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Leib
II. Lēīb, n., –(e)s; –er; –chen, lein (Mz. –erchen, erlein); -, –es-:
1) das Leben, in den Verbind.: L. und Leben (s. d. 5a); Bei L–e nicht! (ebd.), auch als ein Wort: O beileibe. Regis Sh. 226; Ja beileibe kein Hase! Sch. 106a; Seinen L., L. und Gut verlieren, hingeben, in die Schanze schlagen, wagen, Einem nehmen, z. B. Spr. 5, 11; Luther 8, 364b; Werner Febr. 86 etc.; Etwas geht Einem an den L. (s. 3 und vgl. Hals 3). Im Allgm. veralt., wie z. B.: Guter Muth ist halber L. Franck Last F. 3b; Luther SW. 60, 150; 64, 105 u. v.; Sein lediger L. [das unverheirathete Leben] sei ihm auch noch Etwas werth. Gotthelf U. 1, 90. Vgl. I. Leben, Anm.; L-Geding, -Zucht, -Rente etc.; L–es-Strafe; leiben, entleiben; ableibig; Hat sich leiblos gemacht [entleibt]. Kurz Sonn. 195 etc.
2) (s. 1) veralt. = Person, s. Schm. 2, 415. So allgm. nur noch: Seinem L–e [sich] keinen Rath wissen. W. Luc. 1, 53 etc.; Von seinen Helden hat jeder auf seinen eigenen L. [für seine Person] | zwei oder drei [Weiber]. W. 15, 42; So hält er sich irgend eine liebenswürdige Gesellschafterin auf seinen eignen Leib. 22, 119; Jeder Jude hatte sich zwei Häscher auf den L. gemiethet. Immermann M. 1, 121; auch wo jedoch schon die Bed. 3 hineinspielt —: Einem ein Drama (G. Merck 1, 93), eine Rolle (Eckermann G. 2, 59) auf den L. schreiben, eigens für seine Pers., s. (zu 3): Schon beim Entwurf dieses Stücks hat er seine Charaktere den Mannheimer Schauspielern auf den L. gepasst. Palleske Sch. 1, 233; Doch passt eine solche Anstellung mir am füglichsten auf den L. Cham. 5, 224 etc., und als Bstw. in Zsstzg. zur Bez. von etwas zunächst für die Person des Herrn (Fürsten) Bestimmten, z. B.: L.-Arzt, -Kutscher, -Lakei etc., und verallgemeinert: L.- [Lieblings-] Essen, Speise, Obst, Pferd, Lektüre, Buch etc.; Ihr wohl berufener und verordneter L.- und Mundschulmeister. Rabener Br. 42.
3) (s. 1) der Körper (s. d., nam.
1) von noch oder doch früher belebten oder so gedachten Wesen: L. eines Menschen, Thiers; Der ätherische L. eines Engels; Sein [des Cherubs] zartes L–lein. W. 10, 153; Zum geist’gen L. den Erdenstoff verfeint. 20, 254; Die Scheidung zwischen Geist und Körper, L. und Seele (s. d.). G. 39, 187 etc.; Wie der L. ohne Geist (s. d.) todt ist. Jak. 2, 26; Mein L. ist jetzt ein Leichnam (s. d.), worin | der Geist ist eingekerkert. Heine Verm. 1, 149 etc.; Die Glieder des L–es; So wird er ganzes L–es zu Stein, vom Wirbel bis zur Fußzehe. Grimm M. 35; Einen kräftigen, gesunden, kranken, siechen L.; einen Schaden, Wunden, Narben, kein Fleckchen am L–e haben; Seinen L. [oder: sich] salben, baden, waschen; Gerne will ich | Trank und kräft’ge Speise dir und deinem müden L. [dir Müdem] ein laues Bad bereiten. Platen 4, 284; Seinem L. Gutes thun; Seinen L. oder seines L–es pflegen, warten; Nur für den L. [nicht für den Geist] sorgen; Seelen, die im L., nicht bloß dem L–e lebten. Uz 2, 168; Wie sie dem nächtlichen Galan | den Leib (s. a) zu grober Lust erlaubte. Nicolai 2, 43. Bibl.: Der sündliche L., der L. des Todes etc., insofern der L., das Fleisch, das Irdische, im Ggstz. zum Geist und Himmlischen, als das sündige gilt etc. Dagegen: Der L. des Herrn (s. Matth. 26, 26), die Hostie, Oblate; Ich beneide schon den L. des Herrn, | wenn ihre Lippen ihn indeß berühren. G. 11, 145; Klinger F. 10 etc. S. ferner:
a) in engrem Sinn: der L. ohne die Glieder (vgl. Rumpf, bei Menschen (und aufrecht gehenden Wesen) zerfallend in Ober- und Unter-L., bei Thieren in Vorder- und Hinter-L. etc.; Einen langen L. haben; Schlank von L–e; Es steigt das Riesenmaß der L–er | hoch über Menschliches hinaus. Sch. 58b; Wenn hoch die Röcke fliegen | und wollust- athmend, rückgelehnt, die L–erchen sich wiegen. Prutz Woch. 115; Wofern ein Maler einen Venuskopf | auf einen Pferdhals setzte, schmückte drauf | den L. mit Gliedern von verschiednen Thieren. W. HB. 2, 199 etc. (s. e— n).
b) in noch engrem Sinn: der Unter-L., Bauch: Einen dicken, aufgetriebnen L. haben; Speisen, die den L. aufblähen; Sich den L. voll Kirschen fressen. Tieck N. 6, 36; Sich den L. voll [Speise] schlagen, und nach Analogie: Sich den L. voll ärgern (vgl.: den Arger in sich fressen) etc.; Sich Etwas am eignen L–e [an der L–es-Nahrung, vgl.: am Munde] abdarben. Müllner 5, 142 etc.; Eröffnet Sinon still den Bauch der Fichte. | Gehorsam giebt das aufgethane Roß | die Krieger von sich, die sein L. verschloß. Sch. 31b etc., und von demselben Theil äußerlich: Einen vor den L. stoßen; Die Sprossen zum künftigen Strauchwerk waren an seinem L–chen eben angeflogen. Heinse A. 1, 319; Ihr L–chen rundum bepatscht und gestreichelt. 190; Den Arm um ihren L. [ihre Taille] geschlungen etc.
c) (s. b) Großes (Zinkgräf 1, 176), gesegneten (Stilling 1, 47) L–es sein, schwanger; Gieb ihnen unfruchtbare L–e [s. Anm.] und versiegene Brüste. Hos. 9, 14; Luk. 23, 29; Der Herr hatte ihren L. verschlossen. 1. Sam. 1, 5; Auf dich bin ich geworfen aus Mutter-L–e (s. d.), du bist mein Gott von meiner Mutter L. an. Ps. 22, 11.
d) (s. b) Offnen L. [Offnung s. d. —, Stuhlgang] haben, Ggstz.: verstopften L.; Harten L–es sein; Diese Arznei macht offnen L. etc.; Einem Kinde geht der L. aus, tritt der Mastdarm heraus. Zu dem Vorstehenden gehören einige größtentheils stehende Verbind. mit Präpos., nam.:
e) mit „an“, s. 1 und 2; Das Kleid muß mehr an den L. [an die Taille, s. a] geschlossen sein (G. 10, 72) od. schließen.
f) Kein Hemd, kein Zeug auf dem L. haben (vgl. l), daher übrtr.: Er hat es eben nicht auf dem L–e, nicht das Zeug (s. d.), die Mittel dazu; Einem Alles auf den L. hängen, Alles für Dessen Putz hingeben; Daß wir uns ein hübsches Kleid auf den L. schaffen können. G. 8, 130 etc.; Einem auf den L. rücken, ihm mit einem Angriff oder mit etwas ihn in Anspruch Nehmenden nahe kommen, s. n und als Ggstz. m; Einer Sache gradezu auf den L. gehn [drauf los gehn]. Gotthelf G. 210 etc. S. ferner 2.
g) Einem das Herz, die Eingeweide, die Gedärme aus dem L. reißen; Sich die Lunge aus dem L. predigen (Lewald W. 2, 380), schreien etc.
h) Gut bei L–e [wohl beleibt, s. d., dick, fett] sein, Ggstz.: Vom L–e [vom Fleisch] fallen; Meine Muhme ist hübsch roth und bei L–e. Weiße Kom. Op. 3, 393 etc.; Bei lebendigem (s. d. 1) L–e [bei Leibesleben, bei Lebzeiten, während mán lebt] etc. S. ferner 1.
i) Nichts im L–e [Nichts gegessen] haben, s. l; Sich das Essen in den L. hinein jagen, hastig essen etc.; Ich habe einen so innigen Ekel vor Allem in den L. gekriegt. W. Merck 2, 133 etc.; Das Herz (s. d.) im L–e lacht (Engel 1, 96), friert (Münchhausen 18) Einem, dreht sich Einem um (Immermann M. 2, 159); Kein Herz im L–e haben, kein Gefühl oder keinen Muth; Tell hat Ehre im L–e, er hat aber auch Furcht im L–e. Börne 1, 264; Wir haben den Teufel im L–e und fürchten uns vor keiner Antwort. 2, 315; Ward’s so eng ihr in der Welt, | als hätte sie Lieb’ im L–e. G. 11, 87 etc.; Dir steckt der Doktor noch im L. 143, du kannst das Wesen des Gelehrten nicht los werden etc.; Im kleinen Finger (s. d. 2p) mehr Verstand etc. haben als ein Andrer im ganzen L–e, in L. und Seele, in L. und Leben etc. Schmerzen, Schneiden, Grimmen im L. [d, in den Gedärmen etc.] haben; Der Schreck (oder es) ist ihm in den Leib geschlagen, er hat in Folge dessen Diarrhöe bekommen; Es fuhr ihm in den L., so daß er nicht weit gehen konnte, ohne den Forderungen der Natur zu gehorchen. G. 28, 69 etc., aber auch: Ich bin wie kreuzlahm, so ist’s mir in den L. geschossen. Höfer Leb. 266 etc. k) Mit bloßem, nacktem L–e [unbekleidet] gehn.
1) (s. f) Wenn man Nichts in (i) und um den L. hat und denn kein Holz im Ofen ist. Claudius 3, 31 etc.; s. auch b. m) Einem die Kleider vom L–e reißen; Die Kleider fallen ihm vom L–e; Er fällt vom L. (s. h) etc.; Sich Einen vom L–e halten, ihn nicht zu nahe kommen lassen (vgl. f); Bleib mir vom L–e (damit); Schaff mir vom L. den wilden Lärmer. Lenau Sav. 50; Drei Schritt vom L–e! etc. n) Einem (G. 9, 79; Sch. 1078b etc.), einer Sache zu L–e gehen, rücken, s. f; Hier geht er bereits dem französischen Trauerspiele so gründlich zu L–e. Danzel 358; Sie wollen ihm nicht zu L–e [wagen sich nicht an ihn etc.]. G. 10, 259 etc. 4) übrtr. von 3 auf Etwas, das in seiner Vereinigung und Gemeinschaft wie die Theile und Glieder des L–es ein Ganzes bildet: Er ist das Haupt des L–es, nämlich der Gemeine. 1. Kol. 1, 18 etc.; Mann und Weib ist ein L. Sprchw.; EinL.,ein Herz und eine Seelemit diesen engelähnlichen Sterblichen. W. 17, 74 etc., s. Erd-L.; ferner: Daß die Handlung nur sichtbarer L., die Absicht ihr Geist sei. Kl. M. 10, 306; Ohne den Moor sind wir L. ohne Seele. Sch. 110a etc. 5) Bauk. (vgl. 3a): an Säulen und Gebälk der nicht durch Glieder verzierte Theil. 6) Schneider. (s. 3a): an Kleidern der sich dem Leib (der Taille) anschließende und sie bedeckende Theil: Der L. an einem Kleide, Hemde etc., oder (gw. verkl.) ein derartiges Kleidungsstück für Frauenzimmer, vgl. Laurenberg 84 die Gegenüberstellung des Hoch- und Plattdeutschen: Eur Magd ein L–chen hat, unse Deeren drecht een Jope [unsre Dirne trägt eine Juppe]; Ihre Brust und Rücken mit einem kurzen Leibichen bedeckt. Mandelslo 122b, s. Zsstzg. 7) s. Luppe.
Anm. S. I. Leben, Anm. Oberd. Mz.: Die Leibe [eig. dem masc. gemäß, wie Leiber dem neutr. wie noch plattd. vgl. das schwankende Geschlecht von 6, nam. von Schnür-L.], z. B. Hos. 9, 14; Luk. 23, 29; Ihre staubige und schweißige L. abzuwäschen. Schaidenreißer 14a etc.
Zsstzg. z. B.: Menschen-, Männer-, Frauen-, Kinder-, Engel-, Thier-, Pferde-, Drachen-L. etc., ferner: Áb-: s. Ableiben.
Bérg-: s. Luppe. Bínd- [6]: ein zuzubindendes Leibchen. Brúst- [6]: Brustlatz. Erd- [3; 4]: die Erde, als beseelter Körper gedacht, gewöhnl.: Erdkörper: Wie nicht der E. schwankt, weil ihn der Arm umflicht | der Luft. Rückert Rost. 90a.
Erden-: der irdische Leib. JP. 29, 144.
Frōhn-: gw. Frohnleichnam (s. Leichnam 1): Das Fest des F–s. Luther SW. 60, 294.
Götter-: eines göttlichen Wesens, z. B. der Venus. Stahr Par. 1, 140. Hínter- [3a].
Mármel-:
1) aus Marmor, z. B. von einem Standbild. 2) so weiß, wie Marmor etc. Kosegarten Rh. 3, 6. Míttel-: die Mitte des Leibes, wo Ober- und Unter- L. zusammenstoßen, Taille, Leibschnitt. Mútter- [3c]: zumeist abhängig von Präpos. in, aus, von etc. mit oder ohne Artikel (so gw. in der Bibel etc.), auch aufgelöst: Von meiner Mutter Leibe an. Hiob 31, 18 etc.; Allein, wie in M. G. 1, 10; Das Kind im M. Hebel 3, 347; Platen 4, 203 etc.; Guter Instinkt aus M–e. Heinse A. 1, 23; Warum bin ich nicht der Erste aus M. gekrochen? Sch. 105b; Ein Esel grauet auch im M. Zinkgräf 1, 266 etc. Öber- [3a]: Der Rumpf zerfällt in Ober- und Unter- L., jener in Hals und Brust, dieser in Bauch und Hüften. Oken 4, 327. Schnǖr- [6] ein mit Fischbein ausgesteiftes zuzuschnürendes unter dem Kleide getragnes Leibchen, das beßre Haltung und Gestalt geben soll, Schnürbrust (s. d.), gw. neutr., z. B.: Wie Jener seinen Wanst lässt in ein Sch. zwingen. Canitz 253 etc., doch auch masc., z. B. Freytag Soll 1, 242; Ein schmaler Sch. hat etwas Elegantes und wir preisen die schöne Taille. G. 14, 174; Heine NGd. 314; Es hat der Kraftuhlan | sich einen Sch. angethan. Pröhle J. 161; Vischer Ästh. 2, 286; 293 etc. Unter- [3b]: s. Ober-L.: Mein allerhöchster Kopf muß sich von den Kortes des U–es gänglen lassen. Börne Frzfr. 9; 138 etc. Dazu scherzh.: Ein Unterleibianer und Hypochondrist (s. d.). Augsb. Zeit. (1844) 2083b (FList); Auch das Wortspiel liebt die freien, zwecklosen Verkröpfungen, z. B. Kühne: „Wir Gelehrte sind sämmtlich Unterleibnizianer“. Vischer Ästh. 1, 426. Vórder- [3b] etc.