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Vermögen
II. Vermȫgen, n., –s; uv.; –s-:
der substantiv. Infin. des Zeitw. vermögen (s. d.), in zwei Hauptbedd.: 1) das Können und Jm-Stande-Sein; die einem Wesen eignende Kraft, wodurch es diesem möglich wird, Etwas zu thun oder zu wirken etc., heute zumeist nur von persönlichen oder persönlich gedachten Wesen und, wo keine Mißdeutung (s. 2) zu befürchten ist:
a) in Zusammenstellung mit ähnl. Infin.: das Können, Wollen etc.: Auf mein eigenes Können (s. d. II 1) und V. stolz zu werden. G. 17, 171; 140 etc.; Wo eine sich entwickelnde höchste Kunst über ihr Wollen und V. sich noch nicht deutliche Rechenschaft ablegen konnte. 31, 94; Helfen mit Gold, Das war nicht seine Sache, Das ging ihm über Wollen und V. [s. d]. Gotthelf Sch. 316 etc.
b) nam. von den Kräften der Seele, des Geistes, z. B.: Die drei hier der niedern Natur Gottes zugesellten geistigen V. WHumboldt 1, 46; Die V. unseres Verstandes. Kant SW. 1, 173; Die V. des Geistes. König Leb. 2, 18; Alle V. und Fähigkeiten der Seele. Mendelssohn 4, 2, 340; Die Einbildungskraft sei ohnehin ein vages, unstätes V. G. 18, 304; Daß nicht sowohl unsere Vernunft auf der Regel des Willens als vielmehr unsere Phantasie auf das V. des Willens [auf Das, was er vermag] hingewiesen werde. Sch. 1132a etc., s. a. Auch zuw.: das ganze geistige Sein nach dem Umfang all Dessen, was es vermag, all seiner Kräfte, z. B.: Ein Wohlwollen der Art verdient die ganze Seele, das ganze V. eines weiblichen Wesens. G. 19, 169; Ich fing an, die sicilianische Reise zu redigieren, doch riß das orientalische Interesse mein ganzes V. mit sich fort. 27, 307; Ich empfinde .., was Ihr näheres Einwirken auf mich in mir verändert hat und obgleich in der Art und an dem V. selbst Nichts anders gemacht werden kann. Sch. G. 2, 173, vgl. (veralt.): Gott lieb haben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allem V. 5. Mos. 6, 5 etc.
c) mit Jnfin. und ,,zu“, z. B.: Sein V., die Unternehmungen auszuführen. L. 4, 204; Das V., schaden zu können (s. d. II 1). 1, 149; Alle V. unserer Seele .., die Er- innerung, die Einsicht in die Zukunft und das V., zu schließen. Mendelssohn Phil. 1, 53 etc., vergl. auch die entsprech. Zsstzg.: Das V. der Seele, Etwas zu ahnen oder das Ahnungs-V. der Seele etc., auch hin und wider von Sachen, s. Anziehungs-, Auswaschungs-V. etc. und z. B.: Nichts hatte das V. [gw. „vermochte“], sie .. zurückzuziehen. W. 12, 245 etc., in einigen Verbind., nam. abhäng. von Präpos.: Soviel in meinem V. [in meiner Macht] steht; Das steht nicht in meinem, geht über mein V.; Über euer V. [mehr als ihr vermögt]. 1. Kor. 10, 13; Sir. 3, 18; Er unterstehet sich mehr, denn sein V. ist. Ier. 48, 10; Nach V. (W. Merck 2, 156), nach bestem, nach äußerstem (Lohenstein IbrS. 68; W. 11, 197 etc.) V., veralt. auch: Meines V–s. Berlichingen 93; Stumpf 607a etc. = nach Kräften. Veralt.: Daß er es thue als aus dem Vermügen, so Gott darreichet. 1. Petr. 4, 11 etc.
d) Bsp., in denen V. (oder veralt. „vermügen“) heute gern vermieden wird, nam. wegen zu befürchtender Mißdeutung (s. 2): Mein V. [meine Kraft] ist weg (Hiob 6, 13), dahin (Klag. 3, 18); Es ist kein V. in unsern Händen. Neh. 5, 5 [„Nichts ist in der Macht unserer Hand“. Zunzl; Groß V. ist allezeit bei dir. Weish. 11, 22 (vgl.: Sein V. und starke Kraft ist so groß. Jes. 40, 26); Laß nicht den Weibern dein V. Spr. 31, 3 [„ Gieb nicht den Weibern deine Kraft“. Zunz]; Durch dein V. wirst du nicht alles Unrechte zurecht bringen. Sir. 7, 6, du wirst es nicht vermögen; Daher ist ihr V. auf meine Kleider gespritzt. Jes. 63, 3 ff., mit der Randgl.: Daß Alles, damit sie zuvor mich übermochten, zerschmettert ist und zerspritzet etc.; ferner z. B.: Der Acker soll dir sein V. nicht geben. 1. Mos. 4, 12, Das, was er vermag, seinen Ertrag; Sein Hengst .. wiehert voll V. [Kraft und Muth] | und Ungeduld. Alxinger D. 115 etc. und (vgl. 2): Bei Flinten, welche V. genug haben, d. h. die im Lauft stark genug an Eisen sind. Winkell 3, 387. 2) (s. das Zeitw. vermögen 4) Das, was Jemand an Hab’ und Gut besitzt: Ein großes V. erben, erwerben, verschwenden; Ein bares V. von 1000 Thaler; Sein ganzes V. verlieren, darum geben; Jeden nach seinem V. (vgl. 1) besteuern; Über sein V. (vgl. 1) steuern; Das ist Alles, was ich an barem Gelde im V. habe, auch z. B.: Der Gärtner (bringt Blumen): Das Beste, was ich heute im V. habe [vermag] .., meine Hyacinthen sind alle. Sch. 310a etc.; Ein Mädchen mit oder von [großem] V. heirathen; Der Mann war fast großen V–s und hatte 3000 Schafe etc. 1. Sam. 25, 2; Daß ungeheure V. in Holland gemacht [erworben] worden sind. Dingelstedt 162; Sollen Berge in einem Abend verspielt, ja ganze V. zu Grunde gegangen sein. Gotthelf Sch. 229 etc. Selten verkl.: Und wenn das Vermögelein drauf gehen sollte. Kurz Sonn. 14 etc.
Zsstzg. leicht zu mehren und zu erklären nach den folgenden, vgl. zu [1], nam. zu [1b und c], was wir unbez. lassen die von Kraft, Fähigkeit, Gabe etc.: Āhn(d)ungs-: Personen, welche sonst keine Spur von A. zeigten. G. 20, 44; WHumboldt 1, 3. Áll- [1]: eine Alles vermögende Macht, Allmacht: Was übersteigt der Liebe A.? W. 20, 109.
Ánschauungs-: Ein solches A., mit dessen Hilfe Sie in jedem Ggstde sehen könnten, was Sie wollten. 3, 118. Ánziehungs- [1c]: Das A. einer Masse. Kant 8, 323. Āūswaschungs- [1c]: Noch bestimmter sehen wir das A. des Wassers an Rinnen, in denen es seit langer Zeit sich bewegt hat. Burmeister Gsch. 9.
Begêhrungs-: Kant Anthr. 201 ff.
Begríffs-: Sein B. ist sehr schwach.
Bezēīchnungs-: Kant Anthr. 105. Dénk-.
Díchtungs-: Sch. 1197a; Es giebt drei versch. Arten des sinnlichen D–s. Kant Anthr. 79.
Divinatiōns-: 92.
Eīnbildungs-: Dessen E. versiegt. Zschokke 1, 63. Empfíndnis- (Mendelssohn 4, 1, 123), Empfindungs-.
Erfíndungs-: Sinnend stand ich da und bot all mein E. auf. G. 21, 275. Er- ínnerungs-: Das Vermögen, sich vorsetzlich das Vergangene zu vergegenwärtigen ist das E. Kant Anthr. 91.
Erkénntnis-: In der Familie der obern E. giebt es doch noch ein Mittelglied zw. dem Verstande und der Vernunft, dieses ist die Urtheilskraft. Kant Kr. d. Urth. XXI; V etc.
Fássungs-: Das übersteigt sein F. Gēīstes- [1b]. G. 29, 423.
Hálb-: ein halbes, für das Ganze unausreichendes Vermögen, vgl. Un- V.: Nur das H. wünschte gern seine beschränkte Besonderheit an die Stelle des unbedingten Ganzen zu setzen. G. 18, 304. Immobiliār- [2]: Besitz an unbewegl. Gütern, Grundbesitz. Ménschen- [1]: menschliches Vermögen; Das, was ein Mensch vermag: Es länger auszustehn, geh über M. W. 15, 183. Mobiliār- [2]: Besitz an bewegl. Gütern, fahrende Habe. Privāt- [2]: das Vermögen, das einem Fürsten etc. als Privatmann gehört. W. 27, 302. Sēēlen- [1b]: Alle S. oder -Fähigkeiten können auf die drei zurückgeführt werden. Kant Kr. d. Urth. XXII; H. Ph. 4, 87. Sínnen- [1b]: Von der Hemmung, Schwächung und dem gänzlichen Verlust des S–s. Kant Anthr. 65.
Sónderungs-: Dieser natürliche Abscheu vor dem Unechten und das S. sind nicht immer beisammen ... Wenn Beides jedoch, Abscheu und Sonderungsgabe, zusammenträfe, stünde die Kritik wohl auf der höchsten Stufe. G. 39, 89.
Sprāch-: In der Einerleiheit des Sp–s. WHumboldt 3, 261. Stāāts- [2]: das Vermögen, das ein Staat oder auch, das ein Fürst als Oberhaupt des Staats besitzt (vgl. Privat-V.). Stámm- [2]: ein Vermögen, insofern anderes davon herstammt, nam. ein Kapital, (Hauptgut) in Bezug auf die Zinsen, s. Ur- V.
Un-: Ggstz. von [1] das Nicht-im-Standesein, das Unvermögendsein, der Zustand, daß man Nichts vermag, Jmpotenz (s. d. und vgl. Halb-V., Ohnmacht etc.): Der Schlaf ist .. ein Zustand des U–s eines gesunden Menschen, sich der Vorstellungen durch äußere Sinne bewusst werden zu können. Kant Anthr. 65; Bei den übrigen Künsten, welche die Natur nachahmen, muß unsere Einbildungskraft ihrem U. fast immer nachhelfen. L. 4, 177; Diese beruhet auf der Einschränkung, auf dem U. Mendelssohn Ph. 1, 31; Bloß unserm U. zuzuschreiben. 29; Dünkel mit U. .. gepaart. Sch. G. 1, 254; Ihr U., der verwaisten Armen zu helfen. Thümmel 5, 74; Ein plötzlich U. | strickt jede Sehne mir in allen Gliedern los. W. 20, 87; Pflegt seiner [des Blinden] liebevoll in seinem U. 154; Mehr, aus Zärtlichkeit, von ihrem U., | ihn aufzuheitern als an ihrem Stolz gekränkt. 180; 15, 240; Das U., es länger auszuhalten. 16, 169; Daß es bloßes U. sei, was ihn verhindere, die Trompete der Kalliope anzusetzen. HB. 2, 125 etc. Zuw. auch personif., wie „Ohnmacht“, die Gesammtheit der Unvermögenden und Schwachen: Jede Kraft fand ihren Spielraum, keine gab dem U. Rechenschaft. Platen 4, 147 etc.
Ūr-: ein ursprüngliches Vermögen, nam. [1], doch auch (vgl. Stamm-V.) [2]. Verstándes- [1b]. Wíllens- [1b]: Sch. 1132a etc. Zēūgungs- [1]: Jemand durch Kastrieren des Z–s berauben u. ä. m.