Faksimile 0095 | Seite 93
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leiben
Lēīben: 1) intr. (haben):
a) in der Verbind.: L. und leben (s. d. 1n).
b) in der sprchw. Gegenüberstellung zu „seelen“: Was wohl leibet, Das seelet übel, was dem Leibe, der Sinnlichkeit behagt, erweist sich in Bezug auf die Seele als übel; Das zeitliche Wohlleben, ob es schon wohl leibet, seelet es doch übel. Zinkgräf 1, 219 etc. 2) tr. (vralt.): in einen Leib (s. d. 4) oder in ein Ganzes (in eine Gemeinschaft etc.) als zugehöriges Glied bringen: Daß er viel Incompatibilia in einander leibet, daß eins des andern Glied sei. Luther 1, 296b etc., häufiger ein-l., ver-l. und heute gw. einver-l. 3) gw. nur im Partic.: mit einem so oder so beschaffnen Leib versehn: Der schön geleibte [schönleibige] Gott der Liebe. Rückert BrE. 152. 4) Leibung, f.; –en: (Bauk.) die untere Fläche eines Bogens. Otte Kunst. 349; Ein Bogen von breiter Leibung. 347 etc., sonst gw. nur von Zsstzg.,
Zsstzg. z. B.: Ab-:
1) intr. (sein): ableben (s. d. 3), sterben, gw. nur im Partic. und subst. Infin.: Ihre Manes oder abgeleibte Geister. Opitz 1, 109 etc.; Nach seinem und seiner Hausfrauen A. Schaidenreißer VIb etc.
2) tr.: tödten, s. ent-l.: Bis er [der Tod] mich auch ab wird leiben. Fleming 431; Romeo mußte wegen dieses A–s flüchtig gehen Harsdörfer bei Wurm, wo ebenso auch „der Ableib“ angeführt ist. Be-:
1) tr.:
a) mit einem Leibe versehen: Lazarus .. wird wieder neu beleibet. Fleming 5, 413; Die mögliche Denkbarkeit bedarf eines b–den Wortes und das leibhafte Wort eines b–den Geistes. Jahn M. 195; Das Jdeale zum Wirklichen . . b. IP. 38, 24; Fieber können die Bilder [der Einbildungskraft] verdicken und b. (s. b), daß sie aus der innern Welt in ꝛie äußere treten und darin zu Leibern erstarren. 41, 55; Das tropische Beseelen und B. fiel noch in Eins zusammen. 42, 24; Ein Nichts, auf dem sich ein Nichts beleibt. 40, 47; Dann hätte wohl der Leib gesündigt unbeseelt | und hätte unbeleibt die Seele wohl gefehlt. Rückert BE. 100 etc.
b) (s. Leib 3h) dick, fett machen: Die bessere Nahrung wird den Ausgehungerten bald wieder b. Grimm, doch gw. nur im Partic. u. hier (wie dickleibig etc.) auch von nichtbelebten Ggstdn.: Des Herrn Biot starkbeleibte Physik . ., der vierte Theil der allerbeleibteste. G. 40, 76; Den trägen Schwarm von schwer beleibten (s. a) Kühen. Haller 32; W. 14, 82 etc.; Gedankenlos und wohlbeleibt dahin leben. Heine Reis. 4, 219; Laß wohlbeleibte Männer um mich sein. Schlegel Sh. 2, 20; Thümmel 3, 74 etc., und als Ggstz.: Äußerst schwächlich, unbeleibt [vgl. leibarm] und rhachitisch. Lavater 1, 220 etc., vgl. das ungw.: Bekörpert. Hippel 8, 179. Dazu: Die (Wohl-, Un-) Beleibtheit, z. B.: Indem er die Hände .. an seiner Wohlbeleibtheit hinabgleiten ließ. König Mar. 1, 19; Durch zunehmende Beleibtheit. 213; Klencke Swamm. 1, 6 etc.
2) intr. (sein): vralt. st. bleiben (s. d., Anm.), z. B.: Ein Herr sein und b. Schaidenreißer 4b; Bei dir über Nacht b. 12b; 67a etc. Eīn-: tr., in einen Leib bringen: 1) eig.: in einen Leib bringen, s. einfleischen, z.B.: Wenn Phöbus macht ein Herz aus tüchtigem Geblüte, | Dem leibt er gleichfalls ein ein lebendes Gemüthe. Fleming 95; Ein eingeleibter Engel. Kosegarten Po. 2, 233; Die Seelenwanderung oder vielmehr Wiedereinleibung des Pythagoras. Rh. 3, 256 etc. 2) übrtr. [2]: einver-l., inkorporieren: Daß die Heiden Miterben seien und mit- eingeleibet. Eph. 3, 6; Durch das Wort werden wir Christo eingeleibt. Luther 6, 192b; Der Christenheit eingeleibt. 354b; [Es] wär der Disputation eingeleibt. 1, 160b (Eck); 268a; 463aetc.; Matthesius Lthr. 66a; 205b; Pr. 201 etc.; Die Stadt ist zum Reich gezogen und dem eingeleibet worden. Stumpf 392a; Seine eingeleibte und inkorporierte Pfründen. 381a; Seiner eingeleibten Pfarren. ebd.; Die Carmina den Historien eingeleibet. 360b; 350a; 354a etc.; Waldis Ps. 8, 3 etc.; In unsere Stadt durch Heirath und Freundschaft eingeleibt. Zinkgräf 1, 284 etc.; Einleibung. Luther 1, 202a etc. Ent-, tr.:
1) der alten Bed. von Leib = Leben gemäß: des Lebens berauben, gewaltsam tödten, vgl. ab-l. 2: So Einer ein schädlich Thier hält, das Jemand entleibt. Carolina 136; Den Erschlagenen . . Der Entleibte. G. 14, 117; Soll nur dein Pfeil [o Tod] die Glücklichen e.? EKleist 1, 152; Warum haben mich nit die Trojaner mit ihren Spießen entleibet? Schaidenreißer 22a; Des Vaters Bette selbst hat Der, der ihn entleibt. IESchlegel 1, 414; Der Entleibten [in der Schlacht Gefallnen] waren ob 54000. Stumpf 184a; Nach der Entleibung Viktorini durch die Gallier. 179a; Da er den entleibten Körper des Polydoros . . sah. Winckelmann M. 1, 192b. Bes. oft: Sich selbst e., wofür Matthesius Sar. 300 sagt: leibeinigen (s. entohnigen), vgl.: Sich leiblos machen. Kurz Sonn. 195.
2) des Leibes (in der heute gw. Bed.) berauben, vom Leibe los machen etc.: Ob sie entseelet (s. d.) oder nur entleibt. Baggesen 4, 197; So sehr du dich | entlebest (s. d.) und entleibst. Daumer H. 1, 64; Wieviel werden also entleibet, wann es .. auch nicht entseelet wär? Franck Last. C3b; Mein entleibter Geist. Gry- phius 354; Ein Volk ohne Staat ist entleibt . ., ein Staat ohne Volk ist entseelt. Jahn M. 111; Eine Myriade | zu früh entleibter Seelen. Ramler 116 (vgl. in 1: Winckel- mann). Ver-: ein-l.: Spondeen | an die Stelle zu v. [dem Gedicht]. G. 3, 107; Wiewohl sich Mann und Weib in einen L. v. Logau 2661; In die Gemein der Heiligen genommen und mit Christus geistlichem Körper verleibet und sein Glied gemacht. Luther 1, 202a; Ein Büchlein in welchem unter Anderm begriffen und verleibt ist, daß etc. 214a; 359b; HSachs G. 2, 144 etc. Gw. Doppelzsstzg.: Ein-v., z. B.: Wie dieser Glaube sich ihm fest ein-v. und mit ihm zusammenwachsen mußte. Fichte 8, 16; [Gott Vater] hat der Welt sich einverleibt. G. 2, 258; Ist dir denn so das Schelten gänzlich einverleibt, | daß ohne Tadeln du keine Lippe regen kannst? 12, 183; Daß dieser Held .. | sich deinen Reihen innigst einverleibt. 246; Dieses verlassene Wesen an Kindesstatt seinem Herzen ein-zu-v. 16, 134; Die neuen Jdeen schienen ihn jetzt in einverleibter Gestalt entgegenzukommen. König Kl. 3, 53; Mendelssohn 4, 1, 16; 4, 2, 150; Gleich den Gebeinen des Elisa verleiben sie einem fremden Leichnam moralisches Leben ein. IP. Fat. 1, 247; Er .. lenkt sein Pferd .. , |als wär’ er einverleibt und halbgeartet | mit diesem wackern Thier. Schlegel Haml. 4, 7; Daß ihr wiederum unter die Teutschen einverleibt worden. Zinkgräf 1, 283 etc. Zuw. (s. anerkennen etc.) als untrennbar: Östreich einverleibte diese seinen eigenen Heeren. Kapper Chr. 1, 5 etc. Dazu: Die Einverleibung der Provinz (ins Reich) etc. Zusámmen-: einverleibend zusammenschmelzen. Pictorius u. ä. m.