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meistern
Mēīstern, tr. und zuw. intr. (haben):
sich als Meister behaben, als solcher schalten etc. in mehrfach in einander übergreifenden Bedd., namentl.:
1) einer Pers. oder eines Ggstds. Meister (s. d. 1a d) sein, werden, sich machen; über oder mit Etwas als Meister schalten und walten, es beherrschen, regieren, lenken, bewältigen, bezwingen etc., z. B.: Hatt’ ein Adler eine Schildkröte gefangen, welche er nicht wohl m. konnte. Garzoni 449b; Rosse, hemmet eure Flügel, | fühlet den gewohnten Zügel, | meistert [zügelt, zähmt] euch, wie ich euch meistre [lenke]. G. 12, 39; Die nordischen Hexen wusst’ ich wohl zu m. 129; Dem freien Bürger, der sich nicht leicht von Jemand will m. lassen. 26, 283; Die Regung [be]meistert mich. Gryphius; Wir nehmen dem Zufall die Kraft, aber m. das Schicksal. Hölderlin H. 2, 38; Glaube und Liebe m. alle Gesetze. Luther SW. 63, 13; Mendelssohn Ps. 12, 4; Opitz 1, 17 v. 273; Ein Wundermann, | der selbst die Teufel m. kann. Pfeffel Po. 3, 95 etc. und mundartl.: Sie hätten soviele Aprikosen, daß sie sie nicht m. [bezwingen, aufbekommen] möchten. Gotthelf Sch. 406 etc. Auch intr.: Es gebührt den Officialen . ., weil sie nicht Theologen, nicht im Gewissen zu m. etc. Luther 5, 240b, nachher: „es regieren“; Wenn dein Finger durch die Saiten meistert [durch die Saiten, sie meisterhaft beherrschend fährt]. Sch. 2b; Weil denn die Erde keine Lust mir beut, | als herrschen, m., Andre unterjochen. Schlegel Sh. 8, 274 etc.
2) an Vollkommenheit übertreffen: Nie wallte sie zur Schule | .. doch diese Feine meistert | die Meister all der Schule. Daumer 1, 76; Wie sollte es also der Kunst gelingen, die Natur in einem solchen Grade zu m.? G. 39, 437 etc., s. 3.
3) zurecht weisen, belehren, Vorschriften, wie man sich zu benehmen oder Etwas zu machen hat, geben, z. B.:
a) ohne tadelnden Nbnsinn: Wem es sonderbar scheinen möchte, daß wir auf diese Weise den Meister m. [ihm Vorschriften machen]. G. 32, 104; Euch m. [es bestimmen euer Verhalten] keine strenge Schlüsse, | euch lehrt das Heidelberger Faß. Hagedorn 3, 152; Im Fleiß kann dich die Biene m., | in der Geschicklichkeit ein Wurm dein Lehrer sein. Sch. 22b; Ihr mögt nur einzig einen weib’schen Prinzen, | den ihr wie einen Schüler m. [s. 1] könnt. Schlegel Sh. 7, 201; Der Obermeister zwar wird Meister m. [tadeln], | doch darf sie Schülerwitz nicht überkleistern. Werner Febr. 10 etc.
b) Einem in der Weise wie der Hofmeister seinem Untergebnen Vorschriften des Benehmens machen, hofm., vgl. c: Sie werden sich doch nicht m. lassen! [sagen lassen, ob Sie Wein trinken dürfen oder nicht]. G. 19, 70 etc.
c) (s. b) in dünkelhafter Uberhebung des Besser-Wissens und Könnens tadeln oder Vorschriften des Bessermachens geben, als Meister Klügel zurechtweisen: Sie meisterten den Heiligen in Jsrael. Ps. 78, 41 etc.; Das Murren, Mustern, M., Mäkeln, | wie hab ich es zum Tode satt! Dingelstedt (Monatbl. 1, 339a); Sie m. Gott. Mendelssohn Ps. 78, 19; 41; Nun soll mich .. der Himmel bewahren, daß ich unsern Herrn Kantor m. sollte. Möser Ph. 2, 301; Jeder arme Stümper meistert | den Griffel einer Meisterhand. Platen 6, 5; So sind wir eines mürr’schen Mannes los, | der unverträglich uns nur m. (s. b) wollte. Sch. 452a; Von diesen trotzig herrischen Gemüthern | sich m. (s. b) lassen! 456b etc. Dazu: Gott will von uns ungemeistert sein. Luther SW. 63, 48 etc.; Der Mei- sterer (s. d.). Auch intr.: An Allem zu m. und zu mäkeln haben etc., s. über-m. 2.
4) (vralt.) als Meister (s. d. 2f) im Vh. zum Werk: dies machen, einrichten etc., s. Benecke 2, 128b (3), z. B. noch (wo doch schon andre Bedd., nam. 1, hineinspielen): Weißt du, wie der Himmel zu regieren ist oder kannst du ihn m. auf Erden? Hiob 38, 38 („Kennst du die Gesetze des Himmels oder hast du ein Vogt über ihn bestellt auf der Erde? Zunz); Hie sitzt der Meister, der die Schrift seines Gefallens m. mag. Fischart B. 39a etc.
5) Färber: s. Meister 3c.
Zsstzg. theils mit Bestw., s. Zsstzg. von Meister und vgl. schustern, schneidern, tischlern etc., theils mit Vors., z.B.: An- (selten): Einem Etwas a., hofmeistern etc. anfügen, anbilden: Warf Alles fort, was ihm hier angemeistert. Glaßbrenner Verk. 2.
Bāū-: B–de Handwerker. Kohl A. 2, 241. Be- [1]:
1) tr.: beherrschen, bewältigen etc., vgl. über-m.: Meisterlos, soviel als „unbändig“, den Niemand b. kann. Auerbach D. 1, 294; Zu sehr hast du mein Herz bemeistert. Geßner 3, 122; So ist es denn nicht möglich, daß du dich | b. kannst? G. 8, 101; Ich kann meine Wünsche nicht b. Gotter 2, 217; Doch ward sein Herz von keinem Reiz bemeistert. Hagedorn 2, 297; Der argwöhnische Kleingeist, der ihn bemeisterte. Heine Börn. 238; Die Seele wird .. von einer ganz unangenehmen Empfindung, dem Schrecken bemeistert. H.; L. 1, 50; Kraft des Scherzes, welchen ich bemeistere. Platen 4, 182; Heliodorens | Bild bemeistert seine wache Seele. 303; Welche rasende Gebilde meinen Sinn bemeisterte. Tieck (Wackernagel 4, 1156 Z. 27); W. 10, 40 etc. Pedantische Menschen, deren Bemeisterung [durch die bemeistert zu werden] ich durch Lug und Trug zu entgehen suche. Kerner Bild. 115.
2) refl.: m. Genit. = sich bemächtigen: Liebe, | die sich des Gegenstandes b. will. G. 13, 100; Die meines ersten bildsamen Gefühls | im ganzen Umfang sich bemeisterte. 329; Die Sorge, die sich meistentheils des einen Ohrs bemeistert. 14, 218; Der Schlaf wollte sogleich sich seiner b. 17, 57; Muß sich Furcht und Entsetzen seiner b. L. 6, 403; Die Meuter wollten sich des Thurms b. Schlegel Sh. 8, 141; Die Begierde, Recht zu haben, die sich in der Hitze des Streites auch der Klügsten zu b. pflegt. W. 4, 58; Wenn diese Erscheinung sich nicht seiner ganzen Seele so sehr bemeistert hätte. 161. Hināūs-: daß er diesen Unbändigen zur Stadt hinausgemeistert [be-m–d hinausgebracht] hat. Weise Mas. 195. Hōf- [3b und c] (s. Hofmeister 2): Meine gute Frau hofmeistert oft genug an mir herum, aber von dem feinen gewandten Wesen .. habe ich noch nicht Viel wegbekommen. Benedix 8, 103; Der h–de Ton. Engel 12, 41; Nun genug gehofmeistert! L. 12, 232; Er hofmeisterte sie. Prutz DM. 1, 2, 415; Das H. trieben meine Eltern nur-fragmentarisch. Reinhard G. 118; Willst du dich von deinen Bubenjahren h. lassen? Sch. 125b; Und doch willst du mich über Zänkereien h. Schlegel Sh. 1, 82; Ich ertrug es auch von der jüngsten Schwester gehofmeistert zu werden. Tieck N. 2, 103; 5, 72; 7, 77; W. 2, 150; Einen ungehofmeistert lassen. Schweinichen 1, 124; Weise Abs. 333 etc. Auch: Wir wagen es die Natur zu be-h. Jahn V. 235; Jeden Hieb über die Schnur zu be-h. Ruge Nov. 402 etc. Klēīn-: Kleinmeisterliches treiben: Dein trauriges K. möchtest du uns gern | für des Systemes eigene Nothwendigkeit ausgeben. Rosenkranz Centr. 32. Lêhr-: als Lehrmeister oder Lehrer auftreten, schalten, sich gebahren, vgl. schul-m.: Hätt’ er nur etwas franker und unmaßgeblicher gelehrmeistert. V. Ant. 2, 19. Mít-: mit Meistern als Meister schaffen, arbeiten etc.: Statt Handlanger zu sein, will er doch immer noch m. G. 32, 49. Póst-: s. Postmeister. Schūl-: als Schulmeister fungieren; so schalten; sich so gebahren, Etwas so docieren; Einen so belehren oder ziehen (vgl. hof-m. und lehr-m.): Was da ledert, | schulmeistert und kathedert. Daumer H. 2, 51; Sch. Sie nicht [sein Sie kein Pedant]. Freytag Soll 3, 17; Mein Gemüth wollte nicht geschulmeistert, sondern durch freies Wohlwollen aufgeschlossen .. sein. G. 22, 216; Ich kann es nicht länger ertragen, als verheiratheter Mann geschulmeistert und abgekanzelt zu werden wie ein Bube von 6 Jahren um jeden Heller, den ich ausgebe. Prutz Mus. 2, 218; Wir sch. [erziehen etc.] unsre Kinder für unsere armseligen Verhältnisse. Schwegler (1846) 717; Da ich eben nicht Viel zu thun habe, will ich dir die Stelle vor-sch. [vordocieren]. Seume Sp. 330; Wo wir den Winter hindurch schulmeisterten [Schule hielten]. V. 3, 35 etc. Sprāch-: als Sprachmeister fungieren etc. (s. schul-m.), sprechen: Asmus .. hat, denk’ ich, zuerst davon gesprachmeistert. Musäus Ph. 1, 17. Tánz-: als Tanzmeister fungieren (m. ,,haben“), sich so bewegen (m. „sein“): Wo’ wir über die Straßen mit den müden Füßen daher tanzmeisterten. Sonnenberg; T–des Benehmen. Kohl Pet. 2, 125, scherzh. tr.: Ein geschnürtes, gebogenes und getanzmeistertes Edelfräulein. Südr. 2, 31, beim Tanzmeister dressiert etc. Über-:
1) [1]: be-m. (1), überwältigen, übermächtigen (G. 3, 246), überwinden: Als die Müdigkeit sie übermeisterte. G. 16, 280; Die mich haben ü. wollen und dem Papst unterwerfen. Luther 6, 359b; Da er ihn mit übriger Kunst ü. wollte. 479b; Bis zur nächsten Post will ich mich [meine Ungeduld] ü. JvMüller 14, 47; Frost kann sie nicht ü. Rückert 2, 188; Wenn er Das beschloß, | so übermeistr’ ich ihn. Schlegel Sh. 2, 48; Wenn eine Welt von Männern | mit aller Rednerkunst Nichts ausgerichtet, | hat eines Weibes Güte übermeistert. 7, 240; Sieh, ob du mich mit Blicken übermeisterst. 8, 160; 215; Bald übermeistert uns [Reimer] die Laune, | bald gar der Reim. W. 10, 122; Wer den Andern mit Citaten aus alten Dichtern ü. könne. Luc. 1, 404 etc.
2) [3c]: (vralt.) in überklugen Dünkel anders und dem Wahn nach besser machen: Die rechten Meister zu ü. Luther 6, 219b; Ist versehen oder ist übermeistert. 8, 357a etc. Um-: meisternd umgestalten, z. B. [1]: Du bist ein wackrer Mann, | wenn dich die Liebe nicht zu ihrem Sklaven | schnell umgemeistert hätte. G. 8, 69. Wérk-: als Werkmeister thätig sein etc.: Was dazu von uns geschehn muß, sage du, werkmeistre du. Droysen A. 1, 37. Zúcht-: als Zuchtmeister thätig sein: Einen so behandeln: Wenn ein Gefreiter | etwa den albernen Greis zuchtmeistert. V. H. 2, 171 u. ä. m.