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lecken
Lécken: 1) intr.:
von Gefäßen, undicht in den Fugen für Flüssigkeit sein (mit haben) und: von Flüssigkeiten: durch ein Leck tröpfelnd rinnen (mit sein): Das Schiff, das Faß hat geleckt; Ein großer Theil des Weins i st aus dem Faß (aus-, heraus-) geleckt etc. So auch: L–de [triefende] Augen haben, wie umgekehrt bei den Böttchern: Ein Faß thränt, leckt; ferner: Ein Talglicht leckt, das Talg leckt herunter, nieder, ab etc., vgl. laufen 3e. 2) tr.: (mundartl.) mit Wasser sprengen: Pflanzen mit der Gießkanne l. 3) intr. (haben): springen, hüpfen; mit den Füßen ausschlagen: L. wie ein Kalb. Ps. 29, 6 mit der Randgl.: d. i. springen, hüpfen; Lecket wie die geilen Kälber. Jer. 50, 11; Daß ihr lecket mit den Füßen und die Schwachen von euch stoßet mit euren Hörnern. Hes. 34, 21; Hiob 21, 11; Weish. 19, 9; Lieber Esel, lecke nicht! .. du möchtest fallen und ein Bein brechen. Luther 8, 214b; 1, 360a etc. In dieser Anwendung wegen der nahe liegenden Verwechslung mit 4 veralt., nur noch sprchw. nach Ap. 9, 25: Wider den Stachel l., vgl.: Warum leckest du denn wider meine Opfer . ., die ich geboten habe? 1. Sam. 2, 29 mit der Randgl.: d. i. frech und muthwillig; Wider einen Stachel l.; denn wer Solches thut, Der machet sich selber blutrüstig, verlähmet und verderbet seine Füße. Luther SW. 35, 13 etc.; Leck nicht dem Stachel entgegen, unheilbringend dir. WHumboldt 3, 90; Es wird mir unmöglich sein, nicht gegen Ihren Stachel zu läcken. L. 10, 131, auch „löcken“, z. B. Danzel 249 etc. und von Manchen (wie Adelung bemerkt) mißverstanden und auf 4 umgedeutet: Mit der Zunge wider den Stachel l., s. auch 5. Vgl. weidm.: Wenn der Hirsch etwas mit dem hintern Lauft zurückebleibt und die Erde nicht so gar wegscheubet, so zwinget er doch vorne weg, daß es wie ein Löchlein wird. Solches heißt l. oder das Lecklein. Döbel 1, 10a. 4) tr.: mit der Zunge über Etwas saugend hinfahren, statt des Obj. zuw. auch mit Präpos. oder partitivem Genit. oder ohne Obj.: Die Hunde leckten ihm seine Schwären. Luk. 16, 21; Da sollen auch Hunde dein Blut l. 1. Kön. 21, 19; Die Hefen hast du ausgetrunken und die Tropfen gelecket. Jes. 51, 17 etc.; Welcher mit seiner Zunge des Wassers leckt, wie ein Hund lecket etc. Richt. 7, 5; [Die Mücke] leckte von dem heißen Schaume. Gellert 1, 45; An den Fingern l. oder saugen; Ein l–des [saugendes] Lamm mit quirlendem Schwänzchen. IP. 21, 102 etc.
a) Stehende Verbind.: Staub (Ps. 72, 9; Mich. 7, 17), den Staub von Jemandes Füßen (Jes. 49, 23), Einem die Füße (Gotthelf U. 2, 355), seine Fußsohle (Schubart 2, 305), den Absatz (Weise Jak. 88) l., tief im Staube sein oder sich so bekennen, sich demüthigen, erniedrigen vor Einem, vgl.: Wohl kriechen Lotterbuben, | staub-l–d rund um dich. Kosegarten Po. 1, 198; Den Staub zu l., athmend von des Königs Blick. FSchlegel Al. 59; Die Schmeichelei leckt nur um die Füße der Großen und beugt die geschmeidigen Kniee nur da, wo sie Belohnung hofft. Engel 8, 42, bei Schlegel Haml. 3, 2: Die Honigzunge lecke dumme Pracht etc.; Jemandes Speichel l., wie ein Hund, ihm auf die niedrigste, unwürdigste Weise schmeicheln; Der du jedem Reichen | dich anschmarotzest und speichelleckst. Droysen A. 2, 137; Ihr [Flüsse] sollt speichel-l–d fluthen unter dem Brückengekett des Römers. Grabbe Herm. 42; Daß die Partei du gewechselt, es macht Nichts. Lecktest du früher | fürstlichen Speichel, so leckst jetzo plebejischen du. Xen. d. Gegenw. 44 etc., vgl. Spucknapf und: Die Feder l., schmeicheln. Rachel 8, 139 etc.; Leck mich im Arsch (s. d. und Anm.). Luther SW. 60,, 3; Er sollte mich hintenl. Berlichingen 170 etc. Die Finger (s. d. 2d), die Lippen nach Etwas l., ab-l., gierig und lüstern danach sein; So schleckerhaftig die Finger danach l. Fischart B. 160b etc., so auch: Die leckten und schleckten! Gutzkow R. 8, 244, lebten in Wohltagen, in leckerer (s. d.) Fülle. Noch an Etwas zu l. haben, wie der Hund an den Wunden, die Nachwehen verspüren, daran zu leiden haben; Haben wir noch am Lütticher Feldzug zu l. König Kl. 2, 202 etc.
b) L., widerlich viel und oft küssen; L. und sabbern; L. und schlecken, vgl. Geschleck.
c) mit Angabe der Wirkung oder Bezug auf dieselbe, z. B.: Den Teller rein, leer (oder ab-) l., auch: Den Teller l. etc.; Ein Bär fing vorn an der Spitze der Stange so begierig an zu l., daß er sich die ganze Stange durch Schlund, Magen und Bauch bis hinten wieder hinaus leckte. Als er sich nun so artig auf die Stange hinaufgeleckt hatte. Münch- hausen 59 und danach Immermann M. 1, 5, nam. auch: Etwas l–d gestalten, z. B.: Ein Fleischklumpen, den die Mutter [die Bärin] erst zurecht l. müßte, wie die Alten gefabelt. Oken 7, 1669 und danach: Den Klumpen zur Gestalt heraus-zu-l., ihm erst einen geistigen Athem in die Nase zu blasen. Hegel (G. 40, 46); Frankreich leckt die deutschen Bären (s. d. 1 und 3: Heine Reis. 2, 47). Kästner (Schütze Ep. 2, 30) etc.; Der ... Skribentchen zeugt und größer leckt. JAEbert Gd. 1, 26; Wie nach der Edda der erste Gott durch die Kuh aus dem Stein geleckt wurde. Wolfg. Menzel (Pfeiffer Germ. 2, 230); Die Ziegen bildeten und besserten unaufhörlich an mir [dem zum Bock Gewordnen] d. h. sie leckten und putzten mich beständig, um den vollkommenen Bock aus mir heraus-zu-l. und zu putzen und jedes Fünkchen widerstrebender Menschheit mir ab-zu-l. Immermann M. 2, 147; Lecke, so will man, die Form nur schönlich! B. 95a. Sprchw. in Nordd.: Aussehn als hätte Einen der Bock, der Boll geleckt, ungemein glatt und sauber; ebenso: Aussehn wie geleckt und in den Künsten: Geleckt, z. B. von Gemälden, in denen die Farben zu peinlich vertrieben sind, so daß die Körper wie poliert etc. erscheinen: Die Behandlung ist zwar fleißig, doch weder geleckt noch peinlich. G. 31, 194, so auch: Seine mühsam hervorgedrückten und zierlich geleckten Poesien. HVoß JP. 55 etc. 5) intr. (haben), s. 3 und 4: züngelnd sich bewegen, emporspringen oder sprühen, nam. von verzehrendem Feuer, von sprühendem Wasser etc., vergl.: Tausend Wimpel, scharlachrothe | Mastzungen, leckten hoch im Blau. Freiligrath Garb. 108 und s. lechzen, Anm. c; Meer.., | leck’ immer nur hinan! SW. 5, 180 etc.; Schon geht der Wald in Flammen auf, | sie züngeln l–d spitz hinauf. G. 12, 55; Hinüber | leckt es [das Feuer] über den Kindergraben, | lodert in andres Gebüsch. Kl. Od. 2, 81; An den Ufern leckten die Wogen wüthend empor. Kohl A. 2, 402; Es leckt’ an ihm der Flamme Hauch. Schwab 2, 440 etc. und tr.: vom Feuer: Etwas züngelnd ergreifen, verzehrend packen: In Flammen, die seine Haare l. [züngelnd ergreifen]; Ein innerlich verzehrend Feuer | leckt euer jugendliches Blut. 143; Indessen leckt die eingeschloßne Flamme | ihr zartes Mark. W. 11, 274 und refl. = intr.: Ein Flämmchen leckt sich hell empor. Sallet (Hungari 2, 12), s. an-, auf-, um-l. etc.
Anm. Das Vorstehende umfasst versch. Stämme; über 1 s. lech II, Anm., woran sich 2 (ahd. lecchan, mhd. lecken) schließt; 3 s. goth. laikan, springen, hüpfen, mhd. leichen, s. auch die Anm. zu Laich, Lachs, Lakai, frohlocken etc.; 4) goth. (bi)laigōn, ahd. lëchôn, mhd. lëcken, skr. lih, griech. είεeν, lat. ligurire und lingere, nach Adelung’s richtiger Bemerkung Tonw., wie hebr. pf (lakak, von Hunden) l., l–d schlürfen. Dazu, außer „Lecker“ etc., auch schlecken; in 5 endlich sind die Bed. 3 und 4 verschmolzen, vgl.: Die Flammen luckten wild heraus | durch die zerschmolznen Fenster. Blumauer, lechzen, Anm. c und Lack III.
Zsstzg. z. B.: Áb-:
1) [1] nieder-l.: Das auf den Laden abgeleckte Salz. Karmarsch 2, 467 etc.
2) [2] Den Honig vom Teller, den Teller, die Finger (nach Etwas) a.; Du fängst schon an, die Lippen abzulecken [lüstern]. G. 11, 93; Die Schläge leckt ihm kein Hund ab, er hat sie einmal weg etc.
3) schwzr. = abblicken (niederd. abblucken), abblitzen, s. [5]: Das Fehlschlagen einer Spekulation, gleichsam das A. des Pulvers auf der Pfanne. Gotthelf G. 355. An- [4 und 5]: Der Höllenhund leckte ihn mit feuriger Zunge an. Alexis H. 1, 1, 182; IP. 4, 113; Von Flammen angeleckt. Kotzebue NSch. 10, 82 etc. Āūf- [4; 5]: Das Blut, den Schnee (Möser Ph. 1, 346), das Salz (Rückert Morg. 1, 245) a., aufschlürfen etc.; Das Feuer lecket das Wasser auf. 1. Kön. 18, 38; Franck Weltb.. 177a; So drung die Leidensflamm durch alle meine Glieder | und leckte Spreu und Stoppeln auf. Stilling 4, 272; Sobald die Sonne den Thau aufgeleckt hat. W. 21, 79; Hoch aufleckte die Fluth am Gestad etc., s. 2; auflechzen und emporl. 2) [3]. Āūs-:
1) [1].
2) [4] Den Honig aus dem Topf, den Topf a.; Die Schlangen leckten ihm die Ohren aus. W. Luc. 3, 332. Be- [4; 5]: Etwas b., daran lecken, es lecken, es glatt, rein lecken: Den Bart, den die Katze mit der größten Zierlichkeit beleckte. G. 23, 182; Die Kultur, die alle Welt beleckt. 11, 106; Einen heil’gen Splitter .., den sie belecket und beküsset. L. 1, 114; Sich diesen beschnüffelten, beleckten Brei wieder in den Mund schmieren lassen. 10, 176; B. den Schuhputzer, daß er sie vertrete bei Ihro Gnaden. Sch. 106b, in hündischer Demuth etc. Dúrch- [1]: Oben schwimmt der ganze Boden, es wird nächstens d. Goltz 1, 95. Eīn- [4]: leckend einschlürfen. Empōr- [5]. Ent-:
1) [1] leckend entrinnen, entträufeln: Der dem Faß e–de Honig. 2) [4] leckend entnehmen: Dem Faß den Honig e. Fórt- [4; 5]: Aus West ein Wind, | der leckte fort den Schnee. Kinkel 460. Hêr- etc. [1 und 4, nam. 4g u. 5]. Nīēder- [1]. Spēīchel- [4]. ūber-:
1) [1] leckend überlaufen, z. B. vom Talg des Lichts. 2) [5] hinüber-l. Um- [4; 5]: ringsum be-l.: Deren Bildnisse | der feingeschmeidge Epheu rings umleckt. H. 11, 139; Wann der Stier . . mit der Zung’ die Klauen sich rings umlecket. V. Arat. 201; Schmeichler umleckten | sein Haupt. Arist. 1, 390; Wehend umleckt’ ihn die Loh. Gd. 1, 22; Das Wasser wächst, schwillt und umleckt schäumend die schmale Platte. Waldau N. 1, 9. Ver- [1]: leckend verrinnen. Zer- [4]: entzwei lecken u. ä. m.