wahrheit findet man das Schöne. | Doch .. der Schein soll nie die Wirklichkeit erreichen | und, siegt N., so muß die Kunst entweichen; | denn auf dem bretternen Gerüst der Scene | wird eine Jdealwelt aufgethan. . . Verbannt . . | sind der N. nachlässig rohe Töne. 100a etc. —
b) In N., häufiger in ganz lat. Form: in natura, das Genannte selbst, nicht ein Ersatz dafür: Das Getreide in N(–a) oder das Geld dafür etc. —
c) Theolog.: N., der Zustand eines Menschen, in dem er sich durch bloße Anwendung seiner Geisteskräfte ohne göttliche Erleuchtung (durch Offenbarung, Gnade) befindet. —
d) der Zustand, wie Etwas aus den Händen der N. hervorgegangen ist oder gedacht wird: Der alte Urstand der N. kehrt wieder, | wo Mensch dem Menschen gegenübersteht. 530a; Sobald die Menschen aus dem Stande der N. heraustraten. 5, 42, mit einer Anm., worin er den (nam. durch Rousseau — vgl. 4. 22, 192) sehr geläufigen Ausdr. mißbilligt (vgl. e): Wenn die Menschen den Stand der N. verlassen haben sollen, so muß ihr jetziger Stand ein widernatürlicher oder übernatürlicher, auf jeden Fall aber ein unmenschlicher sein etc. —
e) (s. d) N., das frei Entwickelte und Gewordne, im Ggstz. des Konventionellen, der Lüge, der Unwahrheit, des Zwanges, des Gemachten, der sich als Bildung gebarenden Verbildung, der Künstelei an Stelle der Kunst etc. (kurz: der Un-N.), vgl. naiv (auch die Bsp.): Nichts ist so unwiderstehlicher als Wahrheit, als N. Br. 1, 444; Ein liebenswürdiges Geschöpf, das sehr viel N. mitten in dem steifen Leben erhalten hat. 14, 76; Hüte dich, | durch strengen Fleiß die liebliche N. [Natürlichkeit, Ungezwungenheit] | zu kränken, die in deinen Reimen lebt. 13, 211; Die Naīvetät, diese edle oder schöne Einfalt, welche das Siegel der N. und nicht der Kunst an sich trägt. SchE. 39; Jahrhunderte lang .. | mag das trügende Bild lebender Fülle bestehn,| bis die N. erwacht und .. aufsteht mit des Verbrechens Wuth und des Elends die Menschheit | und in der Asche der Stadt sucht die verlorne N. 76b ff.; In der N. getreuen Armen | von kalten Regeln zu erwarmen. 80b; 96b; 100a (s. a); Völker, deren Geist sich in unmittelbarer Einheit mit der N. bewegt, deren Bildung N. bleibt. Ästh. 2, 222; Wie verächtlich ihr | sie von euch stoßt, die stärkere N. | kommt immer unversehns zurück und dringt | durch euren falschen Ekel siegreich durch. HB. 1, 165 etc. —
f) N. (s. d u. e), gegenübergestellt der entwickelten Bildung u. Kunst (s. d. 1c u. die Bsp. dort): Aus der Roheit, worin die ungebildete N. sich am Ende nothwendig verlieren muß. 21, 242 etc. —
g) ein Theil der Erde, eine Gegend, insofern die Erzeugnisse der menschlichen Thätigkeit, nam. die menschlichen Wohnungen darin nicht hervor- (od. wieder zurück-)treten, das Freie (s. d. 3b): Aus der Stadt, aus dem Thor gehn, um den Nachmittag in der freien N. zuzubringen, um die N. zu genießen; Die kleinste Republik, wo zu gemeinschaftlicher Lust Jeder so denkt und für seine Person sich abbricht, kann Berge versetzen und eine andere N. schaffen. A. 2, 55; Von Zeit zu Zeit verlässt man die matte, fade, hinkende Stadt und geht in die — Vorstadt, die große, einfältige, rührende N. zu genießen. .. Große, stille, feierliche N., du, die Kathedrale der Gottheit, deren Gewölbe der Himmel, deren Säulen die Alpen etc. .., so spielt man mit dir! 2, 518b); Auf dem Pontneuf über den Seinestrom, diesem einzigen schmalen Streifen N., der sich in die unnatürliche Stadt verirrte. ebd.; Die Landschaft ist darum so grandios, weil sie durch und durch historisch, weil sie überall mit N. gewordenem Menschenwerk, und welchem! übersäet ist. ler 1846) 277; Um ganz Rom giebt’s draußen keine solche Anlage, wo man in Gesellschaft zum Kaffe oder Wein die N. genösse. 282 etc. — 7) mundartl. (wie lat., frz.): die Geburtsglieder, Geschlechtstheile.
Anm. Aus lat. natura ahd. natüra, mhd. natüre. — Über Naturs Größe.
Zsstzg. leicht zu mehren und zu verstehn nach den folg. Beisp. (vgl. die von Art, Wesen, Charakter etc.), nam. zu [1 u. 3c], was wir unbez. lassen: All- [4]: die das All umfassende Natur, das All: Die Vorstellung eines v. der A. geschiedenen Gottes. Schöll (G. Stein 3, 221). —
Bǟren-: Etwas von der ursprünglichen B. der Menschen. Temme Schw. M. 2, 111, derbes, plumpes Wesen. — Bérg- [6g]: Diese B. mit ihrem stets neuen Wechsel. Tieck A. 2, 227. —
Bócks-: Eine herrliche Ausflucht für einen Hurenjäger: seine B. aufzubürden einem Gestirn. V. Sh. 3, 165. —
Diktatōren-: Die großen D. im Kampfe mit den letzten edlen Republikanern. Vischer Ästh. 2, 245. —
Dóppel-: Zwie-N.: Die D. des Menschen nach Leib und Geist. —
Eīgen-: Eigenthümlichkeit. Doigts H. 266. —
Erden-: irdische Natur, irdisches Wesen: Meinen Empfindungen bleibt jede E. unendlich nach. H. 13, 66. —
Faktōtums-: Seine Lohnbedienten- und F. Schwegler (46) 284. —
Frōh-: das frohe Wesen, der Einem eignende Frohsinn: Vom Mütterchen [hab ich] die F. G. 3, 146. —
Gótt-: Christi G. —
Herōen-: Hölderlin H. 2, 26. —
Húnde-: Möchte man sich immer Anfangs an seiner H. stoßen, wie man sich eben auch an die Nicolai-Natur unseres Helden stieß. Fichte 8, 60. —
Jünglings-: Jhre frische J. G. 22, 369. —
Kérn-: kernhafte, derbe Natur: Jene Ursprünglichkeit u. K. Gutzkow R. 7, 459. —
Kúnst-: z. B.: Tretet bald | als Oberförster, Oberförsterin im Glanz | der K. [der durch die (Schauspiel-) Kunst idealisierten Natur] willkommen u. bewundert auf! G. 6, 351; Die Eremitenhäuschen, die süßen kleinen Wasserfälle, alle diese herrliche K. [6g, gekünstelte Natur]. Tieck NKr. 2, 17. —
Lícht-: Des Herrn der Welten L., | sie dämmert in der Sonne nur. Daumer H. 2, 199, seine lichterfüllte Natur. —
Lȫwen-: Seine L. Freytag Bild. 1, 157, vgl.: Luthers Riesen-N. 2, 7. —
Ménschen-: Die ganze Anlage der M. H. Ph. 3, 258; Zschokke 1, 254. —
Míß-: Un-N.: Was, aller Wahrscheinlichkeit nach, eben von der Bühne als M. ausging, das werden sie doch nun nicht als wahre Natur der Bühne vorschreiben wollen. Engel 8, 253. —
Pflánzen-: Geschöpfe von Pf. H. Ph. 3, 245. —
Schāfs-: Der entrollten Lügenfahnen | folgen Alle. Sch.! G. 12, 242. —
Tópf-: Seine brechliche T. Claudius 5, 39. —
Un-: s. [6e] Miß-N., das der wahren N. Ungemäße und Widersprechende, ihr Entfremdete, namentl. insofern es als das Rechte und Wahre gelten will oder soll: Unsre Poesie von solcher U. befreit. Danzel 337. Zusammengeschnürt wie Knospen | in dumpfiger U. | sind Herzen ob harter Sitte | unmenschlicher Diktatur. Daumer H. 2, 128; Der Dünkel führt das Talent auf diese Irrbahn und die U. wird das Ziel sein, zu dem es gelangt. Gervinus Sh. 1, 261; Scenen der U., der Verderbnis, der Barbarei ... Er stellte .. entgegen: Scenen einer gesunden Natur, die sich ruhig entwickelt. G. 19, 367; Dem darunter [unter dem abgemessenen und aufgedunsenen Pathos der frz. Tragödie] verborgenen hübschen natürlichen Kern mag der Deutsche lieber entbehren als ihn aus so vieler nach und nach darum gehüllten U. gutmüthig herausklauben. 27, 145; Dieses erzählen wir .. ganz einfach, wie es der Natur gemäß ist; Newton hingegen muß sich mit seiner ersonnenen U. viel zu schaffen machen. 38, 51; Wie dem Gelehrten die Natur dadurch [durch das Newtonische Spektrum] zur U. geworden. 39, 349; Die ganze U. der Bonapartischen Ordnungen. Häußer Gesch. 4, 194; Herwegh 1, 113; H. 11, 280; Der Fluch der gottverlaßnen U. Hölderlin H. 2, 113; WHumboldt 1, 365 etc. —
Vólks-: Der bekannte juristische Beruf lag allerdings ursprünglich in dieser V. [in der Natur des röm. Volks]. Vischer Ästh. 2, 242. — Wáld- [6g]: Sonst herrscht allerwärts der ernste, grausige, allem Leben feindliche Todesschlaf einer herben Wild- u. W. Kinkel E. 234. —
Wélt-: im Ggstz. der Menschen-N., wie sie sich in der Welt außer dem Menschen kund giebt. Schütze Hamb. Th. 576. —
Zwīē-: eine zwiefache, zweierlei in sich enthaltende Natur, Doppel-N.: Wenn starke Geisteskraft| die Elemente | an sich herangerafft; | kein Engel trennte | geeinte Z. | der innigen Beiden. G. 12, 304.
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