Faksimile 0275 | Seite 273
Faksimile 0275 | Seite 273
Faksimile 0275 | Seite 273
Faksimile 0275 | Seite 273
Faksimile 0275 | Seite 273
Faksimile 0275 | Seite 273
gemein
II. Gemēīn, a. (s. Anm.):
Ggstz. zu „besonder“ (s. d.), mit mehrfachen in einander übergreifenden od. sich berührenden Nüancen:
1) nicht einem Wesen (Ggstd., Menschen etc.) bes. eignend, sondern mehrern genannten oder vielen überh., den meisten, allen zukommend oder gehörig, dafür oft, wegen nahe liegenden Mißverständnisses (s. 3e) gemeinsam, gemeinschaftlich, allgemein:
a) in Bezug auf etwas bei mehrern mit einander verglichnen Einzelwesen übereinstimmend Vorhandnes, gemeinsam: Das haben sie mit einander g., es ist ihnen g.; Wir haben im Grunde Nichts g. mit ein- ander. G. 14, 90 etc., wir haben keine Ahnlichkeit, keine Berührung, Nichts mit einander zu schaffen oder zu theilen; Der Sauerstoff hat mit dem Stickstoff die Gasform g.; Die Eigenschaft der Schwere ist allen Körpern g.; Der Tod ist allen Menschen g.; Sie beklagen mit mir unser g–es Geschick [den frühen Tod]. G. 1, 259; Helft den [uns Beiden] g–en Feind mir niederhalten. Sch. 364a; G–e Noth | verschmilzt des Einzeln festgegoßne Formen. Werner Osts. 1, 123; Sie fühlten Beide | ihr Herz nicht hart genug, in dem g–en Leide | des Mitleids Trost einander zu entziehn. W. 3, 276 etc.
b) in Bezug auf Etwas, das keinem Einzelnen bes. und ausschließlich gehört, sondern z.B. Allen: Ob Dasjenige, was man Schatten nenne, unter die g–en Dinge, an welche Jedermann gleiches Recht hat, oder unter die eigenthümlichen, zu welchen einzelne Personen ein ausschließliches Recht haben oder erwerben können, zu zählen sei. W. 14, 21; Auf der g–en Heerstraße. Luc. 3, 420, vgl. (veralt.): Es durch öffentlichen Druck Jedermann g–e zu machen. Opitz (Wackernagel 3, 1, 627 Z.
1) etc., oder nam. von dem Eigenthum einer Gesammtheit: Keiner sagte von seinen Gütern, daß sie seine wären, sondern es war ihnen Alles g. Ap. 4, 32; 2, 44; Eine g–e Steuer zusammengelegt den Heiligen. Röm. 15, 26; Strafgelder, die ein jeder Übertreter in eine g–e Büchse entrichten soll. G. 16, 191; Zum g–en Schatz | ihr goldnes Scherflein mitbescheren. Pfeffel Po. 3, 155; Die Nutzungen an der g–en Markung oder Allmande [s. d.]. Römer etc. In Bezug auf Individuen, die keine Gesammtheit ausmachen (s. 2) gilt gw. nicht g., z. B.: Die beiden Brüder besitzen das Haus gemeinsam; Sie machen die Reise auf gemeinschaftliche Kosten, dagegen: Der Deputierte macht die Reise auf g–e Kosten, auf Kosten der deputierenden Gesammtheit etc. Ferner von einem mit Andern getheilten Besitz: Jch will allein | mein Heimlichkeit ha’n, nicht g. Brant Narr. 51, 34; Daß es keim Andern werd g. [zu Theil]. 110a; 62; 33, 73 etc. c) von gleichem, mit einander verbindendem Jnteresse: Das sicherste Zeichen, daß ich nichts G–es 35 c7 mit den Hunden gehabt. G. 9, 121; Mit Jemand g–e Sachen haben, machen (W. 17, 58; Sch. 644a etc.); Sich von der g–en Sache absondern (351a etc.).
2) (s. 1) für eine ganze große Gesammtheit geltend, sie umfassend, all-g., nam. in Bezug auf politische (bürgerliche und staatliche) Gesammtheiten und Genossenschaften: Für das g–e Wohl oder Beste sorgen, für das Wohl der Bürger in ihrer Gesammtheit, für das der Kommune, der Stadt, des Staats etc.; Bedenklich, einem Manne, der seinem eigenen Hause so schlecht vorstehe, das g–e Wesen anzuvertrauen. W. 13, 23; In einem der Kultur nach schon so weit fortgeschrittenen g–en Wesen [Staat]. Kant Buchm. 15; Wenn das Heil g–er Stadt und Republik auf dem Spiele gestanden hätte. W. 14, 13; Von wegen des g–en Nutzens. Immermann M. 1, 274; Von Gott erbetner Prinz, in dessen güldner Wiegen | ein Unterpfand g–er Ruhe ruht. Weichmann 1, 17; Hat Allah zu g–em Heil | der Gnaden vier [den Arabern] verliehen. G. 4, 5; Einem Bündnis entsagen, das die Fugen der Bürgerwelt auseinandertreiben und die g–e ewige Ordnung zu Grunde stürzen würde. Sch. 198a etc. Aber auch sonst, wo freilich oft schon die Bed. 3c sich einmischt, z. B.: Der g–e [oder Menschen-] Verstand, wie er allen Menschen g. ist (frz. sens commun), s. 3); G–e [oder „Menschen-“ Eß] Liebe. 2. Petr. 1, 7; Das g–e Gefängnis [für Alle, „öffentlich“ eß]. Ap. 5, 18; Ein g. Gebet [woran Alle theilnehmen, öffentlich]. 2. Macc. 8, 29; Einen g–en Frieden [für alle Theile des Reichs]. 9, 21; Das g–e Menschenschicksal, an welchem wir Alle zu tragen haben. G. 22, 234; Die Kette ., | die den besondern Satz an den g–en bindt. Haller 145; Du weißt, es ist g. [trifft Alle]: was lebt, muß sterben. Schlegel Sh. 3, 152 etc. Auch: Das g–e Recht, das für ganz Deutschland als Regel geltende, im Ggstz. zu den besondern Gesetzbestimmungen der Einzelstaaten, eine nach der Zeit schwankende Best., s. nam. Haltaus 641—646, jetzt gw.: das römische Recht, andrerseits auch im Ggstz. zu den Privilegien: das für Alle geltende Recht. So auch als Bstw., z. B.: G.-nützig, dem g–en Nutzen dienend etc., Ggstz.: G.-schädlich oder -verderblich (z. B. W. 31, 432 etc.); G.-faßlich (populär) u. ä. m., s. Anm.
3) (s. 2) gewöhnlich, häufig, in großer Menge vorhanden oder vorkommend, die große Mehrzahl oder die Regel bildend, alltäglich, ordinär etc., womit sich oft die Bed. der geringen Schätzung oder des geringen Werthes verbindet, im Ggstz. des Seltnen, Außerordentlichen, Höhern, Edlen oder in Bezug auf den Stand auch nur des Vornehmen, z. B. in folgenden vielfach in einander übergreifenden Anwendungen (s. e):
a) Diese Frucht ist dort so g., wie hier zu Lande die Kartoffel; Unverstand, der unter den Gewaltigen g. ist. Spr. 10, 5; Die Lüge ist g. bei ungezogenen Leuten. Sir. 20, 26; Greift man nicht zu dem g–en Mittel, seine Mängel auf die Umstände, auf andere Menschen zu schieben. G. 39, 296; Dieberei sei die g–ste Nahrung in der Welt. Zinkgräf 1, 182; Nichts ist g–er als der Stolz. Zimmermann Nat. 1; Lichtenberg 3, 484; Der Kohlweißling ist einer der g–sten Schmetterlinge; Der g–e Sperling und so bei sehr vielen Thieren und Pflanzen zur Bez. der, (bei uns) gewöhnlichsten Art etc.; Im g–en Leben (vgl.
b) oder: im g–en Lauf der Dinge; Nach der g–en Annahme, Vorstellung, Sage etc., nach dem g–en Glauben besteht die Welt etwa 6000 Jahre; Eine g–e Rede (Matth. 28, 15), ein g–es Geschrei (2. Kor. 5, 1); Das g. Geschrei gehet selten leer. Luther 1, 162b etc.; Eine g–e Elle. Hes. 40, 5, wie sie gw. als Maß gilt; Eine g–e Meil von der Stadt. Stumpf 394a; Ein g–es Jahr, im Ggstz. zum Schaltjahr; Ein g–er Tag, im Ggstz. zum Festtag. G. 22, 117; Die g–en Logarithmen, die sog. briggischen, deren man sich gw. bedient, im Ggstz. der natürlichen; Die g–e Geschichte, im Ggstz. der heiligen (biblischen). G. 5, 50; Die g–e Wirklichkeit (s. e: Sch. 1225), im Ggstz. des Jdealen, der höhern, verklärten Dichterwelt etc.; Das Zufällig- Wirkliche, an dem wir weder ein Gesetz der Natur noch der Freiheit für den Augenblick entdecken, nennen wir das G–e. G. 3, 171; Nun beginnt er zugleich einen Kampf gegen die g–e Wirklichkeit, er lehnt sich auf gegen Alles, was wir unter Philisterei zu begreifen gewohnt sind. 27, 427; Die höchste Aufgabe einer jeden Kunst ist: durch den Schein die Täuschung einer höhern Wirklichkeit zu geben; ein falsches Bestreben aber ist, den Schein so lange zu verwirklichen, bis endlich nur ein g–es Wirkliche überbleibt. 22, 49; Meine Erzählung, in welcher das G–e [Wirkliche] mit dem Unmöglichen anmuthig genug wechselte. 1; Ob die Geschichte gleich aus dem g–en Leben genommen ist, so kommt sie mir doch nicht all- täglich vor. 19, 305; Durch ihre Prose die Poesie ihrer Freundin ins Gebiet des g–en Lebens herunterzulocken. 16, 46; Wäre mein Schicksal g., ich wollte gern g–es Übel ertragen; aber es ist so außerordentlich. 303; Bildende Künstler müssen .. sich dergestalt über das G–e erheben, daß die ganze Volksgemeine in und an ihren Werken sich ver- edelt fühle. 18, 316; Indessen schritt sein Geist gewaltig fort | ins Ewige des Wahren, Guten, Schönen | und hinter ihm in wesenlosem Scheine, | lag, was uns Alle bändigt, das G–e. 6, 424; Oft adelt er, was uns g. erschien | und das Geschätzte wird vor ihm zu Nichts. 13, 99; In ganz g–en Dingen [des gw. Lebens] | hängt Viel von Wahl und Wollen ab; das Höchste, | was uns begegnet, kommt wer weiß woher. 308; Ein Physikus ist verwandt mit dem höchsten Ernst, da mag er ein Philosoph heißen, und mit dem g–sten Spaß, da kann er für einen Taschenspieler gelten. 6, 333; Ein sinnlich gutes, aber doch nur g–es Gewahrwerden, das uns von der tiefern Einsicht .. ablenkt. 39, 12; Wir schienen uns Beide vor Worten und Zeichen zu fürchten, wodurch der glückliche Fund nur allzubald ins G–e offenbar werden [von seiner idealen Höhe herabgezogen, entweiht sich zeigen] könne. 19, 135; Er ist ein Mann von Verstande, aber von ganz g–em Verstande. 14, 90; Die guten Speisen zogen die Aufmerksamkeit der Gäste auf sich und Niemand bemerkte, daß sie in g–em [gewöhnlichem, nicht bes. kostbarem] Geschirr aufgetragen wurden. 16, 42 etc.; Nicht zufrieden, wie ein rechter Pilgrim sein soll mit g–er Nahrung. Hebel 3, 23; Was er von den Kupfern .. sagt, wird als bekannt und g. vorbeigegangen. L. 11, 417; Einen nur ganz g–en Gebrauch davon zu machen. 12, 427; Histoires scandaleuses, durch welche jene Männer der g–en Menschheit näher gerückt werden. Merck’s Br. 2, IX; Es ist ’was G–es [nichts Ungewöhnliches], daß Menschen fallen und Paradiese verloren gehen; aber wenn die Pest unter Engeln wüthet, so rufe man Trauer aus durch die ganze Natur. Sch. 212a; Nichts G–es [Alltägliches, Bedeutungsloses] will ich damit sagen. 335a; Nicht bloß der Stolz des Menschen füllt den Raum | mit Geistern, mit geheimnisvollen Kräften: | auch für ein liebend Herz ist die g–e | Natur zu eng. 347b; Nicht, was lebendig, kraftvoll sich verkündigt | ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz | G–e ist’s, das ewig Gestrige, | was immer war und immer wiederkehrt | und morgen gilt, weil’s heute hat gegolten; | denn aus G–em ist der Mensch gemacht | und die Gewohnheit nennt er seine Amme. 362b etc.; Nur überglast die zarte Wehmuth alle Gegenstände einer g–en Gegenwart. Tieck N. 5, 161; Bei einer nicht g–en Schönheit besaß sie alle die Annehmlichkeiten etc. W. 1, 169; Dieser Bär ist kein g–es Thier. 12, 235; Lang war er, mehr als das g–e Maß | der Männer ist. 241; Wozu im Grunde der g–ste Menschenverstand (s. 2) zureicht. 27, 382 etc. b) von Menschen, in Bezug auf ihre äußre Stellung, auf Rang und Würde: zur großen Masse gehörig, im Ggstz. der Eximierten und Vornehmen, wo sich oft auch der Begriff der niedern Bildung etc. (s. e) einmischt, z. B.: Beide, g. Mann (s. d. 1) und Herren; Die g–en Leute. 2. Kön. 23, 6; Der g–e Haufen. 2. Chr. 35, 12 ff.; Wenn ein Fürst sündiget. . . Wenn es aber eine Seele aus dem g–en Volk versiehet. 3. Mos. 4, 27; Ap. 17, 5; Redet ihr doch davon wie der g–e Pöbel. Hiob 21, 29; Jer. 26, 23; Meine Noth will ich Denen in die Arme werfen, welche von den Andern g–e Menschen genannt werden. Die sind Menschen. Iffland 3, 2, 121; Ihr seid g–e Männer nur, doch denkt | ihr nicht g. [e]. Sch. 382a; Hat die Königin doch Nichts | voraus vor dem g–en Bürgerweibe. 416b; Übel ziemend dem G–sten selbst, | viel mehr denn einem Ritter, Hauptmann, Führer. Schlegel Sh. 7, 292; Jungfer, ich bin nur schlecht und g. und verstehe den Schick nicht. V. 1, 133; Auf das g–e Volk und auf einen großen Theil der Vornehmern, die in Sachen dieser Art allenthalben g–es Volk zu sein pflegen, that die Erfindung des Oberpriesters ihre vollständige Wirkung. W. 14, 65 etc., auch: Versetzt der Fürst. . . Man findet im g–en Leben [bei Bürgersleuten] | oft manches feine Augenpaar. 12, 16 etc., ferner z. B. im Ggstz. der Priester: die Laien: Mit Kirchengeschichte was hab ich zu schaffen? | ich sehe weiter Nichts als Pfaffen; | wie’s um die Christen steht, die g–en, | davon will mir gar Nichts erscheinen. G. 3, 126 etc. und nam. oft im Heere, im Ggstz. der Officiere: Ein g–er Soldat; Dem g–en Krieger fünftehalb, dem Doppelsöldner 8 Gulden Sold. JvMüller 24, 205 und substant.: Ein G–er; Die G–en; Officiere und G–en. Tieck N. 5, 296 statt des gw. G–e etc. Ferner in England: Das Haus der G–en [Unterhaus] im Ggstz. zum Haus der Lords.
c) Zu b: Sich g. machen etc., mit Leuten niedern Standes ohne Rücksicht auf den Standesunterschied verkehren, gw. mit dem Nbnbegriff, daß man sich dadurch an seiner Würde etwas vergebe und so auch in sittlicher Beziehung (s. c und d): durch den Verkehr mit Niedrigen, pöbelhaft Gesinnten sich erniedrigen, vgl. herablassend und: Leutselig (s. d.) sei, doch keineswegs g. Schlegel Haml. 1, 3; Jhm ward verwiesen, daß er gar zu freundlich und g. auch mit jedem Bauren wäre. Weidner 30 etc., doch auch hin und wider in lobendem Sinn: So manierlich und g. mit allen Leuten, von Hochmuth nicht einen Flöhdrecks groß an ihnen und doch so adelig, man wisse nicht wie. Gotthelf G. 184; Wenn ein vornehmer Herr nicht hochmüthig ist, sondern redet auch mit geringen Leuten und stellt sich manchmal, als wenn er nur ihres Gleichen wäre, so sagt man zu seinem Lob: er ist ein g–er Herr. Hebel 3, 175; Und die Hüte Alle ab, wer ihr nur immer sieht, und er so mir Nichts, dir Nichts, ganz g. und doch so hoch. Sealsfield Leg. 2, 213 etc., selten von einem Menschen niedern Standes: Sich mit Vornehmen g. machen, mit ihnen, wie mit seines Gleichen, verkehren, z. B.: Was wird der junge gnädige Herr von mir denken, daß ich mich mit dem gnädigen Fräulein so „g. machen soll“. Goltz 3, 241.
d) biblisch (s. a): Ich habe kein g–es Brot unter der Hand, sondern heiliges Brot. 1. Sam. 21, 4, das für den gw. (profanen) Gebrauch bestimmte, im Ggstz. des geweiheten, für die Priester, vgl.: Zwischen dem Heiligen und G–en. G. 30, 281 etc.; dann auch = unrein (unheilig, entweiht etc.), z. B.: Mit g–en, d. i. mit ungewaschnen Händen das Brot essen. Mark. 7, 2; Es ist Nchts außer dem Menschen, das ihn könnte g. machen [verunreinigen], so es in ihn geht etc. 15; 20; 23; Ich habe noch nie etwas G–es oder Unreines gegessen etc. Ap. 10, 14; 15; Keinen Menschen g. oder unrein zu heißen. 28; 11, 8; Dazu hat er die Griechen in den Tempel geführet und diese heilige Stätte g. gemacht [verunreinigt, entweiht]. 21, 28; Röm. 14, 14; Off. 21, 27 etc., auch: Triebest du Hurerei also, daß du dich einem Jeglichen, wer vorüber gingest, g. machtest [vermischtest, preisgabst]. Hes. 16, 15 etc., ferner (vgl. 3. Mos. 19, 23 ff.): Einen Weinberg g. machen, seine Frucht, die im vierten Jahr „dem Herrn heilig“, später zum allgemeinen, profanen Gebrauch verwenden.
e) in entschieden tadelndem Sinne, der freilich auch in dem Vorhergehnden oft mehr oder minder durchschimmert, im Ggstz. zum Edeln = unedel, ohne innre Würde, nam. oft (s. u.) niedrig in sittlicher Beziehung; pöbelhaft; dem Sinn, der Sitte, der Weise des Pöbels gemäß etc.: G–e Gesinnungen, Reden, Schimpfwörter, Zoten; G. und unedel ist, was die Phantasie herunterzieht und den Geschmack für das Heilige abstumpft. Fichte 6, 396; Im Grunde und Boden ein g–er Mensch. 7, 35; Sie waren nicht eig. g–e, aber doch gewöhnliche Menschen. G. 20, 207; Ein wunderliches, g. heftiges Geschrei. 26, 212; Ein g–er Geist argwohnt g. Platen 6, 50 etc., vgl. (s. a): G. ist Alles, was nicht zu dem Geiste spricht und kein andres als ein sinnliches Interesse erregt. . .. Noch eine Stufe unter dem G–en [a] steht das Niedrige, welches von Jenem darin unterschieden ist, daß es nicht bloß etwas Negatives, nicht bloß Mangel des Geistreichen und Edeln, sondern etwas Positives, nämlich Roheit des Gefühls, schlechte Sitten und verächtliche Gesinnungen anzeigt. . . . Das G–e ist also dem Edeln, das Niedrige dem Edeln und Anständigen zugleich entgegengesetzt. Sch. 1225, wobei zu bem., daß im prägnanten Sinne das G–e oft noch unter dem Niedrigen (s. d. 2e) steht, z. B.: Der Schauspieler darf die niedrig-komische Rolle nicht ins G–e herabziehn etc., wie auch die verstärkenden Zsstzg.: Das ist erz-, grund-g., hunds-g. von ihm etc.
4) Ins-g., adverbiell (s. Anm.):
a) g.-hin (s. d.), gemeiniglich (s. d.), gewöhnlich (mundartl.: in der G. Schm. 2, 588): Wie man ins-g. annimmt (vgl.: Nach der g–en Annahme); Wie es ins-g. geht; Die Katzen sind ins-g. genäschig etc.
b) insgesammt: Alle deine Freunde sind ins-g. [im Urtert: gemeine] mir hold. Simrock Nib. 866; Sie an offner Stätte | verbrennen inß. Uhland 459 etc., auch: Über den Begriff der Vollkommenheit ins-g. oder insbesondere [im Allgemeinen und im Besondern] sorgfältige Untersuchungen angestellt. Kant SW. 1, 194; Um aller Wohlthat willen, so ich Allen „in g.“ und insonderheit gegen einem Jeglichen erzeigt habe. 2. Macc. 9, 26 (vgl.: All und Jeder, sammt und sonders); Er übergab sie in-g.| der fremden Heidenschaft auf Erden. Opitz etc.
5) Dazu: G–heit (s. d.).
Anm. Goth. gamains, ahd. gimeini, mhd. gemeine, dem lat. communis entsprechend, von Wackernagel zerlegt in gam–ains, also als Zsstzg. von eins (s. d.) mit der der lat. Vorsilbe com (mit, s. Ge) entsprechend: Eins, was sich übereinstimmend bei einer Gesammtheit findet (vgl. auch Benecke 3, 97). Gegen diese Zerlegung spricht aber das Doppel-m im lat. communis und im Deutschen die ältern Formen ohne die Vors. „ge“ (s. Brem. Wörterb. 3, 146 etc., auch Allmende etc. und z. B.: Das weiß meiniglich. Luther 5, 108a, vgl. männiglich). Das Adv. ist üblich nur in der Bed. 3e, vgl. 4 und gemein(ig)lich, adv. und z. B.: Er ist von g–er —, von un-g–er Größe, aber adverb. nur: Er ist un-g. groß etc. Steigrung gw. nur in Bed. 3. Mund- artl. veralt. Bedd., s. nam. Haltaus und Schm., z. B.: G–e [unparteiische] Richter. Zwingli 2, 3 etc., wie Fortbild. z.B.: Gemeinen, intr. (haben): freundlich herablassend werden. Stalder 2, 206.
Zsstzg. z. B.: Áll-:
1) [1b] Allen gemein, Keinem besonders gehörig: Der aufgegebne Theil des Volks, dem Nichts gehöret als die a–e Sonne. Sch. 363b; A–e Gaben wie die Sonne | ertheilet Jedem sein freigebig Auge. Schlegel Sh. 7, 107 etc.
2) (s. 1) allumfassend, für alles Einzelne und Besondre (ohne Ausnahme) geltend etc., dann auch: vielumfassend: Es giebt hier keine a–e Regel [versch. 5], man muß sich jedesmal nach dem besondern Falle richten; Es ist thörig, von einem Künstler zu fordern, er soll Viel, er soll alle Formen umfassen . . . Wer a. sein will, wird Nichts, die Einschränkung ist dem Künstler so nothwendig etc. G. 31, 21; Die alten Statuarii waren a–e Bildner und wer in Erzt gießen, Der konnte gew. auch in jeder andern Materie arbeiten. L. 8, 476 etc.; Je höher du wirst aufwärts gehn, | dein Blick wird immer a–er. | Stets einen größern Theil wirst du vom Ganzen übersehn, | doch alles Einzle desto kleiner (s. 5). Rückert etc., s. 6.
3) [1b] zuw. (s. 4): einer Gesammtheit, einem großen Ganzen (Gemeinwesen) angehörig, z. B.: Rousseau schrieb die uneingeschränkte Souveränetät dem Volke, die gesetzgebende Macht dem a–en Willen zu. Gentz Rev. 20; Übe dich zum tüchtigen Violinisten und sei versichert, der Kapellmeister wird dir deinen Platz im Orchester mit Gunst anweisen; mache ein Organ aus dir und erwarte, was für eine Stelle dir die Menschheit im a–en Leben [in ihrem, der Menschheit, der großen Gesammtheit, versch. 5b] wohlmeinend zugestehen werde. G. 18, 39; Der a–e Christ [das Glied der großen christl. Kirche, nicht einer einzelnen Sekte etc.], | der aller Glauben Glied und keines Eigen ist. Haller 112; Bis ein Tag die a–e | und die besondre Schuld auf einmal zahlt [die Schuld gegen das gemeine Wesen und die gegen die einzelnen Glieder desselben] ... Raub begeht am a–en Gut, | wer selbst sich hilft in seiner eignen Sache. Sch. 531a; Dem a–en Ohr [dem des Publikums], für das der Dichter spielt, | mißfällt die Wahrheit oft. W. 12, 158 etc.
4) überall oder doch weit verbreitet; bei der großen Menge des Volks (des Publikums) geltend etc.: Man behauptet, meint, sagt, erzählt es a.; Das ist die a–e, a. herrschende Ansicht, Meinung; A. herrschende Krankheiten; Er wird a. bewundert, die a–e Bewundrung wird ihm zu Theil; Die Furcht . . . | ward heuer a. Freiligrath 2, 184; Sie hoffen .. den a–en Frühling aufzuhalten, | der die Gestalt der Welt verjüngt? Sch. 279a; Es kostet Nichts, die a–e Schönheit | zu sein, als die gemeine [s. d. 3e] sein für Alle. 428b etc.
5) für Etwas, im Ganzen und Großen geltend und es umfassend, wobei das Einzelne und Besondere in seiner Nüancierung und Verschiedenheit zurücktritt oder (in tadelndem Sinn) unberücksichtigt bleibt: Die a–e Weltgeschichte (s. 2) berührt manche Punkte ganz kurz, den Specialgeschichten die weitre Ausführung überlassend; Eine a–e Regel [versch. 2], die natürlich mannigfache Ausnahmen hat; Etwas nur in a–en oder in den a–sten Umrissen, im A–en schildern; Im A–en mögen Sie Recht haben; doch der besondre Fall gestaltet sich ganz eigen; So wäre Das schon Etwas; aber doch so a.-hin immer noch zu Wenig. Claudius 4, 99; Genug, wenn unter den besondern, zufälligen Zügen das A–e nur klar hervorscheint. Engel 7, 139; Mit einer a–en Bemerkung anfangen. G. 15, 7; Ihr Freund, der nichts A–es sagen wollte und nichts Besonderes zu sagen wußte, drückte ihre Hand. 16, 304; Mit a–en Phrasen. 18, 285; Unter dem Schein a–ster Höflichkeit [wie man sie gegen Alle ohne besondre Rücksicht walten lässt]. 270; Wir hätten gern von Allem ... das Nähere so wie das A–ere erfahren. 22, 52; Daß er sich im A–en gehalten [nicht jede einzelne Nüance besonders bez.]. 40, 255; Nach dieser a–en Beichte will ich gern zur besondern übergehen, daß etc. Sch. 2, 122 etc.; Unterscheidest, was an ihm a. menschlich liebenswerth und was es persönlich ist. Gutzkow R. 7, 463; Rückert W. 4, 165; Wenn man nur im A–en geblieben wäre und nicht durch besondere Angriffe auf einzelne Glieder dem Murren des Volks unternehmende Anführer gegeben hätte. Sch. 896b etc.
6) mundartl., veralt., z. B.:
a) einfarbig (so, daß allen Theilen dieselbe Farbe gemein): Ihre Farb’ ist öfters sprenglicht, | öfters a., oft bunt. Brockes 9, 178.
b) gewöhnlich: Regeln, so der Mensch im a–en Leben zu beobachten hat. Olearius Ros. 95 etc.
7) Dazu (s. 2u. 5): Verallgemeinen, tr.: a. machen, generalisieren und häufiger: verallgemeinern, a–er machen, z. B.: Einen Satz verallgemeinern, indem man z. B. den von positiven ganzen Zahlen geltenden auf Brüche, auf negative Zahlen etc. ausdehnt; ihn verallgemeinen, ihn für alle Zahlen überhaupt (nicht bloß für besondere Arten derselben) geltend machen; Eine gesteigerte, verallgemeinte Gelegenheitspoesie. Gervinus Lit. 5, 65; Das ist das Künstlertalent, daß es .. zu verallgemeinen, zu symbolisieren .. weiß. G. 29, 425; Da verbreitet, verallgemeint [intr.: wird a.] und verschmilzt Nichts. Kohl A. 3, 203; Erst die Bildung giebt uns Verallgemeinerung. Gutzkow Diak. 149; Ich bin in der Liebe ein Verallgemeinerer [liebe Viele]. Scherr Gr. 1, 178. Erz-; Grúnd- [3e]. Hánd-: gw. nur in der Verbind.: H. werden, bei Schlägereien und im Gefecht (z. B. Platen 4, 205; Schlegel Sh. 7, 220 etc.) ins Handgemenge gerathen, in unmittelbarster Nähe mit einander kämpfen; Weil wir ums [Nacht-]Lager h. geworden [in handgreiflichen Streit gerathen etc.]. Sch. 240a. In scherzh. Umdeutung: Er sagte ihr einige [Un-]Anständigkeiten und am Ende wurden sie h. Heine Reis. 1, 97, von der von Worten auf Handgreiflichkeiten übergehnden Obscönität. Húnds- [3e]. Un- [3a]: nicht gemein oder alltäglich, ungewöhnlich, außerordentlich etc.: Daß ein kühn Unternommenes in der Ausführung gleichfalls Kühnheit erfordert, weil bei dem U–en durch gemeine Mittel nicht wohl auszulangen sein möchte. G. 27, 138; Das U–e soll, das Höchste selbst | geschehn [in der Weise] wie das Alltägliche. Sch. 336a etc., selten von Pers.: Dieser u–e Schriftsteller. L. 4, 334 etc., dagegen nam. oft einen sehr hohen Grad der Intensität zu bez.: Etwas freut, ärgert, erregt Einen ung.; ist ung. groß, schön etc.; Eine u–e Freude etc.; Von u–er Größe, Schönheit etc., minder gw.: Kann ich mit Klugen mich erfreun, | so schmeckt auch Wasser ung. [vorzüglich]. Uz 2, 125; Er findet auch sein Birkhuhn ung., | erstickt er’s gleich nicht in Falernerwein. Hagedorn 1, 108 etc., selten mit Dat.: Ein Übel, das unsern Standesleuten nicht ung. ist. Opitz.