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lauschen
Lāūschen, intr. (haben):
1) versteckt hervorblicken, mit persönl. (s. 2 und 3) und unpersönl. Subj.: Die Berge .. l. über den Hochwald | .. in unser Thal herüber. Cham. 6, 242; Die Schalkheit lauscht im Grünen halb versteckt. G. 13, 121; Hübsche Angesichter | l. aus Kapuz’ und Linnen. Heine Rom. 59; Das Mondlicht | lauschet durch die Bogenfenster. 71; Elend lauschte aus den Augen. Tr. 52; Die Traube . ., die Pfirsche . ., | die üppig schwellend hinter Blättern l. Sch. 47a; Da l. furchtsame Nymphen | nur halb durchs junge Gesträuche bedeckt. Uz etc. 2) (s. 1 und vgl. Lausche 1): aus dem Versteck und Hinterhalt auf Etwas lauern (s. d.) in feindlicher Absicht etc. (vgl. 3): Mußte sie umher l. und aus den Meergeschöpfen mühsam ihre Nahrung sich auffischen. Burmeister Gsch. 355; Wirft es [das Garn] in die Welle | und lauschet in die See. Daumer 1, 244; Wie er [angelnd] lauscht. 149; Verborgne Winkel .., wo die Schaar | verschworener Verräther tückisch lauscht. G. 13, 266; Von den rings l–den Späheraugen. Gutzkow R. 9, 540; Stellen sie uns nach | und lauren ab, dahin zu stürzen | .. wie junger Leu in Höhlen lauscht. Mendelssohn Ps. 17, 11 ff.: Verrath und Argwohn lauscht in allen Ecken. Sch. 522a etc.: An diese Ort verbergen sich die Büchsenschützen und „laussen“ auf die Thier. Stumpf609b; Die Hasen wurden .. durchächtet sehr von einem Jäger | mit L. etc. HSachs G. 2, 112. Ugw.: Rückwärts schleichen feige Schlangen, | wenn sie l. Todesstiche [um tödtlich zu stechen]. Arndt 379. 3) (s. 2) die scharf angespannten Sinne (nam. des Gesichts und Gehörs) auf Etwas richten, damit Einem Nichts entgehe, vgl. spähen, horchen:
a) ohne abhäng. Vh.: Er steht am Fenster und späht und lauscht. Cham. 6, 235; 4, 154; Ruhend l. tausend Ohren. G. 1, 204; Horch! .. und stille hält er zu l. Sch. 62b; Gesetzt . ., daß .. Argus selbst vergebens sie belaure, | so lauscht ein Zeuge, den er nicht | betrügen kann, in seinem Busen. W. 10, 101; Ob sie denn noch nicht kommt, zu sehn. | Er hält den Athem an und lauschet. 11, 210 etc. Nam. oft im Partic., auch meton.: Mit einem l–den Blick seines scharfen Auges. Gutzkow R. 4, 143; Ein feinöhriger, spitzäugiger Priester mit l–der Nase. Heine Sal. 1, 73; Der l–de Faun hat sich nicht satt noch gesehn. Sch. 83a; Lauschte mit gerecktem Ohr. W. 1, 161; Sieh, wie mit l–dem Mund | und weitgeöffnetem Auge die Hörer alle passen. 20, 7; Das l–de Verlangen, | das ihre Lippen schwellt. 113; Gab die l–de Stille, die über der Gesellschaft zu schweben schien, das Zeichen, daß man sich zum Hören gestimmt fühle. 19, 161 etc.
b) mit abhäng. Satz: Wie ängstlich lauschtest du denn umher, ob kein Auge dich ertappt. Börne 2, 263; Sie lauscht, wie ferne das Kriegshorn gellt. Freiligrath 1, 51; Es schleicht ein Liebender, l–d sacht, | ob seine Freundin allein. G. 1, 131; Während sie schweigsam lauschte und fast lauerte, wie sich Anna entwickeln würde. Gutzkow R. 3, 442; Der in der ganzen Welt herum lauscht, ob nicht etc. Möser Ph. 1, 34 etc.
c) mit Dat.: O hätt’ ich seiner holden Rede nicht | gelauschet! Cham. 3, 38; Oft sprachst du mir von meines Vaters Thaten, | du weißt, wie ich dir lauschte. Sch. 610a etc.
d) mit abhäng. Präpos.: Was ist des Menschen Klugheit, wenn sie nicht | auf Jener Willen droben achtend lauscht? G. 13, 31; Krieger l. auf gemeßnes Wort. 340; Auf die Stimme meines Genius zu l. W. 9, 13 etc. Sie l. zu Thal [nieder]. Cham. 3, 166; Das Licht der Kerze | beugt sich ihr zu und möchte l. unter | das Augenlied, zu sehn verhüllte Sterne. Tieck Cymb. 2, 2; In die Tiefe, nach der Ferne l. etc. S. ferner Bedd. 4, 5, 6 in Anm. und Lauscher.
Anm. Ahd. lûschên, loskên und lûzên (mhd. lüschen, loschen, luzen), sämmtlich mit dem Grundbegriff des Verborgenseins (vgl. lat. lateo, gr. óó, cνcν), woraus sich die andern in angegebner Weise entwickeln, vgl. auch zu 2 (mundartl.) die Lauße = Setzhamen (s. Senkgarn = Laus. Campe) etc., wie auch goth. liutei, Verstecktheit, Verstellung, Arglist etc., s. auch als in den Begriff von l. miteinspielend lauren und (mundartl.) laustern, niederd. und seem. lüstern, z. B.: Lüstert aufs Kommando! [gebt Acht auf das nachfolgende] und von dem (gleichsam person.) Schiff: Es lüstert gut aufs Ruder = es hört darauf, lässt sich leicht dadurch regieren, das, wie „losen“ (s. d. 2) = hören (vgl. Losung) eig. mit hl anlautet, s. ahd. hlösên, (h)lûstrên, dem gr. ócω (höre) entsprechend, eines Stamms mit goth. hliuma (Ohr) und Leumund, ahd. (h)liumunt etc., der Ruf, mit der Fortbild.: be-, verleumden etc., ferner: laut (hörbar), ahd. (h)lût, mhd. lüt; der Laut, mhd. lüt, s. auch lauten etc. Wir geben einige Belege zu laustern und Zsstzg.: Drauf laustern. Eppendorf 55; Jedermann müsse nach seinen Worten hören und laustern. Weidner 172 etc.; Lasse meine Ohren weit ossen hängen .., laustre dir mit Fleiß auf. FrMüller (Wackernagel 3, 2, 780 Z. 24); Simplicissimus 2, 254; 397 etc.; Ihr Wildbret belaustern. 1, 153; Daß wir ihm doch nicht zulaustern. Zinkgräf 1, 222 etc. Ver- alt., mundartl. Bedd. von lauschen: 4) in Halbschlummer liegen; ruhen ohne zu schlafen (lunzen), vgl. lungern, Anm., launen, launschen. Schm. 2, 470 und lunen (s. lullen 3) und schwzr. leutschen = faulenzen. (Stalder): Ob ich .. da ruhen möcht und l., | das Wachen mit dem Schlaf vertauschen. HSachs G. 2, 177; Der fast träumend, l–d und stierend dalag. Gutzkow R. 6, 339; Mir scheint kein Großer gleich, | wenn ich entzückt in deinen Armen lausche. Hagedorn; Ich lauschte mit Molly tief zwischen dem Korn | .. Wir hatten’s so heimlich, so still und bequem | und koseten traulich etc. B. 58b, so auch: Jch .. sänk’ an deinen Busen nieder | und verlauschte den Verdruß. 6a, ich vergäße ihn, in deinen Armen l–d, ruhend. 5) von Flammen: lodern, flackern. Matthesius Luth. 146a; Da die Bergwitterungsflamme lichterloh [aus der Erde] ausgelauschet. Lehmann Meisn. Erzgeb. 430 etc. 6) mit „sein“ in Zsstzg. = l–d oder heimlich schleichen: Einzeln sind wir durch verschiedene Thore einhergelauscht. Weiße (Adelung) und so: Einem Etwas ab-l.: es ihm schleichend, ihn überrumpelnd abnehmen: Sobald wir wieder kalt werden, nehmen wir den Beifall, den er uns ab- gelauschet hat, zurück. L. 7, 9; Damit ja nicht ein gefährlicher Gedanke meine Neigung über-l. [schleichend überrumpeln] möge. Weiße (Adelung).
Zsstzg. vgl. die von spähen, sehen, horchen, hören und lauern, z. B. Ab-,tr.: Einem Etwasa., es ihm lauschend abmerken, es von ihm er-l., durch Lauschen gewinnen, sich zu eigen machen etc. (s. weg-l.): Ein Märchen, das sie ihren Eltern wollten abgelauscht haben. G. 20, 79; Der Reiter sollte dir [dem Pferd] deine Gedanken a. und du lauschest sie ihm ab. Gutzkow R. 1, 312; 8, 200; Mir an den Augen a–d, ob etc. Heine B. 71; Das Zauberwort, welches ich von deinen Lippen ablauschte. Immermann M. 3, 157; Hatte vor der Thür schon die ganze Unterredung abgelauscht. Musäus M. 2, 82; Das Lied, | das .. wir einem Gärtnermädchen abgelauscht. Platen 3, 133; Nachdem sie ihm erst abgelauscht, wo er hinauswollte. Schelling 2, 2, 443; Strengt bis zum Erblinden | die Augen an, nur einen Seitenblick | .. dem Engel abzulauschen [zu erhalten]. W. 11, 223; Was ich auf dem Wege der Beobachtung der Natur .. abgelauscht. 23, 93; 229 etc. Seltner mit Dat. der Sache: Wenn er’s versucht, dem Räthsel abzulauschen. Körner 122a. S. auch [Anm., 6].
Āūf-:
1) intr.:
a) aufhorchen, auf Etwas lauschen, s. empor-l.: Nicht mehr wirst du .. a–de Bäume . ., Orpheus rufen. Jacobs Verm. 2, 1, 119; Auflauschte der Held, das Gezweige borst. Kinkel 13; Neugierig dem Halbfremden a. Möricke N. 398; W. 34, 301 etc.
b) auflauern: An dem Grabe will ich dir a. G. 7, 224.
2) tr.: s. 1a a–d vernehmen, erl.: Mein Ohr soll hohe Weisheitssprüch a. H. R. 1, 203.
3) Dazu: Auflauscher [Horcher, Auflaurer]. Tieck 1, 50. Be-, tr.: Einen oder Etwas b., darauf lauschen, um es wahrzunehmen etc. (s. behorchen) oder auch es zu berücken, zu belauern: Da es nun einmal nicht länger zu verheimlichen ist, da du mich belauscht hast. G. 6, 319; Seine Gäste [durch die Astlücke] zu b. 25, 175; 164; Hat mich belauscht und belugst. König Kl. 3, 10; Die ich mit den Augen und Ohren eines Zentrichters belauschte. Thümmel 5, 42 etc. Dazu: Lasset keine Nachtigall | unbehorcht verstummen, | keine Bien’ im Frühlingsthal | unbelauscht entsummen. Hölty 177; Karlos zu b., | wenn Karlos unbelauscht sich glaubt. Sch. 262a; Ein schönes Mädchen, .. das baden will und unbelauscht sich meinet. W. 12, 284; 3, 17; Cham. 3, 144 etc.; Der scharfäugigste und tadelsüchtigste Belauscher. W. 19, 305; Kohl A. 3, 202; Michaelis 266 etc.; Belauschung. Waldau N. 1, 184 etc. Em- pōr-: auf-l. 1a: Er streckte sich, er lauscht’ empor. Schwab 352. Ent-: lauschend entnehmen, ab-l.: Du wirst dem Wald kein wirksam Lied e. Lenau NGd. 307; 187. Entgêgen-: Sie lauschte mit dem linken Ohr der Nachtigall entgegen. W. 13, 108. Er-, tr.: lauschend wahrnehmen (erspähen, erhorchen) oder abpassen: Die Aussagen der Zeit e. Börne 2, 108; Erlauschte er den Augenblick, wo er .. entschlüpfen konnte. Engel 12, 112; Daß man sich selbst eig. nur in der Thätigkeit zu beobachten und zu e. im Stande sei. G. 17, 330; Den Wunsch e–d. D Mus. 1, 1, 12 (Schöll); Offenbart ihm, was des Nachts erlauscht er. Platen 4, 324; 2, 171; Hielt die Laterne ihr dicht vor das Gesicht, um die Züge zu e. Steffens Malk. 2, 48; Wie mag sein Auge sie e.? Uhland 284; 338; Um sein Erwachen zu e. W. 3, 78 etc. Zuw. auch: Etwas e., es lauschend nehmen; Zuckerbrot aus den Händen eines tändelnden Mädchens e. Thümmel 3, 63. Hêr-, Hín- etc. [3 und 1]: Sie macht die Blinde, | lauscht aber durch die Finger her, | wie etc. B. 19a; Mit reinem, frischem Ohre hin-l. G. 39, 58; Mit welchem Blick er jetzt nach den Lippen der schönen Sängerin hinlauschte. Kinkel E. 338; Diese sich immer auf allen Seiten vorsehende, allenthalben hin-l–de, argwöhnische, überall Gefahr witternde Aufmerksamkeit. W. 24, 252 etc. Hinauf-l. zu den erleuchteten Fenstern. Prutz Eng. 2, 47. So konnte Dieser nur durch entfernte Fragen heraus-l., daß etc. Möricke N. 233. Lausche da und dort hinaus. G. 3, 92; Wenn dürstend eine Karawane | hinaus in alle Wüste lauscht. Lenau Sav. 928; Rückert Rost. 32a etc. Von außen in das erleuchtete Zimmer hin- ein-zu-l. Prutz Eng. 1, 346. Die Sterne, die so freundlich erst | herniederlauschten [1]. Uhland 207. Hervor- l–d und wie lustige Jäger ihre Zeit erpassend. Droysen Y. 1, 142; Der Reifrock bauscht, | darunter lauschen die .. Füßchen so klug hervor [1]. Heine Rom. 30; Philister, deren Zopf unter der rothen Mütze hervorlauscht. Lut. 2, 89; Reis. 1, 184; 3, 36 etc. Nāch-: lauschend nachspähen, nachhorchen: Donner, dem der Schiffer .. mit Angst nachlauscht. Burmeister gB. 2, 93; Horchet, schleichet, lauschet nach. H. 8, 362; Da Sie so ganz der Musik der menschlichen Seele in ihren tiefsten Accorden nachzulauschen [nachzuspüren] verstehen. Gutzkow Zaubr. 2, 242; Das Mädchen lauscht betroffen | dem Wohlklang nach, der im entzückten Ohr | noch wiedertönt. W. 3, 221 etc. Nīēder-: hernieder-l.: Aus jener goldnen Wolke n. Uhland 490. Um-, tr.: lauschend umgeben: Im u–den Gewimmel. Baggesen 5, 66; Jenes Pförtchen, das ich manche Stunde sehnsüchtig umlauscht hatte. Boas (DMus. 1, 1, 623); Von deinen Augen umlauscht. Hölderlin H. 2, 98 etc. Über-, tr. [Anm. 6]. Umhêr-: nach allen Seiten lauschen. Ver-, tr.: 1) lauschend verbringen, s. [Anm., 4]. 2) (weidm.) verhören (s. d. 2), „verlosen“. Vōr-: hervor-l. Wég-, tr.: lauschend wegstehlen, ab-l.: Hat das florentinische Mädchen . .. tausend | Reize der Reizenden weggelauschet. Platen 2, 156. Zū-: lauschend zuhören etc.: Der modernen Naīvetät lauscht man neugierig zu. Gutzkow G. 84; Musikalische Phantasieen, denen sie so gern zulauschten. Hackländer Tag. 1, 289; 314 etc.