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verlieren
Verlīēren, tr. u. refl.:
verlor, verlöre; verloren: 1) tr. (im Aktiv):
a) dahin kommen, daß man Etwas, das man gehabt, nicht mehr hat, daß es für Einen hinweg ist, vgl. als minder allgm. Ausdr.: Um Etwas kommen (s. d. 10n), ein Gut verl., gw. mit persönlichem oder so gedachtem Subj., und: Etwas einbüßen, ein Gut verl., wobei der Verlust gw. im Zusammenhang steht oder gedacht wird mit einer Thätigkeit, mit einem Streben nach etwas zu Erlangendem, gleichsam als die für das, was erlangt wird oder werden sollte, gezahlte Buße, z. B.: Dies Kind hat früh seine Eltern verloren; Der König hat bei diesem Sieg seinen besten Feldherrn und seine tapfersten Truppen eingebüßt oder verloren, er ist darum gekommen; Bei einem Handel Geld einbüßen, verl., um Geld kommen; Geld aus der Tasche verl.; Ums Leben, um ein Auge, um die Gesundheit kommen, sie einbüßen, verl., aber wo es sich von etwas Schlimmen handelt nur: In Folge der Kur hat er die Krankheit, das Fieber, den Kopfschmerz verloren; Branntwein, durch Kohle filtriert, verliert den Fuselgeschmack; Durch das Schleifen verliert der Stahl die Rostflecken; Der Krätzer verliert dadurch die Säure und die Schärfe, dagegen: Der Essig büßt dadurch seine Säure und Schärfe ein etc., vgl. auch: abhanden kommen (s. d. 4d): Etwas verl., das Verlorene suchen, wiederfinden; Dinge finden [s. d. 1], ehe sie verloren sind [stehlen]; Durch einen Schuß ein Auge, einen Finger; durch einen Stoß einen Zahn verl.; Jemand verliert das Gesicht, Gehör, Gefühl, den Geruch, Geschmack; Das Räucherpulver hat seinen Geruch, Duft, die Speise hat ihren Geschmack verloren; Jemand verliert die Geduld, das Interesse für Etwas, den Muth oder das Herz (s. g), den Sinn, Verstand, die Geistesgegenwart, die Besinnung oder den Kopf, auch eig.: Den Kopf verl., enthauptet werden; Den Faden der Unterhaltung verl., ihr nicht weiter folgen können; Den Weg, die Spur, die Fährte verl., davon abkommen etc.; Gut verloren, Nichts verloren; Muth verloren, Viel verloren; Ehre verloren, Alles verloren. Sprichw.; Die Sonne verlor ihren Schein. Luk. 23, 45; Wer Heimlichkeit offenbart, Der verleurt den Glauben. Sir. 27, 17 [Dem glaubt man nicht mehr]; Suchen, V. hat seine Zeit. Pred. 3, 6; In Hoffnung oder Furcht, | ihn zu besitzen oder zu verl. G. 8, 15; Ferdinand! Dich zu verl.! Doch man verliert ja nur, was man besessen hat. Sch. 198a; Verloren zu fühlen, was sie besessen zu haben nie vergessen konnte. 860a; Nicht ja Odysseus nur verlor [kam um] den Tag der Zurückkunft. V. Od. 1, 355 etc. Zuw. auch im präsent. Partic. mit pass. Sinn: Im v–den Fall. W. 9, 127, im Fall des Verlustes etc. Auch mit abhäng. Präpos. neben dem Obj. oder ohne Nennung eines Obj., z. B.:
b) An Etwas verl.; Ein Kaufmann verliert (Geld) an einer Waare, macht beim Verkauf Schaden daran, Ggstz.: gewinnt, dafür seltner: Wenn er Gefahr laufen sollte, Etwas auf der Waare zu verl. Pfeffel Pr. 1, 197 etc., auch: An einem Schuldner Geld verl., (vgl. g); An jedem Pfund oder auf jedes Pfund 3 Pfennig verl. etc. Ferner: Ihr habt an ihm einen guten Vater, ich einen treuen Freund verloren, ihr besaßt in dem jetzt Verlornen, hattet an ihm einen guten Vater etc.; Die Ahnung von dem, was sie eben jetzt an der holden Pflegetochter verloren. Fouqué 8, 66 etc., daneben: Doch fühl’ ichs wohl, was ich in ihm verlor. Sch. 399b etc. Ferner mit „an“ st. des Obj. zur Bez., daß von dem Genannten ein Theil, nicht das Ganze verloren ist, vgl.: Das Parfüm hat seinen Duft verloren, duftet nicht mehr; es hat an Duft verloren, duftet nicht mehr so wie früher; Der Edelstein hat durch den schlechten Schliff bedeutend an Werth verloren; Das Gedicht hat in der Übersetzung an Anmuth verloren etc., daneben: Es kann jedoch auch auf ganz entgegengesetzte Weise das Glas von seiner Durchsichtigkeit und Güte verl. Karmarsch 2, 122; Wie das Institut von seiner ersten Reinheit verlor. Sch. 1016b etc.
c) Aus dem Gesicht, aus den Augen Einen od. Etwas verl., ihn oder es nicht im Auge behalten, vgl. mehr eig.: Geld aus der Tasche, aus der Börse, Federn aus dem Pennal verl. etc. und ähnl.: Den Ring vom Finger verl.; Jemand von der Seite verl., indem er von der Seite des Begleiters abkommt etc. Ferner: Aus Zerstreutheit, Unachtsamkeit Etwas verl.
d) In s. b.
e) Wer über gewisse Dinge seinen Verstand verliert, Der hat keinen zu verl. L. Gal. 5, 5, zur Angabe des den Verlust Bewirkenden, s. auch 3b etc. Daneben auch: über (s. d. †) mit Dat., z. B.: Mancher verleuret das Gewisse über dem Ungewissen. Luther 5, 271a; Der Held vergisst über seiner Leidenschaft den Rang nie und verliert immer seine Menschheit über seiner Würde. Sch. (Gervinus Lit. 5, 417) etc.
f) Von, s. b und c.
g) im Ggstz. zu ,gewinnen“, wo Pers. gegen einander agieren, z. B.: Ein Spiel, eine Partie, einen Robber etc., eine Wette etc., einen Proceß, Rechtsstreit etc., eine Schlacht, einen Kampf, ein Treffen (gegen Jemand) verl., auch ohne Obj.: Im Spiel, im Krieg, im Proceß gegen Jemand verl. etc.; Der unbesonnene Spieler .. zerstampft die Karten, die ihn unschuldigerweise verl. machten. G. 9, 59; Lehre mir | ein Spiel, wo Jedes reiner Jugend Blüthe | zum Pfande setzt, gewinnend zu verl. Schlegel Sh. 1, 3 etc. Auch: Geld verl.; Sein Herz an eine Schöne verl., die es von ihm erobert; Ein Spieler verliert Geld an sein e Mitspieler, die es von ihm gewinnen, vrsch. (s. b): Jemand verliert Geld an einem Schuldner, wenn dieser ihm nicht bezahlt etc.
h) Etwas vergeblich, nutzlos, ohne Erfolg anwenden; verbrauchen, so daß es nutzlos dahin ist, verschwenden etc.: An ihm ist Hopfen (s. d. 1) und Malz verloren; Ich habe mit oder bei diesen Unternehmen viel Zeit und Geld verloren; Jch will nun keine Zeit weiter verl. und ans Werk gehn; Das heißt Zeit und Mühe verl.; Verlier doch kein Wort mehr um od. über diese Sache; Ich rathe, keine Stunde mit Menschen zu verl., zu denen ihr nicht gehört. Falk G. 36; Willst nicht Salz und Schmalz verl. G. 2, 212; Meine Worte hab’ ich umsonst verloren. Sch. 514a; Die um Ehesegen | Erd’ und Himmel zu bewegen, | 20 Jahre schon ihr Latein (s. d.) verlor. Thümmel 5, 139 etc., vrsch.: In den Umständen .. hätte vielleicht Kartesius selbst sein Latein dabei verloren [vergessen]. W. 1, 187 etc., s. 3c und d.
i) mit persönl. Dat., faktitiv, vgl.; Er verlor durch sein Auftreten die Liebe des Volks, kam darum; Sein Auftreten verlor ihm die Liebe des Volks, brachte ihn darum; Wer denkt daran, daß solch ein Augenblick | uns den Erwerb von“ Jahren kann verl.? Göckingk 1, 157; Sein Eintritt in Brüssel hatte ihm alle Herzen verloren. Sch. 786b; Meinung von sich selbst und Hohn, | wovon, an einem Edelmanne haftend, | das Kleinste ihm der Menschen Herz verlieret. Schlegel Sh. 6, 102 etc. Selten faktitiv ohne Dat.: Hat auf ihrer steilen Bahn | Zauberliebe dich verloren? [zu Grunde gerichtet]. H. 16, 241. 2) refl.: (s. 1) vgl.: Jemand verliert seinen Werth, seine Würde, sein Jch, sein Selbst, sich selbst, sich und z. B.: Was Nutz hätte der Mensch, ob er die ganze Welt gewünne und verlüre sich selbs. Luk. 9, 25; Ich fürchte, mich an sie [die Menschen] und sie an mich zu verl. Gutzkow R. 4, 307; Daß er sich völlig an sie verliert, daß er, anstatt sie zu beherrschen, vielmehr in maßloser Willkür beherrscht wird von ihr. Prutz GschTh. 129; Sein Herz oder sich an Jemand verl.; Sich in Anschaun, in Gedanken verl., sich so in das Anschaun, in die Gedanken vertiefen, daß man darüber sich oder das eigne Jch vergisst (vgl.: Außer sich, nicht bei sich sein etc.), selten: Ihr ganzes Glück auf ewig zu zerstören, | braucht’s einen Augenblick, worin sie sich verlören [vergäßen, einen Fehltritt begingen]. W. 20, 174. Ferner (s. Sich und vgl. z. B.: Die Thüre wird geöffnet und: sie öffnet sich etc.): allmählich und unbemerkt verschwinden, sich entfernen und nicht mehr vorhanden sein: Ein Anblick verliert sich aus meinen Augen, aus meinem Gesicht; Solches Blättchen verliert sich leicht; Die Schmerzen, die Seitenstiche, die Flecken auf der Haut haben sich verloren; Zum höchsten Dome züngelt es [das Feuer] empor, | der immer ward und immer sich verlor. G. 12, 57; Ich fürchtete, | wie Echo an den Felsen zu verschwinden, | ein Widerhall, ein Nichts mich zu verl. 13, 125; Nicht ein Seufzer kann sich ungehört verl. W. 20, 180; Sieht sich unvermerkt in Höhen eingeschlossen, | wo bald die Möglichkeit des Auswegs sich verliert. 212 etc. In Bezug auf die abhäng. Präpos. (s. 3) gelten die allgm. Regeln, wobei Dat. und Accus. sich zuw. nahe berühren, vergl. z. B.: Jemand verliert ein Kind im Gedränge, unter der Menge, ebenso: Es verliert sich im Gedränge, unter der Menge, dagegen: Jemand verliert sich ins Gedränge, unter die Menge, wenn er sich (absichtlich) hineinmischt; Man verlor sich in die alte Gewerbstadt u. besonders Markttages gern in dem Gewühl, das sich um die Bartholomäuskirche herum versammelte. G. 20, 14; Ihr letztes Schreiben hat sich unter meinen Papieren verloren. L. 13, 100 (Gleim), wofür es mit einer Nüance auch heißen könnte: Es hat sich unter mein e Papiere verloren; gleichsam mehr personificiert: sich hineingemischt, sich meinem Anblick entziehend, dagegen z. B. nur: Die Farben des Regenbogens verl. sich in einander, z. B. das Blau durch das Grün ins Gelb [übergehend]; Ein goldner Saum verliert sich [wo?] am Ende der Flügel [des Schmetterlings] [wohin?] ins Grüne. Geßner, vgl. wo der Accus. freilich formell nicht erkennbar ist —: Thüren, | durch deren nie entdecktes Band | die Zimmer in einander sich verl. Sch. 33b; Die Übersicht des .. Ganzes und seiner sanft in einander sich v–den [übergehenden] Theile. V. Georg. VI. etc.; Des Un- erfahrnen hoher freier Muth | verliert sich leicht in Feigheit und Verzweiflung, | wenn sich die Noth ihm gegenüberstellt. G. 13, 264, der Muth geht über in Feigheit, wird zu Feigheit etc. Wir geben zunächst noch einige Bsp., worin die Bewegung entschieden hervortritt: Verliere dich nicht vom Schlosse. G. 7, 275; Ohne Abschied zu nehmen, verlor man sich aus einander. 17, 57; 25, 51; Ernstlich warnte der Bote sich nicht hinein-zu-v. 18, 45; Wenn unerfahren die Begierde sich | nach tausend Gegenständen sonst verlor. 13, 127; Auch der Kinnbart hatte sich schon zu hoch über die Wange hin verloren. Gutzkow R. 3, 166; So verliert sich das Spielwerk von der Würde, ich will nicht sagen, einer Heldenseele, sondern nur des gesunden Verstandes völlig ab. H. 4, 59; Mein Fuß verlor sich von dem seligen Pfade der Wahrheit. Mendelssohn Phil. 1, 39; Die ersten Stifter des Bundes hatten sich a us einander verloren. Sch. 852a etc. und demgemäß auch mit „in“ und Accus., z. B.: Das Weib lebt nur, wenn es liebt; es findet sich erst, wenn es sich in einen Mann verliert. Börne 2, 274; Wir vermissen unsern Herren, | er verlor sich in die Nacht. G. 8, 51; Der arme Mann und jene Frau verloren, | aus Furcht, vor dir, sich in die weite Welt. 13, 289; Die englischen Lustspiele verl. sich zuletzt ins Weite. 22, 147; Sich in die Aufsuchung entfernterer Ursachen zu verl. [verirren]. 39, 305; Oleander hatte sich recht in die- sen Bund verloren. Gutzkow R. 9, 381; In der Masse aufzugehen, sich in die Gesammtheit zu verl. Lewald W. 3, 140; Grenze der Darstellbarkeit, über welche hinaus die Darstellung in ein leeres täuschendes Unding sich verliert. Novalis 1, 111, Das Alter, wo der Knabe sich in den Jüngling verliert. W. Luc. 1, 1; Ich verlor mich immer in eine Düsternheit. Zschokke 1, 184 etc. Dagegen mit „in“ und Dat., z. B.: So verl. sich die Erklärer in den seltsamsten Muthmaßungen. Böttiger Sab. 476; Ein Widerschein der .. Lava, welcher .. nach oben allmählich schwächer werdend, in den Dunstmassen sich verliert. Burmeister Gsch. 77; Noch verlor | sich in dem Haufen [Der], dem etc. Cham. 4, 65; Die Uranfänge des .. Instituts verl. sich im fabelhaften Dunkel der vorslavischen Periode. Fallmerayer Or. 2, 31; Im Ocean der Sterne | mich hatt’ ich nicht verloren. G. 4, 50; Jch mag in diesem Hexenheer | mich gar zu gern verl. 11, 190; Wenn wir Alle, | von einem Strom vermischt dahingerissen, | im Ocean uns unbemerkt verlören. 13, 246; In der großen geregelt thätigen Masse mitwirkend sich zu verl. 18, 95; In seinen .. Hallen verloren wir uns gar zu gerne. 20, 16; Gar oft verl. sie sich deßhalb in einem wilden, wüsten Wesen. 22, 282; Damit eine solche Handlung nicht .. sich im Grenzenlose verliere. 39, 161; In verschlungnen Gängen | hab’ ich träumend mich verloren. Heine Reis. 2, 279; Daß Menschen sich in ihrer Rolle verl. und aus dem listigen Spiel ein plumper Ernst wird. Börn. 288; Ihr sehet, daß das Kind sich verliere in dem Jüngling, wie der Jüngling in dem Manne. H. Ph. 10, 21 [wobei dann mehr das Aufhören des Frühern als der Übergang in das Neue hervorgehoben wird]; Als ich mich . . mit ihr im [gw.: |ins] Gespräch hierüber verlor. Heinse A. 1, 167; Unser .. Ganzes verliert sich bald im Unendlichen. 2, 183; Klinger Giaf. 371; Ich wollte Ihnen einen Auszug .. liefern und verliere mich im Disputieren. Mendelssohn 4, 2, 340; Jedes einzle Lob, gleich Bächen in dem Meere, | verliert sich in des Herrschers Ehre. Nicolai 1, 158; Ich verlor mich in ernster ergötzender Betrachtung. Sch. 742a; Das ernste Gefühl der Vergänglichkeit verliert sich wunderbar schön in dem Gefühle des siegenden Lebens. 1236b; Ein Geist, der sich zu keiner Zeit | in feiger Ungeduld verlieret. Uz 2, 26; Bei diesem schwärmerischen Schwung | der Phantasie, in dieser Dämmerung, | die in der Seele herrscht, verliert ein Herz, das jung | und fühlend ist, in Amor’s seidnen Stricken | sich gar zu leicht. W. 12, 326; Das Alterthum der Stadt Abdera .. verliert sich in der fabelhaften Heldenzeit. 13, 5; Dessen Ursprung sich in jenen Zeiten verliert, da etc. 18, 133; Ich versinke und ver- 18* liere mich im Unendlichen wie ein Wassertropfen im Ocean. 243; Bald hatten die Seufzer des Kummers | sich im mächtigern Rauschen der Freuden des Lebens verloren. 26, 16; Die Jahre, in welchen der reife Jüngling sich in dem Mann verliert. 27, 34; Daß die Erfindung sich in dem grauesten Alterthume verliert. 33, 77; Zimmermann Eins. 56 etc. 3) das Passiv (s. 1 und 2): Man verliert Etwas = es wird verloren, wofür auch häufig: Es geht verloren (vgl.: zu Grunde gehn etc.), ferner nam. das (adjekt.) Partic. etc.
a) Verloren werden: Das Buch wurde verloren und wiedergefunden; Das Spiel, der Proceß, die Schlacht etc. (s. 1g) wurde (gegen ihn) verloren etc.; Damit wurde viel Zeit verloren (s. 1h) etc. und nam. bibl. = zu Grunde gehn etc.: Daß Alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh. 3, 15; Matth. 18, 14; 2. Petr. 3, 9; Hebr. 11, 31 etc.
b) Verloren gehn, in allen Wendungen wie a, auch mit abhäng. Präpos., z. B.: (vgl. 1g und 2) Verloren gehen soll der Mensch an das Thier nicht. Gutzkow R. 9, 67; So gingen Regensburg etc. an die Schweden verloren. Sch. 977a etc., ferner (s. 1e): Daß für den Zuhörer die Intention über den wunderlichen Ausdruck meist verloren ging. G. 22, 39; Über die Mittel geht der Zweck verloren. Tieck 16, 165 etc. und (s. 2): Die unschuldigen Sitten gingen in den stürmischen Ausgelassenheiten .. verloren. JvMüller 1, 139 etc.
c) das Partic. als prädikatives Ew.: Verloren [fort, hin, zu Grunde gegangen] sein, s. a u. b: Er war verloren und ist funden worden. Luk. 15, 24; 32; Wehe dir, du bist verloren. 4. Mos. 21, 29; Selig zu machen, das verloren ist. Matth. 18, 11 etc.; Hin ist hin, | verloren ist verloren! B. 13b; Schnell war ihre Spur verloren. Sch. 71b; Nichts ist verloren, getreu hat es die Erde bewahrt. 83b etc., auch gesteigert: Und wenn sein Kind verlorner als der verlorne Sohn (s. d) war. Gervinus Lit. 3, 523; Er ist verloren! Ich bin noch verlorner. Kl. M. 6, 545 etc. Ferner s. 2: In Gedanken, in sich selbst, in Nachdenken, in Anschauen verloren sein, und als Partic. mit Fortlassung von „seiend“: Die .. | blähend mit dem Fächer ficht, | eitel in sich selbst verloren. Sch. 9b; Fuhr sie, in Erinnerung verloren, fort. Stahr Rep. 1, 301 etc., so mit Accus.: Gänzlich in die Welt ihrer Träume verloren, achtete sie nicht etc. Immermann M. 3, 283; Desto mehr war der Mann in den Staat verloren. IP. 36, 7; Ich stand in ihren Anblick verloren. Sch. 742b etc., dagegen mit Dat.: Als ich, in ihrem Anschauen verloren, sprachlos vor ihr stand. Börne 2, 234; Friedrich war in der Prüfung des Satzes noch so verloren. Gutzkow R. 9, 337; Die Braut schien in neuen Empfindungen verloren. Heinse A. 1, 122; In schwärmerischen Betrachtungen verloren. 2, 89; Sie schien in ihrem stillen Nachdenken so verloren. Thümmel 2, 169 etc., vgl. auch: In der Menge verloren sein [verschwinden]. G. 10, 19; Sch. 346b etc. Ferner (s. 1h): Verloren [= vergeblich, nutzlos angewendet, verschwendet] sein, z. B.: Eure Mühe und Arbeit soll verloren sein, daß euer Land sein Gewächs nicht gebe. 3. Mos. 26, 20; Alsdann sind verloren seine Anschläge. Ps. 146, 4; Unsere Hoffnung ist verloren. Hes. 37, 11; Daß dein Vertrauen Nichts ist und deine Almosen verloren sind. Tob. 2, 22 etc., auch: Alle Schläge sind verloren an euren Kindern. Jer. 2, 30; Sie ist doch des Teufels Kind und eine solche Frucht, daran Alles verzweifelt und verloren ist. Luther 5, 534b; An Dem ist eure Kunst verloren. Sch. 408a; Die Wohlthat ihrer Erscheinung war an dem entnervten Jahrhundert verloren. 1031b etc. Auch mit andern Zeitw., z. B.: Leihest du, so acht’s als verloren. Sir. 8, 15; Etwas für verloren halten, erklären; Es verloren glauben; Etwas verloren geben; Jetzt gab Reineke selbst das Spiel verloren. G. 5, 167; Etwas verloren machen (vrsch. als Adv. s. d), bewirken, daß es verloren geht: Dieser Zug hat das Spiel verloren gemacht etc.
d) das Partic. als attrib. Ew. Adv. etc. (s. c): Ein verlorenes Buch, etwas Verlorenes suchen, wiederfinden etc.; Verlorene Spiele, Processe, Schlachten etc. (s. 1g); Ich bin wie ein verirrt und verloren Schaf. Ps. 119, 176; Matth. 10, 6; 15, 24; Mein Volk ist wie eine verlorene Herde. Jer. 50, 6; Es ist Keiner von ihnen verloren, ohne das verlorene Kind. Joh. 17, 12; Der verlorene Sohn, s. Luk. 15, 32; Hundertundfunfzig abgelumpte verlorne Söhne. Schlegel Heinr. 4, 1, 4, 2 etc., auch als Hw.: So werden kommen die Verlorenen im Lande Assur. Jes. 27, 13; Ihr Haus neiget sich zum Tode und ihre Gänge zu den Verlornen [Verdammten]. Spr. 2, 18; Rannte mit den Gebärden eines Verlorenen im Zimmer auf und nieder. Immermann M. 1, 35 etc. Auch: entfernt, verschwunden, vgl.: sich verlierend, z.B.: Hoch herauf bis zu mir trägt keines Windes Gefieder | den verlorenen Schall menschlicher Mühen. Sch. 77a und gesteigert: Die Musik fing an stiller und verlorener zu tönen. 729b; Beim sanft verlornen Getön weit entfernter Symphonien. W. HB. 1, 134 etc. auch vgl.: sich (in einander) v–d: Ihre schwarzen Augenbrauen, | die flössen ihr so fein und sanft verloren hin? W. 10, 46; Mit welcher Deutlichkeit .. werden dadurch auch die subtilsten Züge der Empfindungen, ihre verlorensten Abschattungen, ihre leisesten Übergänge .. sichtbar! 21, 296 etc. Danach auch: oberflächlich, nur obenhin, flüchtig etc.: Etwas verloren (vrsch. als Prädik., s. c) oder verlornerweise machen; den Umriß von Etwas verloren zeichnen; Durchblättert verlornerweis meine Kupferbibel. Musäus Ph. 1, 57 etc., s. nam. die techn. Anwendungen. Ferner (s. 1h) = erfolglos, vergeblich, unnütz etc.: Verlorne Mühe (Cham. 4, 33; W. 16, 153), Arbeit (Zinkgräf 2, 5), Wünsche. Sch. 425b; Eitler Wunsch! verlorne Klagen! 54a; Wo verlornes Heulen schweift. 3a; Von wo die Teukrier mit segenleeren Händen | verlorne Pfeile niedersenden. 33b etc. Ferner:
e) Bauk. etc.: Verlorner Zapfen (s. Klammer 1), der nicht bemerkt wird, nicht zu sehen ist, zw. zusammengefugte Bretter zur festern Verbindung eingelassen.
f) Bergb.: Verlorne Verzimmrungen, Hölzer etc., die nur vorläufig angebracht sind, bis das Eigentliche dafür eintritt; Einen verlornen Zug thun, statt des Grubenzugs einen Tagezug (s. d.), als vorläufigen ungefähren Ersatz; Mit verlorner Schnur vermessen lassen, nicht rite etc.
g) Gieß.: Verlorne Form, die nur zu einmaligem Guß dient, im Ggstz. der guten oder festen Form. Karmarsch 2, 106; Verlorner Kopf (s. d. 41) einer Kanone etc.
h) Kochk.: Verlornes Ei (s. d. 1), Huhn (s. d. 3).
i) Kriegsk.: Verlorne Schildwachen, Posten etc., die dem Feind am nächsten, ihm am meisten ausgesetzten und preisgegebnen, vgl.: Sie wissen doch, was die französischen Taktiker enfans perdus nennen. Wenn es die besten Soldaten sind, welche der General dazu aussucht, so kann ich ihren Namen hier nicht nutzen. Ist es aber Gesindel, an dem nicht Viel gelegen, so, glaube ich, wird ihre Benennung auf die vorausgeschickten Kenntnisse des Herrn Klotz vortrefflich passen. Ich verspreche es Ihnen: was nicht ganz davon in die Pfanne gehauen wird, soll wenigstens nicht gesund nach Hause kommen. L. 8, 48. Verlorner Schuß, aufs Gerathewohl etc., nam. Bogen- im Ggstz. zum Kernschuß. k) Schiff.: Verlorne Lippe (s. d.). l) weidm.: Verloren suchen, ohne Fährte den Hund suchen lassen. Laube Br. 296; Verlorne Wehr, eine Reihe Treiber, die zur Seite eines Treibens gegen durchbrechendes Wild, das sie wieder ins Treiben jagen sollen, aufgestellt werden (vgl. i). ebd.; Verlorne Treiben (oder Triebe) machen: angrenzende Distrikte nach dem Hauptjagddistrikt zu durchgehen lassen von den Treibleuten. ebd., s. Bei-, Heckjagen. m) Zsstzg. z. B.: Hört’ aufrollen von unten des Pols | nacht- verlorenen Wagen. Baggesen 2, 23, nam. aber als Ggstz.: Das Echte bleibt der Nachwelt unverloren. G. 11, 6; 4, 98; 18, 300; Wenn deinen Herzen sonst | nur kein Verlust nicht droht! Dein Vater ist dir unverloren. L. Nath. 5, 8; Luther 5, 413b; Sch. 512a etc. n) Fortbildungen: Verlorenheit, das Verlorensein; Nichts hatte er in seinem Schreck und der tiefsten Verlorenheit in sich selbst vernommen. Gutzkow Zaubr. 4, 373; Das Gefühl heimathloser Verlorenheit. Kühne Freim. 190; Strahlen des Urlichts entblitzen den heiligsten Momenten seiner Verlorenheit in dem lebendigsten und liebevollsten All-Eins. Lavater (s. Gervinus Lit. 5, 286); Als sie die Person .. mit Vorstellungen ihrer Schande, mit Hinweisungen auf ihre zeitliche und himmlische Verlorenheit bestürmten. Lewald W. 3, 114; Das ist Wiederfinden aus der Welt der Verlorenheit in die Welt der liebekochenden Sinnlichkeit. Karl Schmidt,Weltan- schauung (Dessau 1850) 325 etc. und Zsstzg.: Die schöne Hingebung und Selbstverlorenheit der Liebe [das Aufgeben des eignen Selbst] s. ESchulze Ros. 163, ferner: Verlorenschaft (vgl. den Ggstz. Errungenschaft): verlorne, eingebüßte Rechte etc. (zusammengefasst): Daß es ihm um die Verlorenschaft der gleichmachenden Turnerkleidung fast am leidesten sei. Auerbach Leb. 1, 65. etc. 4) dazu:
a) Die ersten Gewinner, die letzten Verlierer. Sprichw., in Bezug auf den Wechsel des Glücks; Jch kann ja den Verlierer schelten lassen. Schlegel Sh. 8, 81 etc.
b) (vralt.): Bei Verlierung [Verlust] ihrer Pfründen.
Anm. Goth. fraliusan, ahd. farliosan (fliosan), mhd. verliesen (vliesen), vgl. unzsgstzt. ags. leosan, engl. lose, mit Wechsel des s und r, wie schon ahd. in der Mz. das Impf. farlurumes zu der Ez. farlos (vgl. zu „wesen“ das noch mundartl. und alterthüml. Impf.: ich was, neben: ich war, wir waren), s. auch: Verlust, vgl. Frost von frieren (ahd. friosan) etc., vgl. das noch seemännisch übliche verliesen (s. u.) = abtreiben, und verlesen 3 und Verlies. Zum selben Stamm gehört auch los (goth. laus, ahd., mhd. lôs) etc. Vralt. Formen: Präs.: Du verleurest, er verleuret, bei Luther (s. o.); Berlichingen 131; Franck Last. D. 1a; Opitz 1, 138; 2, 224; Ryff Th. 10 u. o., daneben: Wer die Welt erkieset, | daß er Gott verlieset, | wann es geht ans Scheiden, | verliert er alle Beiden. Zinkgräf 1, 151, vgl.: Ich will des Kaisers Gnad lieber verlassen als verliesen (s. o). Ders. (L. 11, 644) etc.; Jmperat.: Verleur. Sir. 29, 13 etc. Impf.: Da die Frau ihr Leben verlos. Luther 6, 503a etc., Mz.: Verluren. Stumpf 71b; 394b; 603a etc.; Konjunkt.: Verlüre. Luk. 9, 25 etc.; Partic.: Was der Krieg verderbt hat und verlast [faktitiv, s. 1]. Logau, s. L. 5, 349. Vgl. Wackernagel Gl. 164.
Zsstzg.: Sichab-,hin-, hinein-v. etc., s. [2].