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möglich
Mȫglich, a.:
so beschaffen, daß es sein oder geschehn kann:
1) (s. 2) in engrem Sinn, ohne Steigrung: so beschaffen, daß die Annahme der Wirklichkeit keinen Widerspruch in sich schließt, Ggstz. un-m., z. B.: Zwei Fälle sind nur m., entweder Etwas ist oder es ist nicht, ein dritter Fall ist un-m. [kann nicht statthaben] etc.
2) (s. 1) in weitrem Sinn: so, daß es sein kann, geschehn kann, den Umständen nach erwartet werden kann etc.: Das ist m., aber nicht wahrscheinlich; Ein Sprung von der Jdee, vom M–en zum Wirklichen. G. 39, 101; Es ist m. [kann sein], daß er es selbst gesehn hat; es ist auch m., daß er es von Andern gehört hat; Eins ist (eben) so m. wie das Andre; [Es ist] m., daß du ihn dort triffst; M., daß der Vater nun | die Tyrannei des einen Rings nicht länger | in seinem Hause dulden wollen. L. Nath. 3, 7; M., du triffst ihn dort; Du triffst ihn m. dort (vgl.: Du triffst ihn un-m. dort), gw.: Du triffst ihn m–er-weise dort etc.; Ich halte es nicht für m., es ist kaum oder nicht m., daß er es schon weiß, nach den obwaltenden Umständen ist es nicht anzunehmen; Wie ist Das m.? oder: ist’s m.? Ausruf der Verwundrung beim Eintritt von etwas Unerwartetem, vgl. Wirklich? etc.; Alle m–en Fälle, Chancen erwägen, alle, die etwa eintreten können; Für, auf den m–en Fall; m–en Falls etc.; Wo m.; wenn es (irgend) m. ist; ist’s m. etc., wenn es (irgend) geschehn kann, sich bewerkstelligen lässt; Ist’s m., sv gehe dieser Kelch von mir etc.; Etwas m. machen, alle Hindernisse beseitigen, so daß der Verwirklichung Nichts mehr im Wege steht; es bewerkstelligen, z. B.: Geduld und Zeit | macht m. die Unmöglichkeit [Das, was ohne Dies un-m., unausführbar schien]. Sprchw.; Die wunderbaren Mittel, durch die man das Un-m–e m. macht. G. 6, 354; Ich will sehn, ob ich’s m. machen kann; Wenn ich’s irgend m. machen kann etc.
a) Selten: Uns zujed-m–en Entdeckung verholfen. Gentz 1, 211 = zu jeder m–en.
b) Hier findet sich auch der Kompar., vgl: Das ist wohl (oder leicht) m., kann leicht geschehn; Das Gegentheil ist eher m., eher zu erwarten; Es ist eher m., daß der Himmel auf die Erde fällt, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß etc.; Es ist „müglicher“, daß der Rhein versiege, denn daß dir’s an Worten gebreche. Luther 1, 390b; M–er war Nichts. L. 2, 315 etc., so aber gw. nicht im Superl. (s. 3b und 4), also: Das ist leicht, sehr leicht, am leichtesten, am ehesten m., aber gw. nicht: ras Möglichste. 3) (s. 2) mit Bezug auf eine Pers.: so beschaffen, daß es von ihr, nach Maßgabe ihres Vermögens oder ihrer Kräfte ins Werk gesetzt werden kann; so, daß sie es vermag: Wenn, sobald, so oft etc. es mir m. ist, ich es vermag; Durch diese Anordnung ist es mir m. geworden, das Ganze übersichtlich zu machen etc.; Ich will alle m–e Sorgfalt anwenden, alles M–e [Alles, was ich vermag, was irgend in meinen Kräften steht] aufbieten, anwenden, dazu thun etc.; Ich will das M–e, mein M–es thun (s. b); Alle Dinge sind „müglich“ Dem, der da glaubet. Mark. 9, 23; Alle Dinge sind „müglich“ bei Gott. 10, 27; Er eilete auf den Pfingsttag zu Jerusalem zu sein, so es ihm müglich wäre. Ap. 20, 16; Es giebt so manches Wünschenswerthe, m. [erreichbar etc.] Scheinende; durch eine kleine Begriffsverwechslung machen wir es zu einem erreichbaren Wirklichen. G. 39, 113; Welche Künstler sich gleichsam über das M–e [über das Künstlern oder der Kunst Erreichbare] hinüber gearbeitet haben. 31, 35 etc.
a) Dazu: Das Menschen-m–e geleistet. DMuseum 1, 1, 232 etc., was Menschen irgend m. ist; soviel wie nur in menschlicher Macht steht; So fahren wir heute Galopp, was menschen-m. Spindler Stadt 1, 52 etc., auch: Soviel mensch-m. ist. Heinse A. 1, 126; Die mensch-m–en Ressourcen der Klugheit und Kriegskunst. JvMüller 10, 91 etc. (s. 5), auch (veralt.): Soviel ihm aber menschlich und m. war. Matthesius Lthr. 29b etc. Vgl. auch: Was so einer Mädchenseele menschen-m.! oh menscher-m. muß ich sagen. König Jer. 1, 185, s. Mensch II 2b.
b) Hier findet sich auch der Superl. zur Hervorhebung des Außersten, was Einem nach Maßgabe seiner Kräfte erreichbar ist, worüber hinaus unmittelbar das Einem Unerreichbare liegt, also ganz nahe an der Grenze des Einem Unmöglichen liegend, z. B.: Etwas mit der m–sten Sorgfalt betreiben, mit der äußersten, deren man fähig ist; M–st sorgfältig; Sich m–st anstrengen; Jedes hatte seine Einbildungskraft und seinen Witz aufs m–ste angestrengt. G. 16, 138; Mit der m–st ruhigen Entschlossenheit diesen Schritt thun. 14, 124; Das m–st Erkennbare, Wißbare, Anwendbare zu ergreifen. 40, 106; Wenn er ihnen die allerm–ste Schnelligkeit geben will. L. 11, 149; Ihre Art .. will ich in ihr m–stes Licht zu setzen suchen. 10, 179 etc. (s. 5b). So nam. auch substant., vgl.: Das M–e thut ihr! G. 5, 266; Wenn man in Mühe und Arbeit vor sich hinlebt, denkt man immer, man thue das M–ste und der von Weitem zusieht und befiehlt, glaubt, er verlange nur das M–e [2, Das, was leicht geschehen kann]. 9, 185; „Ich will das M–e thun, beruhige dich!“ .. Thun Sie das Un-M–e [s. d. 2], rief sie mir nach. 18, 157 etc.; Sein M–stes thun. 27, 301; Das M–ste genießen und lernen. 23, 158 etc. 4) Zur Bez. des höchsten erreichbaren Grades, des Größten, was unter den obwaltenden Umständen Statt haben kann, wendet man m. in mehrern Fügungen an, nam.:
a) So wie (oder als) m., z. B.: So bald, so schnell, so früh, so spät, so gut etc., wie (nur irgend) m.; Sich so sehr oder so viel wie m. in Acht nehmen etc.; So Großes wie m. leisten; So viel Geld wie m. verdienen; In einer so kurzen oder in so kurzer Zeit wie m.; Es sollte dem Schriftsteller zu verdenken sein, wenn er sich die Geburten seines Kopfs so einträglich. zu machen sucht, als nur immer m.? L. 11, 178 etc. In der adverbiellen Verbind.: So viel wie m. bleibt auch das wie weg, z.. B.: Deren großer Nutzen ihm soviel m. durch Zeichen zu verstehen gegeben ward. Forster R. 1, 334; 52; Das bloß leere, scholastische Geschwätz so viel m. daraus verbannt. Heinse A. 1, 252; Daß soviel m. jeder einzelne Theil schön sei. L. 11, 145; 6, 314; Den Demagogen soviel m. das Gegengewicht halten. W. 34, 245; Daß die Partei sich soviel m. dem Perikles widersetzt. ebd. etc., vgl. (veralt.): Ob er die Tugenden vor Augen gehabt und [so] viel m. . . befördert. Hammer RH. XII etc.
b) M–st (s. a und 3b), z. B.: M–st bald, schnell, früh, spät, gut etc.; Sich m–st in Acht nehmen; M–st Großes leisten; M–st viel Geld verdienen; In einer oder in der m–st kurzen oder in m–st kurzer Zeit; Sich Etwas m–st einträglich machen; Deren Nutzen ihm durch Zeichen m–st zu verstehen gegeben ward etc. Statt des Posit. nach m–st findet sich aber auch nicht selten (pleonastisch) ein Superl., z.B.: Der m–st beste deutsche Hexameter. B. 140a; Den m–sten geringsten Nebengeschmack. KMüller Nat. 4, 62a; Der m–st wenigste Aufwand. W. 27, 174; In der m–st kürzesten Zeit. 8, 253 etc. und so oft bei Ew., dagegen bei Adv. gw. nur, wo diese ohne „am, auf“ etc. üblich sind, z. B.: Die m–st bestgeordnete Sammlung etc. (s. best 1a). Daneben auch hin und wider: m. nach einem Superl. oder: m–st nach einem Posit. und (pleonast.) nach einem Superl., z. B.: Bald(-)m–st. G. 18, 187; 22, 130; 25, 265; 27, 3; Sch. 933b etc. = m–st bald. Sich die allgemeinst-m–e Bekanntschaft mit allen Mustern erwerben. G. 31, 439 etc. Aus der best-m–en Ähnlichkeit. L. 11, 196; Best-m. im Keim die Gezänke zu knicken. V. Ländl. 2, 445 etc.; Aus jeder Verlegenheit den best-m–sten Vortheil zu ziehn. Burmeister gB. 2, 176; Meinen Tag habe ich best-m–st angewendet. G. 23, 122; Gotthelf G. 6; 136; Sch. 151; 371; U. 2, 150; 252; Mit der best-m–sten Republik. Stahr Par. 2, 251 etc. Sich mit den wenigst-m–en Kenntnissen den größt-m–en Anschein davon zu geben. Lichtenberg 3, 413 etc.; Durch größt-m–ste Regsamkeit. Gentz 1, 4; Den Ausdruck größt-m–ster Lustigkeit. Kohl Irl. 1, 430 etc. Auf den höchst-m–en Grad gebracht. Engel 4, 367; Ihren höchst-m–en Grad erreicht. WHumboldt 3, 230 etc. Lautm–st unterstützt. Heine Reis. 4, 224 etc. Bedingungen, unter welchen allein sich selbst das entschiedenste Naturell zum Letzt-m–en des Gelingens erheben kann. G. 24, 55. Aufs schleunigst-m–ste meine Rückreise bewirken. Kosegarten Rh. 3, 235 etc., vgl. (veralt.): Ihn aufs beste immer müglich empfangen. Zinkgräf 2, 31 etc. 5) Dazu: Möglichkeit, f.; –en: das M.-Sein und etwas M–es, z. B.: Ich zweifle nicht an der M–keit dieses Umstandes, aber an der Wirklichkeit desselben; Ich sehe (od. es ist) keine M–keit, ihn zu retten; Es ist die M–keit! (z. B. Höfer Leb. 9), Ausruf der Verwundrung über die Verwirklichung von etwas für un-m. Gehaltnem, vgl.: Ist’s m.?! etc.; Bis in die aschgraue [s. d.] M–keit. Jahn M. 203; Was sind da für Geschichten herausgekommen, über die M–keit. Prutz Mus. 3, 69, mehr als man für m. halten sollte; Etwas aus der M–keit halten, für un-m., für unerreichbar etc.; Daß er einen solchen Mann weit aus der M–keit hielt mit seiner Familie verbunden zu werden. Paalzow Th. 2, 295 etc.; Nach M–keit!, soviel m., z. B.; Er vermied ähnliche Fragen nach M–keit. W. 9, 136 etc.; Alle M–keiten [Eventualitäten] erwägen, ferner z. B.: Schöner Jliaden mag der Schoß der M–keit vielleicht noch genug enthalten. B. 183a; Geschmeichelt von den neuen M–keiten. Gutzkow R. 6, 51; 323; Bei jedem geschehenen Dinge lässt sich die innere M–keit von seiner Wirklichkeit unterscheiden, obgleich nicht trennen, wenn es ein geschehenes Ding bleiben soll. L. 5, 386; Weit m–ere M–keiten als die bloß metaphysische. Mendelssohn 4, 2, 564; Die schlimmsten M–keiten. Sch. 1078b; Die schrecklichsten der M–keiten | malt ihr die Phantasie . . vor. W. 20, 194; Wo bald die M–keit des Auswegs sich verliert. 212; Erweitert sich nicht der Kreis der M–keiten mit unserer Kenntnis der Natur? 29, 142 etc.; Mensch-M–keit (s. 3a). Zelter 6, 313.
Anm. Mhd. und veralt. mügelich, auch in Bed.: mäßig, billig, erlaubt, wie un-m. = ungemein, sehr, s. Benecke 2, 10a; Brem. Wörterb. 3, 178 ff.; Haltaus 1361ff.; Schm. 2, 558 etc. Auch: Dem „vol müglichsten“ [valentissimo, mächtigsten, stärksten]. Stumpf 674a, s. ver-m. und mhd. wolmugende; Unmöglichheit [Unbeholfenheit] und Schwere seines Leibes. Ryff Th. 28.
Zsstzg. s. [2a; 3a; 4b], ferner: Ún- (⏑–⏑, ver- alt. ohn-m. L. 3, 162 etc.; vnmüglich. Jer. 32, 17; 27; Zach. 8, 6; Weish. 12, 9; 16, 5; Matth. 17, 20 etc.; vmmüglich. 19, 26; Luk. 1, 27; 18, 27; Ap. 2, 24; Röm. 8, 3; Hebr. 6, 18; 10, 4; 11, 6; 1. Mos. 8, 14 etc.): als Ggstz. zu [1; 2; 3] = nicht und (in weitrem Sinn) kaum möglich:
1) Das ist unm., schlechterdings, platterdings, durchaus, absolut unm.; Das ist nothwendig, weil das Gegentheil unm. ist; Das ist ihm unm.; Das kann (s. d. II 1) er unm. thun; Es ist unm., daß er Das thut thue, thun kann, thun könne; Es ist nicht unm. [= es ist wohl möglich], daß etc.; Es ist unm., daß er es nicht thut, es ist nothwendig, unvermeidlich, daß er es thut (s. u.); Es ist (ihm) unm., Dies zu thun; Bei Gott ist kein Ding unm.; Es ist unm., daß Gott lüge. Hebr. 6, 18; Ohne Glauben ist’s „vmmüglich“, Gott [zu] gefallen. 11, 6; Es wird mir unm. sein, nicht gegen Ihren Stachel zu lecken. L. 10, 131; Es ist uns unm., uns nicht augenblicklich daran zu erinnern. Sch. 1227a; Es ist unm. (⏑– ⏑), | daß du errathest, wer sie Beide seien. 600a; Wie es in der Natur der Dinge unm. kann gegründet sein, daß etc. 102a; Die ich unm. in die allzuengen Pallisaden des Aristoteles .. einkeilen konnte. ebd.; Das Schicksal kann unm. wollen, daß etc. W. 20, 103; Ein alter muffichter Bouquin; ein sauber eingebundenes Buch würde es unm. thun. Luc. 1, 163 etc. Zuw. mit pleonastisch hervortretender Verneinung (s. Nicht) im abhäng. Satz: So ist es unm., daß weder ich noch [daß ich oder] irgend ein Mensch in der Welt Etwas leisten könne etc. G. 29, 54. 41*