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leiden
II. Lēīden, intr. (haben), tr. und zuw. refl., litt; gelitten:
1) intr. (im weitesten Sinne) im Ggstz. zu thun, wirken etc.: die Einwirkung einer Thätigkeit erfahren; das Objekt einer Thätigkeit sein und durch dieselbe in seinem Zustande berührt und verändert werden, z. B.: Thut und leidet! wie’s sich findet. G. 4, 47; Sie schien an Allem Theil zu nehmen, aber im Grunde wirkte Nichts auf sie; sie war mild gegen Alles und konnte Alles dulden (s. d.) ohne zu l. 22, 132; Eine Substanz wirkt also in die andere und eine jede leidet auch von der andern. Kant Relig. 167; Der Entschluß, sie wieder aus | den Augen nie zu lassen Was Entschluß? | Entschluß ist Vorsatz, That und ich, ich litt, | ich litte bloß. L. Nath. 3, 8 etc. So nam. oft im Partic.:
a) Ich überlasse mich l–d [widerstandlos als Objekt mich hingebend] dem all- eindringenden Berühren der Natur. Forster Ans. 3, 190; Der Romanheld muß l–d, wenigstens nicht im hohen Grade wirkend sein, von dem dramatischen verlangt man Wirkung und That. G. 17, 33; Der Erde thätig-l–des Geschick. 40, 340; Balde, der mehreren seiner Oden den Namen Enthusiasmus überschrieb, weil, wie er sagt, er bei ihrer Geburt mehr in einem l–den als wirkenden Zustande gewesen. H. 13, 115; Der heilige Geist hat sich in beiden Fällen nach dem l–den Subjekte gerichtet. L. 11, 128; Sich nun vollkommen l–d [unthätig] zu verhalten und den Zeitpunkt ruhig abzuwarten. W. 24, 240; Sich nicht länger zum l–den Gehorsam zu bequemen. 8, 251; 31, 420 etc. und mit hinzutretendem „lich“, wobei aber (s. Sanders Orth. 67) das „d“ in „t“ übergeht: Sich bloß leiden tlich dabei verhalten. W. 31, 435; 23, 342 etc., wozu Campe noch die Fortbildung Leidentlichkeit hat.
b) Gramm.: Die l–de oder l–tliche [passive] Form des Zeitworts, wo das Obj. der Thätigkeit als Subj. erscheint; Das Particip des Präsens gewinnt durch vorgesetztes „zu“ l–tliche Bedeutung etc. 2) (s. 1) tr.: eine Einwirkung von Etwas erfahren, in einigen Wendungen, z. B.: Das leidet keine Frage, keinen Zweifel, ist ohne Frage, ohne Zweifel [die es modificierten] so; Die Regel leidet keine oder manche Ausnahme, Beschränkung; Das Werk litt [erfuhr, erlitt] durch die Krankheit des Vf. eine längre Unterbrechung, es wurde unterbrochen etc. (versch. 5). 3) (s. 2 und
1) tr. und intr. (ohne Nennung eines Obj.): von einem Ülbel betroffen werden und die Einwirkungen desselben, ohne sie abzuwenden oder abwenden zu können, erfahren, hinnehmen (vgl. 4, er-l. 2 und dulden, erdulden, ertragen, er-l., ausstehn etc.), z. B.: Anfechtung, Angst, 13 Durst, Frost, Gewalt, Hitze, Hohn, Hunger, seine Krankheit (3. Mos. 12, 2), Kränkungen, Mangel, Nachtheil, Noth, Pein, Plagen, Schaden, Schiffbruch, Schimpf, Schmach, Schmerzen, Schrecken (Ps. 88, 16), Strafe, Streiche, den Tod, Trübsal, etwas Unangenehmes, Unannehmlichkeiten, eine Unbill, Ungemach, Unglück, Unrecht, Verachtung, Verfolgung, Verlust, Verspottung, Weh l. etc.; Der Kranke leidet sehr [hat viele Schmerzen]; So ein Glied leidet, so l. alle Glieder mit. 1. Kor. 12, 26; Der Arme muß l. Sir. 13, 4; Christus, welcher nicht widerschalt, da er gescholten ward, nicht dräuet, da er „leid“ [litt]. 1. Petr. 2, 23; Der Schwächling leidet; wer ein Mann ist, zürnt | und schlägt darunter. Freytag DW. 121; Neu [aufs Neue] l–d wendet das entweihte Gottesbild sein flehend Auge zum Vater auf. G. 9, 231; Möcht’ ich doch auch in der Hitze nach solchem Schauspiel so weit nicht | laufen und l. [Unannehmlichkeiten der Hitze etc.]. 5, 5; Versäumen, sich auf den Winter .. vorzubereiten und l. deßhalb .. wie die Hunde [frierend]. 23, 141; Sie machen Andre viel l., indem Sie l. .. Baldige Besserung Ihrer L.! [s. 9]. 18, 89; 29, 249; Daß ihr’s hinaus [zu Ende] leidet und nicht laß werdet. Luther 6, 1a; Was hab’ ich nicht getragen und gelitten | in dieser Ehe unheilvollem Bund? Sch. 375a etc. Auch mit abhäng. Vh., z. B.:
a) ugw.: Euch gebricht der Muth. Deß [dafür] soll ich l. [büßen]. Cham. 6, 258 etc., gew. mit Präpos., so:
b) An einem Übel, an einer Krankheit, an der Auszehrung, Schwindsucht, an einem Krebsschaden, an den Augen, an der Leber l., kranken (s. 8 und 9); Woran leidet unsre Zeit? An den Mangel einer festen und sichern Lehre über den Staat? Glauben Sie Das nicht! Sie leidet unter [s. i] dem Mangel an Geduld und Prüfung. Gutzkow R. 7, 104 etc.; Doch litt diese noch härter an dem [durch den] eigenen Verlust. Arnim 368.
c) Bei dieser Härte leidet das Vaterherz empfindlich; Bei solcher Verwaltung leidet der ganze Staat etc., s. i.
d) Wir l. durch die schlechten Zeiten, durch den Krieg (s. f) viel Schaden; Die Bäume l. durch den Frost (s. i); Das Haus hat durch das Feuer, das Gemälde hat durch die Restauration gelitten etc.
e) Christus hat für uns, für unsre Sünden gelitten.
f) Die Stadt hat im Kriege Viel gelitten etc.
g) Die mit mir l., wenn ich leide. G. 6, 58; Sie litten mit dem edeln Freund. 13, 71 etc., s. mit-l.
h) (veralt.) Paulus „leid“ [litt] höllische Angst über seinem Volk. Luther 6, 12b; „Lidden“ auch drüber, was sie l. sollten. 8, 2a; Gleichwohl muß die Poesie bei den .. Unverständigen hier- über l. Mühlpforth 1, IV etc.
i) Unter einem Druck, unter der Tyrannei (Börne 2, 370), unter seinem Jammer (Gutzkow R. 7, 367), unter dieser Vorstellung (8, 349) l.; Wer darunter leidet. Immermann M. 1, 28. k) Viel l. von den Ältesten und Hohenpriestern. Matth. 16, 21; 17, 12 etc.; Da wir noch von Liebe litten. G. 4, 11; Daß sein Zwillingsbruder auch davon [darunter] leidet. 19, 252; Von [an, unter] den Folgen seiner Irrthümer l. Lewald W. 2, 188; Als sein Ehrgefühl von der [durch die] Selbsterkenntnis litt. 182; Jhre ganze Umgebung hatte von [unter] diesem Zwiespalte zu l. 3, 207; 1, 82; 4, 227; Die Nervenschwäche, von [an] der ich .. leide. Mendelssohn 5, 623 etc. 4) (s. 3) Etwas geschehen lassen, was man eig. nicht geschehn lassen sollte oder was Andre nicht geschehn lassen würden; es zugeben, sich gefallen lassen, nicht hindern, dulden (s. d.), am häufigsten verneint vgl.: Das leide ich nicht; Ich leide nicht, daß ihm Unrecht geschieht; Das kann ich nicht, nun und nimmer l.; Das habe ich ein Mal gelitten [und nie wieder]; Wer würde solche Beschimpfung, solchen Hohn l.? [versch. 3] = Niemand; Soll ich etwa gar l., daß etc.?; Aus gutmüthiger Schwäche leidet er, daß seine Diener ihn bestehlen; Die Policei litt [duldete] früher Weiskäufer auf den Jahrmärkten: Meines Herzens schwellendes Gefühl, | das braust, den kleinsten Flecken nicht zu l. G. 13, 146; Was nennen Sie „ruhig sein?“ Die Hände in den Schoß legen? l., was man nicht sollte? dulden, was man nicht dürfte? L. Gal. 5, 7 etc. Ver- alt. auch wie „lassen“ mit der Fügung des Accus. und Infin.: Seelen, die ich nicht kann l., aus meiner Sorge und Gebet verstoßen sein. Luther SW. 56, 7 etc. und so noch: Des französischen Theaters, das lieber ganz Athen ins Gefängnis schickt, ehe es die Bühne verändern leidet. Mendelssohn 4, 2, 128. In ugw. Bed. (vgl. 1 und er-l. 3): Der Tag des Herrn ist groß und sehr erschrecklich; wer kann ihn l.? [,,aushalten“ Zunz]. Joel 2, 11, wer ist stark genug, seinen Einwirkungen zu widerstehn und sie zu überdauern? etc. 5) (s. 4) auch mit sachl. Subj., zu bez., daß dem Wesen desselben das Obj. nicht widerstrebt, daß es das Eintreten des Obj. nicht verhindert, nicht ausschließt etc., z. B.: Alles, was das Feuer leidet [erträgt, ihm ausgesetzt werden kann, ohne zerstört zu werden]. 1. Mos. 31, 23, vgl. veralt.: Stück, die Feuer nit ge-l. mögen. Büchsenmeist. 13; Die Zeit hat es nicht wollen l. [gestatten]. Phil. 4, 10; Sir. 27, 13; Die Rolle leidet eine zwiefache Auffassung, lässt sie zu, kann zwiefach aufgefasst werden; Das Werk leidet (versch. 2) keine Unterbrechung, darf nicht unterbrochen werden; leidet keinen Aufschub; Die Eigenschaftswörter des Stoffs, wie „bleiern, wollen, seiden“ etc. l. im eig. Sinn keine Steigrung; Die Reime l. auch Verstand [schließen ihn nicht aus]. Haller 118; Das Alles leidet keinen Kiel [lässt sich nicht beschreiben]. Nicolai 1, 307 etc. Dazu:
a) unpersönl.: Es (s. d. 7) leidet ihn nicht in der Stube, ein gewisses nur aus der Wirkung erkennbares Etwas verstattet nicht, daß er dort bleibe, treibt ihn heraus, er hält es dort nicht aus etc.: Als der Abend heran kam, litt es Friedrich nicht bei seinen Büchern, nicht in seinem Zimmer. Lewald W. 1, 365; Monatbl. 2, 522b; Scherr Gr. 1, 203; Pr. 232; Seydelmann 167; Doch litt es ihn nicht lang in dieser Zurückgezogenheit. Stahr Jahr. 2, 116; Temme SchwM. 1, 116 etc.
b) (veralt.) auch refl.: Durfte kein Pfaff zwei Lehen oder Pfründe haben, die sich bei einander nicht litten [s. inkompatibel]. Luther SW. 60, 210; So leidet sich’s nicht [es geht nicht an etc.], daß ein Jeglicher mit seinem Kopf in die heilige Schrift falle etc. 35, 23; 61, 365 etc. 6) (s. 4) nam. in der Verbind.: Einen (oder Etwas) l. können oder mögen, zu bez., daß das Obj. so beschaffen, daß man es sich wohl gefallen lassen kann, und dann auch daß es Einem gefällt, daß man es gern hat, s. leidlich 1: Er konnte Niemand l. und Gott wird mir vergeben, daß ich ihn auch nicht l. konnte. G. 14, 245; Weil sie Das in den Tod nicht l. kann. 15, 197; Eine gewisse Art von drolligem Humor, die man l. mag, aber auch weiter Nichts. 26, 95; Hypokritus möcht’ es, denk’ ich, wohl leiden, wenn wir Alle krank wären, damit er desto mehr zu heilen hätte. W. 13, 157; Konnt’ .. | nur seinen Narren und Affen um sich l. 15, 29; Ich kann ihn wohl, mag ihn recht gern l.; Ich mag das blaue Tuch noch lieber l.; auch: Ich kann die Handschuhe nicht an-, den Hut nicht auf-, das Tuch nicht um-l. etc., vgl. ohne Hilfszeitw.: So’n Volk! im Finstern l. sie’s und wenn es Tag wird, | so läugnen sies etc. HKleist Kr. 91, so sind die Mädchen, im Finstern lassen sie sich die Liebkosungen ganz gern gefallen etc. und nam. im pass. Partic.: Wohlempfangen, wohlgelitten. G. 6, 34; Wir sehn uns nicht nur gelitten, | sogar wir sehn uns hochgeehrt. 380; Um sich an den .. Höfen, an welchen er gelitten war, nicht in Mißgunst zu setzen. L. 11, 45; Wenn ich gelitten bin, so bin ich es durch ihn. Müllner 6, 43 etc.; Die Wohlgelittenheit [das Wohlgelitten-Sein] etc. 7) refl. (veralt.):
a) (s. 3) etwas Ubles ausharrend tragen, dulden (s. d. 3), vgl. Zarncke Brant 301a: Halt fest und leide dich und wanke nicht. Sir. 2, 2; 2. Tim. 2, 3; Wie lange soll ich mich mit euch l.? Mark. 9, 19; Die mußten sich auch jämmerlich im Feuer l. Ber- lichingen 42; Wie ich, der dich zu trösten sucht, | mich leide seit so vielen Jahren. Canitz 138; Er litt sich bestmöglichst, aber es that ihm doch weh. Gotthelf Sch. 371 etc. Dazu wohl auch: Ich mußte mich wegen der Jungfrau wohl anl. [mich in Geduld schicken, mir Allerlei gefallen lassen]. Schweinichen 3, 275.
b) s. 5b. 8) Das Partic. l–d, s. 1, ferner nam. zu 3: Ein L–der [Patient]; Die Noth-L–den etc., auch (vergl. 3b und 9): Brust-, Leber-, Milz-, Nieren-, Nerven-, Unterleibs- L–de, vgl. Zsstzg. von krank. Mundartl.: Der Leichnam [Leib], der aber sichtlich, empfindlich, leidenhaft [„lydenhaft“] für uns hingegeben ist. Zwingli 3, 6 etc. 9) der substant. Jnfin., sowohl der Zustand eines Wesens, das leidet (1 und 3 etc.), als auch (mit Mz.) Das, was man leidet oder woran manleidet, was Einen l. macht etc., vgl. Leid 2 und Noth, Elend, Trübsal, Unglück, Ungemach, Unannehmlichkeit etc., ferner Ubel, Krankheit: Sich mit den Jungen herumärgern müssen, Das ist ein L. [etwas Leidiges]; Die kleinen L. des menschlichen Lebens; Werther’s L.; Das L. Christi; Ich habe wohl gesehn das L. meines Volks. Ap. 7, 34; Wenn man meinen Jammer wöge und mein L. zusammen in eine Wage legte. Hiob 6, 2; Wir haben dies L. wohl verdient. Macc. 2, 18; Er ist mondsüchtig und hat ein schweres L. [Übel, Krankheit]. Matth. 17, 15; Krankheit, Verfolgung, Betrübnis und Pein | soll unsrer Liebe Verknotigung sein . . . Durch Kreuz, durch L., durch allerlei Noth. Dach (H. 8, 493); L. ist ein unruhiger thätiger Affekt, der sich durch Spannung der Muskeln äußert, es ist innrer Kampf der Seele gegen die schmerzhafte Empfindung, innres Bestreben, sie zu überwinden und ihrer los zu werden; Schwermuth dagegen ist matt, unthätig, schlaff etc. Engel 7, 333; Des bittersten L–s. 8, 354; Er träget in Freuden sein L. G. 1, 141; In ew’gem Wechsel wiegt ein Wohl das Weh | und schnelle L. unsre Freuden auf. 13, 319; Ach, unsre Thaten selbst, so gut als unsre L., | sie hemmen unsres Lebens Gang. 11, 29; Die Farben sind Thaten des Lichts, Thaten und L. [Einwirkungen, die das Licht auf die Körper übt und von ihnen erfährt]. 37, XIII; Zu allem L. (Empfinden einer fremden Einwirkung) gehört doch aufs mindeste Berühren. WHumboldt 4, 281; Die hohe Rente für seinen Gutsherrn, welche die schlimmste aller seiner L. und Nöthen ist. Kohl Jrl. 1, 96, wo „L. und Noth“ zusammen als ein Femin. gefasst ist, vergl. „Hab und Gut“ (s. d. 5) etc. So in vielen Zsstzg., z. B.: Bildungs-L. der bevorzugten Stände [die aus deren Bildung hervorgehn]. Lewald W. 1, 84; Erden- L. [irdische]; Das grimmige Leibes- und Seelen-L. G. 25, 145; Seelen-L., in die wir durch Unglück oder eigne Fehler gerathen, sie zu heilen, vermag der Verstand Nichts etc. 18, 343; 17, 374 etc.; Körper-L. etc. und nam. bei den Arzten (vergl. Zsstzg. von Krankheit und 8) nach dem Sitz des L–s, z. B.: Augen-, Brust-, Leber-, Lungen-, Milz-, Nerven-L.; Ein Herz-L. [versch. Herzeleid] etc. Veralt. auch: Daß .. Christus’ L. ein Un-L. in ihnen wirken soll. Luther 1, 167a, sie vor L. bewahren soll. 10) Dazu:
a) Leidung, unüblich außer von den trans. Zsstzg., nam. er-l.
b) Leider, nur in Zsstzg., wie Mitleider, s. mit-l. d, nam.: Hungerleider: Einer der Hunger leidet, hungert, allein oder mit abhäng. „nach“: Schneider sind H. [arme Schlucker etc.]. Sprchw.; Jhr redet wie großmüthige H. G. 7, 220; Sehnsuchtsvolle H. | nach dem Unerreichlichen. 12, 150; Mit welcher Wolfsgier würden die armen H. der Tugend nach der langen Fastenzeit sich über die guten Speisen herstürzen. Heine Lut. 2, 133; Diese H., | die nach dem Segen unsres deutschen Landes | mit Neidesblicken raubbegierig schauen. Sch. 340a etc. und dazu Fortbild., z. B.: Daß er in dgl. Armseligkeiten eine gewisse kleinstädtische und spießbürgerliche Hungerleiderei erblickte. Gutzkow Börne 124; Bl. 1, 143 etc.; Dem hungerleiderischen Betbruder. Auerbach Leb. 1, 237; Schwegler (46) 68 etc.
Anm. Ahd. lîdan, mhd. liden, wohl urspr.: es gehn lassen, vgl. ahd. (ir-, ki–) lîdan (goth. leithan), gehn, wozu unser „leiten“ (ursprüngl.: gehn machen), ahd. leitan, mhd. leiten, vgl. Anm. zu Glied und Gleit. Impf. bei Luther noch (wie mhd. leit) leid neben litt (s. o.); Partic.: Gelidden. 5, 9a; 6, 354a; 8, 2b; 19b; 259b u. o., vgl. ausläuten 1b. Impf. bei Adelung: „litte [s. 1: L.; Opitz 1, 180 etc.], in den härtern Sprecharten litt“.
Zsstzg. vgl. [6]: die von dulden etc. und die von I, z. B.: An-: s. I und [7a und 6].
Aūs-: zu Ende leiden, das Leiden erschöpfen: Der Dulder hat nun ausgelitten; Sein Maß a. G. 14, 105; Das Leid ist ausgelitten. Heine Sal. 1, 160; Solche Höllenangst a. Luther 6, 227a etc., s. auch ausläuten.
Dúrch-: leidend durchmachen: Hatte einige Jahre der Qual durchgelitten. Gutzkow R. 9, 127; Was ein Menschenherz an Reue und bittern Stunden durchzuleiden fähig ist. Kompert Böhm. 420; Wie das Kind den Zustand mitdurchlitt. OLudwig Himm. 119; Nachdem wir alle Drangsale und Gräuel eines zweiten dreißigjährigen Krieges durchgelitten. W. 32, 233 etc. Ent- (versch. I), tr.: vom Leid befreien: Ach, Schatz, komm mich zu e. Weckherlin 469. Er- (versch. I), tr.: 1) [1 und 2] eine Einwirkung erfahren, dadurch verändert werden: Der Gesetzvorschlag erlitt in der Kammer manche Modifikation; Das Werk erlitt in der zweiten Auflage eine vollständige Umarbeitung; Abänderungen, welche die menschliche Form in sich e. kann, ohne aus dem Kreise der Menschlichkeit herauszutreten. Burmeister gB. 2, 99 etc.
2) [3] von einem von außen herantretenden Übel betroffen werden etc., vgl. leiden [3], das sich auch auf Etwas in uns bezieht: Man leidet Angst, Furcht, Hunger etc., man erleidet Schiffbruch, einen Verlust, eine Beschimpfung, Schmach etc. Dazu: Durch solche Schmach-Erleidung. Rückert Nal 150.
3) [4] Etwas sich gefallen lassen, ertragen, aushalten, dulden: Meinest du aber, dein Herz möge es e. oder deine Hände ertragen? Hes. 22, 14; Wer wird aber den Tag seiner Zukunft e. mögen? Mal. 3, 2; Da er zuletzt den Stank selbst nicht mehr e. konnte. 2. Macc. 9, 12; Schuldigkeit, die landesfürstlichen Vorjagden auf ihren Feldern zu e. Erbvergl. 305; Gotthelf 5, 6; Jch erleide es bald nicht mehr in der Stube. Sch. 158; G. 162; [Ich] koste und neckte sie | und sie erlitt’ es gern. AGrün 29; Pestalozzi 4, 247; Ryff Th. 4; Ob er das Feuer wohl vertragen und e. könnt. Zwingli 2, 28 etc. Ge- [5]. Mít-: mit Andern leiden, ihr Leid mitfühlen etc.: So ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit. 1. Kor. 12, 26; Du hast mitgelitten, wo mein Vater gelitten hat. 1. Kön. 2, 26; Hebr. 5, 2; Röm. 8, 17; Welche das Leid mitlitt, welches ihre Mutter traf. HHerz 187 etc. Dazu:
a) Das M., s. Mitleid und c.
b) Die unschuldig durch seine Schuld M–den sind am wenigsten mitleidig (s. d.) gegen ihn, doch auch: Beweinend ihre Schuld, m–d jeder Thräne. H. 9, 15; Vor m–dem Schmerz sich das Haar raufen. L. 11, 247; Deine m–den Thränen zu sehn. W. 26, 147 etc., wo auch „mitleidig“ stehn könnte, das aber auch versch. von m–d die dauernde Eigenschaft des von Mitleid Erfülltseins bez. Dazu (vgl. Bedeutend, Anm.): Mitleidenheit, der Zustand des M–d-Seins, z. B. nam.: das Mit-Afficiertsein eines gesunden Körpertheils von einem kranken, ferner: der Zustand, daß man Beschwerden, Lasten, Steuern mit Andern tragen muß: Alle innern und äußern Theile [des Menschen] kommen einander zu Hilfe; in einer gemeinschaftlichen Thätigkeit und M–heit ziehen sie an etc. H. Ph. 4, 98; Denken Sie sich in welche M–heit ich dadurch selbst gezogen war. König Kl. 3, 243; Wenn ich . ., da ich kein Steuer-Ärar in meine Thorheiten verflechten kann, das .. Publikum zur M–heit zöge. Thümmel 4, 143; Daß, sobald der Leib leidet . . ., auch die Seele sich zur M–heit gezogen fühlt. W. 24, 112 etc., seltner so: Das M., s. Mitleidenschaft. d) Der Mitleider, Einer, der mit Andern leidet, oder Einer der Mitleid fühlt, nam. sprchw.: Besser Neider als Mitleider [haben]. e) (veralt.) Viel frommer Herzen, die groß Mitleidung mit euch haben. Luther SW. 56, 107.
Nāch-:
1) noch nachträglich leiden: Wäre er schon ganz hergestellt; da er aber noch nachleidet. Immermann M. 4, 280, die Nachwehn spürt etc.; Höchstens ein N., nicht ein Nachquälen. IP. 36, 123 etc.
2) Einem n., ihm leidend nachfühlen, nach seinem Muster leiden, s. vor-l. Vōr-: Hast den Deinen vorgelitten. Schubart 1, 64, s. nach-l. u. ä. m.