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muthen veran-m.
Mūthen, tr.:
1) Etwas m., es haben wollen, begehren, Lust danach haben, s. die vrsch. Fügungen im Mhd. etc. Benecke 2, 254; Wackernagel Gloss. 394; Haltaus 1380; Schm. 2, 656 und Zarncke Br. 395b etc. Wozu wir einige Bsp. aus dem ältern Nhd. fügen (vgl. begehren 1b; fordern 1b etc.): Als ich .. Solches an sie muthet. Galmy 326; 295; Muth solch Ding nicht mehr an mich. HSachs 2, 3, 15c; Der mutet an Papst Adrianum, daß er die .. Söhn Karlmanni wollte zu Königen salben. Stumpf 226a etc. Im Allgem. vralt. (s. an- u. zu-m.), doch noch:
a) Handwerkerspr.: Ein Geselle muthet, muthet sein Meisterstück, thut bei den Meistern seine Mu- thung, verrichtet seine Muthe, bewirbt sich handwerksmäßig um die Erlaubnis, das Meisterstück zu machen etc.; Der Muther etc., s. Muthjahr und ein-m.
b) Lehnw. und Bergw.: Ein Lehen m., bei dem Lehnsherrn die Belehnung nachsuchen; Eine Fundgrube m.; Er wird bald m. und drauf schürfen. Mühlpforth Hochz. 133; Der erste Finder, der erste Muther; Blinde (s. d. 4b) Muthung etc.; Der neue Scharfrichter war .. mit seinen Freiknechten eingezogen zur Muthung seines Amts. Alexis H. 2, 2, 144; Er komm’ als Herzog nur von Lankaster | zur Muthung seiner Lehn. Schlegel Sh. 6, 146, u. übrtr.: Endlich darf ich von der Guten Minnelohn und Gnade m. Haug, gleichsam als Lehensmann von der Herrin. 2) Etwas m., vralt. st. ver-m. (s. d. und muthmaßen), z. B. im substant. Infin.: Über M. [unvermuthet]. Rolenhagen Fr. 504. 3) Etwas muthet Einen, gw.: es muthet ihn an, vgl.: M. war soviel als das Gemüth in Bewegung setzen, anziehen. Daher „Anmuth“ [s. d.]: was unser Herz anspricht, anzieht. Das Zeitwort an-m. scheint also vorzüglich dazu geschickt zu sein, wenigstens in vielen Fällen die Stelle des fremden und unsern Puristen anstößigen „interessieren“ zu ersetzen, zumal wenn unsere Schriftsteller sich entschlössen, dieses Wort in dem Sinne, worin es „ansinnen“ oder „zu-m.“ (d. i. verlangen, daß ein Anderer über eine gewisse Sache ebenso gemuthet (s. 4) sei, wie wir) heißt [s. 1], nie wieder zu gebrauchen. Von Etwas angemuthet sein oder un- angemuthet sein oder werden wäre diesem nach soviel als: davon interessiert oder nicht interessiert werden und in diesem Sinne scheint unser Dichter das von ihm vermuthlich zuerst gebrauchte Wort „unangemuthet“ genommen zu haben. W. 20, 350, als Anm. zu Ober. 3, 39. Auch mit persönl. Dat. st. Acc.: Es muthete ihm behaglich in der Stube. Auerbach Gv. 235, es sprach ihn oder sein Gemüth behaglich an, vgl.: es heimelte ihm und ge-m. 4) im Partic.: Gemuthet sein, im Gemüth gestimmt oder bewegt, gesinnt: Ich weiß nicht, wie er gemuthet ist. Ade- lung; Ich bin gemuthet, eine Reise vorzunehmen. Ders.; Silbenmaße, welche Goethe auf seine Weise zu versuchen, sich gemuthet .fühlte. Riemer G. 2, 597, s. auch in 3 die Stelle aus W., ferner II. gemuth. 5) in Zsstzg. als Nbnf. des ebenfalls meist in Zsstzg. üblichen muthigen = muthig machen, mit Muth erfüllen, vgl.: Ich soll den Aufruhr, der noch in der Asche glimmt, | durch Nachsicht muthigen, in Flammen auszubrechen. Gotter 2, 234; Verzeihung muthiget zu edlerem Erkühnen. L. 7, 31; Ihr [der Leidenschaften] Feuer muthiget den Weisen und den Held. Lichtwer 193; Vielleicht muthiget dich auch, daß die Bulle deine Hoffnung ist. Luther 1, 361a; Das stärkt und muthigt ihn aufs Neue. Reithard 30 etc., s. er- und ent-, wie auch:
ver-an-m. Zstzg. z. B.:
Áb- [1b]: ein auflässig gewordnes Grubenmaß muthen, so daß es von dem ursprüngl. Muther ab, auf den neuen übergeht, daß dieser es „ab- empfängt“, vgl. aufnehmen 7. Án-:
1) [1] Einem Etwas a., zu-m., ansinnen, es an ihn muthen od. begehren, von ihm verlangen od. fordern, s. in [3]die Stelle aus W. undauf-m.: Er muthete es ihnen an, daß sie über alle Zweifel hinaussein müßten, sobald etc. Fichte 8, 10; Wie kommt er dazu, seinen Maßstab des Ehrewürdigen so kühn der ganzen Gattung anzumuthen? 7, 51; Talent lässt sich Keinem a., denn es ist eine freie Gabe der Gottheit. 6, 381; Da die Vollständigkeit nicht wohl anzumuthen sei. 8, 124; Gott ist gerecht, wird mehr nicht, als ich kann, | mir muthen an. Fleming 285; Der Geistlichkeit die Übernahme eines Theils der Abgaben a. Forster Ans. 1, 344; Gryphius 1, 771; Sich nicht entblödet mir gestern an- und zumuthen zu lassen, ich solle etc. Immermann M. 3, 62; Das ist also angemuthet den Unsern. Luther 5, 278a; 288a; 373a etc.; Keiner wagt es, ihr etwas Ungebührliches anzumuthen. Möser Ph. 4, 123; Befreieten Personen dergleichen [Steuern] anzumuthen. 1, 237; Es ist auch keine Auslegung einem Manne wie mir anzumuthen. IP. 40, 123; So heißt Das meiner Geduld etwas zu Viel a. Tieck N. 1, 93; NKr. 4, 304 etc.
a) vralt., mundartl. Fügungen: Einen oder Einem eines Gegenstandes a., s. Zarncke Br. 395b; Du muthest mich Kampfes an. HSachs 2, 3, 77d; Als er von Decio dle Abgötter zu ehren angemuthet ward. SFranck Chr. 273b; Was muthst du mich an? Ayrer 251b etc., auch: Wie er unehrbare Sache an sie angesonnen und angemuthet. Aventin Chr. 34a etc., vgl. auch nam. niederd.: Einem Etwas a. sein, z. B. STHahn Hist. 3, 230, vgl. Brem. Wörterb. 3, 170; Schütze Holst. 1, 38 (vgl. ver-m. 2d), wo aber der Ton auf der zweiten Silbe ruht, vgl. die Schreibw.: Das bin ich dir nicht am Muthen. Goltz 1, 336; 153; 181; 299 etc., ähnlich: Einem Etwas ansinnen (–́–⏑) u.: es ihm an Sinnen (⏑–⏑) sein etc.
b) im substant. Infin. (vgl. c): das Ansinnen, das an Einen gestellte Verlangen etc.: Ich will eurem christlichen Anlangen und heftigem A. zu Willen werden. SFranck LastA. 2a; Widerstund dem ungeziemlichen A. des Ehebrechers. Schaidenreißer 11b; IESchlegel 3, 497; Welches A.! Stolberg 10, 416 etc.
c) (s. b) Es wäre eine ungerechte Anmuthung, daß etc. Auerbach SchV. 139; Hebel hat mit Recht die Anmuthung Goethe’s, ältere Volkslieder ins Allemannische zu übertragen, unerfüllt gelassen. 155; [Das] wurde jetzt durch seine Anmuthungen für das Leben unbequem. 162; Diese Anmuthung erschien unserm Helden als eine sträfliche Anmaßung. Fichte 8, 51; Mit der Anmuthung an jeden Zuhörer, diesen Begriff .. zu erproben. 7, 7; Franck Chr. 199a; Den Vorschlag. . . Auf diese Anmuthung. G. 18, 144; Mit dem unverschämten Antrage. . . Anfangs erstarrte der Gouverneur über diese Anmuthung. Sch. 833a etc., vgl. 2b.
2) [3] Etwas muthet Einen an, spricht sein Gemüth an, entweder mit adverb. Zusatz: so oder so oder ohne solchen (vgl. ansprechen und ge-m.): das Gemüth als verwandt berührend, darin anklingend, interessierend, sinnliches Wohlgefallen erweckend, und reizend (vgl. 4a und Anmuth 1 und 2): Schon auf der Grenze muthete es mich heimathlich an. .. Auch Das heimelte mich an. Auerbach Tag. 1; Leb. 2, 53; Etwas so Einschmeichelndes und A–des. D. 4, 138; 216; Eine mühsam errungene Möglichkeit muthet oft schon an [erscheint etc.] wie eine Erfüllung. 246; Wenn mich der Quelle heitres Murmeln anmuthet. Beck MatDol. 108; Geist und Kunst auf ihrem höchsten Gipfel | muthen alle Menschen an. G. 2, 188; Daß er Demjenigen, den solche Dinge anmutheten, gewiß Beifall abgewann. 22, 58; Wie eine so zerstückelte Art, die Natur zu behandeln, den Laien, der sich gern darauf einließe, keineswegs a. könne. 27, 36; Seine Gegenwart muthete mich nicht an. 352; Der uns, sosehr wir ihn auch anstaunen, keineswegs a. mag. 33, 309; 22, 391 etc.; Sie mutheten mich sonderbar und fremdartig, aber überaus friedlich und wohlthuend an. Hartmann Unst. 1, 2; Die Villa muthet mich gastlich an. 138; 258; Hütten, die reinlich und wohnlich sind, jedoch wie Schiffskajüten a. BB. 292 etc.; Wie sehr ihn seine geschäftlichen Ausritte anmutheten. König Jer. 3, 335; Seine Schlauheit habe mich heiter angemuthet. Laube DW. 8, 87; Etwas Geheimnisvolles, was die Phantasie seltsam anmuthet. Scherr Gr. 2, 25; 1, 68; Niemals ist Rom heimischer a–d. Stahr Jt. 2, 452; 1, 249; Hätten die Grazien nicht so viel Reiz und A–des über Alles, was sie sagt und thut, ausgegossen. W. 22, 112; 23, 306 etc.; Wenn sein Herz sich gleich unangemuthet fühlt. Ob. 3, 39 und dazu Anm., s. [3].
a) nur vereinzelt mit persönl. Dat.: Was Shakespear’s kräftigen Mitmenschen durchaus anmuthete, kann der Engländer von 1820 nicht mehr ertragen. Eckermann G. 1, 116.
b) An- muthung, f.; –en: z. B. (vgl. Anmuth 1) subjektiv: die Neigung zu —, das Interesse für —, das Verlangen nach Etwas (vgl. 1c): Da ich alle Anmuthung nach diesen Gegenden verschwunden sah. G. 23, 147; Nicht bekannt, daß er zu Blumen und Pflanzen andere Anmuthungen gehabt, als solche, welche eigentlich nur auf .. zärtliche Erinnerungen hindeuteten. 36, 78; Sich über die Farbe zu äußern, lehnte er ab und es ist Nichts natürlicher, als daß er .. zu der Farbe wenig Anmuthung haben konnte. 39, 134; So zweifle ich, ob Richter im praktischen Sinne sich jemals uns nähern wird, ob er gleich im Theoretischen viele Anmuthung zu uns zu haben scheint. Sch. 2, 75; Aus besondrer Anmuthung, so er zu bemeldter Stadt und dem Landvolk trug. Stumpf 302b; Der Geschmack für die Musik und die besondere Anmuthung für ein gewisses Instrument. W. 6, 21: Die unschuldige Anmuthung, welche sie für ein- ander fühlten. 155; 2, 101; Die gewöhnliche Triebfeder der wechselseitigen Anmuthung beider Geschlechter gegen einander. 22, 161; Diejenige Regierungsform, zu welcher die Menschen das meiste Vertrauen und sozusagen eine eingepflanzte Anmuthung haben. 31, 495; 18, 29; 21, 265; Luc. 6, 30; 61 etc., auch von gleichsam personif. Dingen: Bei der Zusammensetzung dieser zwei Worte, die .. keine sonderliche Anmuthung zu einander haben. W. 31, 408; Die Weintrauben haben eine besondere Anmuthung zu den Feigen. Sebitz Feldb. 350. Ferner objektiv (s. Anmuth 2): der in einem Gegenstand liegende, von ihm ausgehnde Reiz, oft nahe an die subjektive Bed. grenzend, vgl.: Wir haben Anmuthung [subj.] zu den Dingen, die Anmuthung [obj.] für uns haben; Daß sie nit vielleicht zu argen Gedanken reizende Anmuthung gebe [anreize]. Schaidenreißer VI; Ebendenselben Grad von Anmuthung und Vergnügen gewähren. W. 19, 257 etc. In der ältern Spr. allgemeiner von Allem, was das Gemüth erregt (vgl. Affekt), z. B.: Wiewohl sie mir viel Gedanken, „anmuttung“ und schwere Bekümmernis machen. Schaidenreißer 14b[4, 100] etc.
3) Vermeß sich keiner, untugendlich | dies Schwertes anzumuthen sich. W. 11, 124 in alterthümelnder „der Sprache des 16. Jahrh. nachgebildeter Diktion“ (s. 109), wohl: sich des Schwertes verlangen lassen oder sich dessen anmaßen.
4) Anmuthigen, tr. (vralt.):
a) Jemandes Verlangen nach Etwas und Wohlgefallen daran erwecken. Keisersberg Scheid. 4.
b) = ermuthigen, aufmuntern. Zesen Sims. 534.
5) Doppelzsstzg.: Ver-a. oder veranmuthtgen: anmuthig machen: Der Reiz, der das Schöne veranmuthigt etc., dagegen Ungw.: Diese Buben . . so verschwärmt .., diese Könige so veraltet, verregieret und verspielet .., diese Damen so verzieret, verzu- und veranmuthet. Brentano (PhORunge 1, 256), wo die Zeitw. etwa bez. sollen: die Folgen des schwärmenden Lebens, des Alters, Regierens und Spielens, der Ziererei, der an das Leben gemachten Zu- und Anmuthungen zeigend etc. Aūf-: Einem Etwas a., es ihm dem Muthen (d. h. dem Sinne, Belieben) des Subjekts gemäß aufbürden: Daß bei solcher Willkür der Exegese am Ende jeder beliebige Sinn der heiligen Schrift aufgemuthet werden könnte. Strauß Streitschr. 1, 129. Eīn- [1a]: um die Aufnahme in die Zunft nachsuchen. Ent- [5]: des Muths berauben: Das sollte dich e.? | er-m. sollt’ es dich, ihm ewig nachzustreben. Rückert W. 2, 46; Giesebrecht Ep. 50; Kerner 21; Kinkell 253; Lenau NGd. 139; FSchlegel DM. 4, 450; GSchwab- 32; Tieck 10, 150; Zschokke 8, 197 etc., in der Prosa: gw.: entmuthigen, zuw. in der Fügung: Einen von- Etwas entmuthigen, ihn den Muth dazu nehmen, ihn: davon zurückschrecken. Gentz 1, 186 etc.; Entmuth(ig)ung. Er- [5]: mit Muth erfüllen, s. den Ggstz. ent-m.: Der Funken letzte Gluthen | von Frischem zu e. G. 4, 50; 23; An dem Schönen und dem Guten | werden wir uns frisch e. 6, 128; Hier gilt nur keckes E. Kind (Echtermeyer 290); Daß ihr Tod uns Lebende ermuthet. Körner 16b; Diese Lieben zu e. Platen 1, 329; Das hat mich oft geschmerzt, doch oft ermuthet. 2, 121; Bis sich sein Herz, sein Löwenherz ermuthet. 3, 31; 20 etc., daneben: Nun die Wälder ewig sprossen, | so ermuthigt euch mit diesen. G. 4, 11 und bes. oft in der Prosa, z. B. auch: Ermuthigt an [von] diesen Gesprächen. 18, 322 etc.; Die einzige Er- muthigung der Tugend. Gutzkow R. 7, 25 etc. Ge- [3]: (vgl. an-m. 2) Etwas gemuthet Einem so und so, kommt seinem Sinn so vor, gemahnt ihm so etc.; Es gemuthet mir wie der Aff mit seiner traurigen Unruhe und dem fatalen Gesichterschneiden. Tieck N. 4, 21; dagegen ungw. tr. mit Uml.: Lag ihm .. im Sinne | zu ge- müthen etwas Größres, | genialisch-gothig-Großes | als bisher gemüthet worden. Baggesen 3, 213 (etwas Geistiges hervorzubringen?). Hināūs-, refl. (ungw.): Wenn es [das Werk, die Fortsetzung des Faust] den Leser nicht auch nöthigt, sich über sich selbst hinaus-zu-m., so ist es Nichts werth. G. Zelt. 5, 77, sich in seinem Sinn (Gemüth) über sich selbst zu erheben. Hōch-: ungw. intr. (haben): sich hochmüthig beweisen. W. 11, 131 und tr.: Einen mit Hochmuth behandeln, insultieren. 132 (alterthümelnd). Ver-:
1) (vralt.) sich Etwas, wonach Einem der Muth (der Sinn, das Verlangen) steht, herausnehmen, sich Dessen unterfangen, sich unterstehn, wagen, mit Infin. und ,,zu“: Ein Hippenbub, der allein die Leut vermuthet zu schmähen. Eck (Luther 1, 147b); Krenner Landt. 8, 404; 15, 402 (s. Schm. 2, 657).
2) aus Gründen, von denen man weiß, daß sie objektiv nicht zu einem sichern Schluß ausreichen, doch nach subjektivem Gefühl oder Ermessen Etwas meinen, vgl. muthmaßen etc., im Ggstz. zum Wissen etc.: Neben dem sichern Wissen steht das V. (s. e) und Meinen. Humboldt K. 1, 248; Andres ist v., Andres wissen klar. WHumboldt 3, 81 etc. In Bezug auf die Fügung etc. sondern wir:
a) V. ohne rückbezügl. Fw.: Etwas v.; V., daß Etwas ist oder sei; Ich vermuthe seine Anwesenheit in Berlin; Ich vermuthe, daß er in Berlin ist; Ich vermuthete, daß er in Berlin sei oder wäre; Jch vermuthete ihn in Berlin; Ich vermuthe, daß Dies nicht der Fall ist; Ich vermuthe nein (z. B. Niebuhr Nachg. 164 etc.); „Woher vermuthest du Das?“ Aus manchen Gründen; Ein Glück, daß er ihn nicht [hier] vermuthet. G. 10, 128; Den Knaben vermuthet er von vornehmem Hause. 18, 93; Diese Lücke ist es, die den Astronomen auffiel, daher dieselben auch einen bisher unbekannten Planeten in dem großen Zwischenraume vermutheten. Littrow 326; Doch vermuthe ich stark, daß sie diesen Herbst noch wird . . kommen müssen. JG Müller Lind. 4, 192; Leise vermuth’ ich, | wer mir . . den Malter Rocken gestohlen. V. 2, 7; Daß sie ein Fest v. Od. 23, 135; Ich vermuth’ es | gar nicht leicht [halt’ es nicht für leicht], ihn zu spannen. 21, 91 etc., auch: Auf Etwas v. [v–d schließen]; Die Augen ließen auf eine Seele v., in welcher etc. Immermann M. 1, 111 etc.
b) mit reflex. Fw. im ethischen Dat. (vgl. c und d): Er hatte sich dieses rasche Auflodern der Leidenschaft nicht vermuthet. G. 16, 96; Ich vermuthete mir den Tod des Königs [als nahe bevorstehnd]. 29, 5; Wenn sich Einer einmal verschalkt hat, so vermuthet man sich, er sei stets also. Luther SW. 60, 259; Auf ganz andere Weise als er sich hätte je v. können. Möricke N. 119; Konnte ich mir heute v., Ihnen so nahe —. Sch. 749a etc.
c) (vgl. b und s. d) Sich [Accus.] eines Dinges v., z. B.: Ich hätte mich Dessen gar nicht vermuthet. JP. 3, 123; Indem sie einen Widerstand that, dessen man sich zu ihrer Herkunft und Erziehung nicht hätte v. [vgl. versehn] sollen. W. 14, 26 etc.
d) Umschreibung des Zeitw. durch das Partic. Präs. mit „sein“ (s. a—c): Sie v. ihn also hier? wissen ihn hier? Er wenigstens ist die Gräfin Orsina hier nicht v–d. L. Gal. 4, 3; Ich war mir Sie in diesem Vorzimmer nicht v–d. 2, 7; Die Rückkehr, die ich mir so nahe gar nicht v–d sein konnte. Möricke N. 456; Ich war mir’s nicht mehr v–d. Sch. 306b; 290b etc.; Daß sie ganz sicher und keines Krieges v–d sind. Olearius Reis. 336b; Des Ausfalls nicht v–d. Werner Osts. 1, 195 etc. Daneben die Form des Infin. st. des Partic. (vgl. an-m. 1a): So Etwas war ich v. Müllner 2, 127; Bei Beiden war | ich sie [die Wunde] tiefer nicht v. | als im Sanders, deutsches Wörterb. II. Vaterherzen. 93; Befand sich bei dieser Entdeckung in keiner geringen Verlegenheit, da sie derselben nicht v. gewesen war. Musäus M. 3, 123; Olear. Reis. 245b; Ich war mir diese Überraschung nicht v. A Schlichtkrull LatMag. 207; Ich war mir eher des Himmels Einsturz v. etc.
e) der subst. Infin., s. o., bes. oft: Gegen, wider, über alles (Hoffen oder Erwarten und) V., auch: Da heim du gekehrt, nach unserm herzlichen Wunsche, | doch ohn’ alles V. V. Od. 24, 401 etc., s. f.
f) das pass. Partic.: Das Vermuthete ist nicht geschehn etc., nam. oft verneint: Unvermuthete Ereignisse, Begebenheiten; Etwas geschieht ganz unvermuthet; Er ist unvermuthet zurückgekehrt; Seine unvermuthete Rückkehr; Sie sind ein Paar. „So geschwind!“ Aber nicht unvermuthet. G. 9, 38; Nach einem so unvermutheten Begegnen. Sch. 1, 21; Unvermuthet und gegen alle Vorbedeutung. Zelter 1, 210 etc., seltner dafür: Wenn’s unvermuthend [da wir’s nicht v.] geschieht. Olearius Reis. 231b etc.
g) dazu: Vermuthung, f.; –en: das V. und dessen Inhalt (das Vermuthete): Jch habe eine Art von Ahnung. „Du siehst doch sonst nicht Gespenster.“ Es ist auch nicht Ahnung, es ist Vermuthung. G. 10, 207; Kaum war die Vermuthung in ihm aufgestiegen und zur Wahrscheinlichkeit geworden, das Mädchen habe etc. 21, 205; Man horcht zusammen, man spricht und lässt antworten, aus Vermuthungen .. macht man Gewißheit. Tieck NKr. 2, 174 etc., auch Zsstzg. z. B.: Jch zweifle, daß man dieser starken Rechtsvermuthung Etwas .. entgegensetzen könne. Möser Ph. 3, 205 etc.
h) Doppelzsstzg. z. B.: Vieles mag er ihm auch nur abgelauscht oder abvermuthet haben. Riemer G. 1, 22 etc. Vōr- [1]: (vralt.) Rechts v. oder begehren, s. Frisch 1, 679a. Zū- [1]: an-m. (1), vgl. ansinnen: Ich habe mir schon eben die Gewalt angethan, die ich dir nun über dich zumuthe. G. 15, 13; Eine andere Übung, die der Graf seinem Zögling zumuthete [von ihm verlangte]. 22, 136; Wenn er Etwas für schön ausgiebt, so muthet er Andern ebendasselbe Wohlgefallen zu, .. er fordert von Andern die Einstimmung. Kant Kr. d. ästh. Urth. § 6; Wollte der Bildhauer dem spröden Alabaster bieten, was er dem festen Marmor z. darf. Lewald W. 3, 149; Einen Mord, den du mir nicht z. wirst, allein vor den Richter der Welt hinzuschleppen. Sch. 213a; Das kann mir Niemand z. W. 9, 129; Muthe mir Nichts zu, was mir unmöglich ist. 20, 321 etc.; Seine rohen Zumuthungen. Arnim 354 etc., vgl. schwzr.: Einem Etwas z., es vermuthungsweise ihm zutrauen; so annehmen, daß er es gethan etc.: Was sie ihm bloß auf Verdacht hin zugemuthet, habe er abgeleugnet. Gotthelf U. 2, 150. Über die Doppelzsstzg.: Ver-z. s. an-m. 5.